Archiv für März 1st, 2006

Allgemein  

“Inmitten toter Schwäne”

"Vogelgrippe - 1. Katze tot!"Wenn das so weitergeht, gibt’s demnächst wenigstens viel billiges Benzin, haha. Aber Spaß beiseite:

“Der grauweiß gefleckte Hauskater (4,8 Kilo) lag tot zwischen den Schwänen.”

Mit diesem Satz leitet “Bild” einen Bericht über die vermutlich erste auf Rügen an Vogelgrippe gestorbene Katze ein. Und auch wenn er schön dramatisch klingt, der Satz ist falsch, geradezu gelogen. Genau wie die Fortsetzung:

“Der Besitzer des Katers ist bisher unbekannt. Das Tier trug weder Hals- noch Flohband, lag inmitten toter Schwäne auf Rügen.”

Dabei müsste “Bild” es besser wissen, denn “Bild” weiß ja auch, dass das Tier “4,8 Kilo” wog. Und diese Zahl stammt vom mecklenburgischen Agrarminister Till Backhaus (46!) und wurde von verschiedenen Nachrichtenagenturen am Dienstagabend gegen 19.45 Uhr zum ersten Mal gemeldet. Zusammen übrigens mit diesen Informationen:

“Die mit dem Vogelgrippe-Erreger infizierte Katze auf der Insel Rügen ist nach Angaben des Agrarministers von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, auf dem Hof des Besitzers an der Seuche verendet. Der Halter nahe der Wittower Fähre habe Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kater beobachtet und ihn weggesperrt, sagte Backhaus am Dienstag in Schwerin. Am nächsten Tag habe er das Tier tot aufgefunden und das Ordnungsamt verständigt.”

Darüber hinaus wurden beim Einsammeln verendeter Vögel auf Rügen tatsächlich auch zwei tote Katzen gefunden, vielleicht sogar “inmitten toter Schwäne”. Man fand zudem zwei Füchse, zwei Wildschweine, einen Marderhund, einen Marder und einen Nerz. Keines dieser freilaufenden Tiere jedoch trug das Virus H5N1 in sich.

Wie “Bild” behaupten kann, der Kater sei “grauweiß”, wissen wir nicht. Wie uns der Krisenstab in Mecklenburg-Vorpommern auf Anfrage mitteilte, war er “grauschwarz”.

Womöglich hat “Bild” sich das ja wirklich nur ausgedacht — wie auch die Titelschlagzeile “1. Katze tot” oder den folgenden Satz:

“In asiatischen Zoos hatten sich zwar schon Tiger über infiziertes Futter angesteckt, aber noch nie Katzen.”

Thomas Mettenleiter vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) jedenfalls, den offenbar auch “Bild” befragt hat, erklärt dazu: “Dass Katzen sich mit dem Virus infizieren können, wenn sie infizierte Vögel fressen, ist seit längerem aus Asien bekannt.” An anderer Stelle heißt es beim FLI, “dass die dort verstorbenen Katzen Kontakt mit infiziertem Geflügelfleisch oder Geflügelprodukten hatten und sich wahrscheinlich über diesen Infektionsweg ansteckten.”

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber und an Fabian P.

Jetzt VIII

Die “Bild”-Meldung “Historiker enthüllt: Hitler lernte von Lenin” ist sehr kurz, eigentlich eine Art Lesetipp. Dort heißt es:

"Der angesehene Historiker Prof. Dr. Richard Overy (58) vom King’s College London enthüllt jetzt: (...)"

Das ist, wie so häufig, wenn man bei “Bild” mal wieder was zu Hitler hat, insofern falsch, als Overy “jetzt” eigentlich gar nichts enthüllt hat. Sein Buch erschien im Juni 2004, auf deutsch im August 2005. Jetzt gab er nur Spiegel-Online ein Interview.

Mit Dank an Jörg Q., Gila von M. und Jörg J. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.10 Uhr: Fast sieht es so aus, als habe die Meldung vor Veröffentlichung schon etwas länger bei “Bild” herumgelegen, denn ebenfalls seit 2004 ist Richard Overy gar nicht mehr am King’s College London.

Mit Dank an Julian H. für den Nachtrag.

“Bild” verdreht Arbeitslosenzahlen

Die “Bild”-Zeitung fragt heute Bundeskanzlerin Angela Merkel, was sie in ihren ersten 100 Tagen im Amt gegen die Arbeitslosigkeit getan habe, und macht dabei eine merkwürdige Rechnung auf. Vor einem Jahr sei die Rekordzahl von 5.216.434 Menschen in Deutschland ohne Arbeit gewesen.

Heute, ein Jahr später, hat sich die Lage am Arbeitsmarkt – trotz des Regierungswechsels – immer noch nicht gebessert.

Im Februar stieg die Zahl im Vergleich zum Vormonat um 36 000 auf knapp 5,05 Millionen! Laut Bundesagentur für Arbeit waren das 241 000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr, saisonbereinigt sei die Zahl aber nur um 5000 gesunken.

Mit dem letzten Halbsatz erweckt “Bild” den Eindruck, als sei die Zahl der Arbeitslosen im vergangenen Jahr nur scheinbar deutlich gesunken. Das ist das Gegenteil dessen, was die Bundesagentur für Arbeit heute veröffentlichteund schlicht falsch.

Denn ein saisonbereinigter Vergleich bezieht sich natürlich nicht auf das Vorjahr (damals war ja die gleiche Saison wie jetzt), sondern auf den Vormonat. “Bild” hat die einzelnen Zahlen sinnentstellend miteinander in Verbindung gebracht. Korrekt zusammengestellt lauten sie so:

Im Februar stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 36 000 auf knapp 5,05 Millionen. Saisonbereinigt ist die Zahl gegenüber dem Januar aber zurückgegangen: um 5000. Laut Bundesagentur für Arbeit waren das 241 000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr!

Irgendwie passte “Bild” diese Tatsache heute aber nicht in den Kram.