Posts Tagged ‘Computerspiele’

Geniestreich der Meinungsmacher

Frage: Wann ist eigentlich ein Computerspiel ein “Geniestreich der Game-Macher”, der “reichlich Spaß und Spannung auf den Bildschirm” bringt, wie beispielsweise der “Zukunfts-Shooter” Crysis oder der “Knaller” Unreal Tournament?

Und wann ist “Baller-Schund” wie Unreal — bei dem “das Blut spritzt” — “die dunkle Seite des Internet” und ein “virtueller Krieg in deutschen Kinderzimmern”, der verboten gehört?

Antwort: Wir haben keine Ahnung.

Anmerkung: Der “Zukunfts-Shooter” Crysis, der laut Bild.de ein “action-geladenes Feuerwerk” verspricht, ist noch nicht auf dem Markt. Doch hat er nach dem, was bisher von ihm zu sehen war, gute Chancen, von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) keine Jugendfreigabe zu bekommen. Zumindest sagt das der Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungsindustrie, Olaf Wolters. Dagegen ist Unreal geradezu harmlos, erhielt das Spiel doch von der USK die Einstufung “Freigegeben ab 16 Jahren”.

Mit Dank an Turrican.

Killer spielen Killerspiele

Nicht jedes Computerspiel, in dem irgendwelche Figuren getötet werden, ist ein böses Killerspiel.

Das sagen nicht wir, das sagt “Bild”. Heute berichtet die Zeitung groß über die vielen jungen Leute, die gestern um Mitternacht ein Elektronikgeschäft “stürmten”, um so früh wie möglich die Erweiterung “The Burning Crusade” zu dem Rollenspiel “World of Warcraft” zu kaufen.

World of Warcraft??

“Bild” klärt auf:

Wer hinter dem Namen ein “Killerspiel” vermutet, liegt falsch: Bei “World of Warcraft” (…) steht die Kommunikation im Vordergrund. Die Spieler treffen sich im Internet, lösen gemeinsam Aufgaben. Tauchen ab in eine Fantasiewelt voller Elfen, Zwerge und Trolle.

Oooooh: Elfen.

Dass es bei aller Kommunikation auch in “World of Warcraft” gelegentlich hilft, Feinde zu töten, erwähnt “Bild” nicht. Offenbar ist das also für die Definition, was ein “Killerspiel” ist, nicht entscheidend.

Gestern berichtete “Bild” über ein anderes Computerspiel: “Final Fantasy VII”*. Das sollen nach Informationen der Zeitung die beiden Jugendlichen exzessiv gespielt haben, die am Wochenende in Tessin ein Ehepaar “totgemetzelt” (“Bild”) haben. “Bild” schrieb gestern:

Die Idole der Jungen: “Sephiroth”, der mit seinem Langschwert unschuldige Bewohner tötet. Und “Reno”, der den Anführer der Guten killen soll. (…)

Am Tatabend sollen sich die Killer mit den Spielnamen angeredet haben. Wollten sie sein wie ihre Vorbilder, ohne Gnade töten, wie sie es schon hundertmal am PC geübt hatten?

Die “Bild”-Zeitung lässt keinen Zweifel, dass “Final Fantasy VII” im Gegensatz zu “World of Warcraft” ein gefährliches Killerspiel ist. Die Nachrichtenagentur dpa nannte “Final Fantasy VII” unter Berufung auf “Bild” entsprechend ein “Gewalt-Computerspiel”.

Menschen, die “Final Fantasy VII” spielen, halten die Spielbeschreibung und das Urteil für abwegig. Und die Unabhängige Selbstkontrolle USK hat dem Spiel aus dem Jahr 1997 eine Freigabe ab 12 Jahren erteilt — dieselbe übrigens wie “World of Warcraft”, das bekanntlich den “Bild”-Unbedenklichkeitsstempel trägt. Die USK erklärt diese Kategorie so:

Kampfbetonte Grundmuster in der Lösung von Spielaufgaben. Zum Beispiel setzen die Spielkonzepte auf Technikfaszination (historische Militärgerätschaft oder Science-Fiction-Welt) oder auch auf die Motivation, tapfere Rollen in komplexen Sagen und Mythenwelten zu spielen. Gewalt ist nicht in alltagsrelevante Szenarien eingebunden.

Das Bild, das die “Bild”-Zeitung von dem Spiel zeigt (siehe Ausriss), ist eindrucksvoll, kein Zweifel. Aber es ist auch irreführend. Die Szene stammt nämlich gar nicht aus “Final Fantasy VII”, sondern offenbar aus dessen späterem Ableger “Dirge of Cerberus** (ab 16 Jahren), und darin geht es nicht um “Reno” und “Sephiroth”.

Aber was ist nun ein Killerspiel? Warum erklärt “Bild” ein Spiel (frei ab 12) für gefährlich und ein anderes (frei ab 12) für ungefährlich?

Oder kann es sein, dass der Begriff “Killerspiel” für “Bild” einfach jedes Spiel bezeichnet, das jemand spielt, der später zum Killer wurde?

*) erhältlich im Bild.de-Shop
**) erhältlich im Bild.de-Shop

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 18.1.2007 (mit Dank an Michael H. und Simon S.): Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass die abgebildete Szene gar nicht aus einem Computerspiel stammt, sondern aus dem Film “Final Fantasy VII — Advent Children” (frei ab 12).

Nach Angaben der Geisel in einer Fernsehsendung gestern abend haben die beiden Jugendlichen vor der Tat tatsächlich diesen Film gesehen, in dem auch die Figuren “Sephiroth” und “Reno” auftauchen. Diesen Film, den die Nachrichtenagentur dpa trotz seiner Freigabe ab 12 Jahren nun ein “Gewaltvideo” nennt, hielt “Bild” offenbar fälschlicherweise für das Computerspiel “Final Fantasy VII”.

Wo kriegt man eigentlich diesen Baller-Schund?

Um vielleicht doch noch einmal kurz auf “Counter-Strike” zurückzukommen, jenes “Baller-Spiel”, das auch der Amokläufer von Emsdetten spielte, und von dem “Bild” irrigerweise annimmt, man spiele es mit dem Joystick, hantiere darin mit Raketenwerfern und in der ab 16 Jahren freigegebenen deutschen Version spritze Blut.

Vielleicht wäre es hilfreich, wenn die “Bild”-Redakteure sich vor dem nächsten “Counter-Strike”-Artikel das Spiel einfach mal kaufen. Sie müssen sich dafür nicht einmal in düsteren Ecken im Bahnhofsviertel mit irgendwelchen dubiosen Spiele-Dealern einlassen. Den “Baller-Schund” (“Bild”), von dem sich die Zeitung fragt, warum er nicht endlich verboten wird, findet man gleich um die Ecke.

Im Bild.de-Shopping-Portal.

Danke an Jens D.!

Kurz korrigiert (288-294 293 292)

Klar, am Anfang war die Lage unübersichtlich, und “Bild” war bei weitem nicht das einzige Medium, das in der Berichterstattung über den Emsdettener Amoklauf den ein oder anderen Fehler gemacht hat. Aber schließlich hat “Bild” ja seit Juli wieder eine Korrekturspalte. Genutzt hat sie die in den vergangenen beiden Tagen allerdings nicht. Dabei hätte sie lang werden können:

  • “Bild” schrieb über Bastian B., er habe “mit Freunden ‘Gotcha’” gespielt. Offenbar war er jedoch “Airsoft”-Spieler.
  • “Bild” schrieb, die Polizei habe im Wohnhaus der Eltern “eine Gaspistole, eine Softairwaffe und ein Luftgewehr (Pumpgun)” sichergestellt. Tatsächlich ist “Pumpgun” jedoch kein Synonym für “Luftgewehr”.*
  • “Bild” schrieb, die Schwester von Bastian B. sei auf dieselbe Schule gegangen, wie Bastian B. Tatsächlich geht sie jedoch nicht auf die Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten, sondern offenbar auf das Martinum Gymnasium.
  • “Bild” schrieb, Bastian B. habe für das Computerspiel Counter Strike “schon als 12-Jähriger (…) ein dreidimensionales Modell seiner Schule” programmiert. Das hatten zwar tatsächlich Schüler der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) erzählt, “Spiegel Online” berichtete jedoch vorgestern, dass es höchst zweifelhaft sei, dass eine solche “map” der GSS überhaupt existiert und dass Bastian B. sie programmiert hat.**
  • “Bild” zeigte eine Abbildung der vermeintlichen map der GSS Emsdetten (siehe Ausriss unten). Tatsächlich handelt es sich, wie derselbe “Spiegel-Online”-Artikel deutlich machte, dabei jedoch um eine ganz andere GSS in Melsungen.
  • “Bild” schrieb in Bezug auf die Counter-Strike-map, Bastian B. sei “nächtelang (…) per Joystick durch die virtuellen Schulflure” gerannt und habe versucht, “in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Lehrer und Schüler zu erschießen”. Tatsächlich gibt es in Counter Strike jedoch keine Schüler und Lehrer, sondern lediglich “Terroristen”, “Counterterroristen” und gegebenenfalls Geiseln, die allerdings nicht mal die Geiselnehmer erschießen dürfen, ohne Strafpunkte zu bekommen. (Übrigens wird Counter Strike in der Regel nicht mit dem Joystick gespielt, sondern mit der Tastatur).
  • “Bild” schrieb über “Counterstrike (ab 16)”: “Spezialität: Headshots (Kopfschüsse)! Blut spritzt dabei.” Tatsächlich “spritzt” in der in Deutschland ab 16 frei erhältlichen Version kein Blut. (Wahrscheinlich ist deshalb auf dem Screenshot, den “Bild” heute abdruckt und dazu schreibt, “blutspritzende Opfer einer ‘Counterstrike’-Kampfsequenz” auch kein Blut zu sehen.)

Sicher, das mögen keine besonders gravierenden Fehler sein, aber dafür nutzt “Bild” die Korrekturspalte ja ohnehin nicht.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

*) Nachtrag, 22.00 Uhr: Wir müssen uns leider in einem Punkt korrigieren: Offenbar handelt es sich bei dem sichergestellten Luftgewehr um eine Pumpgun, wie einer Pressemitteilung der Polizei zu entnehmen ist.

**) Nachtrag, 22.35 Uhr: Wie es aussieht, gibt es doch eine Counter-Strike-map der GSS Emsdetten, wie “Spiegel Online” inzwischen berichtet. Ob “Bild” die auch kannte, bleibt offen.

Computerspiel, auch für Papis geeignet

Schon erstaunlich: Eine Zeitung, die glaubt, dass Menschen Computerspiele nutzen, um reale Morde zu üben, empfiehlt ein Computerspiel, in dem man die Rolle eines Mafiaboss übernimmt:

Spielen Sie doch mal Mafia-Pate!

Der “Bild”-Artikel vom Dienstag vergangener Woche beginnt mit den treuherzigen Worten:

Eigentlich spielen ja hauptsächlich Kids Videospiele, dieses könnte auch eins für die Papis sein!

Und am Ende steht:

Freigeben ab 14 Jahren

Gemeint ist sicher: Freigegeben ab 14.

Dabei ist 14 gar keine Altersgrenze. 14 ist der Paragraph im Jugendschutzgesetz, in dem es um Altersfreigaben geht.

Und “The Godfather — Der Pate” hat nach diesem Paragraphen von der Unterhaltungssoftware SelbstKontrolle (USK) keine Jugendfreigabe erhalten und darf an Jugendliche unter 18 Jahren nicht verkauft werden. Das Urteil der USK bedeutet:

Der Inhalt ist geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.

Danke an Raymond für den Hinweis!

Computerspiele und andere Verbrechen

Marco W. hat gestanden, im vergangenen Sommer in Erfurt eine Ärztin mit ihrem Auto entführt und dann getötet zu haben. Und er hat nach Aussagen eines Freundes gerne stundenlang das Computerspiel “GTA Vice City” gespielt.

Mord mit Videospiel geübtNach Ansicht der “Bild”-Zeitung hat das eine unmittelbar mit dem anderen zu tun (siehe Ausriss). Dabei sollte der Gedanke selbst für eine “Bild”-Überschrift zu abwegig sein, dass jemand dafür “übt”, ein Opfer zu erdrosseln, indem er ein Spiel spielt, in dem Auto gefahren und geschossen wird.

Aber halt, natürlich ist nichts zu abwegig für eine “Bild”-Überschrift. Zur Diskussion um das neue Computer-Spiel “Getting Up“, in dem man einen Sprayer in der fiktiven Millionenmetropole New Radius spielt, der (auch mit Gewalt) gegen Konkurrenten, Polizisten und Aufseher kämpft, stand am Montag in “Bild” die Zeile: “Videospiel ruft auf zum Töten von Putzfrauen”. Mit der gleichen Logik könnte man titeln, dass die Lara-Croft-Spiele dazu “aufrufen”, unangemessen spärlich bekleidet frühgeschichtliche Funde zusammenzutragen und dabei auch nicht vor dem Abschlachten mythologischer Pferdemenschen zurückzuschrecken.

Danke an Fabian S., Michael H., Sven S., Paul K. — und spielkultur.net für den Scan!

Hahnes Denkfehler

So gesehen war’s echt nett von der “BamS”, dass sie am Sonntag einige Sätze in Peter Hahnes “Gedanken zum Sonntag” gefettet hat. Da fällt es dann um so leichter, Hahnes Denkfehler zu entdecken, wenn er, wie am Sonntag geschehen, “über Killerspiele für Kinder und eine Koalition der Vernunft” kolumniert. Anlässlich der “World Cyber Games 2005” und eines Passus im Koalitionsvertrag, wonach “Killerspiele ganz verboten” werden sollen, schreibt Hahne über “Figuren mit stacheldrahtumwickelten Baseballschlägern” und denkt sich seinen Teil (“Da helfen nur Verbote, keine Altersbeschränkungen”).

Doch obwohl man dem Kolumnisten förmlich anmerkt, wie er sich in das Thema eingearbeitet hat, wenn er behauptet, das Computerspiel “Counterstrike” sei “nur zu gewinnen, wenn man (…) mindestens fünf Menschen tötet”, ist das schlichtweg falsch: “Counterstrike” (dessen Hauptinhalt laut Bundesprüfstelle übrigens “nicht das Töten” ist) lässt sich selbst dann “gewinnen”, wenn am Ende alle virtuellen Spielfiguren quicklebendig sind.

Weiter behauptet Hahne:

Dabei war’s doch weder eine “Pumpgun”, mit der Robert Steinhäuser am 26. April 2002 das “Blutbad in seiner Schule anrichtete” (sondern eine Pistole), noch der Film “Halloween H20”, der Michael Weinhold am 11. Februar 2002 “als Vorlage für seine Tat diente” (sondern vermutlich “Halloween I”).

Aber Hahnes Kolumne heißt ja auch nicht “Recherchen zum Sonntag”.

Mit Dank an Philipp W. für den Hinweis sowie Stefan und counter-strike.de für die fachliche Unterstützung.

“Bild” belegt: “Bild”-Lesen ungefährlich!

Neue Studie belegt: Video- und Computerspiele ungefährlich!

Nein, tut sie natürlich nicht. Die Studie sagt nur, dass die Gefahren überschätzt würden, was dann doch nicht ganz dasselbe ist. Bei der Untersuchung handelt es sich um die Magisterarbeit eines Kommunikationswissenschafts-Studenten. Der Autor Nikolaos Kyriakidis war übrigens vorher Creative Director der Firma Starbreeze, die — na?, genau: — Computerspiele herstellt.

Interessant ist auch, dass Kyriakidis, falls Bild.de ihn korrekt zitiert, seiner eigenen Studie widerspricht. Bei Bild.de sagt er: (Hervorhebungen von uns)

Selbst Jugendliche, die fast jeden Tag spielen, vernachlässigen andere Lebensbereiche fast gar nicht. Das Videospiel nimmt tendenziell Zeit von anderen medialen Beschäftigungen, wie Musik hören oder fernsehen.

In der Pressemitteilung der Ruhr-Uni Bochum heißt es dagegen:

Die Spiele werden häufig (in jeweils über 50 Prozent) auf Kosten von Lernen und Hausaufgaben sowie Schlaf gespielt.