Archiv für September 25th, 2007

Über die Kreditwürdigkeit von “Bild”

Das Schöne an exklusiven Vorabmeldungen der “Bild”-Zeitung für nachrichtenhungrige Agenturen und Online-Medien ist, dass sie aus ihnen regelmäßig zwei Geschichten machen können. Eine, in der sie die “Bild”-Informationen weiterverbreiten. Und kurz darauf eine weitere, in der sie die “Bild”-Informationen richtigstellen.

Das hier ist auch so ein Fall. Gestern berichtete “Bild”-Chefreporterin Verena Köttker:

188 Milliarden Risiko-Kredite bei deutschen Banken!

Bonn — Bei den Banken in Deutschland schlummern Risiken in dreistelliger Milliardenhöhe! Nach internen, vorläufigen Zahlen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beliefen sich die “faulen Kredite” im vergangenen Jahr insgesamt auf rund 188 Milliarden Euro. (…)

Die Nachrichtenagenturen AP und ddp machten daraus schon am Sonntagmittag Meldungen. Die “Bild”-Behauptung wurde wie üblich ungeprüft von diversen OnlineMedien übernommen und fand sich am Montag unter anderem in der “Financial Times Deutschland” — ohne den relativierenden Zusatz von AP: “Bei der BaFin war am Sonntag zunächst niemand für eine Stellungnahme erreichbar.”

An der “Bild”-Meldung stimmt nicht viel. Die 188 Milliarden Euro beziehen sich nicht auf das vergangene Jahr, sondern auf 2005. Es handelt sich nicht um eine “interne, vorläufige Zahlen”, sondern eine Angabe aus dem BaFin-Geschäftsbericht 2006 (Seite 131, pdf). Der ist bereits im Mai dieses Jahres veröffentlicht worden, und auch die 188 Milliarden Euro sind seitdem nicht unentdeckt geblieben: Der NDR zum Beispiel nannte sie in einem Bericht am 30. Mai 2007.

Und auch der Eindruck, den “Bild”, AP und ddp wecken, dass es sich bei den 188 Milliarden um eine besonders hohe Zahl handele, ist falsch. Der BaFin-Geschäftsbericht (siehe Ausriss) zeigt, dass sie einem deutlichen Rückgang gegenüber den Vorjahren entspricht.

Am Montagvormittag hatten die Agenturen dann endlich jemanden bei der BaFin für eine Stellungnahme erreicht. Eine Sprecherin sagte, dass sich die “faulen Kredite” nach vorläufigen Berechnungen 2006 sogar nur noch auf 150 Milliarden Euro beliefen — das ist der niedrigste Stand seit acht Jahren.

Und AP und ddp meldeten plötzlich, irgendwie unter Bezug auf “Bild” und gleichzeitig als Korrektur: “Volumen notleidender Kredite bei deutschen Banken gesunken” und “Weniger faule Kredite bei deutschen Banken”.

Mit Dank an Alexander N. und die “Süddeutsche Zeitung”.

Als Augenzeuge augenscheinlich ungeeignet

Unter der (womöglich gut gemeinten) Überschrift “Geschäftsleute & Kunden sauer: Rechtsextreme legen City lahm” berichtete die “Bild”-Zeitung gestern über eine NPD-Demonstration in Düren (siehe Ausriss).

Laut “Bild” gab es in Düren deshalb:

  • “300 Gegendemonstranten des ‘Bündnis gegen Rechts'”,
  • “180 Rechtsextreme der NPD”
  • und “fast so viel Polizei wie Rechtsextreme”.

Tatsächlich sprechen das “Bündnis gegen Rechts” und die örtliche Presse nicht von 300, sondern von rund 1200 Gegendemonstranten — eine Zahl, der sich die Dürener Polizei auf unsere Nachfrage hin anschließt. Auch die “Bild”-Behauptung, es sei “fast so viel Polizei wie Rechtsextreme” vor Ort gewesen, ist laut Polizei “augenscheinlich falsch”. Genaue Zahlen wollte man zwar nicht nennen, doch sprechen auch hier Gegendemonstranten, Presse und NPD übereinstimmend von ca. 1200 Polizeibeamten.

Inwiefern die Rechtsextremen (deren Route ums Stadtzentrum herum gelegt worden war) in Düren die Geschäftsleute und Kunden sauer machten und die City lahmlegten, wissen wir nicht: “Bild” nennt keinen Beleg für diese Behauptung, Augenzeugen berichten uns das Gegenteil, und die “Dürener Nachrichten” schrieben:

[Die Polizei] lobt ausdrücklich die Dürener Bürger, die (…) für die Einsatzmaßnahmen volles Verständnis gezeigt hätten. (…) Auch die Dürener Geschäftsleute hätten die Polizei auf vielfältige Weise unterstützt.

Dass die Dürener Innenstadt “großteils gesperrt” war, wie “Bild” schrieb, lag nach Polizeiangaben übrigens nicht zuletzt daran, dass Düren sich am Tag der NPD-Demo mit einem “autofreien Tag” an einer europaweiten Aktion beteiligt hatte.

Mit Dank an Jens F. für Hinweis und Scan.

6 vor 9

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