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Der Geist der vergangenen Weihnacht


Stimmt. Ein Großteil der von Bild.de angekündigten “TV-Highlights” kommt einem irgendwie bekannt vor: “Moonlight Mile” (Hl. Abend, 20.15 Uhr, Pro7) zum Beispiel. Oder die “TV-Premiere” von “Tatsächlich… Liebe” (1. Weihnachtstag, 20.15 Uhr, RTL). Oder, anderes Beispiel, der erste Teil der “Der Herr der Ringe”-Trilogie…

Der erste Teil der spannenden Trilogie "Der Herr der Ringe - Die Gefährten" (26. Dezember, 20.15 Uhr, RTL) ist wieder im TV
Und, ja, es stimmt: Nicht nur “Moonlight Mile”, “Tatsächlich… Liebe” und “Der Herr der Ringe – die Gefährten”, sondern auch “Cast Away”, “Forrest Gump”, “Stuart Little”, “Muppets: Der Zauberer von Oz”, “Out of Sight” und “Leon, der Profi” — also immerhin die Hälfte der “TV-Highlights” von Bild.de waren bereits vor einem Jahr im Weihnachtsprogramm zu sehen. Sogar zur selben Uhrzeit!* Auf denselben Sendern! Also dort, wo in diesem Jahr, äh… “Ladykillers”, “Pearl Harbor”, “Der Flug des Phönix” “Armageddon”, “Titanic” , “Hogfather”, “Teuflische Engel”, “10.5 Apokalypse” und der Schluss von “Armageddon” laufen.

Anders gesagt: Wenn einem die “TV-Highlights” von Bild.de bekannt vorkommen, liegt das nicht notgedrungen an den “vielen Wiederholungen”, sondern daran, dass es zu einem Großteil die TV-Highlights des vergangenen Jahres sind.

*) außer “Moonlight Mile” (lief 2006 schon um 16 Uhr auf Pro7)

Mit Dank an Michael Q. und c_d_k für den Hinweis.

Nachtrag, 22.12.2007: Sieht ganz so aus, als hätte der Geist der gegenwärtigen Weihnacht bei Bild.de vorbeigeschaut und den kompletten Artikel ersatzlos gestrichen.

Unverblumt

Böll über Blum

“Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der ‘Bild’-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.”
(Heinrich Böll in seiner Vorbemerkung zu “Die verlorene Ehre der Katharina Blum”, 1974)
 
“Übrigens war die Reaktion der Presse, die sich getrost als mit diesem Buch ‘gemeint’ verstehen konnte, (…) streckenweise geradezu albern. Man verzichtete auf die wöchentliche Bestseller-Liste, weil man das Buch hätte nennen müssen.”
(Heinrich Böll in seinem “Nachwort zur Neuausgabe: ‘Die verlorene Ehre der Katharina Blum'”, 1984)

Es begab sich aber zu der Zeit, als der deutsche Schriftsteller Heinrich Böll gerade einen Bestseller veröffentlicht hatte, welcher sich kritisch mit der “Bild”-Zeitung einer großen deutschen Boulevardzeitung auseinandersetzte (die Böll nur “ZEITUNG” nannte) und von welchem noch heute behauptet wird, er habe an Aktualität nichts eingebüßt, dass die Bestseller-Listen, in denen Bölls Buch auftauchte, in den Zeitungen des Axel-Springer-Verlags plötzlich nicht mehr auftauchten.

Das war im September 1974.

Und warum wir das erzählen? Aus aktuellem Anlass natürlich. Denn auf die Frage, ob es ein Buch gebe, das sein Leben verändert habe, nennt der Komiker “Atze Schröder” heute u.a.:

"Bölls

Verändert hat das Buch sein Leben aber offensichtlich nicht: Denn gefragt wurde “Atze Schröder” von Norbert Körzdörfer — in einer großen deutschen Boulevardzeitung. Wir nennen sie “Bild”.

“weil halt”

Wir geben zu: Wir konnten uns nicht entscheiden. Weshalb es heute gleich drei “BILDblogger für einen Tag” gibt. (Aber dazu später.)

Als wir uns aber gestern Mittag mit einer Stellenanzeige auf die Suche nach einer Vertretung für den krankheitsbedingt kurzfristig ausgefallenen Gast-BILDblogger Harald Martenstein* machten, hatten wir nicht damit gerechnet, dass in den folgenden fünf Stunden über 70 Bewerbungen eingehen würden. Überrascht hat uns aber auch, warum die Bewerber/innen BILDblogger für einen Tag werden wollten. Deshalb mit Dank für die rege Teilnahme hier ein paar überraschende Begründungen:

  • weil Saarländer sonst selten ins bundesdeutsche Bewusstsein vordringen.
  • weil meine Mutter immer gesagt hat, dass “aus dem Jung’ mal was wird”.
  • “weil halt” (wie meine Kinder auf nervige Fragen immer öfter antworten).
  • weil ich es trotz meiner 15 jungen Jahre schon geschafft habe, mindestens 5 überzeugte “Bild”-Leser zu bekehren.
  • weil meine Lebensabschnittspartnerin bei Axel Springer in Hamburg arbeitet und das DIE Liebeserklärung sein wird, da ich nur ihr diesen einmaligen Blogeintrag widmen werde.
  • weil ich nur 15 Jahre alt bin.
  • weil bisher außer Knut kein Teilnehmer der Adventsaktion unter 30 war.
  • weil ich so viele Tage als Vertreter des Weihnachtsmanns immer nett und freundlich sein musste.
  • weil ich viel zu lange Sätze über viel zu viele Dinge schreiben kann, welche mich aufregen oder interessieren.
  • weil ich als kleiner Steppke jeden Morgen die “Bild” auf dem Küchenfußboden aus- und mich davorgelegt habe, die Seiten durchgegangen bin und teils lachend, teils sehr böse die Texte kommentiert habe — bis die Mutti endlich auf die regionale Tageszeitung umstieg.
  • weil mein Kommentar schon fertig ist (siehe anbei, Portrait ebenfalls schon beigefügt)!
  • weil ich als Arbeiterkind mit der “Bild”-Zeitung sozialisiert wurde.
  • weil ich während der Chaostage 1995 von einer “Bild”-Reporterin mit Bier bestochen wurde.
  • weil ein Punkt meiner Top 10-Lebens-To-Do-Liste somit abgehakt werden dürfte.
  • weil sich der Aufstieg vom Hinweisgeber zum BILDblogger für einen Tag sehr gut in meinem Lebenslauf machen würde.
  • weil ich die “Bild” nicht lese!
  • weil ich gerne mal wieder “Bild” lesen möchte.
  • weil der “Bild”-Aufmacher am Freitag lauten muss: “Propanganda-Wahnsinn! Chaos-Student übernimmt Hass-Forum!”
  • weil ich Charlotte Roche schätze und gerne das Kleid für meine Frau ersteigert hätte.
  • weil ich schon ein Praktikum bei “Bild” gemacht habe und dort köstliche Anekdoten sammeln konnte, die ich aber leider nur andeuten kann, weil alle Praktikanten eine entsprechende Unterlassungserklärung unterschreiben müssen, was ja an sich schon eine lustige Geschichte ist.
  • weil am Rhein.

BILDblogger/in für einen Tag sind heute jedoch:

*) Dem Kollegen Martenstein wünschen wir gute Besserung!

Noch 3 Wahrheiten über Mindestlohn

“Bild” lässt ja heute “Prof. H.-W. Sinn”, der gestern bereits auf der “Bild”-Titelseite vorm Mindestlohn warnen durfte, seine “7 Wahrheiten über Mindestlohn” aufzählen. (Die sind, wer hätt’s gedacht, nicht sonderlich erfreulich: Schließlich ist der Springer-Konzern mehrheitlich an der PIN AG beteiligt, die die Einführung eines Mindestlohns für Briefdienstleister unmittelbar betrifft. In “Bild” stand davon, wie gewohnt, kein Wort.) Aber gut, Herr Sinn, wir zählen mit:

    1. Vernichtet Jobs!
    2. Schlecht für Geringverdiener!
    3. Schadet dem Wettbewerb!
    4. Schützt den Monopolisten Post!
    5. Wiederholt Fehler der Vereinigung!
    6. Ist schlechter als Mindesteinkommen!
    7. Zeigt die Verlogenheit der Politik!

Weil aber erst 10 Wahrheiten über Mindestlohn eine runde Sache sind, hätten wir noch drei weitere:

    8. Nicht so schlimm, wie Prof. Sinn behauptet!
    “Zeit Online” nennt die heute von Sinn wiederholte Behauptung, ein bundesweiter Mindestlohn wie in der Post-Branche würde bis zu 1,9 Mio. Jobs kosten, kurz und knapp “die 1,9-Millionen-Saga” und referiert Zweifel am Sachgehalt der Schätzung.

    9. Gute Gelegenheit für Springer, Fehler zu vertuschen!
    Das ARD-Politmagazin “Report Mainz” zitierte gesternabend u.a. den ehemaligen Springer-Chef Jürgen Richter mit der Aussage, der Springer-Konzern versuche beim Thema Mindestlohn “Managementfehler, die in der Vergangenheit und in den letzten Jahren passiert sind, jetzt auf das Thema Politik abzuwälzen”.
    10. Dem Bundestag sind “Bild”-Wahrheiten schnurz!
    Trotz “Bild”-Kampagne hat der Bundestag heute mit großer Mehrheit einen Mindestlohn für Briefdienstleister beschlossen. (Von Ausnahmen abgesehen war nur die FDP dagegen.)

Und natürlich berichtete nach der Niederlage im Anschluss auch Bild.de. Aber nicht nur das. Nein, Bild.de veröffentlicht unkommentiert eine “Stellungnahme” der Axel Springer AG, die wortgleich auch auf der Springer-Website steht — uuuuund:

“BILD.de hat die Liste, wie die Abgeordneten abgestimmt haben” und “zeigt das komplette Ergebnis zum Download”!

Woher Bild.de die Liste mit dem kompletten Ergebnis “hat”, das man sich von der Bild.de-Website runterladen kann, verrät Bild.de nicht. Wir schon: Runtergeladen von der Bundestags-Website nämlich und zum Herunterladen hochgeladen.

Cool, oder? Das flasht… Oder doch nur großes Kino?

Angst und Ambition (2)

Während die “Bild”-Zeitung heute berichtet, was der “Geliebte” der (Noch-)Ehefrau von Günther Oettinger der Zeitschrift “Bunte” erzählt hat, und mit weiteren privaten Details (“BILD erfuhr”) anreichert, greift die “Süddeutsche Zeitung” die Frage auf, ob Oettinger von “Bild” gedrängt wurde, sein “Liebes-Aus” öffentlich zu machen. Wie berichtet hatte Oettinger den “Stuttgarter Nachrichten” dazu gesagt:

“Das werde ich später mal beantworten.”

Für die “Süddeutsche” “übersetzt” Hans Leyendecker Oettingers Antwort kurz mit:

“Ja.”

Aber Leyendecker schreibt auch auf, was “Bild”-Chef Kai Diekmann dazu zu sagen hat:

(…) “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann wehrt sich heftig gegen den von einer Zeitung publizierten Vorwurf, das Boulevard-Blatt habe seine “Folterwerkzeuge ausgepackt”, und dann habe der Ministerpräsident über seine Ehe gesprochen: “Unsinn”. Das Verhalten der Oettingers habe ihn an das Verhalten der Sarkozys in Frankreich erinnert, und als “Bild” den Bericht über Deutschlands seltsamstes Politiker-Ehepaar machte, sei es um einen “öffentlichen Vorgang” gegangen.

Frau Oettinger habe eine Adventsgesellschaft in der baden-württembergischen Landesvertretung zu Berlin einfach sitzen lassen, sei nicht erschienen. Steuergelder seien verschwendet worden. Die Stuttgarter Staatskanzlei, sagt Diekmann, habe ihn gefragt, ob darüber wirklich berichtet werden müsse, und seine Antwort sei klar gewesen: Ja. Das weitere Vorgehen falle unter “Recherche”. (…)

Da nehm' ich besser mal den 50/50-Joker

Derzeit dürfen Bild.de-Leser auf der Bild.de-Startseite darüber abstimmen, wie sie den neuen Bild.de-Auftritt finden. Bild.de bietet den Bild.de-Lesern dazu vier Antwortmöglichkeiten (siehe Ausriss).

Und wir fragen Sie:

n

{democracy:2}

Mit besonderem Dank an Marek M.!

Symbolfoto L

Bild.de zufolge sehen wir auf obigem Foto eine Zelle in einem türkischen Gefängnis.

Wir allerdings fänden es erstaunlich, wenn sich die Raumausstatter türkischer Gefängnisse beim Zellendesign tatsächlich derart eng am klassischen Vorbild orientiert haben sollten, wie folgendes Foto aus der legendären US-Haftanstalt Alcatraz nahelegt:

Mit Dank an Günter S., Jürgen D. und Marko B, der “beim Durchsehen alter Urlaubsfotos” ebenfalls eins aus Alcatraz entdeckte.

Die Cyberduckz-Ente von Bild.de

Seit dem Wochenende führt Bild.de die Leser in die Irre.

Auf der Startseite erscheint für wenige Sekunden eine vermeintliche Störung: Anstelle einer redaktionellen Schlagzeile ist kurzzeitig das unscharfe Foto einer Quietscheente und der Schriftzug “In wenigen Tagen schalten wir diese Website ab!!!” zu sehen — versehen mit dem Hinweis “Hacked by Cyberduckz”.

Es handelt sich dabei jedoch offensichtlich nicht — wie vielerorts spekuliert — um eine Hacker-Attacke, sondern nur um eine harmlose (wegklickbare!) Overlay-Flash-Animation, abgelegt auf dem Server der Falk AG*, einem Dienstleister für die Werbeeinblendungen auf Bild.de.

BILDblog-Leser Kevin W. schreibt uns, dass man ihm bei Bild.de auf die Frage, warum eine Ente die Startseite ziert, mitgeteilt habe, “dass Bild.de in Kürze einen ‘Relaunch’ haben wird und es so gewollt ist”.

*) Weitere “Störungen” hier und hier.

Mit Dank auch an die vielen, vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 11.12.2007: Heise Online zitiert inzwischen aus einer Mail des “Bild”-Leserservices, in der es heißt:

Unsere Webseite erlebt in den nächsten Tagen eine komplette Renovierung (…). Sollten Sie in den nächsten Tagen kleinere “Störungen” auf unserer Website bemerken, seien Sie unbesorgt: Diese sind völlig harmlos, selbstverständlich auch für Ihren Computer. Mit dieser Aktion wollen wir unsere Leser auf das bevorstehende Ereignis aufmerksam machen.

Nachtrag, 13.12.2007: Unter der Titelschlagzeile “Wir sind neu!” präsentiert Bild.de heute den neu gestalteten Online-Auftritt. Neu ist u.a., dass der Hinweis auf den (Noch-)Partner T-Online aus dem Bild.de-Logo verschwunden ist. Und auch die Werbeidee, auf den Relaunch durch angebliche Störaktionen aufmerksam zu machen (s.o.), wird durch Einbindung der albernen bisherigen “Cyberduckz”-Layer öffentlich als solche eingestanden.

Übergeigerzähler im roten Bereich (2)

In München steht ein Hofbräuhaus und in Travemünde ein Hotel. Das ist nicht zu übersehen. Doch “Bild” meldete am vergangenen Freitag über das “inoffizielle Wahrzeichen Travemündes”:
"Hotel Maritim wird abgerissen"
Erstaunlicherweise standen unter dieser ziemlich sensationellen Überschrift jedoch nur ziemlich mickrige 21 Zeilen, die “Bild” zudem wortwörtlich aus einem Online-Bericht der “Lübecker Nachrichten” abgeschrieben hatte. Und dass darin nirgends von einem Hotel-Abriss die Rede ist (sondern nur von einer möglichen Umwandlung der Hotelzimmer in Eigentumswohnungen) hat einen guten Grund. Zusammenfassend lautet der ungefähr so:
"Hotel Maritim wird NICHT abgerissen"
Mit herzlichem Dank an “Travemünde Aktuell”.

neu  

“Bild” f**** Maischberger

"Zum Auftritt der Sängerin Lady Bitch Ray in ihrer Talkshow Menschen bei Maischberger hat sich Sandra Maischberger gegenüber BILD nicht geäußert. Das Zitat in der gestrigen Ausgabe war falsch."

Wenn es also stimmt, dass (wie die “Bild”-Zeitung heute in ihrer Korrekturspalte eingesteht) Maischberger sich “gegenüber BILD nicht geäußert” hat*, wie konnte es dann passieren, dass die “Bild”-Autoren Sven Kuschel und Bettina Lüke gestern in “Bild” Folgendes schrieben?

"Sandra Maischberger zu BILD: Wir hatten Spaß. Nur dass ich gesagt habe Ich bin ne geile Schlampe, fick mich, wird mir bestimmt nachhängen."

*) Bild.de hat Maischbergers “zu BILD”-Zitat inzwischen ersatzlos gestrichen — anders als z.B. Netzeitung.de, de.msn.com und heute-online.ch, die Maischbergers exklusiven vermeintlichen “Bild”-O-Ton nach wie vor weiterverbreiten. Gesagt hat Maischberger in der Sendung übrigens zu Lady Bitch Ray: “Wenn Sie jetzt sagen: ‘Ich bin ne geile Schlampe und, äh, fick mich…’ — sieht man den Unterschied, ob das jetzt Sie sagen oder [der Berliner Rapper] Frauenarzt?”

Mit Dank an Jason M.

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