Archiv für März 20th, 2006

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“Bild” macht Kaninchen schwanger

RudiDieser sympathische Riesen-Flauschzottel hier rechts ist Rudi. Rudi ist ein Kaninchen von beachtlicher Größe, amtierender Landesmeister in der Farbkategorie wildgrau, begehrter Fernsehstar und internationale Berühmtheit und Star einer beliebten Rammelnovela in den Berliner Boulevardzeitungen. In der weiblichen Hauptrolle: Frenzy, die noch mehr wiegt als Rudi, aber unter Kinderlosigkeit leidet, was sie immer wieder an den Rand des Kochtopfes bringt.

Seitdem Rudi und Frenzy eine gemeinsame Nacht gemeinsame fünf Minuten miteinander verbrachten, warten die Zuschauer auf ein Happy End. Wird Rudi Frenzy davor bewahren, ein Braten zu werden? Wird Frenzy Rudi kleine Riesenrammler schenken? Ja! Jaaa! JAAA!

Am 28. Februar berichtete die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.”: “Berlins dickste Häsin (10,4 Kilo), ist keine Jungfrau mehr!” Am 2. März verkündete sie noch einmal: “Und jetzt steht fest: Frenzy ist endlich schwanger!” Geschafft! Rudi Rammler, du bist ein Riese!Und am 17. März meldete “Bild” Vollzug (siehe Ausriss): “Jetzt hat das tierischste Liebespaar Berlins Nachwuchs bekommen.” Zehn kleine, große Kaninchenbabys, die die “Bild”-Zeitung namentlich aufzählte. Und zu einsetzenden Geigen schrieb sie quasi den Abspann:

Rudi Rammler machte nicht nur seinem Namen alle Ehre. Er rettete auch das Leben von Fränzy. Wäre die nämlich nicht bis April Mama geworden, hätte sie Ostern in die Bratröhre geguckt…

Happy End.

Von wegen! Frenzy ist nach wie vor unschwanger und kinderlos. Rudi hat tatsächlich Nachwuchs gezeugt, aber die Mutter ist nicht Frenzy, sondern Ramona. Die war bislang noch gar nicht in dieser Kaninchensoap aufgetaucht, soll nach Informationen des “Berliner Kurier” aber Rudis angestammte Kaninchendame sein. Frenzy sei “wohl irgend so ein medien-geiles Flittchen, das nur unbedingt mal in die Zeitung wollte”, empörte sich der “Kurier” und titelte am Samstag unter Bezugnahme auf “Bild”:

Rudi: Die Rammel-Lüge von Spandau

Aber natürlich haben wir uns in so einer brisanten Frage nicht auf die Lokalkonkurrenz von “Bild” verlassen, sondern selber recherchiert. Doch eine Nachfrage bei Klaus-Dieter Peter, Frenzys Züchter, bestätigt: keine Mini-Riesen, null. Die “B.Z.” hatte die Schwangerschaft der Kaninchendame, “Bild” ihre Niederkunft schlicht erfunden.

Wie geht es weiter? Wird Ramona Rudi den Seitensprung verzeihen? Wird Rudi die Rammel-Lügner bei der Hamburger Staatsanwaltschaft verklagen? Und schaut Frenzy nun endgültig in die Bratröhre?

Wenigstens die letzte Frage können wir beantworten: Nein, sagt uns Frenzys Züchter Klaus-Dieter Peter, sie wird überleben. Einen Medienstar isst man nicht, den mästet man.

Fortsetzung folgt.

Danke an Heiko für den sachdienlichen Hinweis!

Kurz korrigiert (74 75 — 78)

Fast hätten wir Bild.de loben müssen: Schließlich war es Bild.de heute gelungen, eine falsche Altersangabe zu korrigieren, ohne dass wir zuvor darauf hingewiesen hätten. (Obwohl es in einem Artikel über das Älterwerden der Original-“Dallas”-Darsteller zu Patrick Duffy alias Bobby Ewing ausdrücklich heißt, dass er jüngst “unglaubliche 57!” geworden sei, stand in der dazugehörigen Fotogalerie zunächst: “Er ist 60 Jahre alt” — was Bild.de inzwischen in “57” korrigiert hat.)

Andererseits können wir bei der Gelegenheit dann doch nicht unerwähnt lassen, dass Larry Hagman nicht “71”, sondern 74 Jahre alt ist, Linda Gray nicht “63”, sondern 65 Jahre, Susan Howard nicht “62”, sondern 63 Jahre — und ob Mary Crosby, die Frau, die in ihrer “Dallas”-Rolle als Kristin Shepard auf J.R. Ewing schoss, mit “62” auch “noch immer eine schöne Frau” ist, zeigt sich erst im Jahr 2021

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 23.10 Uhr. Hoppla, auch wir hatten uns zunächst an dieser Stelle bei Mary Crosby und Linda Gray verrechnet.

Nachtrag, 21.3.2006: Bild.de hat die Altersangaben zu Larry Hagman und Mary Crosby korrigiert.

Es ist nicht immer der Gärtner

Machen wir’s kurz: “Bild” macht heute den SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zum “Verlierer” des Tages (s. Ausriss) — und das vermutlich zu Recht. “Bild” schreibt:

“Er konnte sich im SPD-Präsidium mit seinem Wunschkandidaten (…) für einen wichtigen Abteilungsleiterposten im Willy-Brandt-Haus nicht durchsetzen”.

Und man kann darüber streiten, wie sachlich richtig es von “Bild” ist, desweiteren zu behaupten, das Präsidium habe “den Heil-Vorschlag schlicht für ‘ungeeignet'” erklärt. Nach unseren Informationen dürfte der Vorschlag Heils nicht zuletzt daran gescheitert sein, dass sein Wunschkandidat keine Frau war. Aber geschenkt.

Dummerweise nämlich nennt “Bild” auch den Namen des angeblichen “Wunschkandidaten”: “Lutz Gärtner”.

So heißt er nicht. Und auch Carsten Stender, Büroleiter des Generalsekretärs, bestätigt uns auf Anfrage:

“Ich kenne keinen Lutz Gärtner.”

Ebensowenig übrigens wie der Generalsekretär selbst, der im Anschluss an die “Bild”-Meldung immerhin “nach ‘Lutz Gärtner’ gegoogelt und einen Sanitärhändler in Frankfurt gefunden” habe, bei dem es sich allerdings nicht um seinen “Wunschkandidaten” handele.

Tatsächlich war Heils Wunschkandidat jemand ganz anderes. Und wir wissen auch wer. Doch anders als für “Bild” spielt das für uns keine Rolle.

Mit Dank — auch an den Hinweisgeber.

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Freunde fürs Leben

Bild.de berichtet heute ausführlich über eine Studie, wonach verheiratete Männer länger leben als unverheiratete, Frauen durch die Ehe dagegen anscheinend ihre Lebenserwartung reduzieren. Und ergänzt:

Trotzdem überleben Ehefrauen ihre Partner meist um gute viereinhalb Jahre, da die durchschnittliche weibliche Lebenserwartung (91 Jahre in Deutschland) höher ist als die männliche (86 Jahre).

Komisch, nach der jüngsten Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes liegt die durchschnittliche Lebenserwartung rund zehn Jahre unter den “Bild”-Zahlen: Ein neugeborener Junge kann danach nur damit rechnen, 76 zu werden, ein Mädchen 82.

Wie kommt Bild.de auf die höheren Zahlen?

Vermutlich über die Freunde aus der Versicherungsbranche. Die “Allianz” hat nämlich vor einigen Monaten erklärt, die Deutschen schlössen zu niedrige private Rentenversicherungen ab, weil sie ihre Lebenserwartung dramatisch unterschätzten. Die “Allianz” beruft sich dabei auf die Daten der “Deutschen Aktuarvereinigung”, die von 86 Jahren bei Männern und 91 Jahren bei Frauen ausgeht.

Nur beziehen sich diese Zahlen nicht auf die Gesamtbevölkerung, sondern allein auf die Versicherten. Und da zum Beispiel Menschen, die aufgrund einer chronischen Krankheit von einer kurzen Lebensdauer ausgehen, natürlich weniger solcher Langzeit-Policen abschließen, ist die realistische Alterserwartung deutlich niedriger, als von der “Allianz” und von Bild.de angegeben.*

Nachtrag, 17.30 Uhr. Die Bild.de-Rechnung, dass Frauen ihren Ehemann im Durchschnitt um gute viereinhalb Jahre überleben, ist natürlich kompletter Unfug: Das hängt ja auch davon ab, wie groß der durchschnittliche Altersunterschied von Eheleuten ist. Und darüber geben die Statistiken über die Lebenserwartung keine Auskunft.

*) Der Vollständigkeit halber: Die realistische Alterserwartung ist allerdings höher als die offiziellen Zahlen vom Statistischen Bundesamt, was daran liegt, dass das den zu erwartenden medizinischen Fortschritt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht berücksichtigt.

Danke an Michael H., Uwe R. und Frohmut W.