Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg darf heute in der “Bild”-Zeitung (und seit gestern auf Bild.de) mal wieder zur Nation sprechen:
Guttenberg findet, dass das “trotzige Kind” Wladimir Putin mit seinen “lauten Rülpsern” nichts auf Schloss Elmau verloren habe: Es sei richtig …
unser freiheitlich demokratisches Wertesystem nicht zu verschachern. Genau das würde im Falle einer Nachladung Putins geschehen.
Dieser würde kaum demütig auftreten, sondern sich in seinem zynischem Handeln noch bestätigt sehen. Es wäre ein fatales Signal an all jene, die in unseren Werten ihr Feindbild sehen.
Die Aufmerksamkeit nutzt Guttenberg, um gleich auch noch gegen “meist nicht so gute Gutmenschen” auszuteilen, die gegen das G7-Treffen protestieren. Seine Worte wirken aber vor allem wie eine späte Abrechnung mit dem Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der Guttenberg in der Plagiatsaffäre einst “Hybris” und “Hochstaplerei” vorwarf:
Tausende Demonstranten in München und Garmisch. Viele meinen es gut und wissen es nicht besser. Manche aber sehr wohl.
Bestes Beispiel inmitten der Protestierenden: ein breit grinsender Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Ja, jener, der vor einigen Jahren noch selbst G7-Gipfel kritiklos mitorganisierte.
Sicher, in unserem Land gibt es das Recht auf Meinungsänderungsfreiheit. Gottlob. Es gibt aber wohl kaum einen Politiker, der davon so schamlos und lediglich wahltaktisch Gebrauch macht wie Trittin. Eigentlich sollte es diese Form der Verlogenheit sein, die die Menschen auf die Straße treibt.
Karl-Theodor zu Guttenberg ist für Bild.de — noch immer — “Deutschlands populärster Politiker”. Und wenn so einer “exklusiv” seine Meinung aufschreibt, müssten die Herzen der Leser doch höher schlagen.
Nach mehr als 300 Kommentaren, von denen ein Großteil Kritik an Guttenberg enthielt, hatte die Redaktion genug: Der Artikel wurde abgeschaltet und neu eingestellt, dieses Mal aber ohne Kommentar-Funktion.
Wenn in der Kommentarspalte auf Bild.de rassistisch gehetzt wird, dauert es eine halbe Ewigkeit, bis mal jemand einschreitet. Doch wenn die Leserschaft in vergleichsweise harmloser Wortwahl ihre negative Meinung gegen einen “Bild”-Liebling kundtut, geht es ratzfatz.
Die Leute von Bild.de wollen, dass ihre Leser für manche Artikel zahlen, “Bild+” nennen sie dieses Abo-Modell. Klar, dass die Redaktion da schon was Besonderes bieten muss. Zum Beispiel solche Service-Artikel:
Die Tipps für die Bilderklau-Suche sollte sich auch mal François aus dem Cognac-Forum anschauen. Der hatte vor zweieinhalb Jahren nämlich in Paris ein paar alte Flaschen Schnaps ausfindig machen können und diesen dollen Fund stolz seinen Sammler-Kollegen im Internet präsentiert. Und wo findet man François’ Cognac-Fotos seit heute ohne irgendeine Quellenangabe wieder? Logo:
Logisch, dass nur dieser “Bild”-Tausendsassa Adolf Hitlers geheimen Cognac-Keller entdecken kann, und zwar in der Nähe des sächsischen Wasserschlosses Moritzburg:
Während Deutschland hungerte, versteckte Adolf Hitler (†56) hier Ende 1944 seine Delikatessen und Unmengen Cognac…
Neben dem Alkohol habe Hitler auch noch “hunderte Kisten” mit “Käse, Leibnitz-Keksen, Butter, Salamiwurst, Kaffee, Schokolade, Zigaretten” dorthin geschafft, schreibt Helfricht.
Nun soll Adolf Hitler seit seiner Jugend Nichtraucher gewesen sein und keinen Alkohol getrunken haben, später auch keinen Kaffee mehr und seit 1932 vegetarisch gelebt haben. Doch für Jürgen Helfricht und “Ortschronist” Silvio Stelzer ist das kein Grund, an ihrer Entdeckung zu zweifeln.
Von Hobby-Historiker Stelzer kam der entscheidende Tipp zu Hitlers geheimer Lagerstätte. Ihm gehört der Fundort, an dem er zufällig ein Restaurant betreibt. Helfricht widmete dem Gastronom erst vor sechs Wochen einen größeren Artikel.
Gemeinsam erkundete das Duo jetzt die Kellerräume. Der einzige Hinweis darauf, dass die angeblich mit Hitler zu tun haben, ist dieser eine Satz:
Der Ortschronist fand die Sensation kürzlich in den Aufzeichnungen des letzten Schlossbewohners Prinz Ernst Heinrich von Sachsen (1896-1971).
Was genau in diesen “Aufzeichnungen” stehen soll, verrät Helfricht nicht, er geht mit keinem weiteren Wort auf den vermeintlichen Beweis ein. Blöderweise haben Helfricht und Stelzer — der das Kellergewölbe mit einer Taschenlampe betritt und auf dem nächsten Foto plötzlich einen Kerzenständer in der Hand hält — nicht einmal Belege dafür, dass in Moritzburg all die Fressalien mal zu finden waren.
Stelzer: „Der Sachsens-Prinz [sic] erhielt für das Verstecken der Kisten ein Führerpaket mit Delikatessen. Von all den Lebens- und Genussmitteln blieb nichts übrig. Nach dem 8. Mai 1945 plünderten russische Truppen alles.“
Und genau deswegen brauchte Jürgen Helfricht die Fotos von François‘ verstaubten Cognac-Flaschen, die er und “Bild” (ohne Quellenangabe) so präsentieren, als stammten sie aus Hitlers Sammlung. Dann sieht es zumindest auf den ersten Blick so aus, als könnte an dieser Geschichte tatsächlich was dran sein.
Da ging es aber mächtig drunter und drüber, als Frauke Petry, die Co-Vorsitzende der “Alternative für Deutschland” (AfD), am vergangenen Mittwoch in Göttingen Opfer eines Angriffs wurde. Also nicht nur im Restaurant “Ali Baba”, wo Petry mit einem Journalisten saß, sondern auch in den Medien.
In einer ersten Meldung, die die dpa am Mittwochabend sowohl über den Basisdienst als auch über den Landesdienst Niedersachsen rausjagte, stützte sich die Agentur in weiten Teilen auf die Aussagen eines AfD-Sprechers:
Die Co-Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, ist in einem Lokal in Göttingen von drei Vermummten attackiert worden. Diese warfen nach Angaben von Parteisprecher Christian Lüth am Mittwoch den Tisch um, an dem Petry mit einem Journalisten saß, so dass sie zu Boden ging. Anschließend hätten die Angreifer die rechtskonservative Politikerin mit Beuteln mit Fruchtsaft beworfen.
Dem Sprecher zufolge war vor der Attacke eine junge Frau an Petry herangetreten und hatte gefragt: “Sind Sie Frauke Petry?” Als diese die Frage bejahte, soll die Frau sie beschimpft haben und dann verschwunden sein. Kurz darauf stürmten die Vermummten in das Lokal. Sie riefen nach Angaben des Sprechers “Nazis raus!”
Die Darstellung, die die dpa an die Redaktionen im ganzen Land schickte, deckt sich stark mit der, die Frauke Petry knapp anderthalb Stunden zuvor auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte hatte:
Fruchtsaft? Farbbeutel? Da kamen nicht nur die AfD-Leute durcheinander, sondern auch die nach Aktualität hetzenden Journalisten. “Focus online” blieb bei der dpa-Variante und sprach von “Fruchtsaftbeuteln”, die “Augsburger Allgemeine” entschied sich in ihrer Überschrift hingegen für eine “Farbbeutel-Attacke”. sueddeutsche.de ließ die Angreifer Fruchtsaft aus Flaschen spritzen, laut stern.de sollen sie Petry mit Getränken beworfen haben.
Dutzende weitere Medien berichteten über den Vorfall in Göttingen. So gut wie alle von ihnen übernahmen (von der dpa) Frauke Petrys Polterei, dass es sich bei dem Angriff um einen niederträchtigen Versuch handele, “die Meinungsfreiheit mit Gewalt einzuschränken”; und dass die Tat zeige, dass linksextreme Gewalt von den Altparteien immer noch sträflich verharmlost werde.
Später am Mittwochabend und nach ersten Befragungen im Restaurant “Ali Baba” veröffentlichte die Polzeiinspektion Göttingen eine Pressemitteilung, in der sie den Fruchsaft-Farbbeutel-Angriff mit keinem Wort erwähnte. Und am Donnerstag folgte eine zweite Pressemitteilung, die den AfD-Schilderungen sogar deutlich widersprach:
Aktuellen Erkenntnissen zufolge betraten im Anschluss an eine junge Frau gegen 16.00 Uhr vermutlich fünf bis sechs weitere Personen das Cafe. Es kam zu einem Wortgefecht, bei dem der Tisch, an dem Frau Petry und der Journalist saßen, aus bislang noch ungeklärten Gründen plötzlich kippelte, aber nach derzeitigem Stand nicht umstürzte. Dabei fielen die auf dem Tisch stehenden Gläser, darunter eines mit Fruchtsaft, und ein gläserner Kerzenhalter auf den Boden. […]
Hinweise darauf, dass es in dem Lokal zu Würfen von Farb- oder mit Fruchtsaft gefüllten Beuteln auf die Politikerin Petry gekommen ist, haben sich bei den aktuellen Ermittlungen nicht ergeben. Ebenso ist es nach derzeitigem Stand auch nicht zu Bedrohungen oder körperlichen Über-bzw. Angriffen auf die Parteivorsitzende oder ihren Gesprächspartner gekommen. Wegen der ihr gegenüber getätigten Äußerungen stellte Frau Petry am Mittwochabend Strafantrag wegen Beleidigung gegen Unbekannt.
Also kein umgekippter Tisch. Keine zu Boden gestürzte Frauke Petry. Und keine mit was auch immer gefüllten Beutel, die durchs Lokal flogen.
Das hatte inzwischen auch die dpa getickert, allerdings nicht mehr über den großen Basisdienst, sondern nur noch über den kleineren Landesdienst Niedersachsen:
Etwa ein halbes Dutzend Unbekannte, die die Polizei der linksautonomen Szene zurechnet, hatten Petry am Mittwochnachmittag in einem Lokal in der Innenstadt beschimpft. Außerdem hätten sie an dem Tisch gerüttelt, an dem die rechtskonservative Politikerin mit einem Journalisten saß, sagte die Sprecherin. Dabei sei ein Glas mit Saft umgekippt und ein gläserner Kerzenleuchter zu Boden gestürzt.
Als diese Meldung die Redaktionen erreichte, war die Legende vom Fruchtsaftbeutelwurf längst in der Welt. Dabei war relativ früh klar, dass es zumindest Zweifel an der AfD-Erzählung gibt: Das “Göttinger Tageblatt” zitierte bereits am Mittwoch eine Mitarbeiterin des Restaurants, die die Situation deutlich anders als Frauke Petry wahrgenommen hatte. Das scherte zu dem Zeitpunkt aber offenbar weder die dpa noch all die Medien, die die Meldung — und damit das Märchen des AfD-Sprechers — reihenweise übernahmen.
Nun ist das nicht der erste Fall, bei dem die AfD (Slogan: “Mut zur Wahrheit!”) eine Situation deutlich überspitzt darstellt, es sich in der Opferrolle gemütlich einrichtet und anschließend zuschauen kann, wie Medien die Partei-Sage unters Volk bringen. Als der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke im August 2013 bei einer Wahlkampfveranstaltung auf der Bühne geschubst wurde, sprachen sowohl die Partei als auch zahlreiche Medien schnell von einem “Messer-Angriff” und “linken Chaoten”. Lucke nutzte damals die mediale Aufmerksamkeit — wie vergangene Woche Frauke Petry –, um gegen “Linksextreme” zu wettern.
Im selben Monat hatte Lennard Rudolph, AfD-Mitglied aus Göttingen, behauptet, dass die Wände seines Wohnhauses mit Benzin übergossen wurden. Die “Welt” kaufte ihm die Geschichte vom vereitelten Brandanschlag damals ab, während die Göttinger Polizei sich über Rudolphs Aussagen wunderte.
Und wir wundern uns, dass Agenturen und Zeitungen den Aussagen der AfD immer noch blind vertrauen.
Nachtrag, 4. Juni: Der Journalist, mit dem Frauke Petry im Göttinger Restaurant am Tisch saß, ist Jens Schneider von der “Süddeutschen Zeitung”. Und der hat in einem Artikel (Paywall) die Szene so aufgeschrieben:
An diesem Nachmittag in Göttingen will sie [Petry] sich gern weiter in Erinnerungen bewegen. Sie sucht das Pfannkuchenhaus. Als das nicht zu finden ist, wählt sie fürs Interview die Crêperie “Ali Baba”. […]
Plötzlich steht eine junge Frau vor dem Café-Tisch. Sie fragt höflich, als wolle sie nicht an der falschen Stelle grob werden: “Entschuldigung, sind Sie Frauke Petry?”
Petry, liebenswürdig: “Ja.”
Die Frau freut sich. Dann sagt sie: “Geil, ich wollte Ihnen immer schon mal sagen, dass ich Sie richtig scheiße finde.”
“Ja, in Ordnung”, antwortet Frauke Petry unerschüttert. Die Frau ist da schon wieder weg. “Das ist halt Göttingen”, sagt Petry, lacht und widmet sich wieder dem Interviewer. Wenige Minuten später wird es laut. Zwei Vermummte stehen brüllend vor dem Tisch. “Scheiß-Nazi-Frau!” rufen sie. Und: “Verpisst euch aus Scheiß-Göttingen!” Einer stößt gegen den Tisch, der Tisch kippt. Sie spritzen mit klebriger Flüssigkeit. Es ist beängstigend, auch wenn es keine Minute dauert.
Frauke Petrys Bluse ist nass.
“Vertrauen Sie der Chemikerin, das war Fruchtsaft, nicht gefährlich”, stellt sie fest und “tja, Demokratie in Deutschland.”
Will sie die Polizei rufen?
“Nein, das nicht, aber wenn Sie bitte ein Handtuch hätten?” fragt sie die Kellnerin.
Sie macht ein paar Scherze, fragt schließlich: “Wo waren wir stehen geblieben?” Vorm Café lauern Autonome, machen Sprüche, als sie geht: “Hey, ihr habt was verloren — den Zweiten Weltkrieg!” […]
Der Sprecher der AfD in Berlin wittert eine Gelegenheit. Er versendet eine Pressemitteilung, schreibt von einer Attacke mit Farbbeuteln und erheblichem Sachschaden. Unfug. Er macht den üblen Angriff schlimmer als er war. Petry beklagt in der selben Erklärung, die Tat zeige “erneut, dass linksextreme Gewalt von den Altparteien immer noch sträflich verharmlost wird”.
Nachtrag, 10. Juni: Bei Welt.de haben sie es immer noch nicht mitbekommen. Gestern erschien ein weiterer Artikel zur AfD, in dem die Redaktion am Fruchtsaftbeutel-Opfer-Mythos festhält:
Vor zwei Wochen war die Co-Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, in einem Lokal in Göttingen von drei Vermummten attackiert worden. Diese warfen nach Angaben des Parteisprechers den Tisch um, an dem Petry mit einem Journalisten saß. Anschließend hätten die Angreifer die rechtskonservative Politikerin mit Fruchtsaftbeuteln beworfen.
Einer der großen Vorteile der Sozialen Netzwerke ist, dass Fußballprofis den Quatschgeschichten der “Bild”-Zeitung direkt widersprechen können.
Heute musste BVB-Torwart Roman Weidenfeller bei Facebook aktiv werden, nachdem die “Bild”-Ruhrgebietsausgabe getitelt hatte:
Ganze drei Autoren schauten Weidenfeller in Dortmund beim Beladen seines Autos zu und strickten sich daraus ihr Wechselgerücht:
Nach der Rückkehr vom Pokalfinale aus Berlin pendelte er zwischen der Kabine und seinem Dienst-Opel, lud mehrere Koffer, Taschen und BVB-Tüten ein. Die letzten Erinnerungsstücke an Weidenfellers erfolgreiche Ära als BVB-Towart (2-mal Meister, Pokalsieger).
Roman Weidenfeller hatte für die Koffer und Taschen und Tüten eine etwas andere Erklärung als eine Flucht aus Dortmund:
Die Leute von Bild.de haben inzwischen reagiert und den Artikel aktualisiert. Ihr Gerücht lassen sie sich von dem Dementi aber selbstverständlich nicht kaputtmachen. Die Überschrift lautet jetzt:
Manche Vorschläge hatten mit Angela Merkels Kette zu tun, manche mit Haste-mal-nen-Euro-Fragen, manche mit Ouzo. Also richtig um die Ecke gedacht.
Kai Diekmann muss von den Vorschlägen ebenfalls so begeistert gewesen sein, dass er ganzezwei genommen hat. Und die auch nicht im Original, sondern nur in modifizierter Form. Einen dritten Merkel-Tsipras-Dialog mit dem Themenschwerpunkt Feta (hihi) hat sich dann noch seine Redaktion ausgedacht. Und schon war die Geschichte druckreif: Heute hat sich Diekmann bei Twitter für die Vorschläge bedankt (explizit auch bei @SOSOJAJAde, der die Idee mit den zinslosen ESC-Punkten hatte und dem seine Krönung durch “Bild” mächtig peinlich ist):
@KaiDiekmann@BILD “Wenn ihr nicht nochmal 30% die Renten k¸rzt startet die Bild eine weitere Hass-Kampagne gegen euch faule Griechen” — Jonas Willaredt (@jonas_willaredt) 22. Mai 2015
Was ist das Schlimmste, was ein Fußballer nach seinem letzten Spiel für einen Verein machen kann? Zum Beispiel sich wutentbrannt sein Trikot runterreißen und schnurstracks im Kabinentrakt verschwinden, ohne sich von den Fans zu verabschieden.
Und was das Sympathischste? Vielleicht noch schnell sein Trikot einem Fan mit Behinderung schenken, bevor er ordnungsgemäß und direkt zur vom Verband angeordneten Dopingkontrolle geht.
Na, und wie haben “Bild” und Bild.de wohl dieses Foto interpretiert?
Der Hintergrund: Am vorletzten Spieltag der 2. Fußballbundesliga bekam Fortuna Düsseldorfs Stürmer Charlison Benschop seine fünfte Gelbe Karte der laufenden Spielzeit. Er ist damit für die letzte Partie der Saison am kommenden Sonntag gesperrt. Gut möglich, dass Benschop nie wieder für Fortuna Düsseldorf aufläuft: Es gibt Gerüchte, dass er bald den Verein wechselt.
Diese Gemengelage nutzt “Bild” für eine kleine Skandalgeschichte:
Direkt nach Abpfiff stürmt Benschop vom Platz, reißt sich sauer das Trikot vom Körper und verschwindet zur Doping-Probe — ohne sich wie der Rest des Teams von den mitgereisten Anhängern zu verabschieden.
Die Wahrheit: Ich gab mein Trikot dem behinderten Mann hinter dem Zaun, der es gerne haben wollte und musste anschließend direkt mit dem Herren links in blau zur Doping Kontrolle. Ich kann am Sonntag leider nicht spielen, was mich natürlich ärgert aber ich bin mit der Mannschaft dabei. Danke an alle mitgereisten Fans, die uns immer unterstützen und bis Sonntag :) @f95_fortunaduesseldorf
Aber auch ohne Benschops Erklärung stünde die “Bild”-Interpretation auf wackeligen Beinen. Man sollte bei Sportreportern schließlich das Wissen voraussetzen können, dass Fußballprofis vor einer Dopingprobe nicht noch lange Fans umarmen und alte Wegbegleiter herzen können. In den “Anti-Doping-Richtlinien” des DFB steht dazu (PDF):
Jeder betroffene Verein ist dafür verantwortlich, dass seine zur Kontrolle bestimmten Spieler den Chaperons bzw. dem Doping-Kontrollarzt und/ oder seinem Helfer nach Spielende direkt vom Spielfeld zum Raum für die Doping-Kontrolle folgen.
Ein todsicherer Weg, den geneigten Bild.de-Leser so richtig auf die Palme zu bringen? Eine angeblich neue Steuer aufwerfen. Und wenn sich diese Steuer auch noch auf etwas Alltägliches bezieht — zum Beispiel aufs Biertrinken –, dann ist in der Kommentarspalte Jahrmarkt.
Da kann man dann wunderbar auf die Politiker schimpfen, die dem kleinen Mann nicht mal sein Feierabendbier lassen wollen …
… auf die EU, die alles totreguliert …
… auf die Griechen, weil’s die Griechen sind …
… und auf Hartz-IV-Empfänger, die doch eh alle ein Alkoholproblem haben:
Alles in allem ist der Bild.de-Mob ziemlich wütend:
Hintergrund für den Zorn ist eine OECD-Studie, nach der “politische Maßnahmen gegen den Alkoholmissbrauch” jedes Jahr mehr als 44.000 Leben in Deutschland retten könnten. Dazu gehören neben strengeren Regeln für Alkoholwerbung und vermehrte Alkoholkontrollen im Straßenverkehr auch “höhere Steuern auf alkoholische Getränke”.
Nun hat jedoch kein einziger deutscher Politiker die Einführung einer Biersteuer gefordert, was vor allem daran liegen dürfte, dass es dieschon seit Jahrhunderten gibt, samt Biersteuergesetz und Biersteuerverordnung. Also, liebe Bild.de-Leser, jetzt einmal ganz stark sein: Ihr zahlt schon heute jedes Mal, wenn Ihr Euch einen hinter die Binde kippt.
Menschenskinder, der Nachname des bisherigen Bremer Bürgermeisters, der gestern verkündete, er wolle nach dem schwachen Wahlergebnis künftig auf sein Amt verzichten, ist aber auch knifflig …
Wie schreibt sich der Bürgermeister von Bremen? Jens Boernsen, Börnsen oder Böhrnsen? Richtig ist der Name mit “ö” und “h”. Seine eigene Partei, die SPD, sollte das wissen.
Aber nicht nur die SPD sollte es hinbekommen, Jens Böhrnsens Namen richtig zu schreiben, sondern auch Journalisten, die über Böhrnsen berichten wollen. Zum Beispiel die von Bild.de:
Rennfahrer Lewis Hamilton und seine Formel-1-Kollegen hatten die vergangenen Wochen frei, nach dem Großen Preis von Bahrain war erstmal Rennpause. Und die hat Hamilton ordentlich genutzt:
Genau genommen ging’s für ihn in Teilstücken und dann aufsummiert “einmal um die Welt”. Wie Bild.de auf Hamiltons 45.000-Kilometer-Trip kommt?
Die genaue Reiseroute kann man auf seinem Twitter-Account nachvollziehen. Hamilton postete von jeder Station mehrere Fotos.
Der Tourplan laut Bild.de: Bahrain — London — Mallorca — Monza — Los Angeles — Las Vegas — New York — Brackley — Barcelona.
Mal davon abgesehen, dass Bild.de vermutlich nicht auf Hamiltons Twitter-Account (wo bis heute Mittag nichts zu sehen war über Aufenthalte auf Mallorca und in Barcelona), sondern auf dessen Instagram-Account nachgeschaut, einen Zwischenstopp in Rom und einen in Monaco vergessen hat und auf keinem der Kanäle Fotos von Hamilton in Brackley zu finden sind, gibt es noch ein ganz anderes Problem:
Die Bild.de-Weltreisen-Rechnung haut also nur dann hin, wenn Hamiltons Pilot beim Flug von London nach Mallorca eine große Schleife über halb Europa gedreht hat und die Strecke Mallorca — Monza gleich mehrfach geflogen ist, bevor er zur Landung ansetzte.
Inzwischen haben sie auch bei Bild.de gemerkt, dass das alles nicht so ganz hinhaut — vielleicht haben die kritischen Leserkommentare unter dem Artikel dazu beigetragen. Text und Überschrift wurden jedenfalls klammheimlich geändert: Aus den 8775 Kilometern nach Mallorca sind 1347 geworden, die 9730 Kilomenter nach Monza sind jetzt nur noch 862. Und aus der 45.000-Kilometer-Weltreise wurde eine 27.606-Kilometer-Halbweltreise:
Nun hat Lewis Hamilton am 30. April — also zwischen seinem Aufenthalt in Kalifornien und dem Boxkampf, den er sich in Las Vegas angeschaut hat — allerdings dieses Foto bei Instagram gepostet:
Sollte er also tatsächlich die 8666 Kilometer von Los Angeles bis ins britische Silverstone und von dort wenig später wieder die 8318 Kilometer nach Las Vegas geflogen sein, wäre Lewis Hamilton in den vergangenen 14 Tagen 44.590 Kilometer geflogen. Also — wie Bild.de vor der Verschlimmbesserung behauptet hatte — einmal um die Welt.
Den Nachnamen der deutschen Bundeskanzlerin mit “g” statt “k” schreiben — das ist ja so, als würde man am gleichen Tag Ungarns Ministerpräsidenten in einer Überschrift “Victor Orban” statt “Viktor Orbán” nennen: