Archiv für März 17th, 2008

Kurz korrigiert (455)

"Laut Artikel 195 des Bundesgesetzbuches (BGB) können Sie Fehler von Handwerkern bis zu drei Jahre nach der Dienstleistung geltend machen."Hoffen wir mal, dass Eckard Pahlke, “Anwalt für Immobilienrecht vom Mieterverein zu Hamburg”, der heute in “Bild” die “wichtigsten Fragen” zum Thema “Ärger mit den Handwerkern?” klärt, die Wörter “Artikel” und “Bundesgesetzbuch” (siehe Ausriss) nicht selbst in den Text geschrieben hat – und dass dieser Unsinn kein Indiz für die Qualität der Ratgeber-Seite ist.

Mit Dank an Jings und Steffen K. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 23.50 Uhr (mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber): Zu Recht weisen uns viele Leser darauf hin, dass es sich bei der Beauftragung eines Handwerkers meist um einen sogenannten Werkvertrag handeln wird, für den die Verjährungsfristen nach Paragraph 634a BGB gelten. “Fehler von Handwerkern” kann man also für gewöhnlich bis zu zwei Jahre (bei Bauwerken fünf Jahre) geltend machen. Die von “Bild” angegebenen drei Jahre sind eher die Ausnahme.

Watchbloggen für Anfänger

Andreas Englisch, “Vatikan-Korrespondent” der “Bild”-Zeitung, hat sich heute mal als RTL-Watch-Blogger versucht. Fünf “Fehler” meint er, in dem gestern ausgestrahlten Thriller “Das Papst-Attentat” entdeckt zu haben. Einige davon sind merkwürdige Spitzfindigkeiten und Korinthen (wir wissen gar nicht, woher er das hat). Aber überhaupt scheinen “Bild”-Mitarbeiter eher nicht die idealen Voraussetzungen mitzubringen, um über die Fehler von anderen zu schreiben. Bei Englisch entsteht teilweise ein kaum noch entwirrbares Fehlergewirr:

Im Film heißt es, in Sagres (Spanien) sei 1917 Kindern das Papst-Attentat prophezeit worden. In Wirklichkeit soll die Muttergottes nicht in Spanien, sondern 1927 in Fatima (Portugal) der Ordensfrau Suor Lucia erschienen sein und den Anschlag angekündigt haben.

Sagres liegt nicht in Spanien, sondern in Portugal, auch im Film. Und im Film heißt es nicht, 1917 sei dort das Papst-Attentat prophezeit worden, sondern 1927. Dafür ereignete sich die angebliche Marienerscheinung in der Wirklichkeit nicht 1927, sondern 1917. Kurz gesagt: Ja, das Drehbuch des Films verlegte Ort und Zeitpunkt, aber Englisch beschreibt weder die Fiktion, noch die Realität richtig.

Englisch korrigiert weiter das Drehbuch:

Der Vatikan schickt den Italiener Andrea Conti (Jean-Yves Berteloot) als Sicherheitschef nach Köln. Er ist geweihter Priester und bei der Schweizergarde. Unmöglich! Nur ein Kommandant der Schweizer Armee kann Sicherheitschef der Garde werden, kein Italiener.

Mag sein, nur: Die Filmfigur des Andrea Conti ist gar kein Italiener. Das ist deutlich zu hören, weil er mit französischem Akzent spricht. Und: Er ist Schweizer.

Stellt sich die Frage, ob Englisch den Film überhaupt gesehen hat. Schlimmer wär’s eigentlich, wenn die Antwort Ja lautete.

Mit Dank an F.S. und Sascha.

Nachtrag, 18.30 Uhr: Dem “Wortvogel” sind noch andere unerklärliche, äh: “Fehler” in dem Spielfilm aufgefallen, die “Bild”-Fachmann Englisch unerklärlicherweise nicht aufgefallen sind, zum Beispiel dieser: “Der Papst im Film ist gar nicht Benedikt XVI, sondern Clemens Paul I — und den gibt es überhaupt nicht!”

Germany’s Next Toplessmodel (4)

“Für die ‘Bild’-Zeitung gilt das Prinzip: Wer mit ihr
im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr
im Aufzug nach unten. Diese Entscheidung muss
jeder für sich selbst treffen.”
(Springer-Chef Mathias Döpfner im “Spiegel” 25/2006)

Sparen wir uns heute mal die Vorgeschichte und zitieren, was (und wie) man bei “Bild” inzwischen über die “Gemany’s Next Topmodel”-Kandidatin Aline berichtet:

"Egal, ob sie wegen ihrer harmlosen Nackedei-Fotos aus Heidi Klums Pro-7-Show fliegen wird oder nicht (BILD berichtete): Aline [ist] auf dem besten Weg, ein neues deutsches Top-Model zu werden!"

Erstaunlich, wie da ein Titelschlagzeilen- und Titelseiten-tauglicher “Nackt-Skandal” (“Bild”) und die “eindeutigen Sex-Posen” (“Bild”) plötzlich zu “harmlosen Nackedei-Fotos” werden, nicht wahr? (Erstaunlich auch, dass sich das offensichtliche Zurückrudern mit den Worten “BILD berichtete” zusammenfassen lässt.) Aber erfahrungsgemäß richtet sich die Art der Berichterstattung in “Bild” gern danach, wie willfährig sich das Opfer Objekt der Berichterstattung zeigt.

Und wenn es stimmt, was wir erfahren haben und sich Aline nach der fehlerhaften, irreführenden und überflüssigen Berichterstattung über ihre “harmlosen Nackedei-Fotos” tatsächlich mit ihrem Anwalt entschieden hat, nicht gegen “Bild” vorzugehen, sondern mit “Bild” zu kooperieren, ist das bestimmt total klug von ihr. Denn, so Aline (20): “Als Model ist es doch mit 25 Jahren vorbei.”

Und Top-Model “Nackt-Model” Micaela Schäfer z.B., mit der “Bild” jahrelang Aufzug fuhr, wird schließlich auch nicht jünger.

Attrappe einer Korrekturspalte

Es ist ja, prinzipiell, eine schöne Idee, dass die “Bild”-Zeitung seit eineinhalb Jahren einen Ort hat, an dem sie in seltenen, ausgewählten Fällen Korrekturen ihrer Fehler veröffentlichen kann. Ob damit aber ein ernsthaftes Interesse verbunden ist, die Leser wenigstens nicht dümmer zu machen, als sie es vor der Lektüre der “Bild”-Zeitung waren, und eigene Fehler richtigzustellen, darf man bezweifeln. Nicht erst seit vergangenem Samstag, als es an dem entsprechenden Platz hieß:

Berichtigung

Umweltminister Sigmar Gabriel hat auf der Kabinettssitzung vom 8. August 2007 seinen Ministerkollegen Tiefensee auf Bitte des Kanzleramtes vertreten. Die Anwesenheit von Tiefensees Staatssekretär allein reichte nicht aus.

Da wüsste man als neugieriger Leser doch gerne, was “Bild” falsch gemacht hatte. Wir liefern diese Information, für die in “Bild” selbst offenbar kein Platz war, gerne nach.

“Bild” hatte am Freitag unter der ohnehin irreführenden Überschrift “Muss Gabriel Privat-Trip selber zahlen” geschrieben:

(…) Noch eine Ungereimtheit in Gabriels “Solo-Flug-Affäre”: Am Mittwoch verteidigte sich Gabriel im Umwelt-Ausschuss, er habe am fraglichen Tag Verkehrsminister Tiefensee im Kabinett vertreten müssen.

Doch dieser Aussage widerspricht das Verkehrsministerium. Sprecherin Sabine Mehwald zu BILD: “Es war lange vorher geplant, dass Herr Tiefensee nicht teilnimmt. Von Anfang an war Staatssekretär Großmann als Vertreter des Ministers eingeplant. Und der war auch anwesend.”

Zwischen der Aussage Gabriels und der des Verkehrsministeriums bestand aber — anders als “Bild” behauptete — kein Widerspruch. Bereits am Mittwoch hatte die Bundesregierung erklärt, Gabriel habe auf Bitten des Kanzleramtsminister an der Sitzung des Kabinetts teilgenenommen, weil es sonst nicht beschlussfähig gewesen wäre. Eine “Ungereimtheit” ergab sich nur für den, der nicht wusste, dass Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit laut der Geschäftsordnung der Bundesregierung ist, dass mindestens die Hälfte der Bundesminister persönlich anwesend ist.

Aber so genau wollte “Bild” das offensichtlich nicht korrigieren.

(Und online bleibt “Bild” bei seiner falschen Darstellung.)

6 vor 9

Mein DAX, dein DAX
(taz.de, Tanja Kokoska)
Leserreporter auf dem Vormarsch. Verleger entdecken ganz neue Möglichkeiten.

“Die Lust an der Selektion” – Ein Medienwissenschaftler erklärt den Reiz von DSDS
(sueddeutsche.de, Viola Schenz)
Norbert Bolz, 54, ist Professor für Medienwissenschaft an der Technischen Universität Berlin mit dem Forschungsschwerpunkt Massenmedien. Der studierte Philosoph und Religionswissenschaftler sieht in den Massenmedien auch einen Religionsersatz.

«Nie spontan ein Interview geben»
(vaterland.li, Markus Goop)
Machen die Liechtensteiner Unternehmen und Institutionen ein gutes Krisenmanagement? Es wäre noch Potenzial vorhanden, meint Medientrainerin Fabienne Lemaire-Zünd, die weiss, worauf es ankommt.

«Widmer-Schlumpf hat einfach nicht die ganze Wahrheit gesagt»
(presseverein.ch)
“Wenn es Ärger gibt, wird immer auf den Journalisten herumgehackt. Letzten Montag sagte mir Darbellay im Parlament noch, er sei zufrieden, er habe den Film zwar noch nicht gesehen, aber nur begeisterte Reaktionen gehört. Dann wurde der Film von der SVP politisiert, und jetzt sagt Darbellay, der Film sei realitätsverzerrend. Darbellay hat übrigens seine Aussagen vor der Ausstrahlung genehmigt.”

Der Schweiz gehts gut – dank den Deutschen
(sonntagonline.ch, Benno Tuchschmid und Katia Murmann)
Unsere Wirtschaft boomt und boomt – laut neuen Zahlen zu einem schönen Teil wegen der Deutschen. Sie kurbeln die Wirtschaft an, füllen Wohnungen und sorgen in den Kantonen für fette Steuereinnahmen.

Shooting Britney
(theatlantic.com, David Samuels)
How a French journalist recruited a posse of Brazilian parking attendants and pizza-delivery guys and helped create Hollywood?s most addictive entertainment product.