Archiv für März 27th, 2008

“Bild” und Lidl: Kleine Meldung unter Freunden

“Frei nach Axel Springer: ‘Bild’ sollte nie irgendein Boulevard-Blatt, sondern eine Volkszeitung sein. Also Anwalt der Leser, Zuhörer, Ratgeber, Verteidiger, Helfer. Übersetzt heißt das: ‘Bild’ sagt nicht nur, was passiert. ‘Bild’ sagt auch, was die Republik fühlt. (…) Das ist unser Anliegen: zu dokumentieren, was die Menschen beschäftigt, was sie emotional umtreibt. ‘Bild’ ist (…) die gedruckte Barrikade der Straße. Das ist ihre Macht.”

Kai Diekmann im September 2005 im “FAZ”-Interview.

Wenn das, was Diekmann damals der “FAZ” sagte, noch gelten soll (und für etwas anderes gibt es keine Anhaltspunkte), dann “fühlt” die “Republik” so ziemlich gar nichts angesichts der Tatsache, dass beim Lebensmitteldiscounter Lidl die Mitarbeiter überwacht wurden.

“Bild” über den Lidl-Skandal

Der Lebensmitteldiscounter Lidl soll Beschäftigte systematisch überwacht haben. Angeblich wurde mit Überwachungskameras registriert, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen (…). Das berichtet der “Stern”. (…) Lidl-Geschäftsführer Jürgen Kisseberth wollte “nicht ausschließen”, dass es entsprechende Aufträge gegeben habe.

Dann findet die Republik nicht, es sei ein “Lidl-Skandal”, dass “Mitarbeiter bis aufs Klo bespitzelt” wurden, wie beispielsweise das Boulevardblatt “Berliner Kurier” heute auf der Titelseite (pdf) schreibt. Dann meint die Republik nicht, die “Stasi-Methoden bei Lidl” seien eine “Schweinerei ohne Gleichen”, wie das Boulevardblatt “Hamburger Morgenpost” auf der Titelseite berichtet. Dann ist die Republik auch nicht der Auffassung, Lidl sei “mit den jüngsten Enthüllungen” auf dem “Niveau totalitärer Sklavenhalter” angekommen, wie es in einem Kommentar (leider nicht online) der Münchner “Abendzeitung” heißt. Dann ist die Republik nicht mal an einer weniger aufgeregten aber ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Thema interessiert.

Wenn immer noch gelten soll, was Diekmann der “FAZ” sagte, dann löst die Bespitzelung von Mitarbeitern bei Lidl bei den “Bild”-Lesern ungefähr genauso viele Emotionen aus, wie die Tatsache, dass der VdK-Präsident Hirrlinger die Rentenerhöhung verteidigt (siehe Ausriss).

Aber das geht uns ja eigentlich gar nichts an. Schließlich ist es ganz allein Aufgabe der Redaktion, zu entscheiden, was wie und in welcher Größe über den Lebensmitteldiscounter und besonders guten Geschäftspartner von “Bild” in “Bild” steht.

Mit Dank an Tim, Denis K., Horst E. und Kai Z. für den Hinweis.

Tibet-Nepal-Schwäche von Bild.de chronisch

Ausgerechnet die staatlichen Medien Chinas, dessen Regime mit erheblichem Aufwand und großer Härte verhindert, dass sich die Menschen in China und über China frei informieren können, hat den westlichen Medien am Wochenende falsche und irreführende Berichterstattung über die dramatischen Vorgänge in Tibet vorgeworfen. Und das Schlimme ist: Im Kern stimmen die Vorwürfe. So haben unter anderem die deutschen Nachrichtensender N24 und n-tv Bilder von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestanten in Indien und Nepal als Aufnahmen aus China oder Tibet ausgegeben. Am Montag räumten RTL und n-tv schließlich ein, Bilder in einen falschen Zusammenhang gestellt zu haben, und bedauerten den Fehler.

Auch Bild.de hatte in der vergangenen Woche kurzerhand Fotos umdeklariert. Die Zeile “Hunderte Tote bei schweren Unruhen in Tibet” wurde mit dramatischen Aufnahmen illustriert, die nicht in Tibet, sondern in Nepal entstanden sind (siehe Ausriss). Davon, dass Bild.de den Fehler inzwischen ebenfalls eingeräumt oder sich gar dafür entschuldigt hätte, ist aber bislang nichts bekannt.

Vermutlich sollte man darauf auch nicht warten. Das Online-Angebot von Europas größter Tageszeitung macht seinen Lesern auch weiterhin ein Nepal für ein Tibet vor. Gestern berichtete Bild.de, dass China Klöster in Tibet abgeriegelt habe und dort ein Mönch verhungert sei, und zeigte ein zu dieser Meldung scheinbar passendes Foto:

Aber auch dieses Foto zeigt keinen Mönch in Tibet, schon gar keinen verhungernden, sondern einen Mönch in Nepal. Und das wusste auch Bild.de, denn der Original-Bildtext lautet:

An injured Tibetan monk protestor is helped by other monks during a protest rally in front of the visa section of Chinese Embassy in Kathmandu, Nepal, 25 March 2008. Nepalese police on 25 March y arrested over 100 out of several hundreds of demonstrating Tibetans in the first demonstrations by Tibetan exiles in Nepal targeting the Chinese embassy since the start of their campaign against Chinese rule in their homeland nearly two weeks ago. EPA/NARENDRA SHRESTHA

Und für alle Fälle hat die deutsche Nachrichtenagentur dpa einen deutschen Bildtext hinzugefügt. Er lautet:

Mehr als 100 Festnahmen bei Protesten von Exil-Tibetern in Nepal.

Nachtrag, 14.15 Uhr. Und selbst diese Zeile hätte man nicht lesen müssen, um wissen zu können, dass das Foto aus Nepal stammt. Das Original-Foto zeigt, wenn man es nicht so kunstvoll beschneidet wie Bild.de, die Buchstaben “NEP…” auf dem Schild eines Polizisten hinter dem Mönch. “NEP…” wie “NEPAL POLICE”.

6 vor 9

Jäger und Sammler
(taz.de, Martin Kaul)
Das Online-Portal StudiVZ und die “Bild”-Zeitung sind wie für einander gemacht: einer sammelt Daten, der andere strickt Storys daraus. Gut für die Konzerne – dumm für den User.

Der Schwarm trügt
(welt.de, Hendrik Werner)
Brockhaus fordert Wikipedia heraus: Warum Kollektive nicht unbedingt mehr wissen als Individuen.

News-Netzwerk der Tamedia geht am 8. August online
(persoenlich.com)
Nach einigen Verzögerungen steht nun der Starttermin für das neue Online-News-Netzwerk der Tamedia fest: Los gehen soll es am 8. August 2008. Dies gab der Projektverantwortliche Res Strehle am Mittwoch an einer Fachtagung des Medieninstituts bekannt. “persoenlich.com” fasst auf der Grundlage von Strehles Referat zusammen, welche Online-Pläne die Tamedia und insbesondere auch der “Tages-Anzeiger” verfolgt.

“Die Lage ist sehr schwierig”
(sueddeutsche.de, Peter Littger und Stephan Weichert)
Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger spricht im Interview über gefährliche Nachrichten-Monopole, aggressive Expansion und chinesische Blogger im Kampf gegen die Zensur.

So gängelt Peking Journalisten
(spiegel.de, Andreas Lorenz und Wieland Wagner)
Gesperrte Gebiete, perfekte Überwachung, Katz-und-Maus-Spiel mit Aufpassern: Chinas Polizei behindert nach den Unruhen in Tibet und den Nachbarregionen die zugesagte freie Berichterstattung aus dem Olympia-Land. Erfahrungen aus der Provinz Qinghai.

Bildschöne Bücher
(monocle.com, Video, 2:49 Minuten)
Less is more is the concept for Bildschöne Bücher, a small bookshop in Berlin that has grown out of the highly successful website 25books.com. Proprietor Bodo von Hodenberg, a former sales director of Taschen, takes a curatorial approach to bookselling, highlighting exceptional books in photography, art and design.