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Gratis-“Titanic” gegen Gratis-“Bild” reloaded

Morgen könnte, wir berichteten bereits gestern darüber, in Ihrem Briefkasten eine Gratis-“Bild” stecken. Bisher hatten sie dann vier Möglichkeiten bei Ihrem weiteren Vorgehen:

  • alles völlig egal finden
  • den Briefkasten nie wieder leeren
  • genüsslich die “Bild”-Zeitung lesen

Dank der Partei “Die PARTEI” gibt es seit heute aber noch eine fünfte Möglichkeit: Sie können Ihre Gratis-“Bild” gegen eine Gratis-“Titanic” tauschen. Zumindest, wenn Sie morgen zwischen 13 und 18 Uhr in Hannover sind (weitere Orte siehe “Nachtrag” weiter unten).

In einer Pressemitteilung von heute unterbreitet “Die PARTEI Hannover” folgenden Vorschlag, was Sie morgen mit Ihrem Gratis-“Bild”-Exemplar anfangen könnten:

Der Axel-Springer-Verlag wird am morgigen Donnerstag, den 22.06.2017, erneut an alle Haushalte in der BRD ungefragt eine Bildzeitung zustellen. Doch was tun mit einem Geschenk, das doch eigentlich keiner will? (…)

Eine wünschenswerte Heizstoffspende nach Syrien oder Irak kommt aus logistischen Gründen nicht in Frage, so dass sich Die PARTEI Hannover mit Hilfe ihres exklusiven Sponsors, dem Titanic-Magazin, eine praktikable Lösung des Papierproblems erdacht hat und der Bevölkerung folgendes großzügige Angebot unterbreitet:

Die PARTEI Hannover wird am morgigen Donnerstag, den 22.06.2017 (direkt am Kröpcke, zwischen 13.00 – 18.00h) jede* (in Versalien: JEDE*) “Gratisbild” gegen eine Ausgabe des Faktenmagazins der Marke “TITANIC” umtauschen. Ohne Wenn und Aber!*

* Solange der Vorrat reicht! Danach werden bereits eingenommene Gratis-BILD-Zeitungen gegen Gratis-BILD-Zeitungen getauscht. Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen, max. 3 pro Person!

Also, an alle Hannoveranerinnen und Hannoveraner: Morgen tagsüber ab zum Kröpcke und sich endlich mal ein ordentliches journalistisches Produkt sichern.

Und ja: Dieses Angebot ist ernst gemeint, wie uns auf Nachfrage bestätigt wurde. Vor knapp drei Jahren gab es schon einmal eine große, erfolgreiche “Bild”-gegen-“Titanic”-Tauschaktion.

Nachtrag: An folgenden Orten können Sie am Donnerstag, 22. Juni, ebenfalls die Gratis-“Bild” gegen eine Gartis-“Titanic” eintauschen:

  • Göttingen: 13:15 bis 16:45 Uhr, Reinhäuser Landstr. 4, Raum 232 P² Fraktion

“Maria W. hat ihre Geschichte frei erfunden”

Es verdichten sich die Hinweise, dass “Bild” auf eine Betrügerin reingefallen ist.

Am 28. März 2015, vier Tage nach dem Absturz des “Germanwings”-Flugs 4U9525 in den französischen Alpen, veröffentlichte die “Bild”-Zeitung diese Titelgeschichte, die auch Bild.de aufgriff:



Die angebliche “Ex-Freundin” von “Germanwings”-Co-Pilot Andreas Lubitz lieferte “Bild”-Reporter John Puthenpurackal genau die Bausteine, die wenige Tage nach dem Unglück für das Psychogramm eines Wahnsinnigen noch fehlten: Ausraster, Drohungen, die Ankündigung einer aufsehenerregenden Tat. Es passte alles wunderbar in das Bild, das Puthenpurackals Redaktion die Tage zuvor gezeichnet hatte.

In dem Artikel vom 28. März 2015 schrieb “Bild”:

Die Stewardess Maria W. (26) war eine zeitlang die Freundin von Todes-Pilot Andreas Lubitz (27).

Fünf Monate lang flogen sie im vergangenen Jahr zusammen durch Europa und übernachteten heimlich gemeinsam in Hotels.

BILD-Reporter John Puthenpurackal hat ihre Identität überprüft. Er ließ sich u.a. ein Foto zeigen, das die Stewardess und den Amok-Piloten bei einem Flug in derselben Crew zeigt.

Bereits im März dieses Jahres schrieb die Journalistin Petra Sorge in der “Zeit”, dass es trotz der Identitätsprüfung durch “Bild” erhebliche Zweifel an der Geschichte von Maria W. gebe. Der für den “Germanwings”-Absturz zuständige Düsseldorfer Staatsanwalt Christoph Kumpa sagte damals: “Ich gehe davon aus, dass ihre Geschichte erfunden ist.” “Bild”-Oberchef Julian Reichelt startete daraufhin eine ganz beachtliche Twitter-Kampagne gegen Sorge.

Heute liefert Petra Sorge in einem Artikel für “Buzzfeed” neue Indizien dafür, dass Maria W. eine Hochstaplerin ist, und dass die “Bild”-Medien auf sie reingefallen sind.

Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass die Einsatzpläne bei “Germanwings” aus Kostengründen so konzipiert waren, dass die Piloten am Ende eines Diensttages so gut wie immer in ihren Heimatflughafen zurückkehrten. Das Personal schlief dann meist in der eigenen Wohnung. Das passt kaum mit der Aussage von Maria W. zusammen, dass sie mit Andreas Lubitz durch Europa geflogen sei und heimlich mit ihm in Hotels übernachtet habe.

Außerdem ist es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass Andreas Lubitz und Maria W. “fünf Monate lang” zusammen flogen. Bei “Buzzfeed” sagt ein Sprecher von Lubitz’ früherer Fluggesellschaft, dass die Crew täglich wechsle und man nur in Ausnahmefällen und durch Zufall mehrere Tage hintereinander gemeinsam fliege.

Schwerwiegender als diese Indizien ist eine Stellungnahme von RTL zu dem Fall. Maria W. hat sich nach der Veröffentlichung bei “Bild” mit ihrem Anliegen nämlich auch bei dem TV-Sender gemeldet. Nach fünf Monaten Recherche stand für die Redaktion fest: Maria W. ist eine Betrügerin. Petra Sorge zitiert in ihrem “Buzzfeed”-Text einen RTL-Pressesprecher: “‘Wir können vollumfänglich bestätigen, dass Maria W. ihre Geschichte frei erfunden hat. Dies hat sie bei einem 4. Treffen im Dezember 2015 explizit zugegeben'”.

Bei diesem vierten Treffen soll Maria W. laut eines RTL-Abteilungsleiters auch gesagt haben, dass sie überrascht gewesen sei, wie viel Arbeit sich der Sender mit der Recherche gemacht hat. Das kannte sie von ihrem Kontakt mit der “Bild”-Redaktion und John Puthenpurackal offenbar nicht.

Heiße “Bild”-Altherren könnten Finger nicht von Frauen-Body lassen

Manchmal reicht eine einzige Zeile unter einem Foto, und schon schüttelt’s einen vor lauter “Bild”-Breitbeinigkeit. Zum Beispiel diese hier:

Aber mal ehrlich: An Jörns Stelle könnten wir auch nicht die Finger von diesem knattergeilen Body lassen

Die Frau mit dem “knattergeilen Body”, von der die ehrlichen “Bild”-Redakteure die Finger nicht lassen könnten, war mit dem Schauspieler Jörn Schlönvoigt im Urlaub. Die “Bild”-Zeitung brachte am vergangenen Freitag eine ganze Fotoserie mit Bildern der beiden — er in Badehose, sie im silbernen Bikini –, die sie auf einer Jacht vor der Küste Mallorcas zeigen:

Ausriss Bild-Zeitung - Schauspieler Jörn Schlönvoigt mit neuer Freundin - Sexy Silber-Nixe geht GZSZ-Star ins Netz
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Bild.de berichtete bereits am späten Donnerstagabend:

Ausriss Bild.de - Sexy Silber-Nixe geht GZSZ-Star ins Netz

Die acht (“Bild”) beziehungsweise 14 (Bild.de) Fotos, die in “Bild” riesig ausgebreitet werden und bei Bild.de nur mit einem “Bild plus”-Abo zu sehen sind, haben alle eine gewisse Paparazzo-Ästhetik; wir wollen aber nicht ausschließen, dass sie gestellt sind. Da wir nicht sicher sein können, ob die Aufnahmen mit den Personen, die sie zeigen, abgesprochen waren, haben wir sie lieber verpixelt.

Die Fotos und die eventuelle, damit zusammenhängende Verletzung der Privatsphäre sind eine Sache. Eine andere sind der dazugehörige Text und vor allem die Bildunterschriften. Dort gibt es neben der “knattergeil”-Zeile die gesammelte Altherrenwitzigkeit der “Bild”-Medien:

Jörn Schlönvoigt und seine brünette Sex-Bombe — schwer verliebt auf Mallorca

Alle J-ACHTung: Jörn Schlönvoigt und seine Hanna bei Hoppe-Hoppe-Reiter-Spielen an Deck

Der Silberpfeil will geölt werden: Jörn Schlönvoigt cremt seine neue Freundin Hanna ein

Kaum zusammen, da nimmt sich Jörn seine Hanna schon zur Brust

Aufschwung zur Liebe. So schön kann Nahkampf sein

Gemeinsames Sonnenbaden — da wird uns schon beim Zuschauen ganz heiß

Auf ihrem Tagesprogramm: DECKungsarbeit an Bord! Es wird getätschelt, geplanscht und gaaanz viel geknutscht.

Ein bisschen planschen im kalten Wasser würde auch den Altherren von “Bild” und Bild.de ganz gut tun.

Mit Dank an @Fluxcompensator, @RA_Conrad und Lukas H. für die Hinweise!

Igitte

“Brigitte” war mal eine ganz respektable Frauenzeitschrift. Bei Facebook ist “Brigitte” zu einer Klickmaschine mutiert, die mit effekthascherischen oder gefühligen oder andeutenden oder irreführenden Überschriften und Teasern möglichst viele Leserinnen und Leser auf Brigitte.de locken will.

Die Mitarbeiter rufen ihren aktuell 617.606 Fans beispielsweise zu: “Schaut mal — hier gibt’s die Lösung gegen das nervige Unter-den-Brüsten-Schwitzen”.

Worin “Dieser Wasch-Fehler” aber genau besteht, erfährt man erst, wenn man dem Link zu Brigitte.de folgt. Klassische Klickköder eben.

Deswegen wollten wir — nach längerer Pause mal wieder — unsere Clickbait-Taskforce losschicken, die sich durch die “Brigitte”-Facebook-Seite wühlen sollte. Doch das, was die “Brigitten” dort macht, ist mitunter so ekelig, dass allein die folgenden drei Clickbait-Beispiele aus den vergangenen Tagen reichen dürften, um die ganze Niedertracht zu begreifen.

***

Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass der Schauspieler Adam West gestorben ist. West hat unter anderem Batman gespielt.

Selbst mit dem Krebstod von Menschen versucht das “Brigitte”-Team knallhart, Klicks zu generieren. Auf der Facebookseite schrieb die Redaktion am Montag nicht etwa, dass Adam West tot ist, sondern nur:

“Mehr erfahren” die Leserinnen und Leser dann erst nach dem Klick auf den Link.

***

Noch eine Ecke perfider war dieser Facebook-Beitrag auf der “Brigitte”-Seite aus dieser Woche:

Sowohl Mick Jagger als auch Keith Richards sind aktuell 73 Jahre alt, aber keiner von beiden ist tot. Niemand der aktuellen Rolling-Stones-Besetzung ist tot. Die Meldung bezieht sich auf Schauspielerin und Model Anita Pallenberg, die mit Keith Richards drei Kinder hatte und am vergangenen Dienstag gestorben ist.

***

Am selben Tag postete das “Brigitte”-Team diese “EILMELDUNG”:

Anstatt zu schreiben, was genau in London passiert ist — ein Hochhausbrand –, lassen die “Brigitte”-Mitarbeiter alles möglichst vage, damit möglichst viele Leute dem Teaser folgen. Sie nutzen “Tote und Verletzte” und die falsche Assoziation mit den jüngsten Terroranschläge in der englischen Hauptstadt (“Schon wieder London”), um Leserinnen und Leser auf Brigitte.de zu locken.

Alles für ein paar billige Klicks.

Mit Dank an Marcel für den Hinweis und an Lorenz für den Titel!

“Bild” im Reggae-Rasta-Klischee-Rausch

In Schleswig-Holstein dürfte bald eine sogenannte Jamaika-Koalition die Regierung bilden. Die Vertreter von CDU, Grünen und FDP haben sich am Dienstagabend auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. Und weil in der Nationalflagge von Jamaika eben die Farben Schwarz, Grün und Gelb vorkommen, spricht man von einer Jamaika-Koalition.

Die erfolgreichen Verhandlungen in Schleswig-Holstein brachten die “Bild”-Zeitung auf die Idee, in der gestrigen Ausgabe der Frage nachzugehen, ob ein solches Dreierbündnis auch in der Bundespolitik klappen könnte. Da müssen sie im Axel-Springer-Hochhaus in der Redaktionskonferenz zusammengesessen und überlegt haben, wie man das illustrieren könnte. Und dann dürften ungefähr solche Vorschläge gekommen sein:

Lass uns dem Lindner mal einen Joint in den Mund shoppen!

Ja, geil! Und die Merkel machen wir so’n bisschen exotisch, mit Ketten und Blumenkleid und Rastas und so.

Ha, genau. Und der Özdemir spielt wie so ein Wilder Trommel!

Pahaha! Und dann färben wir alle drei noch dunkler, sollen ja Jamaikaner sein.

Super! Und in die Überschrift packen wir noch irgendeine Kiffer-Anspielung!

Haben sie dann auch genau so gemacht:

Ausriss Bild-Zeitung - Nach Schwarz-Geld-Grün in Schleswig-Holstein - Kommt für Merkel die Jamaika-Koalition in die Tüte?

Auf der Startseite von Bild.de war diese “BILD-Montage” gestern ebenfalls erschienen:

Ausriss Bild.de - Nach Schwarz-Geld-Grün in Schleswig-Holstein - Kommt für Merkel die Jamaika-Koalition in die Tüte?

Im Text geht das volle Stereotypenprogramm dann weiter:

Auch in Berlin wird offen über ein Dreier-Bündnis spekuliert. Reggae, Rausch und Rasta — kommt das für Merkel (und die anderen Parteien) in die Tüte?

So stellt sich die “Bild”-Redaktion eben einen typischen Jamaikaner vor: jointrauchend, trommelspielend, rastazöpfig.

Wir können nur hoffen, dass nicht irgendwo bald wieder eine sogenannte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen entsteht. Sonst muss der bemitleidenswerte “Bild”-Photoshopper noch Angela Merkel digitalen Massai-Schmuck um den Hals binden, Martin Schulz einen Speer in die Hand drücken und beim Blackfacing voll aufdrehen, nur um das Klischeeverlangen seiner Kollegen zu stillen.

Nachtrag, 18. Juni: Bei “SpiegelKritik” gibt es Kritik an diesem Beitrag.

Bild.de und “BamS” finden “Bild”-Angebot unseriös

Seit heute kann man aus dem Spanien-Italien-Frankreich-Urlaub bei seiner Familie zu Hause in Deutschland anrufen, sich am Handy über die verdammte EU und den Regulierungswahn der Bürokraten in Brüssel aufregen und muss für diesen Anruf nur so viel bezahlen, wie man in Deutschland für ihn bezahlen würde. Seit heute fallen innerhalb der EU keine Roaming-Gebühren mehr an. Auch dank der regulierungswütigen EU-Bürokraten.

Das Serviceportal Bild.de beantwortet laut Teaser auf der Startseite heute 13 Fragen zum Thema:

Im Artikel selbst sind es dann plötzlich nur noch “11 FRAGEN”

… die allesamt aus einem Artikel der “Bild am Sonntag” stammen, wo die Redaktion bereits am vergangenen Wochenende auf einer Doppelseite Antworten auf wiederum 13 Fragen rund um “das neue Roaming” lieferte:

Sowohl bei Bild.de als auch in “Bild am Sonntag” kommt diese Frage vor:

Ich habe einen Auslandstarif, eine sogenannte Auslandsoption, abgeschlossen. Muss ich den jetzt kündigen?

Antwort der “Bild”-Medien:

Nein. Die Auslandsoption ist mit dem 15. Juni hinfällig. Seriöse Unternehmen werden diesen Tarif automatisch beenden. Überprüfen Sie zur Sicherheit Ihre Abrechnung.

Heißt im Umkehrschluss: Bei unseriösen Unternehmen muss man den Auslandstarif selber kündigen.

Auch “Bild” ist im Mobilfunkmarkt aktiv, mit zwei verschiedene Angeboten: bei “Bild mobil” bekommt man nicht mal “das Mindeste”; “Bild Connect” wirbt für die Pakete “FLAT 2000 LTE” und “FLAT 3000 LTE” auch aktuell noch mit einem “EU Roaming-Paket”:

Die “Bild”-Telefonisten werden “diesen Tarif” aber doch sicher “automatisch beenden”? Schauen wir “zur Sicherheit” mal auf eine “Bild Connect”-Abrechnung aus dem Mai:

Zum 15.06.2017 ändert sich die Roaming Regulierung in der EU: Ihre nationalen Mobilfunkkonditionen sind dann ebenfalls in der EU verfügbar. Ein Wechsel in die regulierten Konditionen ist über Ihre Servicewelt jederzeit möglich. Dort können Sie unter “Tarifoptionen” eine bestehende EU-Option oder EU-Tarifinklusivleistung abwählen. (…) Bitte bedenken Sie, dass Ihnen beim Verbleib im alternativen Tarif die Konditionen des regulierten Tarifs — Verfügbarkeit der nationalen Mobilfunkkonditionen in der EU — nicht zur Verfügung stehen. (…)

Mit freundlichen Grüßen

Drillisch Online AG — Ihr BILDconnect Kundenservice

Laut Bild.de und “BamS” scheint es sich bei der Kooperation von “Bild” und der Drillisch Online AG nicht um ein “seriöses Unternehmen” zu handeln.

Mit Dank an @fernfunker für den Hinweis!

Erster Arbeitstag von “Bild”-Ombudsmann Ernst Elitz

Der BILD-Ombudsmann - BILD hat einen Fehler gemacht

Ja, doch, das steht da tatsächlich. Wir dachten auch zuerst an einen Witz, an irgendeinen Trick. Aber offenbar hat “Bild”-Ombudsmann Ernst Elitz, nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt, die Idee gehabt, wie ein Ombudsmann zu arbeiten.

Bisher schien Elitz’ Leitsatz stets gewesen zu sein: “Die Redaktion hat alles richtig gemacht”. Doch jetzt hat sich die “Bild”-Zeitung etwas geleistet, das nicht mal Chef-Verteidiger Obumdsmann Elitz geradebiegen kann: Am vergangenen Freitag dankte die Regionalausgabe aus Frankfurt am Main auf einer Doppelseite allen Polizisten der Stadt, die in den vergangenen 150 Jahren im Einsatz waren — explizit auch dem früheren Polizeipräsidenten Adolf Beckerle, einem überzeugten Nazi. Beckerle soll maßgeblich an der Deportation und Ermordung von etwa 11.000 Juden beteiligt gewesen sein. Wir berichteten hier im BILDblog am Dienstag über den Fall.

Ernst Elitz hat sich nun informiert, wie der Dank an Beckerle zustande kam:

Ich habe untersucht, wie es zu dem Bericht kommen konnte. Ergebnis:

Die Redaktion hat auf eigene Recherchen verzichtet und sich allein auf eine von der Polizei vorbereitete Festschrift gestützt, die keine kritischen Anmerkungen zum Fall Beckerle enthielt. Der Verzicht auf eigene Recherche ist ein Verstoß gegen klassische journalistische Standards.

In der Redaktion haben die Verantwortlichen weder den Verzicht auf Eigenrecherche noch den Mangel an historischer Einordnung erkannt und die Veröffentlichung in dieser kritikwürdigen Form zugelassen.

Einfach mal auf Recherche verzichten, blind das PR-Material der Polizei abschreiben, bei der Jahreszahl 1933 nicht stutzig werden — kann natürlich mal passieren.

Damit das alles nicht wieder vorkommt, zählt Elitz noch mal “die Grundlagen professioneller journalistischer Arbeit” auf:

Dieser Fall gibt Anlass darauf hinzuweisen, dass Eigenrecherche, Überprüfung der Quellen und verantwortungsvolle Kontrolle die Grundlage professioneller journalistischer Arbeit sind. In diesem Fall wurde gegen diese Regeln verstoßen.

Da können wir dann auch nur noch zustimmen.

Mehr über den “Bild”-Ombudsmann:

Mit Dank an @AndyOSW und @SidneyGennies für die Hinweise!

Hetze, Manipulation und Wahlkampf auf den Titelseiten

“Bild” will nicht nur berichten, “Bild” will auch Politik machen. Die Redaktion setzt dann alles daran, den amtierenden Bundespräsidenten abzusägen, einen Verteidigungsminister ganz nach oben zu schreiben oder einen uralten Vorschlag der Grünen kurz vor der Bundestagswahl zum großen Skandal aufzubauschen. Häufig klappt es.

Bei all der Parteilichkeit und Einmischung der “Bild”-Zeitung bleibt das, was vor Wahlen in Großbritannien passiert, etwas Besonderes und besonders Eindrucksvolles: Die dortigen Boulevardblätter berichten nicht — sie machen Wahlkampf auf ihren Titelseiten, sie hetzen und manipulieren.

Die Briten stimmen heute über ein neues Parlament ab. Ein kurzer Blick auf die aktuellen Cover von “Daily Mirror”, “Daily Express”, “Daily Mail” und “The Sun” reicht, um zu sehen, wie einseitig die Schlagzeilen und Artikel sind, wie deutlich sich die jeweiligen Redaktionen auf die Seite der Labour Party beziehungsweise der Tories schlagen.

Der “Daily Mirror” ist für Labour, die Anweisung an die Leserschaft eindeutig: “VOTE Labour”. Das Blatt macht Theresa May zum “FACE OF FEAR”, das man heute an der Wahlurne loswerden könne: “Today’s your chance to get rid of Mrs May”.

Titelseite Daily Mirror - Lies, damned lies and Theresa May - Don't condemn Britain to five more years of Tory broken promises
(Draufklicken für eine größere Version.)

Der “Daily Express” druckt eine ähnlich klare Anweisung, allerdings im Sinne der Tories und Premierministerin May:

Titelseite Daily Express - Vote for May today
(Draufklicken für eine größere Version.)

Die “Daily Mail” positioniert sich ebenfalls explizit für die Tories. Mit dem richtigen “tactical voting guide” könnten die Leserinnen und Leser den britischen Geist neu entfachen:

Titelseite Daily Mail - Your tactical voting guide to boost the Tories an Brexit - Let's reignite British spirit
(Draufklicken für eine größere Version.)

Die mit Abstand übelste Titelseite hat “The Sun” veröffentlicht. Das Blatt hat Labour-Parteichef Jeremy Corbyn — hehe, lustiges Wortspiel mit dessen Nachnamen — in einen Mülleimer gepackt, ihn zum “Terroristen-Freund” erklärt und geschrieben, dass nur ein “vote for Theresa May’s Conservatives — not Ukip, or any other –” helfen werde, um den “MARXIST EXTREMIST” Corbyn zu verhindern:

Titelseite The Sun - Don't chuck Britain in the Cor-bin - terrorists friend, useless on Brexit, destroyer of jobs, enemy of business, massive tax hikes, puppet of unions, nuclear surrender, ruinous spending, open immigration, marxist extremist
(Draufklicken für eine größere Version.)

Bild  

“Bild” dankt einem Nazi

Wenn “Bild” einem Thema eine komplette Doppelseite widmet, muss schon etwas Besonderes passiert sein. Ein Terroranschlag beispielsweise oder ein Sieg der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM. Oder der 150. Geburtstag der Polizei in Frankfurt am Main:


(Unkenntlichmachungen durch uns.)

Am Freitag gratulierte die Frankfurt-Ausgabe der “Bild”-Zeitung der Frankfurter Polizei zum Jubiläum und dankte den Beamten gleichzeitig für ihren Einsatz in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten:

Unsere Helden und Retter! Frankfurts Polizei feiert Geburtstag und BILD FRANKFURT bedankt sich bei den 3700 Menschen, die uns täglich schützen

Die Redaktion fasste für die Doppelseite noch einmal “Die 7 größten Kriminalfälle” (“Bordellmord im Westend”, “Hammermörder”, “Tristan (13) hingerichtet” und weitere “Bild”-taugliche Verbrechen) zusammen, suchte historische Fotos raus und ließ Polizeipräsident Gerhard Bereswill ein Grußwort an die Frankfurter Bürger richten.

Ein spezieller Dank von “Bild” geht an die “21 PRÄSIDENTEN”, die vor Bereswill im Amt waren. Ihre Portraitfotos haben die Layouter ganz unten auf der Seite aufgereiht — sie gehören im besonderen Maße zu “unseren Helden und Rettern”. Auch Adolf Beckerle:


Nun könnte man schon mit grundlegenden Geschichtskenntnissen etwas misstrauisch werden, wenn jemand in Deutschland im Jahr 1933 in eine leitende Position bei der Polizei gekommen ist. Man könnte sich dann den “Wikipedia”-Eintrag zu Adolf Beckerle anschauen und dort lesen:

Adolf Heinz Beckerle (…) war in der Zeit des Nationalsozialismus als deutscher Gesandter in Sofia an der Deportation von Juden in den von Bulgarien im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten beteiligt.

Und:

Laut Ermittlungen der deutschen Nachkriegsjustiz war Beckerle “maßgeblich” beteiligt an der Deportation und Ermordung von etwa 11.000 Juden, für die aber unmittelbar die SS verantwortlich war

Beckerle war SA-Obergruppenführer, er saß für die NSDAP in Land- und Reichstag, trat der Partei 1922 ein erstes Mal und 1928 ein zweites Mal bei. Die zentrale Spruchkammer Hessen-Süd stufte ihn im März 1950 im Prozess der Entnazifizierung als “Hauptschuldigen” ein.

Generalstaatsanwalt Fritz Bauer ließ gegen Adolf Beckerle wegen dessen Machenschaften in Bulgarien ermitteln, im November 1967 begann ein Prozess gegen den früheren Frankfurter Polizeipräsidenten. Vor allem sein Diensttagebuch, das er in Bulgarien selbst geführt hatte, belastete Beckerle schwer. Aus Krankheitsgründen wurde das Verfahren gegen Adolf Beckerle im August 1968 eingestellt.

Diesem Mann, einem Nazi durch und durch, dankte die “Bild”-Zeitung am vergangenen Freitag.

Gesehen bei Tim Wolff.

Drei Schlagzeilen, drei Geschichten

In Nürnberg wurde gestern ein 20-jähriger Afghane von Polizisten aus dem Klassenzimmer geholt, weil er abgeschoben werden sollte. Seine Mitschüler stellten sich der Polizei in den Weg, sie starteten Sitzblockaden, Pfefferspray, Schlagstöcke, es gab Verletzte.

Die örtlichen Zeitungen berichten heute natürlich über den Vorfall — allerdings mit ziemlich unterschiedlichem Fokus:

Für die “Abendzeitung” aus München sind hingegen weder die Schüler noch die Polizisten von Interesse. Der Afghane, der abgeschoben werden sollte, ist Ursprung des Ärgers:

Heute entschied ein Gericht, dass der junge Mann nicht in Abschiebehaft muss.

Mit großem Dank an Kevin Crafts und Tihomir V. für die Fotos!

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