Archiv für Juli 26th, 2006

Embedded Journalism

Bei einem israelischen Luftangriff im Libanon ist versehentlich der Stützpunkt einer UN-Patrouille in Chijam getroffen worden. Vier unbewaffnete Blauhelmsoldaten kamen dabei ums Leben.

“Versehentlich”. Dieses Urteil von Bild.de über den Vorfall steht in keiner Agenturmeldung. Eine ähnliche Aussage steht nicht bei “Spiegel Online”, nicht bei sueddeutsche.de, nicht unter FAZ.net, nicht in der Netzeitung, nicht bei der BBC und nicht bei CNN.

Das Wort “versehentlich” findet sich in einer Meldung der Nachrichtenagentur AP, aber dort steht es in indirekter Rede:

Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert bekundete sein tiefes Bedauern und erklärte, die UN-Soldaten seien bei dem Angriff in der Nacht zum Mittwoch versehentlich getötet worden.

Über dem Artikel heißt es bei Bild.de noch: “Israel spricht von einem Versehen”, aber dann spricht auch Bild.de von einem Versehen. Bild.de macht sich die israelische Version von dem Vorfall zu eigen und präsentiert sie als Tatsache.

Und offenbar nicht versehentlich, denn Bild.de vermeidet in der Meldung auch jeden Hinweis auf Vorwürfe gegen Israel. Immerhin hat Kofi Annan, der UNO-Generalsekretär, davon gesprochen, es habe sich um einen “offenbar vorsätzlichen” Angriff gehandelt. Seine Vorwürfe gehen seit heute nacht gegen 0.30 Uhr über deutschsprachige Nachrichtenagenturen und fehlen seitdem in kaum einem Bericht über den Vorfall.

Außer bei Bild.de.

Die “Unternehmensgrundsätze” der Axel Springer AG verpflichten ihre Mitarbeiter zur “Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes”. Offenbar in Kriegszeiten sogar um den Preis, die Leser schlecht zu informieren.

Danke an Pierre H. und Heinz-Gerd R.!

Wer liest “Bild” und “Bild am Sonntag”?

“Bild” und “Bild am Sonntag” sind immer noch mit großem Abstand die meistgelesenen Printmedien, die in Deutschland verkauft werden — aber sie verlieren zur Zeit nicht nur besonders viele Käufer, sondern auch Leser.

Nach den Umfragen der “Media-Analyse 2006/II”, die heute veröffentlicht wurde, erreicht jede Ausgabe von “Bild” 11,49 Millionen Leser, jede “Bild am Sonntag” 10,62 Millionen Leser. (Zum Vergleich: Der “Spiegel” kommt auf 6,00 Millionen Leser, die “Süddeutsche Zeitung” auf 1,11 Millionen.)

Gegenüber der letzten Media-Analyse vor einem halben Jahr hat “Bild” 330.000 Leser verloren. Bei “Bild am Sonntag” ging die Zahl der Leser um 240.000 zurück.

Nach wie vor sind “Bild” und “Bild am Sonntag” vor allem Männer-Zeitungen: Den gut sieben Millionen männlichen “Bild”-Lesern stehen nur knapp viereinhalb Millionen Frauen gegenüber:

Über die Hälfte der “Bild”-Leser gehört zur Arbeiterschicht*, obwohl diese Gruppe nur 37 Prozent der Gesamtbevölkerung stellt. Auch beim Grad der Ausbildung unterscheidet sich die Leserschaft von “Bild” und “Bild am Sonntag” teilweise deutlich von der Gesamtbevölkerung:

In den Pressemitteilungen der Axel Springer AG über die Ergebnisse der Media-Analyse zu “Bild” und “Bild am Sonntag” kommt der aktuelle Leserschwund übrigens nicht vor.

*) “Beruf des Haushaltsvorstandes (jetzt/früher): Facharbeiter / sonstige Arbeiter”