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Allgemein  

“Bild” klaut Bild

Wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert, versucht “Bild” für gewöhnlich irgendwie an Fotos von Beteiligten zu gelangen. Dabei ist “Bild” offenbar jedes Mittel recht.

Am 2. Januar passierte etwas Schlimmes im Landkreis Böblingen. Ein Mann erschlug seine Mutter. Darüber berichtete “Bild” am 3. Januar. “Bild” war auch an ein Foto des Mannes, der als Künstler arbeitet, gelangt und druckte es in der Stuttgarter Ausgabe sehr groß und in der bundesweiten Ausgabe etwas kleiner ab. Am 4. Januar fand sich das gleiche Foto noch einmal groß zumindest in der Stuttgarter Ausgabe.

“Bild” hat das Foto wahrscheinlich aus dem Internet und hätte es nicht abdrucken dürfen. Es wurde nämlich von einem freien Fotografen für die Baden-Württembergische Lokalzeitung “Gäubote” anlässlich einer Ausstellungseröffnung aufgenommen. Und beim “Gäuboten” teilt man uns mit:

Weder die “Gäubote”-Redaktion, noch der Fotograf haben dafür das Einverständnis gegeben — davon abgesehen, dass es nicht einmal den Versuch der “Bild” gab, das Einverständnis überhaupt einzuholen.

Warum “Bild” nicht versucht hat, das Einverständnis einzuholen, wissen wir nicht. Daran, dass sie nicht wusste, woher das Foto stammt, kann es jedenfalls nicht gelegen haben. In der Stuttgarter “Bild”-Ausgabe vom 3. Januar gibt es nämlich einen korrekten Fotonachweis (siehe Ausriss), der allerdings in der Bundesausgabe fehlt.

Wer weiß, vielleicht ahnte man bei “Bild”, wie man beim “Gäuboten” reagieren würde. Vergangenen Montag erschien jedenfalls unter der Überschrift “Ungefragt und gegen unseren Willen” im “Gäuboten” ein Kommentar zum Thema. Darin heißt es:

Ohne unser Wissen und erst recht ohne unsere Billigung hat “Bild” in der vergangenen Woche ein “Gäubote”-Foto von dem Täter, das ihn vor einem Nackt-Gemälde zeigt und im Dezember von unserem Fotografen Gabriel Holom aufgenommen wurde, großformatig abgedruckt und auch im Internet verwendet. Der Foto-Vermerk “Gäubote/Holom” unter diesem Bild legt den Schluss nahe, Fotograf und “Gäubote” hätten dieses Bild aus freien Stücken und womöglich noch gegen Geld der “Bildzeitung” zur Verfügung gestellt. Genau das aber ist nicht Fall. Weder Fotograf noch “Gäubote”-Redaktion sind um Erlaubnis gefragt worden. Wären wir gefragt worden, so hätten wir aus Gründen unseres Selbstverständnisses nicht zugestimmt. Vielmehr hat die “Bildzeitung” — trotz des urheberrechtlichen Schutzes – dieses Bild eigenmächtig aus dem “Gäubote”-Internetarchiv beschafft. Ein klassischer Raubdruck. Komplize einer solch’ billigen Darstellung wollen wir nicht sein. Gegen Verantwortliche der “Bildzeitung” sind deshalb rechtliche Schritte eingeleitet worden.

Außerdem will der Fotograf seine urheberrechtlichen Ansprüche geltend machen, wie man uns beim “Gäuboten” sagt. Und der “Gäubote” hat beim Presserat eine Beschwerde gegen “Bild” eingereicht, in der es u.a. heißt:

“Mit dem Foto-Vermerk in der Bildzeitung ‘Gäubote/Holom’ wird außerdem indirekt eine Unterstützung und Billigung der vorliegenden Bild-Veröffentlichung durch uns suggeriert, die den ‘Gäubote’ als seriöse lokale Tageszeitung in ihrem Ruf schädigt. Wir selbst haben aus ethischen Gründen auf die Veröffentlichung des Fotos (Aktbild mit [dem Künstler]) verzichtet, da uns diese Darstellung im Kontext der Bluttat als unangemessen und billige Effekthascherei erschienen ist.”

  

Ein Geschenk für “Bild”

Es ist guter Brauch, in der Weihnachtszeit auch die Bedürftigen nicht zu vergessen. Menschen zu unterstützen, denen oft das Nötigste fehlt. Deshalb wollen wir “Bild” heute etwas schenken.

Es gibt dafür auch einen aktuellen Anlass: Am vergangenen Samstag berichtete “Bild” zum wiederholten Mal über einen Mann, dem die Staatsanwaltschaft offenbar “einen besonders schweren Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz” vorwirft, durch den möglicherweise sechs Menschen zu Tode kamen.

“Bild” illustrierte den Bericht mit zwei Fotos des Angeklagten:

  • Eines zeigt ihn im Gerichtssaal — und “Bild” hat sein Gesicht durch Verpixelung anonymisiert.
  • Ein zweites, direkt daneben, zeigt ihn mit zwei “schönen Frauen”, deren Gesichter “Bild” verpixelt hat. Das Gesicht des Beschuldigten hingegen ist auf diesem Foto von “Bild” in keiner Weise anonymisiert worden.

Schlimm.

Eigentlich kann es dafür nur eine Erklärung geben: Trotz einer ohnehin strengen Spar- und Rationierungspolitik

…gehen “Bild” zum Jahresende die Verpixelungen aus!!

Und weil wir beim Aufräumen des BILDblog-Büros entdeckten, dass wir noch ein paar Unkenntlichmachungen übrig haben, woll’n wir mal nicht so sein — und verschenken sie an “Bild”!

Einfach ausschneiden und aufkleben!
(Passend für jede Gelegenheit.)

“taz” verhöhnt deutsche Chefredakteure

Woher kommt bloß dieser Haß?

Die “taz” verhöhnt Deutschlands bekannteste Journalisten, druckt eine intime Fotomontage von Helmut Markwort und Kai Diekmann. Angeblich aufgenommen von “taz-Leserreportern”!

Es sind Fotomontagen aus dem Privatbereich, die kein Mensch von sich in der Zeitung sehen möchte. Sie zeigen das Paar Markwort/Diekmann “beim Nackt-Boulen am Strand”.

Dazu brachte die “taz” heute auf Seite 1 prominent in der Mitte die hämische Schlagzeile “Mehr als nur Kollegen?”. Das deutsche Wort “Kollege” bedeutet laut Duden “jmd., der mit anderen zusammen im gleichen Beruf tätig ist”.

Diekmann wird in der Überschrift als “BILD-hübsch” bezeichnet. Er assistiere Markwort mit einer TitelGeschichte, lasse sogar Gaga-Kolumnist Franz Josef Wagner von der Leine.

Der Artikel beginnt mit dem spöttischen Satz: “Wie ‘Focus’ und ‘Bild’ mit nichtpublizierten FKK-Fotos von EU-Kommissar Günter Verheugen Politik zu machen versuchen”. Darüber die zweideutige Überschrift “Nackten, Nackten, Nackten”. Das heißt eigentlich soviel wie “unbekleidet” — könnte aber auf den “Focus”-Werbespruch anspielen: “Fakten, Fakten, Fakten”.

Und wenn Ihnen dieser kursiv gesetzte Text jetzt irgendwie bekannt vorkommt: Keine Sorge, uns auch!

neu  

“Bild” gerügt, gerügt, gerügt und gerügt

Schüler (12) prügelt Lehrerin in Klinik

So sah die “Bild”-Zeitung am 30. Mai dieses Jahres aus. Verpixelt war im Original nur das Gesicht der Lehrerin — nicht das des zwölfjährigen Schülers. Auf Seite 3 der Ausgabe Berlin-Brandenburg berichtete “Bild” auf fast einer ganzen Seite und zeigte den 12-jährigen Jungen erneut ohne irgendeine Unkenntlichmachung auf einem rund 20 Zentimeter hohen Foto. Auch am folgenden Tag zeigte “Bild” ein weiteres großes Foto des Jungen.

Für diese Berichterstattung wurde “Bild” nun vom Presserat gerügt. Es habe “kein öffentliches Interesse” gegeben, “das die Identifizierbarkeit der Personen gerechtfertigt hätte”. “Bild” verstieß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex, wonach die Presse “das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen” achten soll. In Richtlinie 8.1 heißt es:

Die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern und Tätern in der Berichterstattung über (…) Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (…) sind in der Regel nicht gerechtfertigt.

Der Presserat verurteilte auch diesen “Bild”-Artikel vom 17. Mai 2006 über eine Familientragödie in Erftstadt:

Landarzt erschießt seine Familie

“Bild” zeigte große Fotos von dem Vater sowie seiner Frau und ihrem gemeinsamen zehnjährigen Sohn, die er erschossen haben soll — nach dem Urteil des Presserates zu unrecht. “Bild” hatte nur das Gesicht des überlebenden jüngeren Sohnes verpixelt.

Gerügt wurde die “Bild”-Zeitung außerdem dafür, dass sie das Foto einer Frau veröffentlichte, die verdächtigt wurde, ihr neugeborenes Kind erstickt zu haben.

Schließlich berichtete “Bild” im Sommer detailliert über den Selbstmord einer Mutter, die zuvor offenbar ihr Kind getötet hatte. Die Richtlinie 8.5 des Pressekodex lautet:

Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände.

Diese Regel hat einen sehr konkreten Hintergrund: Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass ausführliche Berichte in den Medien über Selbstmorde dazu führen, dass mehr Menschen Selbstmord begehen.

“Bild” berichtet dennoch immer wieder detailliert, identifizierbar und unter Schilderung der konkreten Begleitumstände über Selbstmorde, wird dafür immer wieder gerügt und ist von diesen Rügen offenbar nachhaltig unbeeindruckt.

Im konkreten Fall zeigte “Bild” nicht nur ein großes, unverpixeltes Foto der Mutter, die sich das Leben nahm, und des Hauses, von dem sie in den Tod sprang, inklusive eines kleinen roten Pfeils, der ihren Sturz symbolisierte. “Bild”-Autor Moritz Stranghöner spekulierte auch ausführlich für das Motiv ihres Suizids, schilderte die Lebensumstände der Frau und erzählte minutiös den Ablauf des Dramas nach.

Der Presserat sprach eine öffentliche Rüge aus.

Bei Bild.de ist der gerügte Artikel unverändert online. Bereits in einem früheren Fall hat die “Bild”-Zeitung uns gegenüber deutlich gemacht, dass eine Rüge für sie kein zwingender Grund ist, einen Artikel aus dem Angebot von Bild.de zu entfernen oder zu ändern.

PS: In den ersten drei Fällen muss “Bild” die Rügen nicht veröffentlichen. Dies sei “im Sinne der Betroffenen”, erklärte der Presserat. “Nicht-öffentliche Rügen” werden angeblich ausgesprochen, um die Opfer zu schützen. Inwieweit es ihr Leben erschütterte, wenn die “Bild”-Zeitung in, sagen wir: ein oder zwei Jahren einen einzigen kryptischen Satz über die Rüge auf einer hinteren Seite versteckt, weiß wohl nur der Presserat.

Blog-, Presse- und Leserstimmen (2)

…zur BILDblog-Aktion “BILD-Chef-Reporter”:

“Dieckmann sollte daher lieber in Zukunft aufpassen, wenn seine Blase drückt, keine Toilette in der Nähe ist und er den Ernst-August machen muss. Sonst macht es plötzlich Klick. Und wir erfahren dann womöglich die volle Wahrheit.”
Telepolis

“Kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich BILDblog um der lieben PR willen genau auf das Niveau herabbegibt, das es sonst so leidenschaftlich anprangert.”
marco kitzmann

“…es ist fraglich, ob sich das BILDkritische Weblog … mit der Aktion einen Gefallen tut.”
Blogpiloten.de

“Eine klasse Aktion.”
RT Zapper

“Der oberste Herr der ‘Bild-Leser-Reporter’ wird … so beliebt wie nie zuvor. Zumindest als Fotomotiv.”
Augs.Blog

“[BILDblog] dreht damit den Spieß ‘BILD-Leser-Reporter’ exzellent um! Chapeau!”
Basic Thinking

“Hier überhöht sich moralisch mal wieder eine Internetseite, weil sie meint zur Guten Seite zu gehören.”
Nuke News

“Da kann ich mitmachen, ohne mich wirklich anzustrengen; so oft steht der nicht bei uns beim Bäcker.”
Tageslicht

“Es ist … schlichtweg pervers, wenn die Kritiker in BILD-Manier handeln und die eigene Glaubwürdigkeit derart aufs Spiel setzen.”
lanu

“… ein absolutes Armutszeugnis für die Grimme-Preisträger und eine dunkle Stunde für die Bloggerei.”
BooCompany

“ich bitte um veröffentlichung der bilder ohne jegliche unkenntlichmachung, aber unbedingt mit menschenverachtenden bildunterschriften und superdummen kesslertextchen.”
Bittersweetchoc

“Herrlich! Bitte lasst diese Kampagne erfolgreich werden.”
d-blog

“[Herr Diekmann] freut sich bestimmt auch, wenn man so sieht was er in der Freizeit privat macht. Er freut sich ja auch, wenn die Leser zeigen, was der Herr Jauch so macht oder die Frau Merkel oder sonstwer.”
Kiri’s Blog

“Interessant könnte es werden, sollte Diekmann zur Wahrung der eigenen Persönlichkeitsrechte vor Gericht ziehen: er würde argumentativ den übelriechenden Sumpf seines ‘journalistischen’ Treibens selbst trockenlegen müssen.”
basquiat

“Also Leute, manchmal muss man über seinen Schatten springen und indiskret sein. Wenn Ihr ihn sehen solltet, auf den Auslöser drücken!”
Hannaxels Blog

“Da wird der Jäger zum Gejagten – ob ihm das wohl Spass macht?”
Gossip Blog

“… scheint mir das jetzt gestartete ‘Experiment’ keinen Deut besser zu sein als die unsägliche Aktion des Springer-Blatts.”
hinrinde.de

“Das BILDblog ist auf dem Niveau der BILD angekommen — herzlichen Glückwunsch.”
f!xmbr

“Das unterstütz ich!”
Christians Ecke

Schleichwerbung für BILDblog

Unser Leser Dominik J. hatte angesichts der aktuellen Leser-Reporter-Schwemme und gewisser Defizite der “Bild”-Redaktion bei der Anonymisierung von Personen eine praktische Idee:

Der BILDblog-Balken — die Unkenntlichmachung für unterwegs. Schützt zuverlässig vor versehentlicher Identifizierung durch übereifrige “Bild”-(Leser-)Reporter.

(Nein, nicht im BILDblog-Shop erhältlich.)

Nachtrag, 1.10.2006: Mit Dank an Alexander S. gibt es den “BILDblog-Balken” jetzt immerhin zum Ausdrucken und Selberbasteln.

Wie “Bild” die Interessen der Opfer wahrt

Am 29. Dezember 2004 machte die “Bild”-Zeitung groß auf mit den verwundeten Gesichtern der zehnjährigen Sophia und des neunjährigen Kevin, deren Eltern nach dem Tsunami in Thailand verschollen waren. “Bild” fragte:

Mama, Papa, wo seid ihr?

Im Inneren zeigte “Bild” weitere Kindergesichter, fotografiert von Till Budde, darunter das eines 13-jährigen Mädchens, das verletzt in einem Krankenhaus schläft.

BILD war im Vachiar-Hospital von Phuket. Auf der Station der traurigen deutschen Kinder.

Unter anderem von der 13-jährigen ließ sich “Bild”-Reporter Julian Reichelt schildern, wie sie das Unglück erlebt hatte, wie sie um ihr Leben kämpfte, wie sie von ihren Eltern getrennt wurde, die seitdem vermisst wurden. Er schrieb alles ausführlich auf.

“Bild” hat mit dieser Berichterstattung damals massiv gegen den Pressekodex verstoßen. Der Presserat urteilte nach einer Beschwerde des Onkels des Mädchens:

In Richtlinie 4.2 ist festgehalten, dass bei der Recherche gegenüber schutzbedürftigen Personen besondere Zurückhaltung geboten ist. Explizit genannt werden (…) u.a. Menschen, die sich nicht im Vollbesitz ihrer geistigen oder körperlichen Kräfte befinden oder einer seelischen Extremsituation ausgesetzt sind, sowie Kinder und Jugendliche. Jedes dieser Merkmale trifft auf das betroffene 13-jährige Mädchen zu. Das Foto wurde zudem unstreitig ohne die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten gemacht. (…)

Die Zeitung untermauert die rechtmäßige Beschaffung ihrer Informationen damit, dass der Redakteur mit der 13-Jährigen und mit anderen Kindern gesprochen habe. Alle seien froh gewesen, sich in ihrer Heimatsprache mitteilen zu könne. Diese Schilderung bestärkt die Kammer in der Überzeugung, dass die Kinder und insbesondere die 13-Jährige hier durch die Extremsituation überfordert waren. Dies spricht ebenfalls dafür, dass die besondere Situation der Kinder zur Beschaffung von Informationen ausgenutzt worden ist. (…)

In beiden Veröffentlichungen werden die Persönlichkeitsrechte des 13-jährigen Mädchens verletzt. Es wird jeweils ohne jegliche Unkenntlichmachung und mit voller Nennung seines Vornamens abgebildet. Es wird — verletzt, schlafend und dadurch besonders wehrlos — für einen breiten Leserkreis erkennbar. Diese Abbildung widerspricht nicht nur dem Grundsatz von Richtlinie 8.1, wonach die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern in der Berichterstattung über Unglücksfälle in der Regel nicht gerechtfertigt ist. Auch der in Richtlinie 8.2 geforderte Schutz von Orten der privaten Niederlassung, wie z.B. Krankenhäusern, wird durch diese Veröffentlichung nicht beachtet.

Die Beschwerdekammer sprach “Bild” eine Missbilligung aus.

Das war praktisch für “Bild”, denn eine Missbilligung ist für die Zeitung folgenlos. Insbesondere werden Missbilligungen — anders als Rügen — vom Presserat nicht veröffentlicht. Sie erscheinen nur (im Fall der 13-Jährigen jetzt, also mit eineinhalbjähriger Verspätung) in dessen “Jahrbuch”, allerdings ohne Angabe der jeweiligen Zeitung. Wer nicht weiß, dass die Geschichte der “traurigen deutschen Kinder” von Phuket in “Bild” stand, kann die Missbilligung nicht der Zeitung zuordnen.

Kenner könnten es allenfalls schließen aus der unbeirrten Art, in der die Rechtsabteilung der Axel Springer AG die Berichterstattung von “Bild” gegenüber dem Presserat zu rechtfertigen suchte. Im konkreten Fall gab sie an, “Bild” habe “im allgemeinen Informationsinteresse” gehandelt und den Behörden beim Versuch der Familienzusammenführung geholfen. (Der Presserat stellte dagegen fest, dass “keines der Bilder etwa mit einem Suchaufruf oder ähnlichem verbunden wurde”.)

Das Springer-Justiziariat erklärte weiter:

Dass die Zeitung in diesem Rahmen die berechtigten Interessen der Opfer gewahrt habe, zeige sich u.a. darin, dass auf den Abdruck von Anzeigen neben den Berichten von der Flutkatastrophe verzichtet worden sei, um die menschliche Dimension dieses Ereignisses nicht durch banale Werbetexte zu relativieren.

Auf den Abdruck von Anzeigen “verzichtet”? Der Artikel mit dem Foto, um das es in der Beschwerde ging, erschien auf Seite 2 der “Bild”-Zeitung. Die zweite Seite der “Bild”-Zeitung ist grundsätzlich werbefrei. Jeden Tag.

Und die Bilder der neunjährigen Sophia und des zehnjährigen Kevin standen am selben Tag auf Seite 1 in “Bild”. Unmittelbar links davon war eine Anzeige für Schmerztabletten von “Neuralgin” (“Äußerst günstig!”). Rechts unten auf derselben Seite warb die Firma Quelle für eine Espresso-Maschine im neuen Quelle-Katalog.

Unsere Übersicht über die Presserats-Rügen für “Bild” enthält jetzt auch das Jahr 2005.

  

Presseratsrügen für “Bild” 2005

“Bild” berichtet unangemessen sensationell über Unfall
Verstoß gegen Ziffern 8 und 11 (BK2-66/05)

Ein Arzt-Ehepaar verunglückt mit dem Auto in Spanien, der Mann wird schwer verletzt, seine Frau getötet. Die “Bild”-Zeitung zeigt Fotos der beiden, die sie aus dem Internetauftritt der gemeinsamen Praxis hat – ohne dafür eine Zustimmung eingeholt zu haben. “Bild” nennt auch Namen und Heimatort des Paares – obwohl die Familie ausdrücklich darum geben hatte, es nicht zu tun. Die Angehörigen halten die Aufmachung für reißerisch, pietätlos und schockierend.

Die Rechtsabteilung von Axel Springer erwidert, an dem Umglück und seinen Opfern habe ein “zeitgeschichtliches Interesse” bestanden, da die Verunglückten auf dem Weg zu einer spektakulären Rallye und in ihrem Heimatort als Rennfahrer bekannt gewesen seien.

Der Presserat widerspricht: Es habe kein öffentliches Interesse gegeben, hinter dem das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen zurücktreten müsse. Außerdem sei die Darstellung von “Bild” “unangemessen sensationell” gewesen. Einen Verstoß gegen Ziffer 4, die “unlautere Methoden” bei der Beschaffung z.B. von Fotos untersagt, sieht der Presserat allerdings nicht: Die Fotos hätten zwar nicht veröffentlicht werden dürfen. Der “Schwerpunkt der Unlauterkeit” habe aber nicht in der Beschaffung, sondern in der Verwendung der Bilder bestanden. (Nicht-öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” schädigt Ruf eines Ehemannes
Verstoß gegen Ziffer 8 (BK2-67/05)

Unter der Überschrift “Hartz IV macht ihr das Leben zur Hölle” berichtet “Bild” aus der Sicht der Ehefrau darüber, wie sie aus finanziellen Gründen trotz zerrütteter Ehe weiter mit ihrem Mann unter einem Dach wohnen muss. “Bild” nennt den Wohnort und die vollen Namen aller Beteiligten, inklusive des 15-jährigen Sohnes. “Bild” zeigt auch ein Foto des Jungen und ein Hochzeitsfoto, auf dem der Ehemann klar zu erkennen ist. Der Ehemann beanstandet diese Veröffentlichungen, denen er nicht zugestimmt habe. Einige Angaben seien zudem falsch. Insgesamt sei der Artikel für ihn sehr rufschädigend.

Die Rechtsabteilung von Axel Springer erklärt, gerade die Personifizierung dieses Erfahrungsberichts mache das politische Modell von Hartz IV in seinen vielschichtigen Auswirkungen bekannt und damit auch überprüfbar. Die Pressefreiheit habe Vorrang gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Ehemannes. Die Frau habe das Recht, ihr Schicksal gerade unter Nennung ihres Namens zu schildern: Dass damit auch der Mann identifizierbar werde, habe er infolge der Güter- und Interessenabwägung hinzunehmen.

Der Presserat urteilt, dass die Berichterstattung ohne die Einwilligung des Mannes unzulässig war. Dass es der Zeitung überhaupt darum gegangen sei, das politische Modell von Hartz IV “überprüfbar” zu machen, hält die Beschwerdekammer für einen Vorwand. Darum sei es nur ganz am Rande gegangen – und eine Identifizierung der Betroffenen sei dafür nicht nötig gewesen. “Bild” habe den Grundsatz verletzt, das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen zu achten. (Nicht-öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” macht Verdächtigen zum “Kannibalen”
Verstoß gegen Ziffern 8 und 13 (BK2-124/05)

“Bild” berichtet über die Wiederaufnahme eines Mordprozesses: Der Angeklagte war seinerzeit angeklagt worden, seine Cousine getötet und teilweise aufgegessen zu haben, wurde aber nicht verurteilt. “Bild” zeigt unter der Überschrift “Kannibale grillte seine Cousine im Backofen” nun ein riesiges Foto des Verdächtigen, auf dem es scheint, als würde er sich den Mund ablecken. Der Angeklagte beschwert sich beim Presserat. Die Veröffentlichung des Fotos verletzte sein Persönlichkeitsrecht; außerdem gebe es keine Beweise, dass er der Täter sei oder Teile der Leiche verzehrt habe.

Die Springer-Rechtsabteilung beruft sich auf ein “öffentliches Interesse” an der Berichterstattung, das auch die Veröffentlichung des Fotos rechtfertige.

Der Presserat widerspricht in jeder Hinsicht: Die Abbildung des Fotos sei in dieser “besonders sensationsheischenden” Form nicht zulässig, sondern verletze dessen Persönlichkeitsrecht. Und die Überschrift erwecke den Eindruck, dass der Mann seine Cousine im Backofen gegrillt habe, was nicht der Wahrheit entspreche. “Bild” habe gegen das Verbot der Vorverurteilung verstoßen. (Öffentliche Rüge)

(Siehe BILDblog-Eintrag “Die schärfste Sanktion”.)

* * *

“Bild” verletzt die Ehre eines Unglücksfahrers
Verstoß gegen die Ziffern 8 und 9 (BK1-177/05)

Sieben junge Leute kommen ums Leben, als ihr Auto gegen eine Hauswand rast. “Bild” berichtet über den 22-jährigen Fahrer unter der Überschrift “Er raste eine ganze Clique in den Tod”, zeigt wiederholt ein Foto von ihm und veröffentlicht anonyme Behauptungen, wonach der “Totfahrer” unzuverlässig, gewalttätig und arbeitsscheu sei und sehr viel Haschisch konsumiert habe. Die Eltern des 22-Jährigen beschweren sich beim Presserat, weil das Andenken an ihren Sohn massiv verletzt werde. “Bild” habe kein Recht gehabt, das Foto ihres Sohnes zu veröffentlichen, die Polizei habe keine Beeinflussung durch Drogen festgestellt, viele Details seien falsch.

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG beruft sich bei der Darstellung auf Aussagen früherer Bekannter des 22-Jährigen, die anonym bleiben wollten. Auch die Tatsachen stimmten: Weil die Rücksitze des Fahrzeugs ausgebaut worden seien, sei es zum Beispiel zulässig gewesen, das Auto “alt und klapprig” zu nennen.

Nach Ansicht des Presserates hat “Bild” unbegründete Beschuldigungen ehrverleztender Natur über den Fahrer veröffentlicht. Das Persönlichkeitsbild, das “Bild” zeichne, stützte sich ausschließlich auf bloße Vermutungen von anonymen Bekannten aus einer früheren Lebensphase, überprüfbare Tatsachen fehlten. Auch hätte “Bild” den Fahrer nicht wiederholt erkennbar zeigen dürfen. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” zeigt Leiche eines Selbstmörders
Verstoß gegen Ziffern 8 und 11 (BK2-202/05)

Ein österreichischer Polizeibeamter nimmt sich in Dresden das Leben. “Bild” nennt Vornamen, Initial des Familiennamens, Alter und Tätigkeitsfeld des Mannes, zeigt ein Portraitfoto sowie ein Bild vom Ort des Geschehens, auf dem der Leichnam zu sehen ist. Unter der Überschrift “Ein letzter Schuss traf sein gebrochenes Herz” berichtet “Bild” angebliche Details aus dem Privatleben des Toten und spekuliert über die Motive für die Selbsttötung.

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG sagt, es handele sich bei dem Suizid um ein “zeitgeschichtliches Ereignis”, da der Betroffene Bezirks-Inspektor in Österreich gewesen sei. Mehrere Fotos von ihm seien über das Internet zu erhalten, auf der Titelseite (nicht aber im Innern) habe man das Gesicht mit einem Balken versehen. Auf dem Foto vom Tatort sei der Körper des Toten weitestgehend verdeckt.

Der Presserat rügt “Bild”, weil die Zeitung nicht die bei Selbsttötungen verlangte besondere Zurückhaltung gezeigt habe. Es handele sich nicht um ein Ereignis der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse. Mit ihren Spekulationen über den Freitod habe “Bild” unangemessen sensationell berichtet und keine Rücksicht das Leid der Opfer und die Gefühle der Angehörigen genommen. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” berichtet identifizierend über Todesfälle auf Friedhof
Verstoß gegen Ziffer 4 und 8 (BA2-2/05)

Eine 72-jährige Frau bricht am Grab ihres Mannes tot zusammen, ein 75-jähriger herzkranker Zeuge, der zur Hilfe eilt, erliegt kurz danach ebenfalls einem Anfall. “Bild” zeigt das Grab, auf dem der Name deutlich zu lesen ist, und ein teilweise gepixeltes Foto des toten Helfers. Der Sohn der Verstorbenen beschwert sich über “Bild”: Beide Fotos seien ohne Einwilligung der Angehörigen veröffentlicht worden. Der Fotograf habe zudem unter Vorspiegelung falscher Tatsachen versucht, von anderen Dorfbewohnern Fotos zu bekommen.

Nach Angaben der Rechtsabteilung von Axel Springer war der Name auf dem Grabstein versehentlich nicht unkenntlich gemacht worden. Der Fotograf habe aber keine falschen Angaben gemacht. Ein öffentliches Interesse an der ungewöhnlichen Tragödie bestehe fraglos.

Der Presserat rügte “Bild”: Ein Friedhof und die besonderen Umstände begründeten einen besonderen Bereich des privaten Familienlebens, der eines besonderen Schutzes bedürfe. “Bild” hätte so berichten müssen, dass die Opfer nicht zu identifizieren sind, und sich nicht über den ausdrücklichen Wunsch der Familie hinwegsetzen dürfen, keine Fotos zu zeigen. (Nicht-öffentliche Rüge)

neu  

“Bild” verletzt und diskriminiert

Am 26. April berichtete “Bild” auf der Titelseite über ein Attentat im ägyptischen Dahab und illustrierte die Titelschlagzeile und den Bericht im Blatt mit dem Foto eines 10-jährigen Jungen, der bei dem Anschlag getötet worden war (siehe Ausrisse).

“Bild” hatte sich das Foto (wie bereits berichtet) offenbar mit unlauteren Mitteln verschafft und ohne Einwilligung der Mutter des Jungen unverpixelt veröffentlicht.

Nachdem beim Deutschen Presserat mehrere Beschwerden wegen der Veröffentlichung eingegangen waren, hat der Presserat die “Bild”-Zeitung dafür öffentlich gerügt: Der Abdruck des Fotos sei “ein schwerwiegender Verstoß” gegen Ziffer 8 des Pressekodex. Im Klartext: “Bild” hat laut Presserat “das Persönlichkeitsrecht des Jungen verletzt”.

Soweit das.

Von den aktuell insgesamt acht öffentlichen Rügen des Presserats richten sich jedoch neben der obigen noch zwei weitere gegen “Bild”. In der Pressemitteilung heißt es dazu:

BILD (Stuttgart) erhielt eine öffentliche Rüge für einen Bericht über ein Lawinenunglück. Darin hatte die Zeitung die Fotos dreier Todesopfer abgedruckt. Zusätzlich hatte sie das Foto eines Überlebenden ohne dessen Einwilligung gedruckt und dabei das Gesicht nur unzureichend mit einem Balken unkenntlich gemacht. Zudem wurden dessen berufliche Position und Wirkungsort genannt. Damit wurde der Betroffene für einen größeren Personenkreis identifizierbar. (…)

BILD (Berlin) erhielt eine öffentliche Rüge wegen der Berichterstattung über den Mord an einem Friedhofsgärtner. Die Zeitung hatte in dem Bericht den beiden Tatverdächtigen fiktive türkische Namen gegeben, da die Polizei nach jungen Männern „südländischer Herkunft“ gefahndet hatte. Wie kurze Zeit später bekannt wurde, handelte es sich bei den beiden Verdächtigen um Deutsche. [BILDblog berichtete.] BILD hat in der darauffolgenden Berichterstattung zu dem Fall dann deutsche Namen vergeben, ohne die Leser darauf hinzuweisen, dass sie vorab fiktive türkische Namen benutzt hatte. Hierin sah der Beschwerdeausschuss einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex, da die Verwendung der ausländischen Namen dazu führt, dass Vorurteile bedient werden.

PS: Wie immer ist “Bild” zum Abdruck dieser Rügen verpflichtet.

Mit Dank auch an Konrad B. für den Hinweis.

Blöde Frage

Heute zeigt “Bild” im Raum Berlin-Brandenburg mal wieder große Fotos zweier Angeklagter “auf dem Weg ins Gericht”. “Bild” hatte über die beiden bereits im April berichtet und sich damals vorverurteilende Sätze ausgedacht wie “Baby von den Eltern halbtot gefoltert!” oder “(…) ein so junges Leben, geprägt von "Was haben diese Eltern zu verbergen?"
Schlägen, Tritten, Folter!”
— obwohl inzwischen (nicht nur, aber) auch “Bild” weiß: “Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden keine Quälerei vor.” Dennoch fragt “Bild” heute scheinheilig naiv:

“Was haben diese Eltern zu verbergen?”

Denn: “Sie verstecken ihre Gesichter (…). Was haben sie jetzt zu verbergen?” Ja, was nur? Ihr Gesicht etwa? “Mutter Janine E. (17) versteckt sich hinter einer Zeitung”, schreibt “Bild”, “Vater Thomas P. (19) zieht sich voller Scham seinen Pullover über den Kopf.”

Voller Scham? Vielleicht. Auf die Idee, dass E. und P. andernfalls ihr Gesicht womöglich ohne jede Unkenntlichmachung in der Zeitung wiedergefunden hätten, ist “Bild” offensichtlich nicht gekommen. Wieso auch? Schließlich wäre das ja wohl laut Pressekodex mit Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen “nicht gerechtfertigt”, oder?

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