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In 80 Fehlern um die Welt

Rennfahrer Lewis Hamilton und seine Formel-1-Kollegen hatten die vergangenen Wochen frei, nach dem Großen Preis von Bahrain war erstmal Rennpause. Und die hat Hamilton ordentlich genutzt:

Genau genommen ging’s für ihn in Teilstücken und dann aufsummiert “einmal um die Welt”. Wie Bild.de auf Hamiltons 45.000-Kilometer-Trip kommt?

Die genaue Reiseroute kann man auf seinem Twitter-Account nachvollziehen. Hamilton postete von jeder Station mehrere Fotos.

Der Tourplan laut Bild.de: Bahrain — London — Mallorca — Monza — Los Angeles — Las Vegas — New York — Brackley — Barcelona.

Mal davon abgesehen, dass Bild.de vermutlich nicht auf Hamiltons Twitter-Account (wo bis heute Mittag nichts zu sehen war über Aufenthalte auf Mallorca und in Barcelona), sondern auf dessen Instagram-Account nachgeschaut, einen Zwischenstopp in Rom und einen in Monaco vergessen hat und auf keinem der Kanäle Fotos von Hamilton in Brackley zu finden sind, gibt es noch ein ganz anderes Problem:

Die Bild.de-Weltreisen-Rechnung haut also nur dann hin, wenn Hamiltons Pilot beim Flug von London nach Mallorca eine große Schleife über halb Europa gedreht hat und die Strecke Mallorca — Monza gleich mehrfach geflogen ist, bevor er zur Landung ansetzte.

Inzwischen haben sie auch bei Bild.de gemerkt, dass das alles nicht so ganz hinhaut — vielleicht haben die kritischen Leserkommentare unter dem Artikel dazu beigetragen. Text und Überschrift wurden jedenfalls klammheimlich geändert: Aus den 8775 Kilometern nach Mallorca sind 1347 geworden, die 9730 Kilomenter nach Monza sind jetzt nur noch 862. Und aus der 45.000-Kilometer-Weltreise wurde eine 27.606-Kilometer-Halbweltreise:

Nun hat Lewis Hamilton am 30. April — also zwischen seinem Aufenthalt in Kalifornien und dem Boxkampf, den er sich in Las Vegas angeschaut hat — allerdings dieses Foto bei Instagram gepostet:

Sollte er also tatsächlich die 8666 Kilometer von Los Angeles bis ins britische Silverstone und von dort wenig später wieder die 8318 Kilometer nach Las Vegas geflogen sein, wäre Lewis Hamilton in den vergangenen 14 Tagen 44.590 Kilometer geflogen. Also — wie Bild.de vor der Verschlimmbesserung behauptet hatte — einmal um die Welt.

Mit Dank an Bishop und Christian K.

Mergste selbst, ne?

Uh, peinlich!

Den Nachnamen der deutschen Bundeskanzlerin mit “g” statt “k” schreiben — das ist ja so, als würde man am gleichen Tag Ungarns Ministerpräsidenten in einer Überschrift “Victor Orban” statt “Viktor Orbán” nennen:

Mit Dank an Dániel K.

Scheine nach Athen fahren

Journalisten rechnen gerne um. Zum Beispiel die Fläche von Absturzgebieten in Fußballfelder oder die Dicke von Prozessor-Leiterbahnen in menschliche Haare. Bild.de hat jetzt sogar eine Möglichkeit gefunden, den Umrechnungswahnsinn mit der Stimmungsmache gegen Griechenland zu verbinden: Hilfsgelder in LKW umrechnen, die mit 100-Euro-Scheinen beladen imaginär von Brüssel nach Athen fahren.

Die Rechnung dahinter geht so:

Bis zum heutigen Tag gewährten die Geldgeber […] 215,7 Milliarden Euro an Hilfskrediten

215,7 Milliarden Euro entsprechen 2,157 Milliarden 100-Euro-Scheinen. Ein 100-Euro-Schein wiegt 1,02 Gramm. Alle 100-Euro-Scheine zusammen wiegen demnach 2.200,14 Tonnen.

Ein LKW der Gewichtsklasse 40 Tonnen hat in der Regel eine Nutzlast von 25 Tonnen. Also:

Um 215,7 Milliarden Euro in 100-Euro Scheinen [sic] auf Lastwagen nach Athen zu transportieren, müssten 88 LKW der Gewichtsklasse 40-Tonner in Marsch gesetzt werden.

Stimmt mathematisch, verzerrt die Sache aber total. Denn dann würden 88 LKW nach Athen fahren, die jeweils nur zu 33 Prozent gefüllt sind: Wegen der erreichten maximalen Nutzlast befänden sich gerade mal 24,5 Millionen 100-Euro-Noten in jedem LKW, das Ladevolumen von 90 Kubikmetern böte theoretisch aber Platz für 74,7 Millionen Scheine. Würde man also auf die Nutzlast pfeifen, stattdessen das Ladevolumen ausnutzen und die 40-Tonner bis unters Dach mit 100-Euro-Scheinen vollpacken, bräuchte man gerade mal 29 LKW.

Und sowieso: Wenn man die 215,7 Milliarden Euro schon unbedingt per Lastwagen nach Griechenland schicken will, statt sie zu überweisen — wäre es da nicht schlauer, die größtmögliche Euronote zu wählen? Dann bräuchte man 431,4 Millionen 500-Euro-Scheine (à 1,12 Gramm). Und die würden schon in etwa 19 (nach Nutzlast) beziehungsweise sechs LKW (nach Ladevolumen) passen.

Aber das klingt erstens nicht nach irrer 88-LKW-voll-mit-Geld-für-Griechenland-Verschwendung. Und zweitens haben die bei Bild.de sich schon längst in einen Rausch gerechnet:

Aneinandergereiht ließen sich die 100-Euro-Scheine auf einer Strecke von 317 079 Kilometern am Äquator fast acht Mal rund um den Globus wickeln. Aufeinander gestapelt ergäbe sich ein Turm von 215,7 Kilometern Höhe. Nähme man für den Bau 50-Euro-Scheine, würde der Turm doppelt so hoch. Er würde mühelos die Flughöhe der internationalen Raumstation ISS übertreffen, die aktuell in etwa 400 Kilometern Höhe im Weltall die Erde umkreist.

Die wichtigste aller Rechnungen hat die Redaktion dabei aber völlig vergessen: Nebeneinandergelegt ergäben die 100-Euro-Scheine eine Fläche von 26 Millionen Quadratmetern. Und das wäre — genau: 3.642 mal das Fußballfeld im Athener Olympiastadion.

Mit Dank an Lothar Z.

Halbgares über die Herdprämie

Der schnellste und sicherste Weg, einen möglichst fehlerhaften Text zu bekommen, ist, einen Bild.de-Mitarbeiter mit Statistiken jonglieren und anschließend alles aufschreiben zu lassen. Zum Beispiel zum Thema Betreuungsgeld.

Momentan entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die monatlichen Zahlungen von 150 Euro für Kinder zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat mit der Verfassung vereinbar sind.

Aber welche Eltern haben bisher eigentlich vom Betreuungsgeld profitiert?

… fragt Bild.de.

Das Statistische Bundesamt hat nun aktuelle Daten dazu veröffentlicht.

Na, dann mal ran ans Durcheinanderbringen an die Daten!

Nur in Bremen und Berlin war der Anteil der Väter, die die Prämie beantragt haben, mit knapp 11 und 8 Prozent recht groß. Am niedrigsten lag die Väter-Quote in Bayern (3,2 %), Thüringen (3,4 %) und Baden-Württemberg (3,6 %).

Das stimmt schon mal fast. Man müsste bloß die “knapp 11” und die “8 Prozent” für Bremen und Berlin jeweils durch 9,1 Prozent ersetzen, statt der “3,2 %” für Bayern 3,1 Prozent schreiben und anstelle der “3,4 %” für Thüringen 3,6 Prozent nehmen. Steht so auch alles in der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts (PDF):

Aber weiter im Bild.de-Text:

Die Bezugsdauer ist in den Bundesländern im Osten mit durchschnittlich 13,7 Monaten viel kürzer als in den westlichen Bundesländern mit im Schnitt 19,6 Monaten.

Auch fast richtig. Nur dass die durchschnittliche voraussichtliche Bezugsdauer “in den Bundesländern im Osten” (einschließlich Berlin) 14,4 Monate beträgt und die “in den westlichen Bundesländern” 19,9:

Weiter:

Etwa jedes zweite Kind (51 %), für das Betreuungsgeld bezogen wird, ist derzeit ein Einzelkind.

Und wieder ein Volltreffer — also im Sinne von voll daneben. Denn nicht 51, sondern 49,5 Prozent aller Kinder, für die Betreuungsgeld gezahlt wird, sind Einzelkinder:

Und irgendwas mit Ausländern gibt’s doch sicher auch noch:

15 Prozent der Bezieher des Betreuungsgeldes besaßen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft.

Um es kurz zu machen: Es sind 16,6 Prozent:

Wie Bild.de auf all die wirren Zahlen kommt, wissen wir auch nicht*. Sie haben — entgegen der Behauptung im Artikel — jedenfalls nichts mit der aktuellsten Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts zu tun, das hat uns eine Mitarbeiterin dort auf Nachfrage bestätigt.

Aber das hindert die Leute von Bild.de natürlich nicht, den Artikel so zu überschreiben:

Joar.

Mit Dank an Christof D. und Joachim L.

*Nachtrag, 26. April: Inzwischen wissen wir, wie das Zahlen-Durcheinander zum Betreuungsgeld entstanden sein dürfte. Bild.de hat nämlich drauf gepfiffen, dass das Statistische Bundesamt “nun aktuelle Daten dazu veröffentlicht” hat, und stattdessen die Zahlen aus dem zweiten Quartal 2014 (Stand: August 2014, PDF) verwurstet.

“Tja, bald ist Tröglitz halt überall”

Was ist das beste Kraftfutter für “Bild”-Redakteure und ihre Leser, wenn sie sich mal wieder so richtig über das europäische Schmarotzertum aufregen wollen?

Viele Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien wären gut. Noch besser: Zuwanderer aus den beiden Ländern, die in Deutschland keinen Job finden. Am besten wäre aber ein riesiger Zuwachs von Hartz-IV-Rumänen und Stütze-Bulgaren.

Et voilà:

Die Zahl stimmt sogar. Im März hat die Bundesagentur für Arbeit berichtet (PDF), dass seit der kompletten Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen die Summe der Hartz-IV-Empfänger aus den beiden Ländern angestiegen ist: von 45.260 im Dezember 2013 auf 83.082 ein Jahr später.

Europa und Hartz IV? Das ist was für Dirk Hoeren, „Bild“-Chefkorrespondent für irre EU-Verordnungen und erfahrener “Hartz-IV-Inspektor”. Hoeren hat also seinen Taschenrechner gezückt, Schnappatmung bekommen und seinen Gemütszustand am Mittwoch vergangener Woche in ein Ausrufezeichen gepackt:

ein Plus von 83,6 %!

Auf diesen Wert kommt die Bundesagentur für Arbeit ebenfalls. Sie schreibt aber auch:

Bei der Bewertung der starken prozentualen Anstiege ist zu berücksichtigen, dass die absoluten Ausgangszahlen sehr klein sind […].

Dazu kommt: Hoeren lässt bei seiner “Bewertung” völlig außer Acht, dass im gleichen Zeitraum reichlich zugezogene Rumänen und Bulgaren einen Arbeitsplatz gefunden haben, oft sogar einen sozialversicherungspflichtigen (Stand Dezember 2014: 199.976). Das erfahren die Leser ganz am Ende von Hoerens Artikel zwar auch — wenn sie bis dahin vor lauter Empörung überhaupt durchgehalten haben.

Wie tendenziös die Wahl der 83,6-%-Schlagzeile ist, soll ein kleines Rechenbeispiel zeigen: Nehmen wir mal an, Dirk Hoeren schreibt im April zehn „Bild“-Artikel. In einem davon reißt er Zahlen so aus dem Zusammenhang, dass sie für seine Stimmungsmache gegen Rumänen und Bulgaren bestens passen. Im Mai darf Hoeren stolze 100 Artikel schreiben. Dieses Mal bekommt er es hin, in zweien davon die entscheidenden Zahlen wegzulassen, um wieder ordentlich gegen Zuwanderer zu wettern. Hat sich seine Hetzer-Quote jetzt um 100 Prozent gesteigert?

Natürlich nicht. Und so müsste die Rechnung zu den Hartz-IV-Empfängern aus Bulgarien und Rumänien auch anders aussehen: Als Basis müssten alle Bulgaren und Rumänen herangezogen werden, die in Deutschland leben. Und auf dieser Grundlage kann man dann den Anteil der Hartz-IV-Empfänger berechnen.

Das Ergebnis (PDF): im Dezember 2013 waren es 10,9 Prozent, im Dezember 2014 15,4 Prozent — ein sattes Plus von 4,5 Prozentpunkten. Damit machen Bulgaren und Rumänen gerade mal 1,4 Prozent aller in Deutschland lebenden Hartz-IV-Empfänger aus.

Für all diese mickrigen Zahlen war in Dirk Hoerens Artikel natürlich kein Platz mehr. Sonst hätte das Stimmungsbarometer womöglich auch nicht so schön eindeutig ausgesehen:

Und in welche Richtung diese Wut zielt, ist auch klar:

Tja, bald ist Tröglitz halt überall. Nur weiter so liebe Politiker!

Mit Dank an Mau Mue.

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