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Springer hatte mit 1968 nichts zu tun (2)

Am Tag danach “mußten Berliner Zeitungsleser glauben, daß Benno Ohnesorg von seinen Kommilitonen umgebracht worden sei”, schrieb der “Spiegel” im Juni 1967.

Unter der Schlagzeile “Blutige Krawalle: 1 Toter!” berichtete die “Bild”-Zeitung an jenem 3. Juni 1967:

Ein junger Mann ist gestern in Berlin gestorben. Er wurde Opfer von Krawallen, die politische Halbstarke inszenierten. (…) Ihnen genügte der Krawall nicht mehr. Sie müssen Blut sehen. Sie schwenken die Rote Fahne, und sie meinen die Rote Fahne. Hier hören der Spaß und der Kompromiss und die demokratische Toleranz auf. Wir haben etwas gegen SA-Methoden.

Die Schwesterzeitung “Berliner Morgenpost” meldete immerhin:

Ein Kriminalbeamter feuerte im wirren Tumult und in dem unübersehbaren Handgemenge einen Warnschuß ab.

Und Schwesterzeitung “Welt am Sonntag” erklärte am folgenden Tag ihren Lesern, warum ein Kriminalbeamter “von seiner Schußwaffe Gebrauch gemacht” hatte:

Er war von den Demonstranten in einen Hof abgedrängt, dort festgehalten, getreten und mit Messern bedroht worden.

Noch einen Tag später titelte “Bild”:

Studenten drohen: Wir schießen zurück — Sanfte Polizei-Welle

Der “Bild”-Reporter sagte laut “Spiegel” hinterher:

“Ich schäme mich für meine Zeitung. Das mit dem Zurückschießen hat mit keinem Wort in meinem Artikel gestanden. Das haben die erst in der Redaktion dazugedichtet, um eine knallige Überschrift zu kriegen.”

* * *

Thomas Schmid, früher selbst in der Studentenbewegung tätig, inzwischen aber Chefredakteur der “Welt”, schreibt in seinem heutigen Leitartikel, in dem er den “alten Kämpen” vorwirft, sich “an ihren Mythos” zu “klammern”:

Kein Zweifel (…), dass in den überhitzten Jahren 1967 und 1968 einige Blätter dieses Hauses sich im Ton vergriffen und die Demonstrierenden auch verunglimpften. [Aber:] Die Blätter des Axel Springer Verlages haben — was wir belegen werden — über die 68er-Bewegung sehr viel differenzierter berichtet, als es im Schreckbild von der “hetzerischen Springerpresse” vorgesehen ist.

Das eingeschobene “was wir belegen werden” wird als Ankündigung einer internen Untersuchung interpretiert. Vielleicht holt Schmid aber auch nur ein altes Papier aus dem Schrank. Denn der Verlag ließ schon vor über 40 Jahren eine solche Untersuchung mit demselben Ziel anfertigen (rechts): Sie sollte vor allem den Vorwurf entkräften, alle Springer-Zeitungen hätten einheitlich undifferenziert über die Studenten und den Tod Ohnesorgs berichtet. Zu genau diesem Ergebnis kam hingegen eine wissenschaftliche Untersuchung des renommierten Publizistik-Wissenschaftlers Walter J. Schütz.

* * *

In der “Süddeutschen Zeitung” erklärt Marek Dutschke, der jüngste Sohn von Rudi Dutschke, warum er ausgerechnet in der “Bild”-Zeitung forderte, man solle prüfen, ob die Stasi mit dem Attentat auf seinen Vater 1968 zu tun habe.

SZ: Bislang hätte man kaum für möglich gehalten, dass ein Dutschke mit der Bild-Zeitung spricht, nach den Kampagnen des Blattes gegen Ihren Vater.

Dutschke: Das stimmt. Aber die Bild-Zeitung hat Einfluss in Deutschland, und wenn man den für eigene Forderungen nutzen kann, finde ich es okay. Interessant aber ist doch zu sehen, wie Bild heute mit dem Fall Ohnesorg umgeht, das Motiv ist ja durchschaubar: Indem sie die Geschichte jetzt auf die Stasi konzentriert, kann sie von der eigenen historischen Schuld ablenken, denn Bild hat ja die Stimmung gegen die Studenten angefacht und das Klima des Hasses erzeugt.

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Springer hatte mit 1968 nichts zu tun

“Wer Terror produziert, muß Härte in Kauf nehmen.”

Schlagzeile der Springer-Zeitung “B.Z.” am 3. Juni 1967, dem Tag, nachdem der unbewaffnet gegen den Schah demonstrierende Benno Ohnesorg von dem Polizisten Kurras erschossen worden war.

“Bild” hatte angesichts der Studenten-Demonstrationen schon im Dezember 1966 “Polizeihiebe auf Krawallköpfe” empfohlen, “um den möglicherweise doch vorhandenen Grips locker zu machen.” Im Februar 1966 schrieb das Blatt über eine Vietnam-Demonstration Berliner Studenten:

Es ist an der Zeit, diesen Leuten mit aller Deutlichkeit zu sagen: … Zwei Millionen Berliner lassen sich nicht von 1500 Wirrköpfen auf der Nase herumtanzen.

“Bild” wolle “dafür sorgen, daß in Zukunft ähnlichen Demonstrationen die gebührende Antwort erteilt wird”. Springer-Zeitungen titelten: “Kein Geld für langbehaarte Affen”, “Da hilft nur noch eins: Härte”, “Unruhe stifter unter Studenten ausmerzen” und nannten die Protestierenden “Eiterbeulen”.

Als mehrere Studenten im April 1967 vorübergehend festgenommen wurden, weil sie Mehl und Joghurt in Beutel abgefüllt und ein Attentat mit Pudding auf den amerikanischen Vizepräsidenten geplant hatten, sprach “Bild” von “Bomben und hochexplosiven Chemikalien” und “sprengstoffgefüllten Plastikbeuteln” und titelte: “Bombenanschlag auf US-Vizepräsidenten.”

Das Buch “Das ‘Welt’-‘Bild’ des Axel Springer Verlages” fasst die damalige Berichterstattung der Springer-Zeitungen so zusammen:

Richtete sich eine Demonstration gegen bundesdeutsche oder allgemein westliche Mißstände und legte noch dazu belebte Straßen wie den Berliner Kurfürstendamm lahm — tat also genau das, wofür sie gedacht war, nämlich den reibungslosen Ablauf zu stören –, wurde sie als illegaler Druck der Straße abgeleht. (…)

Die anfänglich demokratisch-legal artikulierte Kritik bewirkte keine Veränderung, sondern wurde statt dessen bereits kriminalisiert. Wie das Beispiel der Demonstranten zeigt, galt gerade in den Zeitungen des Springer-Verlages schon der friedliche, aber eben störende Protest als illegaler Übergriff auf das Recht der Bundesbürger auf Ruhe und Ordnung. (…) Obgleich anfänglich die Gewalt nicht von studentischer Seite ausging, sondern im Gegenteil von den staatlichen Instanzen Polizei oder Universität, wurden dennoch die Studenten als Initatoren der Gewalt geschildert.

Am 7. Februar 1968 schrieb “Bild”:

Man darf über das, was zur Zeit geschieht, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und man darf auch nicht die ganze Dreckarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.

Ein Amtsgericht sah in diesen “Bild”-Sätzen damals “nicht eine demokratische Auseinandersetzung mit einem Andersdenkenden, sondern üble Stimmungsmache und Aufhetzung zu Gewalttaten”.

“Dutschke, der sich später den Grünen anschließt, ertrinkt Heiligabend 1974 in der Badewanne.”

(Gescheiterter Mini-Biographie-Versuch der “Bild am Sonntag” gestern über ihren ewigen Gegner Rudi Dutschke)

Zwei Monate später wurde das Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke verübt.

Man kann die Eskalation der Gewalt, die dem Tod Ohnesorgs folgte, nicht erklären ohne das politische Klima, in dem er geschah, und die Lügen und die Hetze der Springer-Zeitungen, die es anfeuerten.

Kann man nicht? “Bild” kann es.

Seit herausgekommen ist, dass Karl-Heinz Kurras, der Polizist, der Ohnesorg erschoss, Stasi-Agent war, lässt sich nach Ansicht der “Bild”-Zeitung offenbar alles, was damals, davor und danach passiert ist, allein durch die brutalen Machenschaften des DDR-Systems erklären. Ob Kurras mit dem Todesschuss im Auftrag der Stasi handelte, ist keineswegs ausgemacht — aber der frühere “Bild”-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje weiß schon, dass sie auch für den Tod Dutschkes verantwortlich war:

In der “taz” kommentiert Christian Semler:

[Kurras] hatte in seinen Prozessen wegen fahrlässiger Tötung Ende der Sechzigerjahre Verbündete, allen voran Springers Bild-Zeitung. Sein vorbildlicher Einsatz, hieß es, sei leider in einem von ihm nicht verschuldeten Unglücksfall geendet.

Wie schnell aus aufrechten Verteidigern der Freiheit gedungene Mörder werden — denn jetzt, nachdem Kurras’ Tätigkeit als IM der Staatssicherheit aufgeflogen ist, wird er zum Auftragsmörder, der gehorsam den Befehlen aus der Stasi-Zentrale folgte. (…) Man kann den delirierenden Autor Hans-Hermann Tiedje nicht unter der Rubrik “Berliner Absonderlichkeiten” verbuchen. Vielmehr geht es hier um ein groß angelegtes Manöver der historischen Mystifikation. Indem die Stasi — ohne jedes Indiz — zum Täter gemacht wird, kann die Verantwortung der Westberliner Eliten für den 2. Juni 1967 beiseitegedrückt werden.

Und der Fernsehproduzent Friedrich Küppersbusch ätzt, was es angesichts der vorhergehenden Hetze von “Bild” gegen die Studenten bedeutet, wenn sich der Tod von Ohnesorg dem DDR-Regime in die Schuhe schieben lässt:

Das klingt schon nach Aussöhnung zwischen Bild und Stasi.

 

Mit “Bild”-Methoden gegen undankbare Polen

Aus aktuellem Anlass fragte “Bild” gestern:

Was müssen wir uns von diesen Polen eigentlich noch alles gefallen lassen? Seit Jahrzehnten gibt es in Europa niemanden, der mehr für Polen getan hat als ausgerechnet wir Deutsche!

Ausgerechnet ist in diesem Zusammenhang ein interessantes Wort. Ausgerechnet wir Deutschen haben so viel für Polen getan – obwohl wir es doch waren, die dafür sorgten, dass zwischen 1939 und 1945 über 18 Prozent der polnischen Bevölkerung ums Leben kamen?

War es nach dieser Vorgeschichte überraschend, dass wir Deutsche so viel für Polen getan haben, ausgerechnet? Oder war es das Mindeste?

In den Grundsätzen, die jeder Axel-Springer-Redakteur unterschreibt, steht als Ziel “das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes”. Das polnische Volk wird nicht explizit genannt, was auch daran liegen könnte, dass es hier nach der deutschen Besatzung nicht mehr viele Juden gab, mit denen man sich aussöhnen könnte: Jeder zweite ermordete Jude war polnischer Staatsbürger.

Natürlich darf man trotzdem, auch als Deutscher, auch als deutsche Zeitung, die polnische Regierung kritisieren, auch massiv. Frappierend ist aber neben dem verräterischen Wort ausgerechnet, wie “Bild” Tatsachen weglässt oder verdreht.

“Bild” schreibt:

Ohne deutsche Hilfe wäre Polen heute vielleicht noch immer nicht EU-Mitglied!

UND DER DANK?

Plötzlich, im Jahr 2004, forderte Polens Parlament von uns Deutschen 40 Milliarden Euro Entschädigung. 59 (!) Jahre nach Kriegsende!

“Plötzlich”? Im Sinne von: aus heiterem Himmel, aus reinem Undank? Keineswegs. Die Forderung des Parlaments war eine (höchst umstrittene) Reaktion darauf, dass die Preußische Treuhand Ansprüche von deutschen Vertriebenen gegen Polen geltend machen will und im Jahr 2004, nach dem EU-Beitritt Polens, neue Chancen sah, diese Ansprüche durchzusetzen.

“Bild” weiter:

Von der EU profitiert Polen wie kein anderes Land! Seit dem Beitritt 2004 können polnische Arbeiter in ganz Europa Geld verdienen.

Das stimmt so nicht. Nur Großbritannien, Irland und Schweden haben ihre Arbeitsmärkte sofort geöffnet. In Deutschland brauchen polnische Arbeitnehmer immer noch eine Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt; sie bekommen sie nur unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel im Rahmen von Werkverträgen als Saisonkräfte.

“Bild” schreibt:

Ausgerechnet jetzt, da Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft innehat, werden die Polen größenwahnsinnig (…)!

Polen (knapp 40 Mio. Ew.) will Einfluss in der EU — wie das doppelt so große Deutschland (80 Mio. Bürger), Frankreich oder Großbritannien (je 60 Mio.)!

Selbst wenn die Polen größenwahnsinnig sein sollten — so größenwahnsinnig sind sie nicht. Ihr Ziel, die Stimmverhältnisse in der EU entsprechend der Quadratwurzeln der Bevölkerungszahlen zu regeln, hätte dazu geführt, dass Polen 6 Stimmen gehabt hätte – weniger als Großbritannien und Frankreich mit 8 Stimmen und Deutschland mit 9 Stimmen; also keineswegs genauso viel, wie “Bild” suggeriert.

Als Ursache für die “Hetze” der Kaczynski-Brüder vermutet “Bild” übrigens Minderwertigkeitskomplexe. Die Ursache für Hetze von “Bild” kennen wir natürlich nicht.

“Bild” fühlt sich von Entführungsopfer terrorisiert

Man muss das kurz rekapitulieren: Khaled al-Masri ist nach eigenen Angaben Silvester 2003 in Mazedonien verhaftet, mehrere Wochen verhört, von der CIA nach Afghanistan verschleppt und dort misshandelt, gefoltert und monatelang festgehalten worden. Zeugenaussagen und Dokumente bestätigen zentrale Aussagen al-Masris; das Amtsgericht München hat im Januar Haftbefehl gegen 13 Agenten der CIA wegen Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung erlassen. Die Rolle der deutschen Bundesregierung und der deutschen Geheimdienste ist umstritten, ungeklärt ist vor allem, wer der Deutsche gewesen ist, der sich nach al-Masris Angaben als “Sam” vorstellte und ihn in Afghanistan vernahm. Der Fall beschäftigt Gerichte und Untersuchungsausschüsse.

Man muss das kurz rekapitulieren. Und dann muss man sich den Satz durchlesen, mit dem die “Bild”-Zeitung die Versuche al-Masris beschreibt, die Wahrheit herauszufinden und Recht zu bekommen. Er lautet so:

Monatelang terrorisierte der Islamist als angebliches CIA-Folteropfer die Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit!

Wenn ein Entführungsopfer, dem nach Meinung von Regierung und Opposition schweres Unrecht geschehen ist, von rechtlichen und publizistischen Mitteln Gebrauch macht, ist das “Terror”? Für “Bild” ja:

Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?

Anlass für den Bericht ist, dass al-Masri in dieser Woche einen Großmarkt anzündete und in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Die “Bild”-Redakteure Ulrike Brendlin und Hans-Jörg Vehlewald fassen es so zusammen:

Nun stellt sich raus: Al-Masri ist ein durchgeknallter Schläger, Querulant und Brandstifter. Auch ein Lügner?

Dass al-Masris psychische Probleme und wiederholte Ausfälle eine Folge seiner traumatischen Erfahrungen gewesen sein könnten, kommt bei “Bild” nicht einmal als nicht ganz auszuschließende Möglichkeit vor. Systematisch diskreditiert sie seine Aussagen und spielt seine Qualen herunter. “Bild” schreibt:

Fest steht bis heute nur, dass al-Masri Silvester 2003 versehentlich in Mazedonien verschleppt und für fünf Monate inhaftiert wurde.

Die wochenlang vorbereitete Entführung von al-Masri durch Agenten der CIA in Mazedonien wird fast zu einer Lappalie heruntergeschrieben, “versehentlich”, kann ja mal passieren. “Bild” weiter:

Zum Skandal wurde seine Geschichte erst, als Masri behauptete, während der Haft misshandelt und auch von deutschen BND-Agenten (“Sam”) verhört worden zu sein.

So spielt “Bild” die monatelange Peinigung in einem afghanischen Gefängnis herunter, Hungerstreik und Todesangst inklusive. Und ein “Skandal” war al-Masris “Geschichte” natürlich ohnehin schon: Amerikanische Medien fanden es — anders als offenbar “Bild” — durchaus bemerkenswert, dass im Krieg gegen den Terror irgendwelche Leute von der CIA entführt und in Länder wie Afghanistan verbracht werden, insbesondere wenn es sich nicht einmal um die richtigen Leute handelte.

Bei “Bild” ist al-Masri nicht Opfer, sondern (auch ohne die Brandstiftung) in vielfacher Weise Täter. Die Zeitung nennt ihn zum Beispiel den “Verursacher des ganzen Chaos” und meint damit den Streit in der Bundesregierung und die Untersuchungsausschüsse. Als Indiz dafür, dass al-Masri “auch ein Lügner” sein könnte, schreibt “Bild”:

Gleich mehrere Ausschüsse, sogar ein eigener “BND-Ausschuss” nahmen die ehemaligen und amtierenden Bundesminister (u. a. Otto Schily, Joschka Fischer) ins Kreuzverhör — ohne greifbare Ergebnisse.

“Bild” suggeriert in einem logischen Kurzschluss: Wenn den politischen Verantwortlichen kein Fehlverhalten nachgewiesen wurde, muss wohl der “Verursacher des ganzen Chaos” im Unrecht sein.

Hans Leyendecker, Leitender Redakteur der “Süddeutschen Zeitung” und für seine Recherchen im Fall al-Masri gerade mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet, nennt die “Bild”-Berichterstattung gegenüber BILDblog “niederträchtig und verworfen”. Er widerspricht auch der “Bild”-Formulierung, al-Masri habe behauptet, “von deutschen BND-Agenten (‘Sam’) verhört worden” zu sein:

Al-Masri hat nicht von mehreren deutschen Vernehmern gesprochen, sondern nur von einem Mann, der sich Sam genannt habe. Dass es sich, wie “Bild” bedeutet, um einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes gehandelt habe, hat Al-Masri nie gesagt. Er weiß nicht, ob der Mann von einer deutschen Behörde kam und deshalb behauptet er es nicht.

Er hat ein anderes Verhältnis zur Wahrheit als “Bild”.

Nachtrag, 15.30 Uhr. Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” nennt den “Bild”-Artikel über al-Masri heute ein “publizistisches Eintreten auf einen, der am Boden liegt” und findet die “Entgleisung selbst für ‘Bild’-Standards beachtlich”. “FAS”-Redakteur Nils Minkmar schreibt:

“Noch nie aber hat mich ein Artikel in irgendeiner Zeitung so alarmiert und beunruhigt wie der Text des Blattes über Khaled El Masri (…). Offenbar hält man dort die Spannung nicht aus, die sich daraus ergibt, dass eine offene Gesellschaft eben auch ihre Verfehlungen offen und ehrlich diskutiert. (…) ‘Bild’ ist das wohl alles zu komplex. Daher verfällt man dort in eine regressive, eine Kinderreaktion: Das Opfer ist selber schuld. Für ‘so einen’ gilt auch kein Grundgesetz.”

Nachtrag, 21. Mai. Hans Leyendecker schreibt in der heutigen Ausgabe der “Süddeutschen Zeitung” über den “Bild”-Bericht:

“Die immer noch vorhandene hetzerische Gewalt des Blattes, die von Heinrich Böll meisterlich beschrieben wurde, bekommt wieder einen neuen Namen. Die Erklärungen von Springer-Spitzenleuten über sauberen Journalismus, über Qualität erweisen sich angesichts dieses Falles als Konfetti.”

Mehr dazu hier, hier, hier, hier und hier.

Please Stärke Lindner, “Guardian” geht – SPD kommt zurück, DW-Streik

1. Please Stärke Christian Lindner!
(uebermedien.de, Lisa Kräher)
Lisa Kräher schreibt bei “Übermedien” über die intensive mediale Unterstützung, die Christian Lindner und dessen FDP in den vergangenen Wochen von der “Bild”-Medien erfahren hätten. “Bild” habe wiederholt Partei für den Finanzminister und FDP-Chef ergriffen, vor allem durch die schlagzeilenträchtige Berichterstattung über die angebliche Ungerechtigkeit seiner Entlassung durch Bundeskanzler Olaf Scholz sowie sein neues Image als Opfer im “Ampel-Drama”. Die redaktionelle Sympathie für Lindner habe auch mit Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner und dessen einstiger Anweisung “Please Stärke die FDP” zu tun.

2. Der »Guardian« verlässt X, die SPD kehrt zurück
(spiegel.de)
Die renommierte britische Tageszeitung “Guardian” verlässt den Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. “Der US-Präsidentschaftswahlkampf hat nur noch mehr unterstrichen, was wir schon lange vermutet haben: X ist eine toxische Medienplattform und ihr Eigentümer, Elon Musk, hat ihren Einfluss genutzt, um den politischen Diskurs zu beeinflussen”, schreibe der “Guardian” in einer Erklärung. In der deutschen Politik könne man hingegen eine konträre Entwicklung beobachten. So hätten Wirtschaftsminister Robert Habeck und der SPD-Parteivorstand ihre einst stillgelegten X-Accounts kürzlich reaktiviert.
Dazu auch ein Hörtipp in eigener Sache: Bei radioeins kommentiert der “6-vor-9”-Kurator: “Wie weit darf das Reichweitenargument gehen? Aus meiner Sicht gibt man schließlich auch nicht der ‘Bild’-Zeitung Interviews, nur weil sie die größte Leserschaft hat. Reichweite um jeden Preis – das kann nicht die Lösung sein. Und bei X ist der Preis besonders hoch: Mit jeder Nachricht, jedem Beitrag auf X läuft man Gefahr, eine Plattform zu legitimieren, die demokratischen Austausch durch Hass und Hetze ersetzt. Der ‘Guardian’ hat das verstanden. Die deutsche Politik offenbar noch nicht.” (radioeins.de, Lorenz Meyer: Audio: 4:06 Minuten)

3. Drei Fragen: Zur Deutschen Welle
(verdi.de)
Nach einem Aufruf der Gewerkschaft Verdi kam es am gestrigen Mittwoch bei der Deutschen Welle zu einem ganztägigen Streik. Verdi-Sekretärin Kathlen Eggerling erklärt, worum es dabei geht, wie die Hauptforderungen aussehen, welche Auswirkungen der Streik hatte und wie die Stimmung bei den Streikenden war (“Es gibt Reden, Sprechchöre und gerade wurde auch gesungen.”). Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich zu Wort gemeldet: “Das Angebot der Geschäftsleitung ist nicht nur meilenweit vom erlittenen Reallohnverlust entfernt, sondern auch vom Abschluss im Öffentlichen Dienst, der immer Referenzwert für den Tarifabschluss des Auslandssenders war”, so der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster: “Die Bezahlung von Journalistinnen und Journalisten darf sich nicht dauerhaft von der Lohnentwicklung anderer Branchen abkoppeln. Guter Journalismus muss gut bezahlt werden.” (djv.de, Gina Schad)

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4. Doppelgänger: CORRECTIV-Recherchen legen russische Propaganda-Kampagne lahm
(correctiv.org, Max Bernhard & Alexej Hock & Sarah Thust)
Alexej Hock, Sarah Thust und Max Bernhard erläutern in eigener Sache, wie “Correctiv” und die IT-Forensik-Organisation Qurium eine russische Desinformationskampagne namens “Doppelgänger” durch ihre Recherchen weitgehend eindämmen konnten. “Doppelgänger” soll seit Jahren gefälschte Webseiten und Propaganda-Links verbreitet haben, um in westlichen Ländern die Sicht auf die Ukraine zu beeinflussen. Nach Anfragen von “Correctiv” hätten mehrere europäische Dienstleister ihre Unterstützung für die Kampagne eingestellt.

5. Mutmassliche Online-Stalker von Jolanda Spiess-Hegglin streiten vor Gericht alles ab
(tagesanzeiger.ch)
In einem Prozess vor dem Bezirksgericht Pfäffikon würden zwei mutmaßlichen Online-Stalker der ehemaligen Schweizer Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin alle Anschuldigungen der Belästigung und Diffamierung bestreiten. Trotz einer Vielzahl an Beweisen, darunter E-Mails zu pornografischen Fotomontagen und hetzerischen Kommentaren in Sozialen Medien, würden die beiden Männer eine Beteiligung leugnen. Stattdessen würfen sie der Staatsanwaltschaft Fehler vor.

6. Sportjournalismus: Nur dabei statt mittendrin
(fachjournalist.de, Michael Schaffrath & Thorsten Schulz)
“Wie nehmen Trainer*innen die Dopingberichterstattung wahr? Wie schätzen sie die Kompetenz von Sportjournalist*innen ein? Und welche Mitverantwortung schreiben die Coaches den Medienvertreter*innen beim Thema Doping zu?” Um diese und weitere Fragen ging es in einer Studie der TU München. Beim “Fachjournalist” fassen die Studienmacher ihre Ergebnisse zusammen und liefern einen Ausblick.

Verfassungsbeschwerde, Düstere Prognosen, Die Tücke mit der Lücke

1. Verfassungsbeschwerde gegen Abhören des Pressetelefons
(netzpolitik.org, Martin Schwarzbeck)
In den Jahren 2022 und 2023 hat die bayerische Polizei verschiedene Telefone der “Letzten Generation” belauscht, darunter auch das Pressetelefon. Von der Abhörmaßnahme seien mindestens 171 Journalistinnen und Journalisten betroffen gewesen. Nun haben drei Betroffene Verfassungsbeschwerde eingelegt, unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen und dem Bayerischen Journalisten-Verband (die Links führen zu den jeweiligen Pressemitteilungen der Organisationen).

2. Was passiert, wenn die Zeitung stirbt? Vier düstere Prognosen – und eine hoffnungsvolle.
(turi2.de, Anne-Nikolin Hagemann)
Anne-Nikolin Hagemann beschreibt in ihrer Prognose eine düstere Zukunft ohne Zeitungen, die sich in vier zentralen Punkten manifestiere: Das politische Interesse sinke, das Gemeinschaftsgefühl schwinde, der Populismus wachse und wichtige Kontrollmechanismen für Politik und Wirtschaft fehlten. Zudem führe der Verlust von Lokalzeitungen zu einer “Zombie-Apokalypse”, in der scheinbar lebendige Zeitungen ihre Unabhängigkeit verlören, und die Demokratie weiter geschwächt werde. Hoffnung mache jedoch das Entstehen innovativer journalistischer Projekte.

3. Hass und Hetze: Ist Social Media noch zu retten?
(ndr.de, Marlon Kumar & Julia von Buddenbrock, Video: 16:26 Minuten)
Das NDR-Medienmagazin “Zapp” hat untersucht, wie Hass und Hetze auf Social-Media-Plattformen das Leben der Betroffenen beeinflussen, sowohl online als auch offline. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Auswirkungen auf Journalistinnen und Journalisten und der Frage, wie diese Angriffe die unabhängige Berichterstattung gefährden. Expertinnen und Experten sind die Aktivistin und Autorin Katja Diehl, die Journalistin Jule Zentek und der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marc Ziegele.

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4. Die Tücke mit der Erin­ne­rungs­lücke
(lto.de, Max Kolter)
“In der SZ schilderten zwei Frauen ihre sexuellen Erlebnisse mit Till Lindemann. Das OLG Frankfurt untersagte der SZ nun in einem Fall den Verdacht zu verbreiten, der Rammstein-Sänger habe Sex ohne Zustimmung einer der Frauen gehabt.” Bei “Legal Tribune Online” erklärt Max Kolter den juristischen Hintergrund der Gerichtsentscheidung.

5. Ein Drittel weniger Aufträge durch KI
(verdi.de)
Eine eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeige, dass generative KI wie ChatGPT die Nachfrage nach automatisierungsanfälligen digitalen Freelance-Arbeiten um bis zu 30 Prozent reduziert habe, insbesondere bei Schreibtätigkeiten wie Korrekturlesen und Ghostwriting. Gleichzeitig seien die verbleibenden Aufträge komplexer und höher budgetiert.

6. Urheberrecht: Bundesgerichtshof stärkt Besitzern von Fototapeten den Rücken
(heise.de, Malte Kirchner)
Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass die Darstellung von Fototapeten in Fotos und Videos im Internet keine Urheberrechtsverletzung darstelle. Ein Fotograf habe in mehreren Fällen Schadensersatz gefordert, weil Fototapeten mit seinen Aufnahmen im Hintergrund von Online-Bildern zu sehen waren. Das Gericht habe jedoch entschieden, dass die Nutzung der Tapeten vorhersehbar und stillschweigend erlaubt war. Auch eine Namensnennung des Fotografen sei nicht erforderlich.

7. Neue Sendung: “Ronzheimer – Wie geht’s, Deutschland?”
(radioeins.de, Lorenz Meyer, Audio: 4:32 Minuten)
In eigener Sache und deshalb als siebter und zusätzlicher Link: Bei radioeins kritisiert der “6-vor-9”-Kurator die Sat.1-Sendung von “Bild”-Vize Paul Ronzheimer: “Was mir fehlt, ist die kritische Selbstreflexion. Wenn es Ronzheimer wirklich ernst wäre mit der Veränderung, dann müsste er auch die Rolle der Boulevardmedien – und damit auch seine eigene – viel intensiver und selbstkritischer hinterfragen. (…) Da Ronzheimer dies in seiner Sendung komplett versäumt, ist sie unvollständig und verfehlt ihr Ziel. Was bleibt, ist ein unangenehmer Nachgeschmack von Selbstinszenierung. Und von, ich muss es leider so sagen, oberflächlicher und scheinheiliger Effekthascherei.”

Betr.: “Anwältin des Solingen-Terroristen”

Zum Anschlag in Solingen am vergangenen Freitag, bei dem drei Menschen getötet worden sind, und ein Mann aus Syrien als Tatverdächtiger gilt, fragen die “Bild”-Medien heute:

Wie schaffte es der Solingen-Terrorist, das deutsche Asylsystem auszutricksen?

Laut “Bild” so:

[Issa al H.] umging seine Abschiebung, indem er beim ersten Termin nicht auftauchte und die sechsmonatige Frist verstreichen ließ. Danach meldete er sich wieder, bekam den Schutzstatus und durfte bleiben.

(Das ist eine recht kurze Zusammenfassung des Geschehens. Ausführlicher kann man das beispielsweise hier oder hier nachlesen.)

Die nächste Frage der “Bild”-Medien:

Woher wusste er, dass das funktioniert?

Da hat die Redaktion eine mögliche “Beraterin” ausfindig gemacht, “eine Rechtsanwältin, die auf Abschiebe-Verhinderung spezialisiert” sei:

Nach BILD-Informationen vermuten Behörden, dass sie [al H.] erklärte, wie er die Abschiebung abwenden und wann er wieder risikofrei mit staatlichen Stellen in Kontakt treten konnte.

“Bild” schreibt recht ausführlich über die Rezensionen, die die Anwältin von früheren Mandanten bekommen haben soll, über den von der Kanzlei betriebenen Instagram-Account und lässt einen anonymen “Branchenkollegen” den “Internet-Auftritt der Anwältin” “analysieren”; irgendetwas Illegales, was die Frau gemacht haben soll, speziell im Zusammenhang mit der möglicherweise stattgefundenen Beratung für Issa al H., kann die “Bild”-Redaktion hingegen nicht nennen. Im Gegenteil. Sie schreibt:

Was fragwürdig klingt, ist Alltag in Deutschland. So wie Steuerberater versuchen, mithilfe von Schlupflöchern Steuern zu sparen, suchen Asylanwälte nach Lücken im Asylsystem. Die Anwältin von [al H.] ist eine von Tausenden.

Die Frau scheint einfach ihren Job als Anwältin gemacht zu haben. Und der besteht nun mal unter anderem darin, für die eigenen Mandantinnen und Mandanten das beste Ergebnis herauszuholen, das die Gesetzeslage bietet. Nichts Verbotenes. Dennoch präsentiert “Bild” sie heute wie sonst Schwerverbrecher:

Ausriss Bild-Zeitung - Die Anwältin des Solingen-Terroristen

Die großflächige Unkenntlichmachung stammt von uns. In “Bild” ist ein riesiges Foto der Frau zu sehen, die “Bild”-Redaktion hat ihr Gesicht verpixelt. Genauso auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Half sie dem Solingen-Terroristen, seiner Abschiebung zu entgehen? Migranten feiern Asyl-Anwältin: Empfehle sie jedem

Dass “Bild” die Frau als “Asyl-Anwältin des Solingen-Terroristen” präsentiert, ist bestenfalls fahrlässig formuliert und schlimmstenfalls eine böswillige Verzerrung der Tatsachen: Den Schutzstatus hat Issa al H. Ende 2023 bekommen, also mehrere Monate vor dem Anschlag in Solingen. Er soll zuvor nie als Straftäter aufgefallen sein. Die Frau ist also nicht “die Anwältin des Solingen-Terroristen”, sondern die Anwältin des Mannes, der später wohl als “Solingen-Terrorist” drei Menschen getötet hat. Trotzdem macht die “Bild”-Redaktion sie sprachlich schon fast zu einer Art Komplizin, wenn sie schreibt, “dass diese Anwältin dem Solingen-Terroristen erklärte, wie er die Abschiebung abwenden” konnte.

In derart aufgeladenen Zeiten, in denen schon für Kleinigkeiten Hass und Hetze und Drohungen über Menschen ausgegossen, sie teils tätlich angegriffen werden, ist das unverantwortlich.

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KW 34/24: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Warum lieben Russlands Medien Sahra Wagenknecht?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 15:24 Minuten)
Bei “Holger ruft an” spricht Holger Klein mit der Journalistin Yelizaveta Landenberger über die Frage, warum Sahra Wagenknecht so häufig in russischen Staatsmedien zitiert wird. Landenberger erklärt, dass Wagenknechts kritische Haltung gegenüber der NATO und dem Westen gut zur russischen Propaganda passe, die gern dieses Narrativ unterstütze. Darüber hinaus besprechen Klein und Landenberger, inwiefern auch deutsche Medien zu Wagenknechts Popularität in Russland beitragen und ob es noch andere deutsche Politiker oder Politikerinnen gibt, die in russischen Medien positiv dargestellt werden.

2. Was war, was ist, was wird sein? Nachrichtenjournalismus im Wandel
(ardaudiothek.de, Thomas Bimesdörfer & Michael Meyer, Audio: 16:58 Minuten)
Thomas Bimesdörfer und Michael Meyer haben sich mit dem langjährigen Chefredakteur und Hauptmoderator von “RTL Aktuell”, Peter Kloeppel, über dessen lange Karriere und die Entwicklungen im aktuellen Journalismus unterhalten. Anlass ist Kloeppels Schritt in den Ruhestand nach über 40 Berufsjahren.

3. Deepfakes und KI-generierte Desinformation: Wie Faktenchecker Lügen entlarven
(br.de, BR24 Medien, Jonathan Schulenburg, Audio: 27:50 Minuten)
In der aktuellen Folge von “BR24 Medien” geht es um KI-generierte Desinformation und Deepfakes und die Frage, wie man ihnen auf die Schliche kommen kann. Als Experten dabei sind Max Gilbert vom “BR24 Faktenfuchs”, dem Faktencheck-Team des Bayerischen Rundfunks, Josef Holnburger vom gemeinnützigen Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) und Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

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4. Hass im Netz: Wenn Engagierte zur Zielscheibe werden
(mdr.de, Esther Stephan, Audio: 40:21 Minuten)
“Wie beeinflussen Online-Bedrohungen die Leben der Betroffenen und welche realen Konsequenzen hat die Hetze? Warum schicken Täter Hassbotschaften, und welche Verantwortung tragen soziale Plattformen?” Unter anderem über diese Fragen hat sich Knud Vetten mit Tätern und Opfern von Hass im Internet unterhalten. Entstanden ist daraus die Reportage “Engagierte Menschen als Zielscheibe” (Video: 30:37 Minuten). Über die Recherche dazu spricht nun Esther Stephan mit Knud Vetten im MDR-Podcast “Hinter der Recherche”.

5. Wirbel um “Übergangskoalition” und starke Gaming-Community
(wdr.de, Esther Stephan, Audio: 44:42 Minuten)
Im WDR5-Medienmagazin “Töne, Texte, Bilder” werden, wie gewohnt, mehrere Themen behandelt: Zunächst geht es um die politische Debatte rund um die “Übergangskoalition” und den Umgang der Medien damit. Anschließend wird ein Blick auf die Gamescom in Köln als Treffpunkt der Gaming-Community und die Förderung von Nachwuchs-Creatoren geworfen. Weitere Themen sind eine FPÖ-Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen ORF in Österreich, die Geschichte der TV-Serie “Die Fußbroichs” und eine “Medienschelte” über unnötige Themen in seriösen Medien.

6. “Wie schützen wir unsere Kinder in den sozialen Medien?”
(youtube.com, Ulf Schweckendiek, Audio: 1:29:12 Stunden)
Eine Veranstaltung der “Digitalen Woche Kiel” beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Social Media auf die Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation von Kindern und Jugendlichen. Nach einem Impulsvortrag der Schulleiterin und Digitalbotschafterin Silke Müller sprechen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion darüber, wie Plattformen wie TikTok sowohl unterhaltsame als auch potenziell schädliche Inhalte verbreiten und welche Folgen dies für die Psyche und die sozialen Beziehungen junger Menschen hat.

Zugang zur AfD-Wahlveranstaltung, “Erkennbar Satire”, Reformwille

1. AfD muss Medienvertreter zur Wahlparty nach Thüringen-Wahl zulassen
(deutschlandfunk.de)
Nachdem die AfD Thüringen Journalistinnen und Journalisten bestimmter Medien den Zutritt zu einer Wahlveranstaltung verwehren wollte, und die betroffenen Medienhäuser juristische Schritte dagegen angekündigt hatten (siehe die “6 vor 9” von gestern), habe nun das Landgericht Erfurt entschieden: Die AfD müsse allen Medien denselben Zugang zu ihrer Wahlparty gewähren. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig, die AfD könne Widerspruch beim Thüringer Oberlandesgericht einlegen.
Weiterer Lesetipp mit AfD-Bezug: “Correctiv” berichtet, dass ein verurteilter Volksverhetzer, der unter dem Pseudonym “Shlomo Finkelstein” bekannt sei, maßgeblich an einer Tiktok-Kampagne zur Unterstützung der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen beteiligt gewesen sein soll. Die sogenannte “Tiktok-Guerilla” habe mit manipulativen Taktiken Inhalte der Partei viral verbreitet. Obwohl die AfD offiziell eine Zusammenarbeit bestreite, gebe es enge Verbindungen zu rechtsextremen Akteuren (correctiv.org, Gabriele Scherndl & Kimberly Nicolaus).

2. “Erkennbar Satire”
(faz.net)
Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte den MDR zur Ausstrahlung eines umstrittenen Wahlwerbespots der Satirepartei Die Partei verpflichtet. Der öffentlich-rechtliche Sender hatte sich daraufhin an das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen gewandt. Das OVG hat nun endgültig, da unanfechtbar entschieden: Der MDR muss den zuvor abgelehnten Wahlwerbespot von Die Partei ausstrahlen.

3. NiUS darf trans Frau nicht “Mann” nennen
(lto.de, Max Kolter)
“Eine trans Frau darf nicht im Frauenfitnessstudio trainieren, berichtete im Mai das Nachrichtenportal NiUS – und bezeichnete sie dabei als Mann. Dagegen wehrt sie sich nun erfolgreich vor Gericht. Für NiUS-Chef Julian Reichelt ein Déjà-vu.” Bei “Legal Tribune Online” fasst Max Kolter den Fall zusammen und geht insbesondere auf die juristischen Aspekte ein.

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4. Medienvielfalt in Sachsen schrumpft
(verdi.de, David Bieber)
Die Medienvielfalt in Sachsen werde durch die Einsparungen bei der “Sächsischen Zeitung” stark eingeschränkt, erklärt David Bieber im Medienmagazin “M” der Gewerkschaft Verdi. Die Zeitung werde ihre Eigenständigkeit weitgehend verlieren und enger mit der “Leipziger Volkszeitung” zusammenarbeiten, was eine Reduzierung der Lokalredaktionen zur Folge habe. Diese Entwicklung könnte negative Auswirkungen auf den Lokaljournalismus und die politische Meinungsbildung in Sachsen haben, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl.

5. Wie weit geht der Reformwille der Medienpolitik?
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Unter Berufung auf eine Artikel in der “FAZ” berichtet “DWDL”, dass der Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinter den Erwartungen des Zukunftsrates zurückbleiben könnte, insbesondere was die Reform der ARD-Organisation betrifft. Statt einer zentralen Einheit werde weiterhin auf das “Federführungsprinzip” und eine rotierende ARD-Vorsitzenden-Struktur gesetzt.

6. Staatsferne muss bleiben
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) betont, dass die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in Zukunft voll gewährleistet bleiben müsse, und äußert Bedenken gegen einen geplanten Medienrat, in den die Landesregierungen Mitglieder entsenden könnten. Der DJV kritisiert zudem, dass eine Reduzierung der Berichterstattung über sportliche Großereignisse die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags gefährden könnte. Darüber hinaus fordert der DJV, Journalistinnen und Journalisten frühzeitig in die Diskussion über den Rundfunkänderungsstaatsvertrag einzubeziehen.

Internes Papier, Böhmermann unterliegt, Ikonisches Attentats-Foto

1. So begründet das BMI das Compact-Verbot
(lto.de, Felix W. Zimmermann & Markus Sehl & Max Kolter)
Das Bundesinnenministerium (BMI) habe das rechtsextreme Magazin “Compact” verboten, weil es als Sprachrohr für verfassungsfeindliche Ziele fungiere. “Legal Tribune Online” liege ein 79-seitiges internes Papier des Ministeriums vor, das detailliert begründe, wie “Compact” aus Sicht des BMI die verfassungsmäßige Ordnung ablehnt und rassistische sowie antisemitische Inhalte verbreitet. Trotz Diskussionen um die Pressefreiheit sehe das Innenministerium in dem Verbot keinen Widerspruch, da hier die Meinungsfreiheit missbraucht werde.

2. Verfassungsschutz darf Zeitung “Junge Welt” erwähnen
(zeit.de)
Das Berliner Verwaltungsgericht habe entschieden, dass der Verfassungsschutz die Zeitung “Junge Welt” in seinen Berichten erwähnen darf, weil sie eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Verständnis anstrebe. Die Zeitung sehe im Handeln des Verfassungsschutzes einen Eingriff in ihre Pressefreiheit. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig, die “Junge Welt” habe bereits Rechtsmittel angekündigt und wolle notfalls bis nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Weiterer Lesehinweis mit juristischen Details: Die “Junge Welt” darf wei­terhin vom Ver­fas­sungs­schutz erwähnt werden (lto.de, Maryam Kamil Abdulsalam).

3. Ein Jackpot, aber für wen?
(taz.de, Jörg Colberg)
Der Fotograf und Autor Jörg Colberg kommentiert das ikonische Foto, das nach dem Attentat auf Donald Trump entstanden ist: Trump inmitten von Sicherheitsbeamten mit erhobener Faust und US-Flagge hinter sich. Das Foto vermittle ein Bild der Stärke, wohingegen Live-Aufnahmen ein großes Chaos zeigen würden. Dieses Beispiel mache deutlich, wie die Fotografie komplexe Ereignisse vereinfache und dabei wichtige Aspekte ausklammere.

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4. So viel Hass wie nie: 40 Anzeigen wegen “GNTM”-Hetze
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie Timo Niemeier bei “DWDL” berichtet, wurde die vergangene Staffel von “Germany’s Next Topmodel” von einer Rekordzahl an Hasskommentaren im Internet begleitet. ProSieben musste 40.000 problematische Kommentare löschen und habe 40 davon bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, da sie zum Teil strafrechtlich relevant waren. Diese Entwicklung verdeutliche das Ausmaß von Hass im Internet und die Bedeutung der Moderation von Social-Media-Kanälen.

5. Filmschaffende kriegen künftig mehr
(verdi.de)
Wie beim Gewerkschaftsmagazin “M” zu lesen ist, haben die Filmschaffenden nach langen Tarifverhandlungen deutliche Verbesserungen erreicht, darunter eine monatliche Vier-Tage-Woche, kürzere Tagesarbeitszeiten und eine verbesserte Altersvorsorge. Ab Januar 2025 gelten neue Arbeitszeit- und Überstundenregelungen sowie Gagenerhöhungen von jeweils 2,5 Prozent in den Jahren 2025 und 2026. Ein Ergebnis zu tariflichen Regelungen für den Einsatz von generativer KI bei Filmproduktionen stehe noch aus.

6. Jan Böhmermann unterliegt vor Gericht erneut bei Streit um Honig-Werbung
(spiegel.de)
Jan Böhmermann hat im Rechtsstreit um eine Honigwerbung, in der der Imker Rico Heinzig Böhmermanns Konterfei satirisch verwendete, erneut verloren. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden habe die Berufung in einem Eilverfahren des Moderators gegen ein Urteil des Landgerichts Dresden vom Februar zurückgewiesen. Das Landgericht hatte damals entschieden, dass die Verwendung von Böhmermanns Bild und Namen durch Heinzig eine zulässige satirische Auseinandersetzung darstelle. Gegen die Entscheidung des OLG sei ein Rechtsmittel nicht mehr möglich, Böhmermann könne jedoch ein Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Dresden anstrengen.

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