Von allen übergeigten “Bild”-Überschriften der letzten Jahre ist dies vermutlich die übergeigteste:
In der gedruckten Ausgabe steht am Ende der Überschrift wenigstens noch ein Fragezeichen:
Und bevor wir ins Detail gehen, sollten wir vielleicht zur Beruhigung schnell sagen: Die Nasa geht keineswegs davon aus, dass am 4. Mai 2102 die Welt untergeht. Sie geht sogar ausdrücklich davon aus, dass am 4. Mai 2102 die Welt nicht untergeht.
Mit erstaunlichem Mut zur Lüge erzählt der Londoner “Bild”-Korrespondent Peter Michalski ein apokalyptisches Märchen und schafft es dabei, den Sinn fast sämtlicher Tatsachen und Zitate ins Gegenteil zu verkehren. Sein Artikel beginnt mit den Worten:
Seine Sprengkraft entspricht allen Kernwaffen, die es auf der Erde gibt. Sein Ziel scheint eindeutig: Ein riesiger Asteroid ist unterwegs zu unserem Planeten. Am 4. Mai 2102, befürchtet die Nasa, schlägt er ein. So ihre Berechnungen.
Nein. Sein Ziel ist alles andere als eindeutig. Und die Berechnungen der Nasa sagen, dass der keineswegs “riesige” Asteroid “2004 VD17” die Erde mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,93 Prozent nicht treffen wird.
“Bild” schreibt:
Die Kollisionsgefahr hat sich verdreifacht. Die Nasa ordnete ihn als bisher einzigen Himmelskörper der Gefahrenstufe Gelb zu!
“Bild” hält sich auch diesmal nicht damit auf, zu erklären, was die “Gefahrenstufe Gelb” bedeutet. Die entsprechende Torino-Skala geht von 0 bis 10. “Apophis” erreichte Ende 2004 vorübergehend Stufe 4. Der Asteroid, um den es jetzt geht, steht nun nicht mehr auf 1, sondern auf 2. Stufe 2 bedeutet:
(…) there is no cause for public attention or public concern as an actual collision is very unlikely. New telescopic observations very likely will lead to re-assignment to Level 0.
(Es gibt keinen Anlass für öffentliche Aufmerksamkeit oder öffentliche Beunruhigung, denn eine tatsächliche Kollision ist sehr unwahrscheinlich. Neue Beobachtungen mit Teleskopen werden sehr wahrscheinlich zu einer Rückstufung auf Stufe 0 führen.)
Kein Anlass für öffentliche Aufmerksamkeit? Das weiß “Bild” aber besser:
Ein Einschlag hätte die Gewalt eines Erdbebens mit Stärke 7,4. Würde er in Berlin aufschlagen, gäbe es einen riesigen Krater: Zehn Kilometer breit, 530 Meter tief. Der Feuerball würde Bäume im Umkreis von 100 Kilometern in Brand setzen, unzählige Menschen töten.
Die Druckwelle wäre so stark, daß sie bis nach Hamburg (250 Kilometer entfernt) reichen und dort große Gebäude einstürzen lassen würde. Die Langzeitfolge wäre nuklearer Winter: Dunkelheit und Kälte durch aufgewirbelten Staub.
Die Kratergröße und der Erdbebenvergleich finden sich auch in seriösen Quellen. Aber wie kommt “Bild” darauf, dass dem Einschlag ein “nuklearer Winter” folgen würde? Die Wirkungen von Asteroiden-Einschlägen sind schwer vorherzusagen, aber Journalisten, die sich damit beschäftigt haben, sagen im Gegenteil: “2004 VD17” sei “nicht groß genug, um weltweite Verwüstungen anzurichten”, sondern könne höchstens erhebliche regionale Schäden verursachen.
Die einzige andere Quelle, die wir gefunden haben, die nach dem (sehr, sehr unwahrscheinlichen) Einschlag dieses Asteroiden einen “nuklearen Winter” heraufziehen sieht, ist die britische Boulevardzeitung “The Sun”. Die hatte schon am Freitag das bevorstehende “Ende der Welt” vorhergesagt. Der “Bild”-Artikel liest sich über weite Strecken, als ob ihr Autor, der wie gesagt in London sitzt, die “Sun”-Geschichte fast wörtlich übersetzt und auf deutsche Verhältnisse übertragen hätte.
Ahnung vom Thema scheint er nicht zu haben, denn er schreibt weiter:
Jüngste Schätzung des Treffer-Risikos: 1600 zu 1.
Nein, umgekehrt: 1 zu 1600. Oder 0,06 Prozent.
Und am Ende verleiht die “Bild”-Zeitung ihrem Märchen noch die nötige Schein-Glaubwürdigkeit und zitiert zwei Wissenschaftler:
Andrea Milani Comparetti von der Uni Pisa: “Ein echtes Problem – aber nicht für unsere Generation.” Nasa-Experte Dr. David Morrison setzt auf Hoffnung: “Zum Glück bleiben uns noch fast 100 Jahre.”
“Bild” hat Morrisons Zitat gekürzt. ImOriginal sagt er noch:
“This should provide ample time to refine the orbit and, most probably, determine that the asteroid will miss the Earth.”
(Das sollte uns genügend Zeit geben, die Umlaufbahn genauer zu bestimmen und, höchstwahrscheinlich, festzustellen, dass der Asteroid die Erde verpassen wird.)
Gegenüber dem “New Scientist” fügte der Wissenschaftler hinzu:
“We’re more likely to be hit between now and then by an object that we don’t know about.”
(Es ist wahrscheinlicher, dass wir bis dahin von einem Objekt getroffen werden, das wir noch gar nicht kennen.)
Oh je. Auf der Grundlage dieses Zitates könnte sich die “Bild”-Zeitung versucht fühlen, morgen zu titeln: Weltuntergang nicht einmal mehr 96 Jahre entfernt!
PS: Es gab schon vor zweieinhalb Jahren ähnliche Weltuntergangs-Szenarien aufgrund eines Asteroiden, weltweit und natürlich in “Bild”. Die Wissenschaftler waren danach so entsetzt über die absurde Panikmache der Medien, dass sie über eine völlige Abschaffung der Torino-Skala nachdachten.
Danke auch an Martin W., Michael E. und Axel B.!
Nachtrag, 13.10 Uhr. Auch Bild.de hat jetzt immerhin ein Fragezeichen hinter die Worte “Nasa: Weltuntergang in 96 Jahren” gesetzt. Sämtliche Fehler und irreführenden Behauptungen sind aber natürlich im Text geblieben.
Nachtrag, 18.25 Uhr. Die Schweizer Boulevardzeitung “Blick” hielt es für klug, die Falschmeldung von “Bild” zu übernehmen — nicht ohne sie um ein paar besonders abwegige Formulierungen ergänzt zu haben (“rast … exakt auf unsere Erde zu: ein riesiger Asteroid”).
Die “Bild am Sonntag” erklärt heute die ARD-Übertragung des Fußballspiels Deutschland gegen Italien zum “TV-Flop” der Woche — vor allem aus einem Grund:
In der Nachbesprechung blendete die ARD das Spielergebnis (Italien gewann 4:1) im Hintergrund falsch ein (Foto). (…) Abpfiff!
Ja, schlimm.
Und so sah übrigens die Startseite von Bild.de kurz nach Spielende aus:
Bild.de berichtet heute über die Verleihung der “Goldenen Himbeeren” für die schlechtesten Leistungen des vergangenen Filmjahres:
Seit 26 Jahren werden die “Razzies”, wie die Trophäen genannt werden, am Abend vor der Oscar-Nacht verliehen. Und wie jedes Jahr fand die Preisverleihung auch dieses Mal wieder ohne die Sieger statt.
“Wie jedes Jahr”? Keineswegs. Ein paar “Gewinner” haben sich die peinlichen Preise persönlich abgeholt. Der erste war 1996 Paul Verhoeven. Die vorerst letzte, erst im vergangenen Jahr, Halle Berry.
Nachtrag, 6. März. Bild.de hat die Formulierung “wie jedes Jahr” ersetzt durch “wie so oft”
Vielleicht hatte dieser BILDblog-Eintrag einfach zu viele Fremdwörter. Vielleicht enthielt er zu viele Kommas, vielleicht waren die Sätze zu lang. Bild.de hat es jedenfalls immer noch nicht begriffen. Versuchen wir es also einfacher.
Hallo? Bild.de? Dieser Artikel von Euch aus der vorigen Woche ist falsch.
Der neue James-Bond-Darsteller Daniel Craig hat — anders als Ihr schreibt — kein Problem mit seinem neuen Aston Martin DBS. Sondern mit dem alten Aston Martin DB5. Der hat nämlich nur Schaltgetriebe. Und Daniel Craig fährt nur Automatik. Er bekommt aber — anders als Ihr schreibt — deshalb jetzt keine Fahrstunden. Nein: Der alte DB5 wird umgebaut.
Wir kommen nur deshalb auf diese alte Geschichte zurück, weil Bild.de gestern in einem Artikel auf die unkorrigierte Falschmeldung von letzter Woche verwies. Und es dabei schaffte, den Fehler von damals mit gleich mehreren neuen Fehlern zu kombinieren. Bild.de schreibt,
daß der neue Bond – mangels fahrerischem Können (wir berichteten) – von einem schnittigen Aston Martin auf eine Familienkutsche (einen Ford Mondeo) umsteigt.
Die Formulierung “mangels fahrerischem Können” ist nicht nur grammatisch falsch. James Bond fährt im neuen Film deshalb einen Ford Mondeo, weil Ford dafür sehr, sehr, sehr viel Geld bezahlt. (Die britische Boulevardzeitung “The Sun” behauptet, es seien fast 14 Millionen Pfund, umgerechnet rund 20 Millionen Euro.) Auch der Mondeo muss laut “Sun” für den Automatik-Fahrer umgebaut werden, was die Formulierung von Bild.de endgültig absurd macht. Und schließlich wird Craig in dem Bond-Film den Mondeo nicht statt der Aston Martins fahren, sondern zusätzlich.
Ah, sorry…
Hallo? Bild.de? Einfach gesagt: Auch dieser Artikel von Euch ist falsch.
Nachtrag, 13.15 Uhr. Na also. Man muss es nur einfach genug erklären. Bild.de hat aus dem aktuellen Artikel den Satz über die Autos ersatzlos gestrichen. Im alten Artikel hat Bild.de wenigstens die falsche Modellbezeichnung “DBS” in “DB5” geändert, alle anderen Fehler aber belassen.
Die Sache mit dem Patriotismus in Deutschland liegt “Bild” offenbar sehr am Herzen. Jedenfalls berichtet sie heute groß auf Seite zwei darüber, welche Minister eine Deutschland-Fahne im Büro haben und welche nicht (“Sind das etwa vaterlandslose Gesellen?”). Besonders interessant ist, was “Bild” unter ein Foto des deutschen Verteidigungsministers schreibt:
(Hervorhebung von uns.)
Nur heißt der Verteidigungsminister gar nicht Horst, sondern Franz Josef. Ups! Verzeihung: Franz Josef.
Mit Dank an Simon W. und Beat W. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 15.15 Uhr: Der Patriotismusbeauftragte bei Bild.de hat Horst durch Franz Josef ersetzt.
Die “Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika” gehört zu den Grundsätzen von Springer und “Bild”. Die Solidarität nimmt man offenbar so ernst, dass man auch mal ein bisschen schummelt, wenn es um die Frage geht, welches das stolzeste Volk ist. So schreibt “Bild” heute auf ihrer Seite 1 über die Ergebnisse einer Studie namens “National Pride in Comparative Perspective”:
Den Sieg in der Disziplin “allgemeiner Nationalstolz” trugen übrigens nicht die USA davon, wie mancher vielleicht vermutet hätte. Die Vereinigten Staaten landeten hier mit 17,7 von 25 möglichen Punkten nur auf Platz zwei, hinter Venezuela mit 18,4 Zählern. Allerdings können sich die US-Amerikaner damit trösten, dass sie beim Stolz auf spezielle Leistungen die Welt anführen
Für den “Stolz auf spezielle Leistungen” gab’s zwar bloß 4 Punkte, aber vielleicht tröstet das “Bild” ja trotzdem irgendwie.
Wenn das so weitergeht, gibt’s demnächst wenigstens viel billiges Benzin, haha. Aber Spaß beiseite:
“Der grauweiß gefleckte Hauskater (4,8 Kilo) lag tot zwischen den Schwänen.”
Mit diesem Satz leitet “Bild” einen Bericht über die vermutlich erste auf Rügen an Vogelgrippe gestorbene Katze ein. Und auch wenn er schön dramatisch klingt, der Satz ist falsch, geradezu gelogen. Genau wie die Fortsetzung:
“Der Besitzer des Katers ist bisher unbekannt. Das Tier trug weder Hals- noch Flohband, lag inmitten toter Schwäne auf Rügen.”
Dabei müsste “Bild” es besser wissen, denn “Bild” weiß ja auch, dass das Tier “4,8 Kilo” wog. Und diese Zahl stammt vom mecklenburgischen Agrarminister Till Backhaus (46!) und wurde von verschiedenen Nachrichtenagenturen am Dienstagabend gegen 19.45 Uhr zum ersten Mal gemeldet. Zusammen übrigens mit diesen Informationen:
“Die mit dem Vogelgrippe-Erreger infizierte Katze auf der Insel Rügen ist nach Angaben des Agrarministers von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, auf dem Hof des Besitzers an der Seuche verendet. Der Halter nahe der Wittower Fähre habe Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kater beobachtet und ihn weggesperrt, sagte Backhaus am Dienstag in Schwerin. Am nächsten Tag habe er das Tier tot aufgefunden und das Ordnungsamt verständigt.”
Darüber hinaus wurden beim Einsammeln verendeter Vögel auf Rügen tatsächlich auch zwei tote Katzen gefunden, vielleicht sogar “inmitten toter Schwäne”. Man fand zudem zwei Füchse, zwei Wildschweine, einen Marderhund, einen Marder und einen Nerz. Keines dieser freilaufenden Tiere jedoch trug das Virus H5N1 in sich.
Wie “Bild” behaupten kann, der Kater sei “grauweiß”, wissen wir nicht. Wie uns der Krisenstab in Mecklenburg-Vorpommern auf Anfrage mitteilte, war er “grauschwarz”.
Womöglich hat “Bild” sich das ja wirklich nur ausgedacht — wie auch die Titelschlagzeile “1. Katze tot” oder den folgenden Satz:
“In asiatischen Zoos hatten sich zwar schon Tiger über infiziertes Futter angesteckt, aber noch nie Katzen.”
Thomas Mettenleiter vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) jedenfalls, den offenbar auch “Bild” befragt hat, erklärt dazu: “Dass Katzen sich mit dem Virus infizieren können, wenn sie infizierte Vögel fressen, ist seit längerem aus Asien bekannt.” An anderer Stelle heißt es beim FLI, “dass die dort verstorbenen Katzen Kontakt mit infiziertem Geflügelfleisch oder Geflügelprodukten hatten und sich wahrscheinlich über diesen Infektionsweg ansteckten.”
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber und an Fabian P.
Das ist, wiesohäufig, wenn man bei “Bild” mal wieder was zu Hitler hat, insofern falsch, als Overy “jetzt” eigentlich gar nichts enthüllt hat. Sein Buch erschien im Juni 2004, auf deutsch im August 2005. Jetzt gab er nur Spiegel-Online ein Interview.
Mit Dank an Jörg Q., Gila von M. und Jörg J. für den Hinweis.
Nachtrag, 18.10 Uhr: Fast sieht es so aus, als habe die Meldung vor Veröffentlichung schon etwas länger bei “Bild” herumgelegen, denn ebenfalls seit 2004 ist Richard Overy gar nichtmehr am King’s College London.
Die “Bild”-Zeitung fragt heute Bundeskanzlerin Angela Merkel, was sie in ihren ersten 100 Tagen im Amt gegen die Arbeitslosigkeit getan habe, und macht dabei eine merkwürdige Rechnung auf. Vor einem Jahr sei die Rekordzahl von 5.216.434 Menschen in Deutschland ohne Arbeit gewesen.
Heute, ein Jahr später, hat sich die Lage am Arbeitsmarkt – trotz des Regierungswechsels – immer noch nicht gebessert.
Im Februar stieg die Zahl im Vergleich zum Vormonat um 36 000 auf knapp 5,05 Millionen! Laut Bundesagentur für Arbeit waren das 241 000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr, saisonbereinigt sei die Zahl aber nur um 5000 gesunken.
Mit dem letzten Halbsatz erweckt “Bild” den Eindruck, als sei die Zahl der Arbeitslosen im vergangenen Jahr nur scheinbar deutlich gesunken. Das ist das Gegenteil dessen, was die Bundesagentur für Arbeit heute veröffentlichte — und schlicht falsch.
Denn ein saisonbereinigter Vergleich bezieht sich natürlich nicht auf das Vorjahr (damals war ja die gleiche Saison wie jetzt), sondern auf den Vormonat. “Bild” hat die einzelnen Zahlen sinnentstellend miteinander in Verbindung gebracht. Korrekt zusammengestellt lauten sie so:
Im Februar stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 36 000 auf knapp 5,05 Millionen. Saisonbereinigt ist die Zahl gegenüber dem Januar aber zurückgegangen: um 5000. Laut Bundesagentur für Arbeit waren das 241 000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr!
Irgendwie passte “Bild” diese Tatsache heute aber nicht in den Kram.