Alice Weidel hat also vorzeitig ein TV-Studio verlassen. Die Spitzenkandidatin der AfD bei der anstehenden Bundestagswahl ist gestern Abend in der knapp 100 Minuten dauernden ZDF-Talkrunde “Wie geht’s, Deutschland?” bereits nach 65 Minuten gegangen. Heute gibt es fast keine Redaktion, die nicht bei diesem kalkulierten Eklat mitmacht.
Anders als bei CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der vor knapp zwei Monaten die Talk-Runde von Sandra Maischberger — ob nun zu Recht oder zu Unrecht — ehrlich empört verlassen hatte, wirkt Weidels Abgang recht gelassen. Die AfD-Politikerin warf CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer noch vor, dass dessen Partei illegale Einwanderung legalisieren wolle, lächelte dabei, dann packte sie auch schon ihre Unterlagen und ging.
Im Verlauf der Sendung gab es mitunter zwar hitzige Debatten, aber keine Situation, die zwangsläufig zum Verlassen des Studios führen musste. Es scheint so, als wollte Alice Weidel unbedingt gehen, egal wann, Hauptsache gehen, vielleicht auch, weil sie und ihre Partei gesehen haben, wie groß das Medienecho nach Bosbachs Aktion war. Über Weidels Aussagen in der ZDF-Sendung hätte heute wohl kaum eine Redaktion ausführlich berichtet. Über den “Eklat im TV” berichten so gut wie alle:
(“Spiegel Online”)
(“Zeit Online”)
(Sueddeutsche.de)
(FAZ.net)
(“Bild”)
(Bild.de)
(“RP Online”)
(MDR.de)
(Tagesspiegel.de)
(Welt.de)
(bz-berlin.de)
(ruhrnachrichte.de)
(saarbruecker-zeitung.de)
(nrz.de)
Man könnte diese Liste noch sehr lange fortführen.
Bunte.de schreibt heute:
Genau das ist das Kalkül der AfD: Die Schlagzeilen bringen ihr 18 Tage vor der Wahl eine Aufmerksamkeit, die sie sonst nie bekommen würde. Schon in einem Strategiepapier für den Wahlkampf schrieb die Partei, dass sie “vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken” wolle, negative Reaktionen seien dabei “ganz bewusst” einkalkuliert. Ein gut inszenierter “Eklat im TV” ist sicher eine solche “Provokation”. Bei der anschließenden PR-Arbeit machen die Redaktionen, die unreflektiert jede AfD-Kleinigkeit in eine Überschrift packen, immer wieder freiwillig mit.
Immerhin grübeln manche Medien inzwischen, ob Alice Weidel das nicht doch alles geplant habe. Die kostenlose Wahlwerbung für die AfD haben sie aber längst unters Volk gebracht.