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Flieg los, Kartoffelbrei!

Lange Zeit glaubten viele Leute, die Erde sei eine Scheibe. Sie wurden von den Leuten für Idioten gehalten, die glaubten, die Erde sei eine Kugel. Jetzt gilt es, neue Idioten zu küren, denn die Medien vermelden heute:

Von wegen Kugel: Die Erde ist eine Kartoffel

Die Erde sieht tatsächlich aus wie eine Kartoffel

Satellitenaufnahmen von der Erde: Erinnerungen an eine Kartoffel

Kartoffel im Weltraum

Diese Meldungen sind kein Aprilscherz — nur eine sehr unwissenschaftliche Verknappung von Forschungsergebnissen.

Die Europäische Weltraumbehörde ESA hatte gestern Bilder vorgestellt, die das physikalische Modell der Erdfigur zeigen. Das so genannte Geoid zeigt die hypothetische Oberfläche der Weltmeere, die allein durch die Schwerkraft geformt wird und auf Strömungen und Gezeiten keine Rücksicht nimmt.

Und nicht nur das:

Damit die Unterschiede im Schwerefeld der Erde deutlich zu erkennen sind, haben sie die Forscher in zehntausendfacher Übersteigerung dargestellt. So gesehen gleicht die Erde einer unregelmäßig geformten Kartoffel.

Die Bilder zeigen also das unsichtbare Schwerefeld, die Abweichungen sind zehntausendfach verstärkt. Genau genommen wissen das auch die meisten Medien, denn sie schreiben es in ihren Artikeln. Artikel, deren Überschriften behaupten, die Erde sehe aus “wie eine Kartoffel”.

Die ESA hat bei ihren Bildern übrigens die “noch nie dagewesenen Einzelheiten” hervorgehoben. Zu Recht, denn die eigentliche Erkenntnis über die Form des Schwerefelds ist nicht gerade neu — und schon seit Jahren für die Überschriftenmacher der Zeitungen unwiderstehlich:

Die Erde ist in Wahrheit eine Kartoffel
(“Welt Online”, 5. Juni 2007)

Für die Forschung wird die Erde zur Kartoffel
(“Südwest Presse”, 6. Juni 2006)

Die Erde ist eine Kartoffel
(“Die Welt”, 1. August 2004)

Eine Kartoffel wird vermessen
(“Der Tagesspiegel”, 15. März 2002)

Aus einer ganz anderen Welt kommt heute mal wieder “Bild”:

Erde ist gar nicht rund! München – So krumm haben wir unsere Erde noch nie gesehen! Der ESA-Satellit "Goce" hat das Schwerefeld des Planeten mit bisher unerreichter Genauigkeit vermessen. Das Ergebnis: Die Erde ist nur annähernd eine Kugel, sieht eher aus wie eine Kartoffel.

Mit Dank an Bjoern S. und Jörg S.

Flickschusterei bei der Marsmission

Wissenschaft ist selten so spannend wie ein Hollywoodfilm. Wenn also zwei amerikanische Wissenschaftler vorschlagen, bei bemannten Marsmissionen in einer nicht mehr allzu fernen Zukunft die Astronauten auf dem roten Planeten abzusetzen und nicht mehr zur Erde zurückkehren zu lassen, weil man damit etwa 80% der Kosten einsparen könnte, ist das erst mal nur ein trockener Vorschlag.

Doch dapd hilft, diesen Vorschlag richtig einzuordnen:

“Man würde ältere Menschen schicken, um die 60 oder so”, sagt [Wissenschaftler Dirk] Schulze-Makuch. Filmfans denken hier sofort an “Space Cowboys”, ein Streifen, in dem Helden älteren Semesters unter der Führung von Bruce Willis die Erde vor der Zerstörung durch einen Asteroiden retten.

Verwirrte Filmfans vielleicht. Denn “Space Cowboys” ist ein Film, in dem “Helden älteren Semesters” unter Führung von Clint Eastwood ins Weltall geschickt werden, um einen aus der Bahn geratenen russischen Satelliten vom Absturz auf die Erde abzuhalten. Der “Streifen”, in dem Bruce Willis als Anführer einer Truppe von (eher mittelalten) Öl-Bohrarbeitern die Erde vor der Zerstörung durch einen Asteroiden retten soll, heißt “Armageddon”.

Gut, dass den Redakteuren verschiedener Online-Portale dieser Fehler aufgefallen ist. Schlecht, dass sie ihn dennoch nicht richtig korrigiert bekommen haben:

“Welt Online” etwa kriegt die Besetzung richtig auf die Reihe, irrt dann aber bei der Aufgabe der tapferen Film-Astronauten:

Filmfans denken hier sofort an “Space Cowboys”, ein Streifen, in dem Donald Sutherland, Tommy Lee Jones, Clint Eastwood und James Garner die Erde vor der Zerstörung durch einen Asteroiden retten.

Ebenso die “Basler Zeitung”:

Filmfans denken hier sofort an “Space Cowboys”, ein Streifen, in dem Helden älteren Semesters unter der Führung von Clint Eastwood die Erde vor der Zerstörung durch einen Asteroiden retten.

“RP Online” hatte ursprünglich den falschen dapd-Satz veröffentlicht, diesen dann aber im Nachhinein dahingehend korrigiert, dass jetzt Filmtitel, Hauptdarsteller und Mission zusammenpassen — aber der Bezug zu den Renter-Astronauten verloren gegangen ist:

Filmfans denken hier sofort an “Armageddon”, ein Streifen, in dem ein paar Helden unter der Führung von Bruce Willis die Erde vor der Zerstörung durch einen Asteroiden retten.

Lediglich bei der “Financial Times Deutschland” saß offenbar ein Filmfan, der sich richtig auskannte — und gleich den Schluss des Films verrät:

Filmfans denken hier sofort an “Space Cowboys”, ein Streifen, in dem Helden älteren Semesters unter der Führung von Clint Eastwood ins Weltallt aufbrechen – allerdings um einen defekten Sateliten zu reparieren. Die “Space Cowboys” wenden schließlich eine nukleare Katastrophe ab, ein Astronaut muss dafür allerdings sein Leben lassen.

Mit Dank an David L.

Mangelndes All-Wissen

Wann immer die Frage aufkommt, was die Menschheit eigentlich von der Raumfahrt habe, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Wort “Teflon” fallen.

Bild.de tat gut daran, in der Auflistung “Diese Nasa-Erfindungen erleichtern uns den Alltag” auf Bratpfannenbeschichtungen zu verzichten, denn bekanntlich wurde das Zeugs schon 1938 entdeckt.

Trotzdem hat Bild.de noch genug hilfreiche Nasa-Erfindungen auftreiben können, um nicht nur einen Aufhänger (Infrarot-Ohr-Thermometer) für den Artikel zu haben, sondern auch gleich noch eine 13-teilige Klickstrecke füllen zu können.

Neun der 13 Objekte finden sich – in der gleichen Reihenfolge – in der Liste “10 NASA Inventions You Might Use Every Day”, die die amerikanische Website HowStuffWorks am 12. Mai 2008 veröffentlicht hat. (Die titelgebende zehnte Erfindung dort ist übrigens das Infrarot-Ohr-Thermometer.)

Zu den vier restlichen “Nasa-Erfindungen” zählt Bild.de unter anderem:

Strichcode: Eine weitere Erfindung, die den Weg vom Mond in die Einkaufszentren geschafft habt, ist der Strichcode. Die Nasa benutzte die schwarz-weißen Streifen, um die Übersicht über die Tausenden Teile nicht zu verlieren. Heute wird der Strichcode bei nahezu allen Produkten verwendet.

Das wäre schon insofern beeindruckend, als das erste Patent für den Strichcode im Oktober 1952 erteilt wurde — gut sechs Jahre vor Gründung der NASA.

Aber die NASA selbst schreibt auf ihrer Website:

Strichcodes wurden nicht von der NASA erfunden. Die NASA entwickelte eine besondere Form des Strichcodes zur Inventarisierung von Space-Shuttle- und anderen Weltraum-System-Komponenten, der harte Umgebungen aushalten konnte, aber dieser sollte nicht mit dem originalen Strichcode verwechselt werden.
(Übersetzung von uns)

Mit Dank an Malte L.

Nachtrag, 27. Januar: Bild.de hat den Strichcode aus der Klickstrecke entfernt (in der Dachzeile steht er noch) und bei Texttafel 12 von 12 ein “Quelle: howstuffworks.com” hinzugefügt.

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