Archiv für Februar 27th, 2007

“Bild” macht Klinsi sein Verdienstkreuz mies

Klinsi holt ja morgen sein Bundesverdienstkreuz ab. Und deshalb steht es heute auch in “Bild”:

Überschrift: "Klinsi holt morgen sein Bundesverdienstkreuz ab" Im Text: "Bei Angela Merkel im Bundeskanzleramt wird ihm am Mittwoch das Verdienstkreuz am Bande (dies ist die unterste Stufe) angehängt."

Der Halbsatz in Klammern ist bemerkenswert. Damals, als Johannes B. Kerner das gleiche Verdienstkreuz verliehen bekam, hatte “Bild” den Halbsatz nicht dazugeschrieben. Als Hans-Wilhelm Gäb es verliehen bekam, auch nicht. Und als Dr. Dr. h.c. Manuela Schmid bei einer “Herz für Kinder”-Gala “1 Million Euro aus ihrem Privatvermögen spendete”, wurde zwar ausdrücklich erwähnt, dass “die Frau mit dem goldenen Herzen” noch “im April 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet” worden sei. Den Zusatz, dass es sich dabei um die “die unterste Stufe” der Auszeichnung handele, suchte man jedoch auch da vergeblich.

Darüber, warum “Bild” ihn ausgerechnet bei Jürgen Klinsmann dazugeschrieben hat, kann man deshalb nur spekulieren.

Bild.de fällt über englische Zeitungen her!

Es gibt journalistische Herausforderungen, die sich wirklich meistern ließen. Die Berichterstattung britischer Zeitungen über Pokalfinale Chelsea gegen Arsenal korrekt zusammenfassen: Das müsste doch machbar sein.

Nach Durchsicht der entsprechenden Artikel befand Bild.de gestern:

Britische Presse vernichtet Ballack

bzw.:

Englische Zeitungen fallen über Ballack her!

…und zwar “wie noch nie”! Na, dann gehen wir die Beispiele schnell mal durch.

Die “Daily Mail” schrieb: “Ballack hat weder die Kraft noch die Begeisterung, um es mit den Arsenal-Youngstern aufzunehmen.” Er habe einen “anonymen Auftritt” hingelegt.

Naja: Das zweite Zitat ist gar nicht aus der “Daily Mail”, sondern aus dem “Daily Telegraph”. Und das erste Zitat stimmt zwar, aber so furchtbar vernichtend kann es nicht gemeint gewesen sein: Die “Daily Mail” gab Ballack für seinen Auftritt 7 von 10 möglichen Punkten — und erklärte ihn damit zu einem der besten Spieler.

Die “Sun” nannte den Deutschen “faul”. Der “Daily Mirror” ätzte, Ballack sei “wieder einmal eine Riesen-Enttäuschung” gewesen.

Rumms! Was für eine vernichtende Kritik!

Och jo: Korrekt übersetzt lautet das “Daily Mirror”-Zitat: “Lieferte den Pass für Drogbas Ausgleichstreffer, aber für einen WM-Kapitän gegen kleine Jungs war das Spiel wieder eine Riesen-Enttäuschung…”

Überhaupt erwähnt die britische Presse Ballack dafür, dass sie ihn angeblich gerade “vernichtet”, erstaunlich beiläufig. Er steht alles andere als im Mittelpunkt der Berichterstattung, die meisten Bild.de-Zitate stammen nicht zufällig aus den tabellarischen Einzel-Kritiken der Spieler.

Weiter im Text:

Viele Zeitungen kürten Ballack zum schlechtesten Spieler des Matches.

Ja? Wir haben keine gefunden. Der “Daily Mirror” fand drei andere Spieler genauso schlecht wie Ballack und zwei eingewechselte Spieler schlechter, der “Daily Telegraph” fand insgesamt fünf Spieler genauso schlecht wie Ballack und zwei schlechter. Die “Sun” fand zwölf Spieler schlechter als Ballack, der “Independent” neun, der “Guardian” acht, “The Times” fünf.

Wie gesagt: Es gibt journalistische Herausforderungen, die sich wirklich meistern ließen. Man muss es natürlich wollen.

Nachtrag, 19.20 Uhr: Der Bild.de-Artikel beruht auf einer dpa-Meldung, die selbst schon zweifelhaft war und von Bild.de mit zusätzlichen Fehlern und dramatischen Übertreibungen angereichert wurde.

Danke an Mario G. und Harald G.!

Allgemein  

“Bild” und “BamS” klauen Mohnhaupt-Fotos

Wie sieht die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt wohl heutzutage aus? “Bild” wollte das gerne zeigen. Da sie aber nur uralte Fahndungsfotos von Mohnhaupt kannte, veröffentlichte “Bild” am 17. Februar eine Art Phantom-Bild, das angeblich nach Zeugenaussagen angefertigt wurde. Dazu stellte “Bild” die Frage: “Sieht RAF-Mohnhaupt heute so aus?”

Die “BamS”, die auch gerne zeigen wollte, wie Mohnhaupt heute aussieht, hatte einen Tag später eine andere Idee: Sie zeigte echte, ziemlich aktuelle Fotos von Mohnhaupt. Eines auf der Titelseite und ein noch größeres auf der Seite zwei (siehe Ausriss). Und am Tag darauf zeigte dann auch “Bild” eines dieser Fotos. Beide hatten kein Recht dazu.

Die Fotos stammten aus dem “Trostberger Tagblatt”. Das hatte sie bereits am 14. Februar veröffentlicht — exklusiv. Bekommen hatte das “Tagblatt” die Fotos von Mohnhaupts ehemaligem Gefängnisseelsorger Siegfried Fleiner, den Mohnhaupt schon seit einigen Jahren regelmäßig besuchen durfte. Das “Trostberger Tagblatt” hatte mit Fleiner über Mohnhaupt gesprochen und in einem Artikel über das Gespräch auch die Bilder veröffentlicht. Der Redaktionsleiter des “Trostberger Tagblatts”, Karlheinz Kas, sagt uns, man habe Fleiner zugesichert, die Fotos nicht weiterzugeben. Und daran habe man sich gehalten. (Allerdings hatten weder Fleiner, noch das “Trostberger Tagblatt” Mohnhaupt gefragt, ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sei).

Und trotzdem fanden sich die Fotos aus dem “Trostberger Tagblatt” also wenig später in “Bild” und “BamS” (dort inklusive Fotonachweis “Trostberger Tagblatt, Privat”). “Bild” und “BamS” hatten die Bilder einfach “geklaut”. Deshalb geht das “Trostberger Tagblatt” jetzt juristisch gegen den Springer-Verlag vor. Wie man uns bei der beauftragten Kanzlei Beiten Burkhardt sagt, hat Springer bereits eine Unterlassungserklärung unterschrieben, in der sich der Verlag verpflichtet, die Fotos nicht mehr zu veröffentlichen. Außerdem werde man in Kürze Schadenersatz geltend machen.

“Bild” und “BamS” werden es wohl verschmerzen. Voraussichtlich werden sie zwar etwas mehr zahlen müssen, als wenn sie die Fotos regulär gekauft hätten, aber das konnten sie ja nicht. Schließlich hätten weder Fleiner noch das “Trostberger Tagblatt” “BamS” oder “Bild” das Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben — wenn sie denn gefragt worden wären.

6 vor 9

An der Erkenntnisschnittstelle
(fr-online.de, Stephan Loichinger)
Max Dax, der neue Chefredakteur der “Spex“, über Kontinuität und Wandel beim Neuanfang des Musikmagazins.

“E-Mails kühlen Ärger ab”
(welt.de, Thomas Heuzeroth)
Der Chef des kanadischen Blackberry-Herstellers Research in Motion, Jim Balsillie, hat der Welt das E-Mail-Handy gebracht. Damit sind Nutzer rund um die Uhr und überall erreichbar. WELT ONLINE spricht mit Balsillie über Kommunikationssucht.

Bei Anruf Sex
(watchberlin.de, Video, 3:11 Minuten)
Oliver Gehrs über Sexanzeigen in Printmedien.

Die Ruhe der Riesenschildkröte
(faz.net, Andreas Kilb)
Seit Google angekündigt hat, die Inhalte großer englischer und amerikanischer Bibliotheken ins Netz zu stellen, tickt die digitale Uhr. Europa lässt sich Zeit bei der Digitalisierung seines Kulturerbes. Verspielt es so die Zukunft?

Hat Deutschland ein Problem mit der Pressefreiheit?
(dw-world.de, Daphne Antachopoulos)
Ein Geheimdokument des BKA, ein Journalist, der es zitiert, und eine umstrittene Polizei-Razzia. Das ist die “Cicero”-Affäre. Nun entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Pressefreiheit verletzt wurde.

Ein Käfig voller Narren
(taz.de, Robert Misik)
Wie Henryk M. Broder in Wien auf einen anderen Durchgeknallten traf und dabei fast verhaftet wurde.