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In eigener Sache: Clarissa sagt Tschüssi

Ihr Lieben,

bei mir um die Ecke hat kürzlich ein kleiner Tante-Emma-Edeka dichtgemacht.

Aber zunächst zu etwas anderem. Am Sonntag, dem 6. April vergangenen Jahres, erreichte mich um ca. 23 Uhr eine SMS mit unbekannter Nummer und folgendem Inhalt:

Ich kann einfach nicht mehr. Ich setze jetzt meinem Leben ein Ende!

Den Namen des Absenders, den er dazugeschrieben hatte, kannte ich – aus Überschriften in der “Bild”-Zeitung. Wir hatten deshalb schon mal miteinander telefoniert. Als ich ihn nun zurückrufen wollte, erklang während des Wartezeichens ein heiterer Evergreen, wie es ihn auch als Spieluhr gibt. Doch es ging niemand ran. Ich sprach ihm auf die Mailbox, dass er mich bitte umgehend anrufen möge. Was er nicht tat. Und ich wählte zum ersten und bislang einzigen Mal in meinem Leben die 110…
(Nein, keine Sorge: Ist soweit gutgegangen die Sache, halbwegs.)

Mit anderen Worten: In viereinhalb Jahren BILDblog lernt man einiges dazu. Es gibt noch mehr solcher Geschichten (und unfassbarere) über “Bild”, die sich dennoch nie aufschreiben ließen – und sei es nur aus Rücksicht auf Betroffene. Andererseits: Bei unserer BILDblog-Lesung habe ich erlebt, wie beängstigend kathartisch ein gemeinsames Auslachen der “Bild”-Zeitung sein kann. Herrje. Wieviel Wut über “Bild” so in den Leuten steckt! Außerdem weiß ich jetzt, dass es keine gute Idee ist, sich bei Minusgraden mit seinem Laptop in Berliner Parks fotografieren zu lassen – auch nicht für ein tolles internationales Blatt: Die Fotos hinterher waren schön, aber der Laptop ging danach nie wieder an. Auch ‘ne Erfahrung. Und dass ich mich mal dazu habe hinreißen lassen, ein Autogramm zu geben (auf eine “Bild”-Zeitung!), bereue ich zutiefst. Sogar die “Bild”-Zeitung verstehe ich nach viereinhalb Jahren gelegentlich besser als zuvor. Leider. Selbst wenn sie nach wie vor ein Drecksblatt ist. Aber ich weiß auch, dass ich oft gesagt habe, als BILDblogger kann man doch nicht einfach aufhören – und nie daran gedacht, dass das womöglich gar nicht stimmt.

Damit zurück zum kleinen Edeka. Da hängt im Schaufenster ein Zettel:

"Danke! Es war zu schön um wahr zu sein, aber 50 Jahre sind genug. Wir schließen."

Wir schließen nicht. Aber ich schließe mich an, verlasse das BILDblog mit unbekanntem Ziel. Und einem duseligen Gefühl.

Tschüss,

Eure Clarissa

P.S.: Kann mal bitte jemand für Persönlichkeitsrechtsverletzungen ein besseres Wort erfinden als “Persönlichkeitsrechtsverletzungen”? Oder alternativ: einfach damit aufhören?! Danke.

Mit Dank an Stefan N., Heiko D., Lukas H., Kai B., Peer S. und alle sachdienlichen Hinweisgeber!

“Topmodel” Tessa wehrt sich gegen “Bild”-Video

Manche Dinge lassen sich ganz schnell erzählen.

In der Nacht zum 19. Februar veröffentlichte “Bild” im Internet ein Video, das die 19-jährige Tessa Bergmeier (momentan Kandidatin der Pro7-Show “Germany’s next Topmodel”) zeigte. Es war ein wackeliges Privatvideo, aufgenommen von Bekannten – und zeigte Tessa im Spätsommer 2008, wie sie nachts am Rande eines Kornfelds im Scheinwerferlicht eines Autos posierte und anzügliche Bewegungen machte. Sie war kaum bekleidet und offensichtlich stark angetrunken. Besonders freizügige Sequenzen wiederholte “Bild” in Zeitlupe und textete:

Wer tanzt da betrunken durch Nacht und Wind? Es ist Tessa, das betrunkene Kind. Sie torkelt rum, sie fällt fast um, das “Topmodel” von Heido Klum. (…) Ja, ‘ne echt geile Show. Das wird bestimmt Heidi Klum genauso sehen…

Inzwischen ist das Video auf Bild.de verschwunden.

Nach unseren Informationen war Tessa nicht einverstanden, dass “Bild” die “echt geile Show” privaten Szenen ohne ihr Wissen mit der Öffentlichkeit teilte (in der sich das Video unter Berufung auf “Bild” weiter- und weiterverbreitete) – und hat mit Unterstützung eines Anwalts dafür gesorgt, dass “Bild” das Video aus dem Online-Angebot entfernt. Dort heißt es jetzt nur noch, dass das Video “BILD vorliegt”.

  • Mehr zu “Bild” und GNTM hier.

Also, was diese Behörden bloß immer haben…

Es ist ungewöhnlich freundlich von der “Bild”-Zeitung, dass sie heute (direkt neben die nebenstehende Frage) ein großes Foto aus der Küche eines Berliner Restaurants abdruckt, in der alles pikobello aussieht. Und das, obwohl dort doch Berliner Lebensmittelkontrolleure “u.a. Rattenbefall, verdreckte Küchengeräte und faulige Lebensmittel” festgestellt haben wollen – weshalb das Restaurant von einer “Berliner Behörde” am Montag zusammen mit weiteren gastronomischen Betrieben “an den Internet-Pranger” gestellt werde:

Nach BILD-Informationen soll das [Restaurant] auf der Ekel-Liste stehen.

Woher “Bild” ihre “Informationen” hat, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass die “Berliner Zeitung” bereits einen Tag vor “Bild” über die geplante (und umstrittene) Negativ-Liste der Pankower Veterinär- und Lebensmittelaufsicht und über den Rattenbefall in obigem Restaurant berichtete, den die Behörde dort offenbar erst vor gut einer Woche festgestellt hatte. In der “Berliner Zeitung” hieß es dazu:

Das Restaurant musste kurzzeitig schließen. Jetzt hat es wieder geöffnet.

Diese (letztlich vielleicht erfreuliche, aber nicht unerhebliche) Info sucht man in “Bild” vergeblich.

Mit Dank auch an Stefan K.

Hier schwimmt ein Monster durch den Blätterwald

Kuala Lumpur - Wir blicken durch die Kamera eines Überwachungshelikopters auf den Fluss Rajang auf der Insel Borneo (Malaysia). Was wir darin sehen, versetzt die Flussanwohner in panische Angst: Hier schwimmt eine über 30 Meter lange Schlange! Oder ist dies eine Fälschung?

Selbst, wenn “Bild” die Antwort auf die Frage “Schwimmt hier ein Monster durch den Urwald?” (Nein, natürlich nicht!) schuldig bleibt:

Auch der Rest des “Bild”-Artikels vom vergangenen Freitag zeugt von einer gewissen Rechercheunlust bei “Bild”.

Denn laut Urheber des Fotos (über das in den vergangenen Tagen beileibe nicht nur bei “Bild” spekuliert wurde) zeigt es nicht den malayischen Fluss Rajang, sondern den Kongo. Veröffentlicht wurde es zudem bereits 2002* – und zwar auf einer Website, über die “Bild” und Bild.de in den vergangenen Jahren schon häufiger berichtet hatten. Dann allerdings nannte man bei “Bild” die Betreiber der Website meist:

Die Grafikexperten von worth1000.com…

Die Photoshop-Künstler von worth1000.com…

Die Bildmonteure von worth1000.com…

Andernorts (bzw. hier, aber auch hier und hier) findet sich das “Monster”-Foto daher auch unter der Überschrift:

"Die verrücktesten Photoshop-Bilder"

*) Veröffentlicht wurde die mittelmäßige Fotomontage (die “Bild” in schlechter Qualität und ohne Quellenangabe zeigte) auf worth1000.com am 25.2.2002 im Rahmen eines “advanced photoshop contest” zu “Tieren, die angeblich existieren”.

Mit Dank auch an die Hinweisgeber.

Unionsunion

Heute auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung:

"FDP hält 18 Prozent --- Hamburg - Die FDP bleibt zum dritten Mal in Folge bei einer wöchentlichen Forsa-Umfrage im Auftrag des Stern auf 18 %. Die Union hat weiterhin eine Mehrheit von 52 %."

Und wir hätten drei kurze Fragen zu den Umfrageergebnissen:

  • Auf wieviel Prozent kommt die FDP?
  • Wieviel Prozent hat die Union?
  • Wer hat die Mehrheit?

Antwort: Beim "Stern" heißt es zur aktuellen "Sonntagsfrage": "Die Union hängt bei müden 34 Prozent (...). Die FDP kommt zum dritten Mal in Folge auf 18 Prozent. (...) Damit hat das bürgerliche Lager wieder eine klare Mehrheit."

“Bild” macht Wessi aus Sandmännchen

Jürgen Helfricht, der Mann, der für “Bild” aus Katzen Benzin macht, kennt sich damit aus, anderen Sand in die Augen zu streuen.

Und so schrieb Helfricht gestern unter der (insbesondere in den ostdeutschen “Bild”-Ausgaben, in denen die folgende Geschichte ausschließlich zu lesen war) berückenden Überschrift…

"Sandmann in den Westen verkauft"

… dass “der Osten” ab 1. April “die Lizenz für seinen größten TV-Liebling” verliere:

Generationen von Kindern brachte Sandmännchen (…) seit 1959 ins Bett. Und bis heute schalten ihn täglich 1,5 Mio. Fans ein. Genauso erfolgreich ist der TV-Knirps als Märchenfigur auf den Bühnen zwischen Rügen und Fichtelberg.

Doch damit ist jetzt Schluss. Ausgerechnet zum 50. Sandmann-Geburtstag hat der RBB die Sandmann-Lizenz in den Westen verkauft. Und zwar an das Kölner Theater Cocomico.

(…) Der Vertrag läuft vorerst zwei Jahre. Danach können wir wieder auf unseren Sandmann hoffen!

Schnüff. Beziehungsweise so irreführend, dass der öffentlich-rechtliche RBB gestern bei Helfricht anrief, um ihn darauf hinzuweisen.

“Sächsische Zeitung” vom 21.2.2009:

“Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat die Lizenz an den Aufführungsrechten neu vergeben. (…) Die Ausstrahlung im Fernsehen bleibt von den Aufführungsrechten unbeeinflusst.”

Denn “verkauft” (im Sinne von neu vergeben) hat der Sender, wie uns heute ein RBB-Sprecher auf Anfrage sagt, “ausschließlich die Musical-Rechte” fürs Sandmännchen, mehr nicht. Für Figur, Sendung usw. bleibt alles wie gehabt – was, wie offenbar auch “Bild”-Mann Helfricht wusste, zwei Tage vor “Bild” auch schon in der “Sächsischen Zeitung” stand (siehe Kasten). Statt bislang jährlich 10 Sandmännchen-Aufführungen im Osten Deutschlands soll es ab August 60 Aufführungen in zwei Jahren geben – in Bonn und Bergisch Gladbach, aber auch in Potsdam, Berlin, Neubrandenburg, Frankfurt/Oder, Gera, Rostock, Schwerin, Dresden …

Genutzt hat der RBB-Anruf bei Helfricht wenig.

Denn heute berichtet er in “Bild” wieder über das Sandmännchen:

Der schnelle Verkauf unseres Sandmännchens in den Westen – Tausende Kinder zwischen Rügen und Fichtelberg sind traurig. (…) “Die Entscheidung, die Lizenz nach Köln zu geben, ist uns nicht leicht gefallen”, räumt RBB-Sprecher Ralph Kotsch (48) ein.

Letzteres sei übrigens, wie uns der RBB-Sprecher glaubhaft versichert, ein Satz, den “Bild”-Mann Helfricht “komplett frei erfunden” habe. Er selbst habe das “nie gesagt” – nicht zuletzt deshalb nicht, weil das Sandmännchen im Westen ohnehin längst so beliebt ist wie, ähm, “zwischen Rügen und Fichtelberg” und 20 Jahre nach dem Mauerfall eigentlich nicht zum Ost-West-Konflikt tauge.

Bild.de lässt Atlantis-Ente nicht untergehen

Es ist 18.55 Uhr…

… und nach wie vor fragt Bild.de auf der Startseite ahnungslos:

Es ist derzeit Platz 2 der meistgelesenen Artikel.

Dabei ist Frage eigentlich schon seit ungefähr sechs Stunden (von Google) beantwortet. Wie? Na, wie wohl

Mit Dank auch an Jan, Günter F., Johannes R. und Marcus H.

Nachtrag, 21.2.2009: Inzwischen ist es auch Bild.de gelungen, die Google-Entkräftung der vermeintlichen Atlantis-Entdeckung nachzutragen – allerdings wie folgt:

Allerdings gibt es auch erhebliche Zweifel. (…) Selbst “Google” glaubt nicht an die Sensation. Sprecher Stefan Keuchel (39): “Wir sehen die Bewegung eines Bootes, das mit Sonartechnologie, also Schallmesstechnik, den Meeresboden vermessen hat.”

Das Rätsel geht weiter …

2. Nachtrag, 21.2.2009: Auch die gedruckete “Bild” wollte sich offenbar die dolle Atlantis-Geschichte nicht dadurch kaputtmachen lassen, dass sie (seit spätestens gestern mittag schon) keine mehr ist – und fragt heute naiv:

Der Fotobeweis?

… um dann ebenfalls damit zu schließen, dass Google nicht an die Sensation “glaubt”.

Jeder Pups von Hitler

Über Adolf Hitlers Verdauung muss man überhaupt erst einmal berichten wollen. Diverse Medien im In- und Ausland wollen – und auch Bild.de zitiert wie folgt aus den (offenbar jetzt aufgetauchten) Aufzeichnungen eines “hochrangigen Nazis” über Hitler:

"Er aß Unmengen von Kuchen, die zu einer leichten Verdauungsstörung und zum Einbau eines Erkerfensters führten"

Aus der “Daily Mail”:

“Hitler ate prodigious amounts of cake (this cake eating was responsible for a slight digestive disorder and the addition of a bay window to his already not too fortunate figure).”

Und wenn Sie jetzt denken: “Hä?! Das ergibt doch gar keinen Sinn!” – Doch, doch, für Bild.de schon. Steht so ja auch wort-wört-lich im englischen Original, aus dem Bild.de abgeschrieben hat (siehe Kasten). Mit dem Unterschied natürlich, dass die “addition of a bay window” nicht irgendwelche Umbaumaßnahmen im Führerbunker oder am Obersalzberg meint, sondern bloß Hitlers Plauze.

Mit Dank an Daniel W. und Pete!

Nachtrag, 14.39 Uhr: Bild.de hat Hitlers Erker wieder abgerissen ersatzlos gestrichen.

“Bild” stützt Althaus mit “raschen, festen Schritten”

“Mediale Kumpanei” – Unter diesem Titel fasst das NDR-Medienmagazin “Zapp” Merkwürdigkeiten in der “Bild”-Berichterstattung über den Thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus zusammen, der sich seit nunmehr sieben Wochen in einer Klinik von den Folgen eines schweren Skiunfalls erholt und dessen Vater kürzlich verstarb.

Von der Beerdigung des Vaters nämlich, zu der laut “Zapp” für die zahlreichen Journalisten ein “Fotoverbot” angeordnet worden war, berichtete “Bild”-Reporter Jan Wehmeyer über Althaus:

Ganz vorsichtige Schritte macht er, zu sehr geschwächt ist er nach seinem schweren Skiunfall (…). Gestützt von Ehefrau Katharina (47) nahm der Politiker auf der Bank Platz. Blasses Gesicht, die linke Hand ist verbunden. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP beschreibt, wie Althaus sich mehrfach nach vorne beugte, “als werde er vom Schmerz übermannt; auch musste er sich oft hinsetzen”. Bei Gesängen bewegte Althaus nur die Lippen. (…)

Und ähnlich war auch die quasi einhellige Einschätzung anderer Medien (die zudem vom Bruder des Ministerpräsidenten Bernd Uwe Althaus in einem ungewöhnlich ehrlich wirkenden MDR-Interview bestätigt wird).

Dennoch stand bereits einen Tag nach obigem “geschwächt”-Artikel etwas ganz anderes in “Bild”. Unter der Überschrift “Rückkehr! Althaus will Ministerpräsident in Thüringen bleiben” und illustriert mit einem Exklusiv-Foto am Grab seines Vaters (ohne Quellenangabe) schrieb wiederum “Bild”-Reporter Wehmeyer:

(…) Kurz darauf verlässt Althaus (schwarzer Wollmantel, breitkrempiger Hut) mit festen, raschen Schritten den Friedhof, wird wieder in die Reha-Klinik nach Allensbach zurückgefahren. Die Genesung des Ministerpräsidenten von seinem Schädel-Hirn-Trauma macht weiter Forschritte. (…) Mittlerweile ist klar: Dieter Althaus wird schon bald in die Politik zurückkehren. (…)

Laut “Zapp” ist das Exklusiv-Foto “offenbar kein heimlicher Schnappschuss”. So hält es ein Redakteur der “Thüringer Allgemeinen” für “sehr gut inszeniert”, und Christiane Kohl von der “Süddeutschen Zeitung” wiederholt noch einmal, was sie (wie auch “Spiegel Online”) bereits aufgeschrieben hatte: dass ihr nämlich aus CDU-Parteikreisen bestätigt wurde, Althaus habe das Foto in der “Bild”-Zeitung “bestellt”.

Déjà Vu?

Ob Althaus oder Schröder, Steinmeier oder Friedbert Pflüger, ob RWE, Lufthansa, E.on, McDonalds oder bloß (und immer) “Pop-Titan” Dieter Bohlen – es scheint, als bedeute “unabhängig” und “überparteilich” für die “Bild”-Zeitung nur, dass es ihr letztlich egal ist, für wessen Interessen sie sich einspannen lässt.

Bei entsprechender Gegenleistung ist “Bild” offenbar bereit, sogar die Beschreibung der Wirklichkeit entsprechend anzupassen – und sei es, wie im Fall Althaus, von einem Tag auf den anderen um 180 Grad.

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