Archiv für Dezember 12th, 2005

“Bild” belügt Telekom-Mitarbeiter

Heute behauptet “Bild”, dass sie für ihren “Branchen-Report 2006” (siehe Ausriss oben) “bei den wichtigsten Branchen nachgefragt hat, ob Jobs entstehen oder abgebaut werden” — um dann über die “Computer- und Telekommunikations-Branche” zu vermelden, dort gebe es “keine Veränderung!”

Insbesondere für Mitarbeiter von Europas größtem Telekomunikationsunternehmen dürfte diese Einschätzung, nun ja, irgendwie überraschend sein. Schließlich berichten andere Medien seit Wochen — und aus gegebenem Anlass auch heute wieder — über die (spätestens seit 2. November auch “Bild” bekannten) Pläne des “Bild”-Kooperationspartners Telekom, wo immerhin 32.000 Stellen abgebaut werden. (Und wer jetzt einwenden mag, es handele sich in “Bild” doch um einen “Branchen-Report” fürs Jahr 2006, wohingegen die Telekom-Pläne einen Stellenabbau bis 2008 vorsähen — nur zu! “Bild” widerlegt den Einwand ja selbst, indem sie sich bezüglich der Job-Entwickung in der Autoindustrie offenbar auf eine allseits bekannte Prognose bezieht, die mit 2006 ebenfalls wenig zu tun hat.)

Merkwürdig ist darüber hinaus, dass “Bild” zusammenfassend behauptet:

“Rund 140.000 Jobs gehen verloren, knapp 35.000 neue entstehen”.

Zählt man die von “Bild” selbst aufgedröselten Zahlen nämlich anschließend wieder zusammen, ergibt sich allerdings bestenfalls eine Bilanz von -155.000* zu 48.000.

Mit Dank an holy_moly für den Hinweis.

*) zzgl. Telekom: -187.000

Allgemein  

Drei Rügen für “Bild”

Der Presserat hat abermals sieben Rügen ausgesprochen. Drei davon gehen an “Bild”*.

So hatte “Bild” über einen Verkehrsunfall berichtet, bei dem u.a. der dafür verantwortliche Fahrer starb. Laut Presserat habe “Bild” den Fahrer durch den Abdruck “negativer Aussagen ausschließlich anonymer Quellen (…) in ein schlechtes Licht gerückt” und ein identifizierbares Foto veröffentlicht, was als “Ehrverletzung” ein Verstoß gegen Ziffer 9 des Pressekodex ist.

Außerdem hatte “Bild” nach dem Selbstmord eines Polizisten ein identifizierbares und “unangemessen sensationelles” Foto veröffentlicht, was der Presserat als Verstoß gegen Richtlinie 8.5 des Pressekodex wertet.

Einen Bericht über den Tod zweier Menschen bei einem Friedhofsbesuch hatte “Bild” mit dem Foto eines der Toten illustriert. Laut Presserat (der in diesem Fall eine “nicht-öffentliche” Rüge aussprach) sei das Foto jedoch “nicht ausreichend gepixelt”, der Tote also identifizierbar gewesen. Zudem sei die zweite Tote durch den Nachnamen, der auf dem Grabkreuz eines Angehörigen lesbar war, ebenfalls erkennbar gewesen.

“Bild” wurde damit in diesem Jahr insgesamt sechs Mal gerügt. Das sind weniger Rügen als in den vergangenen Jahren (2004: zwölf; 2003: neun, 2002: elf), aber abermals mehr, als gegen jedes andere Medium ausgesprochen wurden.

PS: Zu der öffentlich bereits heftig kritisierten “Bild”-Schlagzeile vom 30. November (“Wird sie geköpft?”) teilt der Presserat mit, es seien dazu bislang “rund 30 Beschwerden” eingegangen.

*) Auch “Bild” ist den “journalistischen Leitlinien” der Axel Springer AG verpflichtet, die sich ausdrücklich auf die “publizistischen Grundsätze des Pressekodex” berufen.

“Bild” kümmert sich um Klausjürgen Wussow

Falls Sie sich fragen, wie eigentlich die Geschichte um Klausjürgen Wussow weitergegangen ist, über den “Bild” gerade schrieb, dass er bei den Dreharbeiten zur letzten “Schwarzwaldklinik” im August so erschütternd krank und abwesend gewesen sei, obwohl die gleiche “Bild”-Zeitung nur dreieinhalb Monate zuvor von denselben Dreharbeiten berichtet hatte, dass sich bei Wussow eine Art Wunderheilung ereignet habe —

Seit vergangener Woche bleibt “Bild” bei der Variante, dass Wussow quasi schwer demenzkrank sei. Und schlachtet diese Diagnose nach allen Regeln der Kunst aus.

Montag, 5. Dezember.

Mark Pittelkau hat sich die “Schwarzwaldklinik” mit Wussows Ex-Frau Yvonne angesehen und behauptet, sie sei “in Tränen” ausgebrochen. “Was hat Witwe Scholz aus meinem Klaus gemacht?” lässt “Bild” sie in der Überschrift fragen und schreibt:

Die Gründe für den desolaten Zustand vermutet seine Ex-Frau in Wussows neuer Ehe mit Sabine (47), der Witwe des verstorbenen Boxers Bubi Scholz. Yvonne Wussow: “Ich weiß nicht, was diese Frau aus ihm gemacht hat. Bei mir war Klaus immer unter ärztlicher Kontrolle und topfit. Vielleicht bekommt er auch die falschen Medikamente.” (…)

Yvonne Wussow: “Ich hoffe nicht, daß die Frau Klaus noch so weit treibt, daß er ins Heim muß wie sein Vorgänger Bubi Scholz.”

Das ist eine bemerkenswerte Formulierung angesichts der Tatsache, dass Bubi Scholz mehrere Schlaganfälle erlitten hatte und an Alzheimer erkrankt war. “Bild” erwähnt diese Details nicht. Überhaupt, Details. “Bild” schreibt zum Foto:

“Wie Millionen anderer TV-Zuschauer schaute sich Yvonne Wussow (50) gestern ‘Die Schwarzwaldklinik’ an.”

Das Foto zumindest zeigt keineswegs, dass Frau Wussow die Sendung “wie Millionen anderer TV-Zuschauer” sah, sondern bereits vorab, tagsüber und auf einem Videoband — das mutmaßlich der “Bild”-Reporter mitgebracht hat.

Dienstag, 6. Dezember.

Iris Rosendahl hat sich die “Schwarzwaldklinik” mit Klausjürgen Wussow angesehen und fragt in der Überschrift: “Erkennt er sich selbst nicht mehr im TV?” Sie schreibt:

Er starrt auf den Bildschirm, sagt langsam: “Die Serie bedeutete mir viel” (….).

Wussow schaut noch mal auf den Fernsehschirm mit der “Schwarzwaldklinik”. Dann sagt er: “Das war mein Leben.” Und er weint…

Tja. Da würde man die Frage in der Überschrift doch einfach verneinen.

Mittwoch, 7. Dezember.

Die “Bild”-Zeitung bringt groß ein Foto, das sie am Vortag schon abgebildet hatte und das Wussow und seine Frau Sabine zeigt. Daneben hat “Bild” diesmal ein Foto gestellt, das Sabine in exakt der gleichen Pose mit ihrem früheren Mann Bubi Scholz zeigt. “Wie sich die Bilder gleichen”, schreiben Iris Rosendahl und Mark Pittelkau nun gemeinsam und stellen in der Überschrift eine perfide Frage:

Erleidet Wussow das gleiche Schicksal wie Bubi Scholz?

In dem Artikel stehen Sätze wie: “Wie schlimm es wirklich um Bubi stand, schien Sabine nie wahrhaben zu wollen (…).” Es ist leicht, aus den Beschreibungen einen massiven Vorwurf gegen Sabine Scholz zu lesen. Neben dem Foto von 1999 steht:

Sabine Scholz mit Box-Legende Bubi Scholz. Er starb im August 2000, allein in einem Pflegeheim.

Dabei steht im Text selbst:

Schlaganfälle, Operationen, Alzheimer — Sabine pflegte ihn bis zu seinem Tod.

Na, kommt vielleicht nicht so drauf an.

[Hintergrund: Das Leben von Klausjürgen Wussow in “Bild”]