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“Mit der Angst der Deutschen verdienen sie Geld”

Bei Bild.de haben sie vorhin ihre neue Serie “Clans von Berlin” veröffentlicht, eine dreiteilige Video-Doku über die Clan-Kriminalität in der Hauptstadt. Sowas kündigt die Redaktion natürlich auch auf ihrer Startseite an:

Screenshot Bild.de - Abou-Chacker, Miri, Remmo - Mit der Angst der Deutschen verdienen sie Geld

Wenn die Mitarbeiter von Bild.de das so analysieren, muss das stimmen. Denn wer kennt sich seit Jahrzehnten besser darin aus, “mit der Angst der Deutschen” Geld zu verdienen, als die “Bild”-Medien?

Bild.de macht Topmodel zur Trump-Verwandten

Zwei Dinge, die wir niemandem wünschen:

1) Mit Donald Trump verwandt zu sein.
2) Mit irgendeinem Unsinn bei Bild.de aufzutauchen.

Arme Karlie Kloss.

Screenshot eines Teaser-Bildes, das auf der Bild.de-Startseite erschienen ist - Topmodel jetzt verwandt mit Trump - Karlie Kloss hat Ja gesagt

Im Artikel von Bild.de wird die angebliche Verwandtschaft zwischen dem Model und dem US-Präsidenten sogar “offiziell”:

Screenshot einer Bild.de-Überschrift - Karlie Kloss heiratet Joshua Kushner - Topmodel jetzt offiziell verwandt mit Trump

Bloß: Karlie Kloss hat zwar geheiratet, sie ist nun allerdings nicht mit Donald Trump verwandt.

Kloss’ Ehemann ist Joshua Kushner. Der ist der jüngere Bruder von Jared Kushner. Der wiederum der Ehemann von Ivanka Trump ist. Und die ist die Tochter von Donald Trump. Oder etwas kürzer: Karlie Kloss ist nun die Ehefrau des Bruders von Donald Trumps Schwiegersohn. Eine solche Konstellation hat nichts mit Blutsverwandtschaft, nichts mit irgendeiner Form rechtlicher Verwandtschaft, sie hat nicht mal was mit Schwägerschaft zu tun. Kloss ist die Schwägerin von Jared Kushner. Karlie Kloss und Ivanka Trump sind höchstens Schwippschwägerinnen. Und da fehlt dann immer noch die Verbindung zu Donald Trump.

Das falsche Verwandtschaftsverhältnis zwischen Model und Präsident wird auch dadurch nicht richtiger, dass Bild.de es bereits eine Woche vor der Hochzeit verbreitete. Oder dadurch, dass der SWR es in einer Frage verpackt: “was ihr neuer Verwandter Donald Trump wohl dazu sagt”, dass Kloss im US-Wahlkampf öffentliche Kokurrentin Hillary Clinton unterstützte?

Und so lautet die Antwort auf die Zwischenzeile “So ist Karlie Kloss mit Trump verwandt”, die die Redaktion von t-online.de in ihren Artikel eingebaut hat: gar nicht.

Mit Dank an Gesine K., Harald B. und Matthew L. für die Hinweise!

“Ich kann noch alles ändern”

Ich sage dies, weil es teilweise bekannt ist, weil es Fotos gibt — und dass ich “Vetternwirtschaft” oder Beeinflussung bei dieser Recherche trotzdem komplett ausgeschlossen habe.

Das versprach “Bild”-Kolumnist Alfred Draxler im Oktober 2015. Sein Text zur Sommermärchen-Affäre, zur möglicherweise gekauften Fußball-WM 2006 in Deutschland, war laut Draxler das Ergebnis einer “Intensiv-Recherche”:

Screenshot Bild.de - Das Sommermärchen war nicht gekauft - So war es wirklich mit den 6,7 Millionen Euro

Draxlers Unabhängigkeitserklärung, die Betonung, er habe “Beeinflussung bei dieser Recherche” komplett ausgeschlossen, wirkte damals bereits ziemlich lächerlich, schließlich beruhte sein Freispruch für seine Kumpels beim Deutschen Fußball-Bund einzig auf “langen und intensiven” Gesprächen mit seinen Kumpels beim Deutschen Fußball-Bund. Jetzt scheint sich Draxlers Beteuerung als glatte Lüge zu entpuppen.

Ein Text im aktuellen “Spiegel” zu einem Gerichtsurteil rund um das Sommermärchen beginnt mit dieser Geschichte:

Das Arbeitsprinzip des Sportjournalisten Alfred Draxler ist das eines Unterziehleibchens: Keiner klebt so eng am Deutschen Fußball-Bund wie der Chefkolumnist der “Bild”, keiner umgarnt die großen Namen so hautfreundlich wie Draxler.

Das war schon so, als er 2015 den Verband nach einer angeblichen “Intensiv-Recherche” in Schutz nahm. Nein, das Sommermärchen, die deutsche WM 2006, sei nicht gekauft gewesen, schrieb er in einer Kolumne. Was der Leser damals nicht erfuhr: dass Draxler seinen Artikel zuvor noch dem amtierenden DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach zum Gegenlesen geschickt hatte, mit der devoten Betreffzeile “Ich kann noch alles ändern.”

Genauso ging das Stück vorab auch an Elvira Netzer, Ehefrau von Altstar Günter Netzer, der ebenfalls in jenen dubiosen Deal um 6,7 Millionen Euro aus der deutschen WM-Kasse verwickelt war: “Ich kann noch alles ändern.”

Alfred Draxler soll seinen Text also den Leuten, über die er berichtet hat, zum Gegenlesen geschickt und ihnen versprochen haben, er könne “noch alles ändern” — und hat dann in genau diesen Text geschrieben, dass er “bei dieser Recherche” Beeinflussung “komplett ausgeschlossen” habe.

Ein anderer Satz in Draxlers DFB-Verteidigungsschrift lautete:

ICH BIN MIR BEWUSST, DASS ICH MIT DIESEM ARTIKEL MEINE REPUTATION ALS JOURNALIST UND REPORTER AUFS SPIEL SETZE.

Kai Diekmann, damals noch “Bild”-Chefredakteur, fand das wohl so überzeugend, dass er in gleich zwei Tweets jubelte, was für eine vermeintliche “Hammer!!!”-Enthüllung seinem Kolumnisten Draxler da gelungen sei. Und auch für die “Zeit” wurde es etwas peinlich: Den redaktionellen Twitter-Account hatte auf Einladung “Bild am Sonntag”-Chefredakteurin Marion Horn übernommen, die im Namen der “Zeit” ihrem “Bild”-Kollegen zur Seite sprang und schrieb, dass sie “keinen Grund” habe, “an den Recherchen von Alfred Draxler zu zweifeln”. Zu diesem Zeitpunkt war schon recht offensichtlich, dass es sich nicht um eine Recherche handelte, sondern lediglich um einen Kniefall vor DFB-Buddys.

Alfred Draxler schreibt auch heute noch über die Sommermärchen-Affäre. Am Dienstag erschien in “Bild” ein Artikel von ihm mit der Überschrift “Kein Stimmenkauf!”. Auch dazu finden die “Spiegel”-Redakteure Rafael Buschmann, Jürgen Dahlkamp, Gunther Latsch und Jörg Schmitt sehr treffende Worte:

So gesehen war es keine Überraschung, dass Draxler in dieser Woche wieder für den DFB jubelte. Hintergrund: Das Landgericht Frankfurt hatte die Sommermärchen-Anklage gegen drei Ex-Funktionäre des DFB verworfen, darunter Niersbach. Den Beschluss legte Draxler gewohnt verbandsnah aus: “Der schwere Vorwurf des Stimmenkaufs wurde entscheidend entkräftet.” Eine Lesart, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat.

Die Frage, ob das Sommermärchen gekauft war oder nicht, war nämlich zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der zweieinhalb Jahre währenden Ermittlungen.

Mehr zu Alfred Draxlers Tätigkeit als inoffizieller DFB-Pressesprecher:

“Bild”-Chef Reichelt ganz stolz: Es stimmte fast alles

Gerade in der Konditorei: Ja, gut, das sei schon ein ärgerlicher Fehler, so der Meister, dass er und sein Team beim Teig für die Sahnetorte Gips statt Mehl genommen haben, und dass sich in dem Glas, auf dem Salz steht, kein Zucker befindet, nun ja, das hätte vielleicht auch auffallen können. Aber sonst sei das alles Top-Qualität! Ach, warum die Creme so merkwürdig schmeckt? Das könne daran liegen, dass sie Rasierschaum statt Sahne verwendet hätten. Aber sonst stimme so gut wie alles.

So würde es klingen, wenn Julian Reichelt seine Ware nicht als “Bild”-Chefredakteur unter die Leute bringen würde, sondern als Konditor.

Drüben bei Twitter rühmt er sich damit, dass seine Redaktion nur ein paar grobe Schnitzer in einem Artikel untergebracht hat — abgesehen davon habe “so gut wie alles” gestimmt in der “BILD kennt den geheimen Ablauf”-Geschichte über Stefan Raabs Bühnencomeback. Zur Erinnerung: Das Raab-Team hatte auf der “TV Total”-Facebookseite einem “Bild”-Beitrag deutlich widersprochen. Der Artikel sei in großen Teilen schlicht erfunden.

Das ist also der journalistische Anspruch von “Bild” unter Julian Reichelt: Ist doch super, wenn “so gut wie alles stimmt”:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Vor wenigen Tagen dementierte TV total die Bild-Berichterstattung über Stefan Raabs Comeback als frei erfunden und in Teilen erfunden. Hier sieht man nun, dass so gut wie alles stimmte (die Schalte zu ProSieben war ein ärgerlicher Fehler).
Screenshot eines weiteren Tweets von Julian Reichelt - Online haben wir berichtet, dass auch die Heavy Tones auftreten würden. Auch das stimmt. Das Dementi von TV Total zu der Geschichte in Bild ist in weiten Teilen frei erfunden.

Leider stimmt nicht mal Reichelts “so gut wie alles stimmt”. Da der “Bild”-Chef von sich aus nur den “ärgerlichen Fehler” mit der “Schalte zu ProSieben” anspricht, helfen wir ihm — mit Blick auf den Auftritt von Stefan Raab gestern Abend in Köln — gern noch einmal auf die Sprünge:

Nein, Lena Meyer-Landrut war nicht, wie von “Bild” angekündigt, Teil der Show.

Nein, Aaron Troschke war nicht, wie von “Bild” angekündigt, Moderator der Show.

Nein, es waren nicht, wie von “Bild” angekündigt, 20.000 Zuschauer, sondern rund 14.000.

Nein, es gab keine “Aufarbeitung verschiedener Ereignisse der letzten Wochen”, wie von “Bild” angekündigt.

Nein, Raab gab keinen “(beruflichen) Rückblick auf seine TV-Abstinenz”, wie von “Bild” angekündigt.

Nein, Raab sprach nicht, wie von “Bild” angekündigt, “über seine zukünftigen Pläne”.

Mathias Döpfner sagte neulich in einem Interview zur angeblichen neuen Fehler-Kultur bei “Bild”:

Und was ich toll finde: Dass Julian Reichelt, wenn er Fehler macht, sich dafür entschuldigt und sofort Transparenz herstellt.

Dem Springer-Chef könnte ein Konditor Reichelt vermutlich auch ein Stück Sahnetorte andrehen.

Wie es bei Stefan Raabs Bühnencomeback tatsächlich war:

Klingelingeling, hier kommt der Bullshit-Mann

Auf der “Bild”-Titelseite ist heute wieder alles ganz aufgeregt:

Ausriss der Bild-Titelseite - Datenschutz-Irrsinn - Unsere Klingel-Schilder sollen weg!

Deutschland drohe “EIN KLINGELSCHILD-CHAOS”, weil Vermieter aufgrund der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) womöglich bald überall im Land die Klingelschilder abschrauben müssten. Dieselbe Alarmstufe bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Datenschutz-Irrsinn - Unsere Klingel-Schilder sollen weg - Haben wir bald etwa nur noch Nummer an der Tür?

Wie die “Bild”-Medien auf den “Datenschutz-Irrsinn” kommen? Mit einem Zitat, das der Zitatgeber so nicht gegeben haben will, falschen Fakten zur DSGVO und viel, viel Biegerei.

Henrik Jeimke-Karge und Kai Weise schreiben gleich zu Beginn ihres Artikels:

“Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür …” Damit kann bald Schluss sein!

Schuld daran ist die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Zwei Sätze weiter sind sich die beiden “Bild”-Autoren zwar schon nicht mehr ganz so sicher (“Ob darunter auch ein Name auf einem Klingelschild fällt, ist unklar.”), aber dennoch: “Schuld daran ist” für sie erstmal die EU.

Nun gibt es seit einigen Tagen schon Diskussionen darüber, ob Klingelschilder unter die DSGVO fallen. Rechtsanwalt und Datenschutzexperte Niko Härting hat sich bereits vor zwei Tagen die Mühe gemacht, das Thema aufzudröseln. In einem lesenswerten Beitrag bei “CRonline” geht er der Frage nach, ob öffentlich einsehbare Namen auf Klingelschildern mit Blick auf die DSGVO problematisch sein könnten. Seine Antwort in Kurzform: nein. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Entscheidend sei dabei, ob die Daten (in diesem Fall: die Namen auf den Klingelschildern) Teil einer “strukturierten Sammlung” und ob sie “nach bestimmten Kriterien zugänglich sind”.

Härting schreibt dazu:

Das Haus, in dem ich wohne, ist “old school”, was die Klingelschilder angeht. Sie sind in Messing geprägt und so angeordnet, dass man nicht erkennen kann, wer in welchem Stockwerk wohnt. Es fehlt somit an jeder “Struktur”. Datenschutzrechtliche Fragen stellen sich nicht. Das Datenschutzrecht bleibt vor der Tür.

Wenn die Klingelschilder so angeordnet sind, dass sich das jeweilige Stockwerk des Bewohners erkennen lässt, fehlt es zwar nicht an einer “Struktur”. Wohl aber stellt sich die Frage einer weitergehenden “Zugänglichkeit”. (…) Eine Datenauswertung, die über die Informationen hinausgeht, die sich aus den Klingelschildern selbst ergeben, wird durch die Beschilderung nicht ermöglicht. Auch hier fehlt es demnach an einem “Dateisystem”, das die Anforderungen des Art. 4 Nr. 6 DSGVO erfüllt. Das Datenschutzrecht bleicht auch hier außen vor.

Eine Ausnahme gebe es, wenn die Klingelschilder nicht analog angebracht seien, sondern “auf einem Monitor sichtbar”. Dann finde die DSGVO Anwendung.

Zu einem ähnlich klaren Ergebnis kommen der Datenschutzexperte Thomas Schwenke, der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar, die aktuelle Bundesbeauftragte für den Datenschutz Andrea Voßhoff, die Stiftung Datenschutz, der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und die EU-Kommission.

Nur die “Bild”-Medien, Henrik Jeimke-Karge und Kai Weise sind der Meinung, die DSGVO sei am “KLINGELSCHILD-CHAOS” schuld. Sie haben ja auch diese Ankündigung des Immobilien-Eigentümerverbandes “Haus & Grund”:

Deshalb will der wichtige Immobilien-Eigentümerverband Haus & Grund seinen 900 000(!) Mitgliedern nun empfehlen, die Namensschilder bei vermieteten Wohnungen abzuschrauben!

“Nur so können sie sicher sein, nicht gegen die DSGVO zu verstoßen”, sagt Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund, zu BILD.

Wir haben bei Haus & Grund nachgefragt, ob man wirklich “seinen 900 000(!) Mitgliedern nun empfehlen” wolle, “die Namensschilder bei vermieteten Wohnungen abzuschrauben”. Die Antwort von Pressesprecher Alexander Wiech: Die Empfehlung sei so nicht gegenüber “Bild” angekündigt worden. Man fordere “nicht auf, Klingelschilder abzumontieren.” Stattdessen wolle man die Mitglieder warnen, dass es irgendwann mal soweit kommen könne.

Daraufhin haben wir bei “Bild” nachgefragt, ob die Redaktion dabei bleibe, dass Haus & Grund ein Empfehlung an die vielen Mitglieder gegenüber den “Bild”-Autoren angekündigt habe. Sprecher Christian Senft antwortete uns, dass er uns dringend empfehle, unsere Recherche bei Haus & Grund noch einmal zu verifizieren: “Diese haben nichts relativiert und stehen voll zu der Geschichte und dem Zitat. Sie haben Ihnen nur gesagt, dass sie diese Empfehlung bisher noch nicht ausgesprochen haben, weil sie noch nicht dazu gekommen sind.” Also, noch mal nachgefragt bei Haus & Grund: Alexander Wiech sagt uns noch einmal, dass man keine Empfehlung gegenüber “Bild” angekündigt habe, sondern davon gesprochen habe, die Mitglieder sensibilisieren zu wollen.

Das hat Haus & Grund übrigens auch gegenüber anderen Medien so gesagt — etwa gegenüber “Zeit Online”, gegenüber dem WDR, gegenüber der “Hannoverschen Allgemeinen”.

Inzwischen hat Haus & Grund, nach der Klarstellung durch die Bundesdatenschutzbeauftragte, eine Pressemitteilung rausgegeben, in der der Verband schreibt: “Bundesdatenschutzbeauftragte: Mieternamen an Klingelschildern sind zulässig”.

Nachtrag, 17:40 Uhr: Wir haben die Überschrift von “Klingelingeling, hier kommt der Fake-News-Mann” in “Klingelingeling, hier kommt der Bullshit-Mann” geändert. Der Begriff “Fake News” war für diesen Fall nicht passend.

Kurz korrigiert (517-521)

Bei “Zeit Online” haben sie neulich das Kunststück hinbekommen, einen offensichtlichen Fehler nicht zu korrigieren, dabei aber ganz im Sinne der Transparenz zu behaupten, ihn korrigiert zu haben.

In einer Reportage über den Ort Schwarzenberg im Erzgebirge, in dem vor einer Weile eine schwarze Puppe mit einer Schlinge um den Hals von einer Brücke hing, standen diese zwei Sätze:

Schon einmal wurde in Sachsen eine Puppe aufgeknüpft. 1996 hing sie von einer Autobahnbrücke in Jena, gekennzeichnet mit einem Davidstern. Aufgehängt hatte sie Uwe Böhnhardt, eines der späteren Mitglieder des NSU.

Während Schwarzenberg tatsächlich in Sachsen liegt, liegt Jena in Thüringen — die in der “Zeit”-Reportage hergestellte Wiederholung von an Brücken aufgeknüpften Puppen in Sachsen passt also nicht so ganz. Im Kommentarbereich wiesen Leser die Redaktion auf den Fehler hin, worauf “Zeit Online” reagierte. Nun steht am Ende des Artikels:

Korrekturhinweis: In der ursprünglichen Version dieses Textes schien es so, als läge Jena in Sachsen. Es liegt aber in Thüringen. Wir haben das online korrigiert. Die Redaktion.

Das ist sehr vorbildlich. Bloß stimmt “Wir haben das online korrigiert” nicht. Die Stelle im Text lautet nun nämlich:

Schon einmal wurde in Sachsen eine Puppe aufgeknüpft. 1996 hing sie von einer Autobahnbrücke, gekennzeichnet mit einem Davidstern. Aufgehängt hatte sie Uwe Böhnhardt, eines der späteren Mitglieder des NSU.

Die Redaktion hat einfach “in Jena” gestrichen, wodurch “in Sachsen” allerdings nicht richtiger wird.

Völlig anderes Thema, aber geographisch genauso falsch: dieser Satz von Bild.de in einem Beitrag zum “längsten Langstreckenflug der Welt”:

Der Flug von Singapur nach New York, der bei guten Wetterbedingungen planmäßig 18 Stunden und 45 Minuten dauern soll, löst den bisher weitesten Langstreckenflug ab: Qatar Airways fliegt in 17 Stunden und 40 Minuten von Auckland in Australien nach Doha.

Auckland ist die größte Stadt Neuseelands und hat mit Australien nichts zu tun, selbst wenn CNN und Rapper das behaupten.

Mit dem Taschenrechner können “Bild”-Mitarbeiter mindestens genauso schlecht umgehen wie mit Google Maps. Zum Abschneiden der SPD bei den bayrischen Landtagswahlen verrechnete einer von ihnen:

Mit Spitzenkandidatin Natascha Kohnen (50) verzeichnete die SPD ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl. Mehr als 50 Prozent der Stimmen haben die Sozialdemokraten verloren.

Nee. Bei der Bayernwahl 2013 bekam die SPD insgesamt 2.437.401 Stimmen. Bei der Wahl am Sonntag waren es laut vorläufigem Ergebnis 1.317.942, also 1.119.459 Stimmen weniger. Das sind nicht “mehr als 50 Prozent” weniger, sondern 45,9 Prozent weniger.

Und zum Schluss noch ein Hinweis an “Bild”-Chefreporter Peter Hell, bevor er das nächste Mal ein Video bei Twitter per Retweet verbreitet …

Screenshot des Retweets von Peter Hell - Indonesia. Few Seconds before Tsunami when it hits

… das scheinbar den Tsunami in Indonesien Ende September dieses Jahres zeigt: Es handelt sich um Aufnahmen von 2011 aus Japan (ab Minute 1:26).

Mit Dank an Sebastian M., Joshua R., Sven W., Timo R. und Roland W. für die Hinweise!

“Nichts anderes als übelste Propaganda”

Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen, twitterte vorgestern zur anstehenden Landtagswahl in Bayern das hier:

Screenshot eines Tweets von Robert Habeck - Sonntag wählt Bayern. Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern. Eine Alleinherrschaft wird beendet. Demokratie atmet wieder auf. Damit das möglich wird, geht zur Wahl und wählt mit beiden Stimmen Grüne Bayern!

Das ist ziemlicher Unfug. Der Satz “Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern” ist schlicht falsch. Die absoluten Mehrheiten der CSU waren immer durch Wahlen demokratisch legitimiert.

Habecks Aussage störte auch “Bild”-Chef Julian Reichelt:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Die Grünen beenden den Wahlkampf in Bayern mit einer gefährlichen Botschaft, die nichts anderes ist als übelste Propaganda: Es gäbe keine Demokratie in Bayern, sondern Alleinherrschaft. Wer so über frei gewählte Demokraten spricht, kriminalisiert sie und ihre Wähler.

Ihm missfiel offenbar beides: Habecks Behauptung, es gäbe keine Demokratie in Bayern, und der Begriff “Alleinherrschaft” — jedenfalls zitiert er ihn extra noch einmal.

Schaut man mal bei Bild.de nach, wofür Reichelt ja verantwortlich ist, findet man einen recht aktuellen Artikel, in dem etwas über eine “Alleinherrschaft” der CSU in Bayern stand:

Screenshot Bild.de - Bei der Landtagswahl 2008 musste die CSU dann nicht nur einen dramatischen Absturz von 60,7 auf 43,4 Prozent verkraften, sondern auch, was für sie noch schlimmer war, den Verlust der jahrzehntelangen Alleinherrschaft.

Sicher, es gibt einen Unterschied zwischen Habecks Aussage zur “Alleinherrschaft”, die er in den Zusammenhang mit einer vermeintlich fehlenden Demokratie bringt, und der Aussage zur “Alleinherrschaft” von Bild.de, die erstmal nur die absolute Mehrheit der CSU überspitzt umschreibt. Und dennoch: In der “Bild”-Redaktion hielten sie es offenbar mal nicht für “übelste Propaganda”, von einer CSU-“Alleinherrschaft” zu sprechen.

Robert Habeck hat bereits gestern eingeräumt, dass sein Tweet “einer zu viel” gewesen sei. Das Vorgehen der Bild.de-Mitarbeiter steht im Kontrast zu dieser transparenten Reaktion des Politikers: Sie haben — nachdem mehrere Personen Julian Reichelt auf den “Alleinherrschaft”-Artikel hingewiesen haben — einmal mehr klammheimlich gehandelt. In ihrem Text steht nun, ohne weiteren Hinweis:

Screenshot Bild.de - Bei der Landtagswahl 2008 musste die CSU dann nicht nur einen dramatischen Absturz von 60,7 auf 43,4 Prozent verkraften, sondern auch, was für sie noch schlimmer war, den Verlust der jahrzehntelangen alleinigen Regierung.

Sollte es den Leuten bei Bild.de wirklich wichtig sein, dass bei ihnen nicht von einer “Alleinherrschaft” der CSU die Rede ist, dann können sie gern auch noch mal hier

Screenshot Bild.de - In den Umfragen liegt die CSU aktuell bei 36 Prozent: Adé Alleinherrschaft!

… und hier aufräumen:

Screenshot Bild.de - Dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten ist die Rückeroberung der CSU-Alleinherrschaft spektakulär gelungen.

“Dies ist ebenfalls schlichtweg frei erfunden und unwahr”

Kommenden Donnerstag wird Stefan Raab mal wieder auftreten, nicht im TV, sondern live in Köln. Und “Bild” …

BILD kennt den geheimen Ablauf. Und Sie auch — mit BILDplus.

Das kündigt die Redaktion jedenfalls bei Bild.de an:

Screenshot Bild.de - Drei Jahre nach seinem letzten TV-Auftritt - Das Raab-Comeback! Auch Lena kommt

In der gedruckten “Bild” steht ebenfalls, wie “das Raab-Comeback” ablaufen solle:

Ausriss Bild-Zeitung - Bühnen-Show drei Jahre nach letzten TV-Auftritt - So läuft das Raab-Comeback

Bevor wir uns jetzt die Mühe machen, in die Details einzusteigen, kommen wir besser direkt zur Reaktion der Mitarbeiter von Stefan Raab, die für die Planungen zum Auftritt in Köln verantwortlich sind. Bei Facebook schreiben sie zu den Artikeln der “Bild”-Medien und zu einem “Spiegel Online”-Beitrag:

Screenshot eines Facebook-Posts auf der TV-Total-Facebook-Seite - Liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung, Bild online und BILD haben einen Artikel zu Stefans bevorstehenden Shows veröffentlicht, der in großen Teilen schlicht erfunden ist. Die Informationen zu Ablauf und Inhalt der Show sind frei erfunden. Die Zusammenstellung der Gäste ist in Teilen erfunden. Es wird berichtet, dass es auch ein Mini-TV-Comeback gäbe sowie eine Live-Schalte zu ProSieben. Dies ist ebenfalls schlichtweg frei erfunden und unwahr. Zudem berichtet SPIEGEL ONLINE, dass ProSieben die gesamte Show live übertragen wird. Auch das ist einfach erstunken und erlogen, wie Sie feststellen werden, wenn Sie nächsten Donnerstag ProSieben einschalten. Die Show ist nur live in der Arena zu sehen. Wir behalten uns rechtliche Schritte gegen BILD, Bild online und SPIEGEL ONLINE wegen Täuschung der Öffentlichkeit und unserer Showbesucher sowie der Verbreitung von Fake News vor. Viel Vergnügen bei der Show am nächsten Donnerstag, wird natürlich knaller! Euer Stefan Raab live-Team

“Spiegel Online” hat den entsprechenden Artikel inzwischen korrigiert und am Ende des Textes folgenden Absatz hinzugefügt:

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikel hieß es, ProSieben würde die Show komplett live übertragen. Das ist nicht korrekt.

Bei Bild.de haben sie die Passage zum kleinen TV-Comeback und zur Live-Schalte klammheimlich gelöscht. Dafür aber diese Information ergänzt:

Auf der Facebook-Seite von TV-Total wird die Zusammenstellung der Gäste und die Inhalte der Sendung allerdings als “in Teilen erfunden” beschrieben.

Trotzdem behauptet die Redaktion auch jetzt noch, dass “Bild” “den geheimen Ablauf” kenne.

An dieser Stelle sei noch mal an einen BILDblog-Klassiker erinnert: Nicht Stefan Raabs Mettbrötchen.

Nachtrag, 14. Oktober: Inzwischen haben sie bei Bild.de den Artikel noch einmal geändert. An der Stelle, die wir bereits gestern weiter oben zitiert haben, heißt es nun:

Auf der Facebook-Seite von TV-Total wird die Zusammenstellung der Gäste und die Inhalte der Sendung allerdings als “in Teilen erfunden” beschrieben. Bis zur Sendung sind einige Tage Zeit. Möglich, dass das Programm nun bis dahin noch einmal angepasst wird. Die Auftritte von Lena und Mutzke könnten nun in eine der anderen Shows verschoben werden.

Das ist ausgesprochen trickreich. Statt zu sagen: “Wir haben schlichtweg falsche Informationen weiterverbreitet — Pardon!”, raunt die “Bild”-Redaktion nun, dass das Raab-Team nachträglich das Programm ja “noch einmal anpassen” könnte (etwa um die “Bild”-Vorhersage, die eigentlich doch richtig war, dann als falsch dastehen zu lassen?).

Stefan Raabs Sprecherin Gaby Allendorf bestätigte uns noch einmal, dass es keine “Sendung” im Sinne einer TV-Sendung geben werde: “ProSieben überträgt nicht eine Sekunde”. Damit sei dieser Absatz im Bild.de-Artikel …

Aaron Troschke (29) übernimmt die Moderation. Während der Show soll Raab von der Bühne ins laufende Live-Programm von ProSieben zugeschaltet werden.

… gleich doppelt falsch. Denn die Live-Show werde auch nicht von Aron Troschke moderiert. Dieser habe “mit der Show nichts zu tun. Er ist dort auch kein Gast, das war auch nie eine Überlegung. Ist schlicht erfunden.”

Übertreiben? Da ist Bild.de dabei!

Kevin Großkreutz, einst Fußball-Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft und derzeit Spieler beim KFC Uerdingen in der 3. Liga, wird künftig das Trainerteam eines Landesliga-Klubs beraten. Großkreutz’ Vater ist dort, beim VfL Kemmingshausen, Vorsitzender, sein Freund Reza Hassani ist Trainer, Großkreutz selbst spielte in seiner Jugend in dem Verein.

Auch Bild.de berichtet über die neue Aufgabe von Kevin Großkreutz. Im Artikel steht unter anderem:

Großkreutz in den “Ruhr Nachrichten” über seine neue Rolle: “Reza ist verantwortlich, da will ich mich auch gar nicht aufspielen”. Und weiter: “Mich Co-Trainer oder gar Trainer zu nennen, wäre übertrieben”.

Übertreiben? Kaum etwas machen sie bei “Bild” und Bild.de lieber. Und so lautet die Überschrift zum Artikel folgerichtig:

Screenshot Bild.de - Ex-Nationalspieler - Großkreutz wird Co-Trainer in der Landesliga

Gesehen bei @ralfheimann.

“Bild” erhöht Abgeordnetendiät auf 54.000 Euro pro Monat

In der “Bild”-Ausgabe von gestern und bei Bild.de schreibt “Bild”-Autor Kai Weise:

Screenshot Bild.de - Bläh-Bundestag kostet eine Milliarde pro Jahr

Im nächsten Jahr wird unser Parlament 973,7 Millionen Euro kosten, wie ein Bericht des Rechnungshofes darlegt: 100 Mio. mehr als im vergangenen Jahr!

137 Mio./Jahr für Miete und Unterhalt der Gebäude, 112 Mio. für die Fraktionen. Immer teurer aber werden vor allem unsere Abgeordneten: Nächstes Jahr kosten ihre Diäten rund 460 Mio.!

Grund: Der Bundestag hat 709 Sitze, fast 100 mehr als vor zehn Jahren.

Insgesamt 460 Millionen Euro für Diäten? Das wären bei den aktuell 709 Abgeordneten 648.801,13 Euro pro Jahr für jede Politikerin und jeden Politiker, die/der im Bundestag sitzt, beziehungsweise ein Monatsgehalt von 54.066,76 Euro pro Person. Das ist natürlich kompletter Unfug. Darauf weist auch der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber bei Twitter hin. Tatsächlich beträgt die Diät seit dem 1. Juli dieses Jahres monatlich 9.780,28 Euro.

Hinzu kommen noch weitere Posten, die jeder und jedem Bundestagsabgeordneten zustehen: etwas mehr als 20.000 Euro pro Monat für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundestagsbüro zum Beispiel oder Erstattungen für Dienstreisen oder eine Kostenpauschale. Frank Schwabe (SPD) hat das auf seiner Website im Sinne der Transparenz mal aufgeschlüsselt.

Der Bericht des Rechnungshofes, auf den sich “Bild”-Autor Kai Weise bezieht, ist noch nicht veröffentlicht. Es gibt aber den gleichen Bericht für 2018. Dort findet man unter “Personalausgaben” den Punkt “Aufwendungen für Abgeordnete” (PDF, Seite 4). Im zweiten Haushaltsentwurf 2018 waren dafür 446,7 Millionen Euro vorgesehen — also nur etwas weniger als die 460 Millionen Euro, die Kai Weise für 2019 nennt. Diese “Aufwendungen für Abgeordnete” beinhalten auch die Diäten der Bundestagsabgeordneten, aber eben längst nicht nur.

Die falschen Diäten haben einige Redaktionen blind von “Bild” abgeschrieben. Beim Onlineauftritt der “Hannoverschen Allgemeinen” sind sie noch zu finden, genauso bei n-tv.de. “Spiegel Online” und Tagesspiegel.de hatten die Zahl ebenfalls übernommen, die Redaktionen haben sich aber inzwischen transparent korrigiert. Bei “Spiegel Online” steht nun am Ende des Artikels (ganz ähnlich bei Tagesspiegel.de):

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieser Meldung hieß es unter Berufung auf “Bild”, die Abgeordneten-Diäten würden sich 2019 auf 460 Millionen Euro summieren. Laut dem Entwurf des Bundeshaushalts für 2019 belaufen sich die Kosten für die Diäten der Bundestagsabgeordneten aber auf gut 81 Millionen Euro. Selbst wenn man Sach- und weitere Personalaufwendungen, die den Abgeordneten ebenfalls zustehen, addiert, kommt man laut Haushalt nicht auf 460 Millionen Euro für 2019. Wir haben die Stelle korrigiert.

Dennoch ist die falsche Diäten-Summe nun in der Welt. Wenn die Stammtischnörgler sich mal wieder über die da oben im Bundestag ärgern und dabei dann auch über die 460 Millionen Euro schimpfen, die die Politikerinnen und Politiker vermeintlich als Diäten kassieren, dann ist das der “Bild”-Redaktion zu verdanken.

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