Archiv für November, 2006

Pack’ die Badehose ein!

Diese große Schlagzeile steht heute auf Seite 2 der “Bild”-Zeitung:

"Wenn das keine Lustreise ist! 80 EU-Abgeordnete mit Ehepartner in die Karibik"

In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht auf drei Dinge hinweisen:

Erstens ist die Karibik nicht nur ein beliebtes Urlaubsparadies, sondern in weiten Teilen auch Entwicklungsregion.

Zweitens, schreibt “Bild” selbst im Text über die Ehepartner:
"Für (auf eigene Kosten mitreisende) Ehepartner"

Und drittens zeigt “Bild” unter der Zeile “Und diese Deutschen sind dabei” fünf Europaabgeordnete. Einer davon ist Andreas Schwab und eine weitere Lissy Gröner (siehe Ausriss).

Andreas Schwab teilt uns aber mit:

Das ist eine “lustige” Geschichte. (…) Nur: Leider fahre ich nicht mit. Und das war schon seit langem klar.

Und von Lissy Gröner erfahren wir:

Ich wäre gerne dabei gewesen, kann aber leider wegen mehrerer wichtiger Termine nicht an der Dienstreise teilnehmen.

P.S.: Der EU-Abgeordnete Michael Gahler, der auch mit nach Barbados reist, hat zum heutigen “Bild”-Artikel übrigens eine informative Pressemitteilung herausgegeben, die den Titel trägt: “BILD hat recht — aber noch viel mehr unrecht!”

Nachtrag, 17.11.06: “Bild” berichtigt den Karibik-Artikel in ihrer heutigen Korrekturspalte — allerdings nur teilweise:

Nachtrag, 17.11., 18.56 Uhr: Andreas Schwab versichert uns auf Nachfrage noch einmal, dass er “seinen Platz” nicht “kurzfristig einem anderen Abgeordneten-Kollegen zur Verfügung gestellt” habe.

“Welt” wirft “Bild” potentiellen Rufmord vor

Auch die “Welt” berichtet heute über “das offene Lexikon Wikipedia, das wegen seiner Anfälligkeit für Manipulationen von einem Boulevardblatt ‘Wikifehlia’ genannt wird” (wir berichteten). Ohne das “Boulevardblatt” — das ja bekanntermaßen wie die “Welt” im Springer-Konzern erscheint — beim Namen zu nennen, heißt es:

In dieser Woche haben sich auf den deutschen Seiten der Wiki-Gemeinde Textpassagen gehäuft, die mehr darstellen als sachliche Fehlinformationen, sondern zudem auf die Verunglimpfung von Prominenten zielen. (…) So pubertär lebensgeschichtliche Klitterungen wie diese auch anmuten mögen, so sehr sind sie dazu angetan, den Tatbestand eines Rufmordes zu erfüllen. Nicht etwa nur der verleumdeten Person, sondern auch des Online-Nachschlagewerks, das sich derzeit müht, sein anarchisches Image abzustreifen. Die Mühsal dürfte nicht geringer werden. (…) Kein Schelm, wer an kalkulierte Koinzidenz dabei denkt, dass besagte Zeitung, die Wikipedia als ‘Wikifehlia’ schmäht, kurz vor den biographischen Attentaten dazu aufgerufen hatte, in dem Forum nach Falschinformationen zu fahnden und diese zu melden. Auch dies ist potentieller Rufmord.”

Mit Dank an Mathias S. für den Hinweis.

6 vor 9

Bild versus Wikipedia
(telepolis.de, Ernst Corinth)
Wer macht die meisten Fehler?

Bild.de verursacht Pornowelle
(notes.computernotizen.de)
Das Phänomen des Slashdottens ist alt bekannt: Wenn ein Angebot auf der IT-Nachrichtenplattform Slashdot verlinkt ist, geraten die Server ins Schwitzen. Bei weniger computeraffinen Medien passiert das in der Regel nicht – das Publikum ist nicht klickfreudig genug. In der Regel zumindest.

Kuriose Strategie – Die Pressehostessen der NPD
(ndr.de, Video)
Auf ihrem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende in Berlin sind die NPD-Funktionäre den Reportern mit einer neuen Strategie entgegen getreten: So genannte Pressehostessen führten die Berichterstatter mit einem Lächeln zu den ihnen zugewiesenen Plätze. Fragen durften die jungen Frauen zwar nicht beantworten, aber für eine gute Atmosphäre sorgen.

Reale Investitionen in virtuelle Welt
(werbewoche.ch, Christian Lüscher)
Die Online-Community Second Life ist der neue Star im Web. Konzerne wie der Axel Springer Verlag erproben die populäre Plattform. Dabei geht es noch nicht ums Geld, sondern um Publicity.

«Ich habe 7 Männer, je einen pro Wochentag»
(blick.ch)
Auch wenn die Männer in ihrer «Gender studies»-Kolumne nicht gerade glänzen, unsere männlichen Chat-Gäste hatten ganz besonders viel Freude an Regisseurin Güzin Kar. Hier können Sie das ganze Chat-Protokoll nachlesen.

Moralisten und Schaumschläger
(dasmagazin.ch, Martin Beglinger)
Mit der Integration wirds immer schwieriger, aber wie gross die Probleme inzwischen sind, will niemand sehen. Sogar Migrationsbeauftragte warnen, dass schlecht ausgebildete Ausländer vom Balkan oder aus der Türkei immer seltener auch kulturell in der Schweiz ankommen. Dennoch herrscht jenseits linker Harmonie und rechter Paranoia Funkstille. Zeit für ein paar Ideen und mehr Realismus.

Kurz korrigiert (286)

Im Duden steht:

kạlt|ma|chen (salopp): skrupellos töten: er macht dich kalt, wenn du ihm über den Weg läufst.

“Bild” schrieb am Montag über die sogenannte “Seckbach-Gang”:

Ein Sprecher der Polizei erklärt uns dazu:

Bandenmitglieder, die einen Auftrag nicht ausführen wollten, wurden unseren Ermittlungen nach “geschmeidig” gemacht, mit Ohrfeigen, Fausthieben und Ähnlichem. Es wurde aber niemand abgeschlachtet oder erschossen.

Mit Dank an Peter M. für den sachdienlichen Hinweis.

Jetzt XV


Wenn irgendwo eine “Hure erschossen” wird, ist das natürlich ein Thema – für “Bild”. Und so schreibt “Bild” heute (in Teilen ihrer Ausgabe) über die am 25. März 2006 ermordete Anamaria Negoita, die in Hof als Prostituierte arbeitete:

“Womit der Killer nicht rechnete: Eine Überwachungskamera nahm ihn auf!

Jetzt wurden die Bilder erstmals von der ‘Soko Karina’ veröffentlicht.

Nun ja: Tatsächlich wurden die Bilder am vergangenen Freitag von der “Soko Karina” veröffentlicht — allerdings nicht wirklich “erstmals”, wie “Bild” behauptet. Erstmals veröffentlicht wurden die Bilder indes vor siebeneinhalb Monaten. Und seitdem sahen sie (abgesehen von den Lesern verschiedener Zeitungen) allein in Sendungen wie “Aktenzeichen XY ungelöst” vom 4. Mai oder “Kripo Live” vom 11. Juni über 4,5 Millionen Zuschauer.

Jetzt wurden die Bilder nur erstmals von der “Bild”-Zeitung veröffentlicht.

Mit Dank an farry2003 für den Hinweis und Wolfgang K. auch für den Scan.

“Bild” als WIKIPEDIAblog (1)

“Bild”-Autor Sven Kuschel (“Lesbe (taubstumm) sticht Lesbe (taubstumm) nieder”, “Waldmensch metzelt Spaziergänger nieder”), schreibt heute über “Wikifehlia”:

Dieter Thomas Heck in Internet-Lexikon beleidigt

“Wikifehlia” habe “sein erstes Promi-Opfer”, heißt es eingangs. Zwar ist Heck keineswegs das erste “Promi-Opfer”, aber was da über Heck im Internet-Lexikon stand, ist wirklich eindrucksvoll. “Bild” schreibt:

So heißt es bei “Wikipedia” in Hecks Lebenslauf, er habe “nach einem Bombenangriff drei Tage lang onanierend unter einer Kellertreppe” gelegen: “Wegen dieses Traumas begann er nach seiner Rettung zu stottern.”

Weiter heißt es: “Heck nahm Gesangsunterricht, um seine Impotenz loszuwerden” — und es wird sogar behauptet, Heck habe “vor dem Krieg als Verkaufsleiter einer Kondomfirma gearbeitet”!

Immerhin steht im Text auch:

Die Schmutz-Einträge wurden mittlerweile gelöscht.

Bemerkenswerterweise steht im “Bild”-Text aber nicht, wann die “Schmutz-Einträge” überhaupt gemacht wurden. Dabei lässt sich das bei Wikipedia gut nachvollziehen: Die von “Bild” zitierten Passagen wurden nämlich am 13. November mittags von einem anonymen Nutzer abgeändert. (Derselbe Nutzer hat übrigens am Morgen des 13. November auch die Einträge zu Bata Illic und zu Karl Moik vandalisiert, was allerdings binnen einer Minute bemerkt und rückgängig gemacht wurde.)

Zur Erinnerung: Am selben Tag hatte “Bild” ihre Leser aufgefordert, Fehler im Online-Lexikon Wikipedia zu finden und zu melden.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Kurz korrigiert (285)

Vor knapp einer Woche druckte “Bild” (verbunden mit einem “BILD-Tipp!”) unter der Autorenzeile “Von Al Gore” ein paar Sätze von Al Gore. (Eigentlich war es — wie uns der Riemann-Verlag auf Nachfrage bestätigt — ein kurzer Auszug aus dem “BILD-Tipp!” aus einem Buch von Gore, was “Bild” nur versäumt hatte, den Lesern mitzuteilen. Aber egal.)

Al Gores kurzer Buchauszug findet sich seitdem auch bei Bild.de – illustriert mit einem Foto des Autors, das Bild.de wie folgt beschriftete:

"U.S. Vize Präsident Al Gore"

Und tatsächlich war Al Gore mal, was Bild.de “U.S. Vize Präsident” nennt — “vom 20. Januar 1993 bis zum 20. Januar 2001 (…) unter Präsident Bill Clinton”, wie es z.B. korrekt bei Wikipedia heißt.

Mit Dank an Sascha O. für den Hinweis.

Nachtrag, 19.55 Uhr: Inzwischen ist Al Gore auch bei Bild.de der “ehemalige US-Vize-Präsident”.

6 vor 9

Journalistisch anmutende Nachrichtenblogs
(telepolis.de, Simon Möller)
Im Jahr 2007 werden in Deutschland neue Internetgesetze in Kraft treten. Das “Telemediengesetz” und der “Staatsvertrag über Rundfunk und Telemedien” bringen inhaltlich kaum Neuerungen, gelten nun aber auch für Blogs und Podcasts. Ob die kleinen Online-Medien die hohen Anforderungen der Reform erfüllen können, ist aber fraglich.

Europa verschläft die Zukunft des Internet
(cafebabel.com, Alberto Nardelli)
Google kauft YouTube, Wikipedia wächst weiter: Europa muss auf die Herausforderung des Web 2.0 endlich reagieren.

Nutzer-Revolte auf YouTube
(futurezone.orf.at)
Während Medien- und Musikkonzerne von der Online-Videoplattform YouTube mit Millionenangeboten für Videorechte hofiert werden, gehen die Nutzer leer aus. Bei populären Amateurvideoproduzenten regt sich deshalb Unmut.

Zeitschriften-Trash (Teil 2)
(fudder.de, dirk)
Nach tantraesken Feuerstühlen und Unterhubers Tinky-Winky folgen heute schmalspurige Nymphen aus der Tschechei sowie zickige Eierrouladen in der Domrep. Teil zwei der acht unglaublichsten Druckerzeugnisse am Freiburger Bahnhofskiosk.

Presse unerwünscht
(jungle-world.com, Andreas Speit)
Im brandenburgischen Blankenfelde schlugen Neonazis eine Journalistin zusammen. Rechtsextreme Angriffe auf Journalisten sind keine Seltenheit.

“Blöd, peinlich und ärgerlich”
(berlinonline.de, Jakob Schlandt)
Die taz druckte eine komplette Zeitungsseite am nächsten Tag nochmal – aus Versehen.

Neuer “Torwart-Zoff” in “Bild”

Klar könnte ein Fußballtorwart sich einfach damit zufrieden geben, in der Nationalmannschaft bloß Ersatzspieler zu sein. Er könnte sagen: “Mein Anspruch ist, ewig die Nummer 2 in Deutschland zu bleiben.” Allerdings: Wer weiß, ob jemand mit so einer Einstellung überhaupt in eine Nationalmannschaft aufgenommen würde.

Der Fußballtorwart Timo Hildebrand jedenfalls (derzeit die Nummer 2 hinter Jens Lehmann) hat, nachdem er erfahren hat, dass er morgen gegen Zypern spielen soll, offenbar “ins DSF-Mikrofon” gesagt:

“Mein Anspruch ist, die Nummer 1 in Deutschland zu werden.”

Das steht heute so in “Bild”*. Der einleitende Satz lautet:

Wer gedacht hat, dass es nach Kahns Rücktritt ruhig werden würde im deutschen Tor, hat sich getäuscht.

Und seltsamer Weise sehen Überschrift und Seite-1-Aufmacher so aus:

"Neuer Torwart-Zoff vorm Zypern-Spiel: Hildebrand greift Lehmann an"

*) Ansonsten hat Hildebrand offensichtlich kein Wort über Jens Lehmann und sein Verhältnis zu ihm verloren, hat weder Lehmanns Spielweise kritisiert, noch behauptet, er sei besser als Lehmann oder irgendetwas anderes in der Richtung. Nur damit hier kein falscher Eindruck entsteht — was angesichts der “Bild”-Überschrift nicht verwunderlich wäre.

6 vor 9

Meister der Grauslichkeit
(extradienst.at, Bruno Jaschke)
Die Chronik einer Zeitung ist für die Leser-Blatt-Bindung und die Auflage gleichermaßen wichtig. Was braucht es, um ein Ressort zu leiten, in dem viel Grauslichkeiten vorkommen.

Süße Dänenrache
(faz.net, Siegfried Thielbeer)
In Kopenhagen stehen zwei Journalisten und der Chefredakteur der Tageszeitung ?Berlingske Tidende? wegen Geheimnisverrats vor Gericht. Sie hatten enthüllt, woher die Regierung Informationen über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen bezog.

Schwerstarbeit am Geschmack
(taz.de, Dirk Knipphals)
Das Feld ist ausdifferenziert. Was bleibt? Kultur braucht keine Rückkehr zur großen Erzählung, sie lebt auch nicht von Homestorys oder dem Hohelied der Theorie. Eine Gebrauchsanweisung für das Raumschiff Kulturkritik.

Wem gehört das Wissen?
(zeit.de, Gunhild Lütge)
Raubkopierer sind nicht zu stoppen. Sie bedrohen Musikindustrie, Filmwirtschaft und Verlage, aber auch Autoren und Künstler. Intelligente Lösungen lassen auf sich warten.

Web 2.0 geht an die Börse
(heute.de, Ulrich Hansen)
OpenBC” alias “Xing” heißt der neue deutsche Hoffnungsträger. Dazu ein Interview mit Lars Hinrichs als Video.

Der Fluch der Unterbrechung
(zeit.de, Jürgen von Rutenberg)
Vor lauter Anrufen, Emails und Internet kommen viele nicht mehr zum Arbeiten. Psychologen und Programmierer suchen verzweifelt nach Gegenmitteln.

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