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Vim Vomlands Finderwahnsinn

Seit vergangenem August läuft in “Bild” die Serie “50 Jahre Bundesliga”, in der die Sportredaktion jede Woche zurückblickt: Bunte Anekdoten, “legendäre Fotos” und die jeweilige Abschlusstabelle sollen den Leser an längst vergangene Bundesligaspielzeiten erinnern.

Die gestrige Rückschau auf die Saison 2000/2001 fiel ein bisschen ausführlicher aus als sonst, was damit zusammenhängen könnte, dass es eigentlich nur am Rande um Fußball ging — und hauptsächlich um “Bild”:

BILD-Reporter Vim Vomland: So jagte ich Daum durch Amerika

Detailliert beschreibt Vim Vomland, über viele Jahre der ganz persönliche Christoph-Daum-Beauftragte von “Bild”, wie das damals war, als Christoph Daum das Land verließ, nachdem seine Haarprobe positiv auf Kokain getestet worden war.

Und mit “detailliert” meinen wir so was:

21. Oktober: Ich, der BILD-Reporter, telefoniere gegen 13 Uhr mit Daums Lebensgefährtin Angelika. Sie sagt einen ungeheuerlichen Satz:

“Der Test bei Christoph ist so, als hätte er eine Lkw-Ladung genommen.” Ihre Worte dröhnen in meinen Ohren.

Um 13.45 Uhr fliegt Daum mit dem Lufthansa-Jumbo in der First-Class auf Platz 83 C von Frankfurt nach Miami.

Vomland flog damals hinterher (“Nur mit einem grauen Anzug, ohne Gepäck, aber mit BILD-Fotograf Andreas Pohl”) und versuchte alles, um den frisch entlassenen Trainer von Bayer Leverkusen zu finden.

Doch erst hatte er kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu:

24. Oktober: Daum feiert seinen traurigsten Geburtstag (den 47.). Wir spüren sein Versteck auf. Das Privat-Resort “Windstar”. Ich bekomme Einlass in die Anlage unter dem Vorwand, eine Mitgliedschaft im Golf-Club kaufen zu wollen. Doch in der Villa eines Freundes ist von Daum nichts zu sehen. Wir mieten uns im “Hilton” auf Marco Island, 30 Kilometer südlich von Naples, ein.

Was wir nicht ahnen konnten: Daum wohnt in dem Augenblick nur 100 Meter in einer Strand-Villa entfernt. Als Calmund erfährt, wo die BILD-Reporter absteigen, lässt er Daum durch die Hotel-Tiefgarage vom gemeinsamen Freund Mark Dillon wegbringen. Von Naples ins neue Versteck nach Orlando Altamonte Springs.

Und so beschreibt Vomland, wie tagelang erst nichts und dann wenig passierte:

2. November: Bei mir klingelt um 11.18 Uhr das Handy. “What’s up Maria? – Was gibt es Maria?” Es ist Christoph Daum! Er gehört zu den wenigen, die meinen Taufnamen kennen. Daum: “Mir geht es gut, mich findet keiner.” Auf meinen Vorschlag (“Lass uns treffen!”) antwortet er: “Ich weiß nicht. Mach es gut. Kopf hoch.”

Vomlands hyperaktive Berichterstattung über den “flüchtigen” Daum sorgte schon damals für Erheiterung bei anderen Journalisten, wie zeitgenössische Texte von “Spiegel Online” und der “Berliner Zeitung” zeigen.

Es gab dann aber doch noch ein Happy End:

3. November: [“Daum-Freund” Mark] Dillon ruft an: “Christoph will dich sehen. Aber allein. Halte dich in der Church Street in Downtown Orlando bereit.”

In dem Vergnügungsviertel tippt mir Dillon um 12.47 Uhr auf die Schulter. Durch den Hinterausgang eines Irish Pub geht es über Feuerleiter, Treppen, Hinterhöfe, Parkplätze zu Dillons Auto. Dort werden mir die Augen verbunden. 25 Minuten später halten wir.
Über eine Hintertreppe landen wir in einem Büro im 1. Stock. Da sitzt Daum und lacht: “Mensch, Maria, wo ist dein Problem?”
BILD hat Daum gefunden!

“Gefunden”, so so.

Man kann sich das gut vorstellen, wie Vim Vomland bei einer Treibjagd durch den Wald pflügt, haufenweise unwichtige Details an die Redaktion durchgibt und am Ende dann mit verbundenen Augen von einem Eichhörnchen zum Hirschen geführt wird. Der Hirsch sagt: “Ich habe auf Dich gewartet”, und Vomland ruft: “Ha! Gefunden!”

Alternativ wäre man gerne dabei gewesen, in der Kindheit von Vim Vomland, als er mit den Nachbarskindern Verstecken gespielt hat und immer “Hab dich”, gerufen hat, wenn die anderen Kinder nach Stunden aus ihrem Versteck krochen.

Wirklich ergiebig war das Interview nicht, wie Vomland auch zwölfeinhalb Jahre später noch andeutet:

30 Minuten reden wir über Calmund, seine Kinder, seine US-Zeit, seine nächtliche Hotel-Flucht. Daum: “Vim, sage allen, dass es mir gut geht. Ich hoffe, wir sehen uns unter erfreulicheren Bedingungen wieder.”

Tatsächlich hat Daum damals offenbar so wenig gesagt, dass Vomland seinen Text in “Bild” vom 4. November 2000 mit banalen Details strecken musste. Aber das konnte er damals schon gut:

Der verschollene Daum. Hockt da, hinter einem Holztisch auf einem der sechs grauen Stühle. Füllt irgendwie den ganzen beigefarbenen Neun-Quadratmeter-Raum. Hinter ihm ein Fenster mit Markise. Daum trägt ein hellblaues Hemd (Button down), eine pinkfarbene Krawatte, eine dunkelblaue Sommerhose, graue Slipper. Sein Gesicht ist gebräunt. Und: Sein Haar ist um etwa die Hälfte kürzer als zuletzt in Leverkusen.

Die tatsächlichen Antworten Daums damals lassen sich in etwa so zusammenfassen: “Dazu sage ich nichts”, “Mehr dazu nicht”, “Du kannst mit mir reden, aber dazu kein Kommentar.”

Dafür erklärte “Bild” damals das besondere Verhältnis zwischen Daum und Vomland:

Christoph Daum (47) und Vim Vomland (45) – der Trainer und der BILD-Reporter aus Köln. Sie kennen sich schon seit dem Winter ’76. Damals waren sie beide Studenten der Sporthochschule Köln. In der Mensa kamen sie erstmals ins Gespräch. Als Daum Jugendtrainer beim 1. FC Köln war, berichtete Vomland als junger BILD- Mitarbeiter über diese Spiele. Und später über Daums Aufstieg. Intensiv wurde der Kontakt ab Juli 1996: Daum wechselt zu Bayer Leverkusen. Den Klub, über den Vomland fast täglich berichtet. Der Reporter war dabei, als Daum am Tag vor seinem 45. Geburtstag bekannte: “Vim, ich verlasse meine Familie.” Der Reporter erlebte Daum nach dem Unterhaching-Desaster: “Er fiel in sich zusammen. Er tat mir leid.” Jetzt war Vomland der erste Journalist, der Daum nach seiner überstürzten Abreise nach Florida gesprochen hat.

Sogar die “Welt” bezeichnete Vomland damals als Daums “zu Berühmtheit gelangten Spezi”.

Heute schreibt Vim Vomland noch immer für den Sportteil von “Bild”, nur Christoph Daum scheint er seit 2011 nicht mehr gefunden zu haben.

Mit Dank auch an Matthias M.

Gesünder Werben mit AOK Plus

Drei- bis viermal im Jahr laden die “Dresdner Neuesten Nachrichten” für einen Tag einen “Gast-Chefredakteur” ein, der gemeinsam mit der Redaktion eine Ausgabe mit einem thematischen Schwerpunkt entwickelt. Darauf ist der Chefredakteur der “Dresdner Neuesten Nachrichten” offenbar so stolz, dass er in einer Stellungnahme gegenüber dem Deutschen Presserat ausführlich über dieses Projekt referiert und auflistet, welche prominenten und nicht-prominenten “Gast-Chefredakteure” es schon gegeben habe und welche Themen diese dabei bearbeitet hätten.

Diese Stellungnahme war nötig geworden, weil sich ein Leser beim Presserat über die “DNN”-Ausgabe vom 15. Februar beschwert hatte, deren “Gast-Chefredakteur” Rolf Steinbronn, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse AOK Plus, war.

In seinem Leitartikel hatte Steinbronn erklärt, wie viel Geld die AOK Plus (die “größte gesetzliche Krankenkasse in Sachsen und Thüringen”) wofür ausgibt, und dass die AOK Plus allein im vergangenen Jahr 70 Millionen Euro durch Rabattvertäge mit Pharmafirmen gespart habe.

Und solche Einsparungen sind natürlich was Tolles für die Versicherten der AOK Plus:

Vom Spareffekt profitieren letztlich alle Versicherten, indem sie sich darauf verlassen können, bei der AOK Plus bis mindestens 2014 von Zusatzbeiträgen verschont zu bleiben.

Und was die AOK Plus sonst noch tolles macht, konnte der Leser fast überall in dieser Ausgabe der “DNN” erfahren:

  • Im Lokalteil etwa kamen die Mitarbeiter eines Jugendgästehauses zu Wort, die dank der Gesundheitsförderung der Dresdner AOK jetzt drei Übungsstunden à 60 Minuten mit individuellen, arbeitsplatzbezogenen Rückenübungen bekommen haben.
  • Im Kulturteil stand ein Artikel über ein Präventionsprojekt, bei dem Musiker des Landesjugendorchesters Sachsen spezielle Übungen zur Stärkung ihres Bewegungsapparats lernen sollten, um Haltungsschäden zu vermeiden. Gefördert von der AOK Plus, wie der Leser erfuhr.
  • Und im Sportteil erschien ein Interview mit dem Leiter des Betriebssportvereins der AOK in Dresden, das “Entspannung bei Zumba in der Mittagspause” versprach. Man muss aber gar nicht bei der AOK arbeiten, um dort mitmachen zu dürfen: “Unser Sportverein richtet sich aber nicht nur an AOK-Mitarbeiter, sondern ist für alle offen.”

Der Beschwerdeführer fand insgesamt acht Artikel, in denen er das Gebot der klaren Trennung von Redaktion und Werbung verletzt sah.

Der Chefredakteur der “DNN”, Dirk Birgel, betonte in seiner Stellungnahme, dass die Veröffentlichung weder von dritter Seite bezahlt noch durch geldwerte Vorteile belohnt worden sei. Auch ein Kopplungsgeschäft liege nicht vor.

Die “DNN” beharrte auf ihre redaktionelle Unabhängigkeit: Nur der Leitartikel sei vom Chef der AOK Plus verfasst und durch den Chefredakteur selbst geprüft worden. Alle anderen Beiträge seien durch die Redaktion selbst erarbeitet worden. Es sei “naheliegend”, dass sie thematisch im Zusammenhang mit dem Gast-Chefredakteur stünden.

Wenn überhaupt, so der Chefredakteur, dann könnte allenfalls in der Mitteilung, dass die AOK bis 2014 keine Zusatzbeiträge erheben wolle, eine werbliche Wirkung gesehen werden. Er erklärte aber auch eindrucksvoll, warum das eigentlich nicht sein könne: Da die Meldung die überwiegende Anzahl der Leser betreffe, überlagere hier das öffentliche Interesse einen möglichen Werbeeffekt. Auch in allen anderen Artikeln überlagere der Informationswert eindeutig eine mögliche Werbewirkung für die AOK.

Einer der vom Leser kritisierten Artikel mit dem Titel “Last-Minute-Fitness für Wintersportler” gehöre übrigens gar nicht zu den mit dem AOK-Chef vorbereiteten Texten, führte der Chefredakteur weiter aus: Es handele sich dabei vielmehr um den vorletzten Teil der zwölfteiligen Serie “Gesund und aktiv”, die von der AOK lediglich durch die Schaltung einer Anzeige in Form eines Logos begleitet werde. Dieser Text sei aber auch keine AOK-Veröffentlichung, sondern ein von einem Facharzt für Orthopädie verfassten Beitrag zum Thema “Skilanglauf und Abfahrtski” ohne Bezug zur AOK. Auf der Seite finde sich zudem ein Interview mit einer Ernährungsberaterin, in dem der einzige Bezug zur AOK sei, dass diese bei der Krankenkasse arbeite.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Beschwerdeausschuss des Presserats konnte sich der Argumentation der “Dresdner Neuen Nachrichten” nicht anschließen und erkannte in der Berichterstattung eine Verletzung des Grundsatzes der klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Die gemeinsam mit der AOK Plus entstandenen Beiträge überschritten die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 Pressekodex.

Die Häufung von Beiträgen, in denen über die Krankenkasse und ihr im Wettbewerb stehendes Angebot berichtet wird, sei redaktionell nicht mehr zu begründen. Es entstehe dabei eine Werbewirkung für die AOK, die nicht durch ein Leserinteresse an der Berichterstattung zu rechtfertigen ist.

Der Presserat sprach deshalb eine “Missbilligung” gegen die “Dresdner Neuesten Nachrichten” aus.

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Das Grauen hat einen Namen

Franz Josef Wagner hat einen Liebesbrief geschrieben. Er geht an Joachim “Jogi” Löw, den “eleganten Bundestrainer, der wunderbar aussieht”. Mit mehr als einer Prise Homoerotik erinnert sich Wagner “an Artikel, in denen es nur um Ihr strahlend weißes Hemd ging”:

Wie lässig es Ihren 50-jährigen Körper bedeckte, auf Taille geschneidert und zu allen Träumen veranlasste.

Dann war der Hype um Ihren blauen Pullover. Sie trugen ihn nackt auf Ihrer Haut.

Einmal in Fahrt, gibt es für Wagner kein Halten mehr:

Und zu Ihrer Schönheit kam das Haar, als hätte Gott jedes einzelne Haar in Ihren Kopf eingepflanzt. Dieses volle Haar. Sie sind 51 und Sie haben kein einziges graues Haar.

So gesehen dürfte Franz Josef Wagner ziemlich enttäuscht gewesen sein, als er den Sportteil jener Zeitung aufschlug, für die er arbeitet:

Keine Farbe mehr! Löw steht zu Grau. Deutschland siegt und siegt. Warum wird denn unser Bundestrainer grau und grauer? Wer Joachim Löw (51) am Fernseher genau beobachtete, sah graue Haare in der vollen Haarpracht und den Koteletten. Der Grund ist einfach: Löw färbt seine Haare schon länger nicht mehr. "Endlich fällt es den Leuten mal auf", sagt er lächelnd. Das dichte Haar hat er übrigens von seinem Vater geerbt.

Im vergangenen Jahr war “Bild” übrigens selbst noch überzeugt davon, dass Löws Haarfarbe echt sei:

Die dichten schwarzen Haare sind nicht gefärbt. Hat er vom Vater (Beruf Ofensetzer) geerbt.

Mit Dank an Flo M.

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Das schmieren wir denen jetzt aufs Brot!

Die Geschichte stand am Samstag im Sportteil. Sie hätte aber genauso gut in die Ressorts “Brotaufstriche” oder “Krumme Geschäfte” gepasst:

Nutella-Frühstück unter Palmen / Hummels: Ich will nicht zu den Bayern!

“Bild”-Reporter Christian Kynast traf sich für die Ruhrgebietsausgabe der “Bild”-Zeitung mit dem Dortmunder Bundesliga-Spieler Mats Hummels auf (je) ein Nutella-Brötchen. Ein Fotograf machte Aufnahmen, die den Spieler, das Brötchen und den Brotaufstrich schön in Szene setzten. Und der Artikel dazu liest sich so:

Zwischen Weihnachten und Neujahr jettete Mats Hummels (22) fünf Tage nach Südafrika: Dreh für den neuen Nutella-Werbespot. Aber auch im Trainingslager in Jerez muss der BVB-Star nicht auf seine Lieblings-Leckerei verzichten. BILD traf ihn zum Nutella-Frühstück.

BILD: Schmeckt’s, Herr Hummels?

Hummels: “Super! Das liebe ich schon seit meiner Kindheit.” (…)

BILD: Ihr Nutella-Kollege Manuel Neuer grübelt ja gerade, ob er bei Schalke bleiben oder gehen soll…

Hummels: “Ich kann das gut nachvollziehen. Auf der einen Seite ist er eng mit dem Klub verbunden, hat viele Freude da und stand selbst in der Kurve. Auf der anderen Seite spielt man bei Bayern fast immer Champions League.”

BILD: Viele ehemalige Nutella-Boys haben nach dem Werbespot einen Karriere-Knick bekommen. Fürchten Sie sich vor dem Nutella-Fluch?

Hummels: “Der hat sich doch längst ins Gegenteil gedreht. Bei Manuel und Mesut Özil läuft’s ja auch nicht so schlecht…”

Mit Dank an Thomas S.!

Fußball, Rüdiger Grube, Bücherfreunde

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Bild dir deinen Fussball”
(spox.com, eshkeeya)
Ein aufschlußreicher Hintergrundartikel in drei Teilen (1, 2, 3) dreht sich um die Abteilung Fußball bei “Bild”, die rund 80 Prozent des Sportteils ausmacht. Einzeln beleuchtet werden die Kapitel “Fleiß. Einfluss. Polemik. Freundschaftspflege. Feindschaftspflege.”

2. “Wie Bahnchef Grube mit ‘Fakten’ verwirrt”
(nilsole.net, Nils Glück)
Nils Glück vergleicht Interviews mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube, bei “Deutschlandfunk”, “Spiegel” und “Tagesthemen”.

3. “Badische Zeitung: eBook-Leser kulturlos”
(lesen.net, Johannes Haupt)
“Welcher wahre Bücherfreund bestellt sein kostbares Gut seelenlos bei Amazon?” fragt Bettina Schulte in der “Badischen Zeitung”. Johannes Haupt antwortet.

4. “Wasser in der Sahara”
(sportmedienblog.de)
Das Sportmedienblog denkt nach über die halbjährlichen Ranglisten in der Sportzeitschrift “Kicker”: “Ob Weltklasse, Internationale Klasse, im weiteren Kreis oder Blickfeld – bei Fans wie Profis sorgen die regelmäßigen Einstufungen jedes mal für intensive Diskussionen.”

5. “Wie eine Vollmacht zum Abzocken der Hörer”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller hält Gewinnspiele der Privatradios “Radio Schleswig-Holstein”, “Radio PSR” und “Antenne MV” für fragwürdig: “Kaum zu glauben, dass solche dubiosen Spielpraktiken von den aufsichtführenden Landesmedienanstalten nicht nur geduldet, sondern sogar noch gefördert werden.”

6. “Fernsehprogramm von Juli 1985”
(retro-tv.de, Video, 21:17 Minuten)
Retro-TV denkt zurück an die “Muppet Show”, an das “Trio mit vier Fäusten” und an “Monaco Franze”.

Pokal-Konfusionen

Es ist längst ein geflügeltes Wort, dass ja “wenigstens der Sportteil” von “Bild” gut sei. Von dieser Arbeitshypothese ausgehend muss heute der Wurm dort sein, wo sonst der Teufel steckt: im Detail.

So eröffnet “Bild” die Berichterstattung über den vorläufigen WM-Kader der deutschen Fußballnationalmannschaft heute mit den Worten:

Jogi Löw hat es selbst gesagt: “Vor uns liegen acht lange Wochen, 50 Trainingseinheiten – und hoffentlich sieben Spiele.” Sieben Spiele in Südafrika, das würde bedeuten: Wir kommen ins Finale!

Ja — oder halt ins Spiel um Platz 3, das für seine Teilnehmer genauso das siebte Turnierspiel wäre.

Heute Mittag behauptete Bild.de dann über Borussia Dortmund:

Der BVB spielt in der kommenden Saison erstmals seit 2005 wieder international (damals gab’s das bittere Drittrunden-Aus im UI-Cup).

Nö. In der Saison 2008/09 spielte Borussia Dortmund im damals noch so genannten Uefa-Cup, für den sich der BVB als Finalist des DFB-Pokals qualifiziert hatte, und schied in der Vorrunde im Elfmeterschießen gegen Udinese Calcio aus.

Mit Dank an Florian D. und Christoph F.

Nachtrag, 17.35 Uhr: Auch die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” von heute hat nicht ganz sauber gerechnet:

“Wir haben ein wirklich gutes Gefühl, mit diesem Kader zum Turnier zu fahren”, sagte Löw und sprach optimistisch “von acht Wochen Gemeinsamkeit, 50 anspruchsvolle Trainingseinheiten und hoffentlich sieben hochbrisanten Spielen”. Das würde bedeuten: Endspiel.

Mit Dank an Sebastian S.

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Der Staatsfeind, der kein “Staatsfeind” war

Es gibt viele Mythen über die “Bild”-Zeitung.

Zu den besonders hartnäckigen gehört der, dass die Leute, die bei “Bild” arbeiten, vielleicht ein bisschen skrupellos sind, aber wenigstens gut recherchieren können. Und der, dass in “Bild” zwar viel Quatsch steht, man sich aber auf den Sportteil verlassen kann.

Andererseits ist auch der Irrglaube nicht auszurotten, dass “Bild” sich aufgrund eines Gerichtsurteiles wegen ihrer vielen Falschmeldungen nicht mehr “Zeitung” nennen dürfe.

Und dann ist da noch die ungleich brisantere Behauptung, dass “Bild” den Studentenführer Rudi Dutschke als “Staatsfeind Nr. 1” bezeichnet habe, womöglich gar am 11. April 1968, dem Tag, an dem Josef Bachmann ein Attentat auf Dutschke verübte.

Es sind scheinbar verlässliche Quellen, die diese Version verbreiten. Die Nachrichtenagentur AFP zum Beispiel, die zum 30. Todestag Dutschkes meldete:

Die Antwort von Politik und Medien auf den Herausforderer war scharf. Die “Bild”-Zeitung nannte ihn “Staatsfeind Nr. 1”. Das war am Tag, als auf ihn geschossen wurde, am 11. April 1968.

Und der evangelische Branchendienst “epd Medien”, der anlässlich des Umzugs der “Bild”-Zeitung nach Berlin am 15. Mai 2007 berichtete:

Die so genannte Generation der 68er ging gegen “Bild” und Springer auf die Straße, wobei die Abneigung weitgehend auf Gegenseitigkeit beruhte. Am 11. April 1968 etwa bezeichnete “Bild” den Studentenführer Rudi Dutschke als “Staatsfeind Nr. 1”. Am selben Tag wurde ein Attentat auf Dutschke verübt, Kritiker gaben “Bild” dafür eine Mitschuld.

Die ARD, “Wikipedia”, Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth — sie alle erzählen dieselbe Geschichte. Und ein Nutzer des Freiburger Internet-Portals “Fudder” empört sich in dessen Forum: “BILD lügt immer noch — auch 40 Jahre danach”, weil der Artikel von diesem Tag in dem Archiv fehlt, das die Axel Springer AG gerade im Internet mit angeblich allen Berichten ihrer Zeitungen aus der damaligen Zeit veröffentlicht hat.

Der Artikel fehlt aus einem anderen Grund. Es gibt ihn nicht.

In der “Bild”-Zeitung vom 11. April 1968 (Berlin-Ausgabe, Abbildung links) kommt Rudi Dutschke nicht vor. Wir haben uns selbst davon überzeugt.

Nach Angaben von Rainer Laabs, dem Leiter des Unternehmensarchivs, finden sich auch zu keinem anderen Zeitpunkt Spuren eines solchen Artikels: “Wir haben sehr intensiv, aber ohne Ergebnis, danach gesucht.”

Eine ähnliche Formulierung stand allerdings auf einem Plakat, das bei einer Anti-Studentenbewegungs-Demonstration am 21. Februar 1968 laut “Welt” von Bauarbeitern hochgehalten wurde. “Volksfeind Nr. 1 — Rudi Dutschke, raus mit dieser Bande” hieß es dort. Das Springer-Blatt “B.Z.” sprach in einem Kommentar von einem “Schönheitsfleck” der von ihr im übrigen unterstützten Kundgebung:

#Denn

Weitere Stellen hat Laabs, der das “Medienarchiv68” zusammengestellt hat, nicht finden können.

Es spricht alles dafür: “Bild” und die anderen Springer-Zeitungen haben Rudi Dutschke nie selbst als Staats- oder Volksfeind Nummer 1 bezeichnet.

Andererseits kann auch kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass sie ihn — auch ohne ihn wörtlich als solchen zu bezeichnen — genau so behandelt haben. Das hat selbst Thomas Schmid, damals Teil der Studentenbewegung und heute als “Welt”-Chefredakteur mit der Relativierung der Verantwortung des Verlages beschäftigt, eingeräumt. 1999 nannte er Springer in der “Welt” treffend:

das Haus, dem die von [Dutschke] so stark geprägte Revolte so massiv zusetzte und das ihn in vielen Veröffentlichungen zum Volksfeind und Monster entstellte.

Nachtrag, 19. Januar. Der Wikipedia-Eintrag ist, nach ein bisschen Hin und Her, korrigiert worden.

Stats Monkey, Presserat, Simpsons

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Journalismus: Jetzt auch aus Textbausteinen vom Kollege Automat”
(carta.info, Jürgen Kalwa)
Jürgen Kalwa weist auf die Software “Stats Monkey” der Northwestern University in Evanston, Illinois hin, die, gefüttert mit Zitaten und Resultaten, einen kompletten Artikel für den Sportteil erzeugt.

2. “Lust am Frust”
(merkur.de, Antje Hildebrandt)
Doku-Serien des Privatfernsehens werden vermehrt mit Laiendarstellern besetzt: “Kriterien wie Glaubwürdigkeit spielen in der Krise kaum noch eine Rolle. Der Zuschauer trifft immer häufiger auf alte Bekannte. Auf Familien wie die Birkhahns aus Schleswig-Holstein, die keinen Hehl daraus machen, dass sie den TV-Teams für einen Hunderter genau das erzählen, was sie hören wollen.”

3. “Trennung von Werbung und Redaktion”
(presserat.info)
Der deutsche Presserat gibt einen Leitfaden heraus, der anhand von praktischen Beispielen aufzeigt, was geht und was nicht geht bei der Trennung von werblichen und redaktionellen Inhalten. Vom geräuschvollen Umblättern der virtuellen Seiten sollte man sich nicht irritieren lassen.

4. “Wiederholte Schleichwerbung für rosa Wundermittel bei der ARD”
(blog.esowatch.com)
“Wie blöd sind eigentlich Redakteure, Filmemacher und leider auch die Patienten, die die absurde Geschichte über die preiswerte Heilung von Neurodermitis aus dem Hobbylabor sofort glauben, sobald nur laut jemand die Pharmalobby als Schuldigen hinstellt. Haben die alle zu viele Hollywoodthriller geschaut?”

5. “Lesen Sie dies bitte ohne Unterbrechung!”
(ftd.de, Horst von Buttlar)
Horst von Buttlar glaubt, dass Journalisten so oft unterbrochen werden, dass sie kaum noch zum arbeiten kommen.

6. Interview mit John Ortved
(artsbeat.blogs.nytimes.com, Lisa Tozzi, englisch)
Die Simpsons laufen seit vielen Jahren beim Fox Network von Rupert Murdoch und erreichen bald den Bekanntheitsgrad von Disney-Produkten. John Ortved fragte Murdoch einst: “Rupert, how much money has ‘The Simpsons’ made for you?” And he just sat back, smiled and was like, “Let’s just say it’s a lot.”

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Bild dir deine Regeln…

Man hört ja immer wieder mal, man könne über die “Bild” denken, was man wolle, aber der Sportteil, der sei ja schon so richtig gut. Vermutlich ist diese Meinung auch deswegen entstanden, weil “Bild” gerne mal komplizierte Regularien auf den Punkt bringt. Oder es, wie im nachfolgenden Fall, zumindest versucht, mit Erfolg, den man bescheiden nennen darf.

Wer kommt wann in den Uefa-Cup

… fragt die Sportredaktion des Blattes heute — und nähme man es genau, müsste man antworten: niemand. Weil es den Uefa-Cup ab der kommenden Saison nämlich gar nicht mehr gibt und der Wettbewerb stattdessen umbenannt wird in die “Uefa Europa League”. Das alleine wäre nicht tragisch, allerdings stimmen nicht nur der Name des Wettbewerbs nicht, sondern auch ein paar andere Kleinigkeiten:

  • Die fairste deutsche Mannschaft komme in einen Topf mit Teams anderer Länder; aus diesem Topf werde dann ein zusätzlicher Startplatz ausgelost. Das war bis zu dieser Saison so. Inzwischen gibt es aber keine Verlosung mehr, sondern die drei Plätze gehen automatisch an die drei fairsten Nationen.
  • Bislang sei der fairste deutsche Verein der KSC, schreibt “Bild”. Das ist ein ziemlich exklusives “Wissen”. Tatsächlich wird die endgültige Wertung erst nach Saisonende bekanntgegeben. Und selbst dann, wenn man die bisherige Zahl der gelben und roten Karten als Maßstab verwenden würde, wäre die Einschätzung von “Bild” falsch. Denn es spielen noch ganz andere Komponenten eine Rolle in der Wertung der Uefa, beispielsweise das “Verhalten der Fans” oder der “Respekt vor dem Gegner”. Wer also momentan fairste deutsche Mannschaft ist, weiß nicht einmal die DFL selber.
  • Ob tatsächlich vier deutsche Mannschaften an der “Europa League” teilnehmen, hängt schließlich auch noch davon ab, ob der Bundesliga-Dritte sich für die Champions League qualifiziert — oder doch auch an der Europa League teilnimmt.

Mit Dank an Jan K.

Wie man aus einer Not ein Geschäft macht

Das “Hamburger Abendblatt” hat einen neuen Begriff für “verzweifelte Abo-Kampagne” erfunden: “große Bildungsinitiative”.

Anfang der Woche wurde nämlich bekannt, dass Hamburg beim Lesetest für Viertklässler “IGLU” wieder hinter fast allen anderen Bundesländern lag. Das “Abendblatt” reagierte mit aufrüttelnden Sätzen:

Dagegen müssen wir etwas tun! Und wir werden etwas tun: Heute startet das Hamburger Abendblatt eine große Bildungsinitiative. Wir wollen, dass alle weiterführenden Schulen der Hansestadt mit Abendblättern ausgestattet werden. So sollen Schüler die Möglichkeit bekommen, in ihren Pausen das Abendblatt zu lesen.

Feine Sache. Und wieviele Abos spendet die Zeitung für diesen guten Zweck?

Offenbar kein einziges. Bezahlen sollen die Aktion die Leser, was insofern eine besonders feine Sache ist, weil die “Paten” damit nicht nur die Hamburger Jugend, sondern auch das “Hamburger Abendblatt” retten.

Die “Paten”-Abonnements, die das “Abendblatt” im Rahmen seiner “Bildungsinitiative” anbietet, kosten 20,75 Euro pro Monat. Weil sie nur von montags bis freitags gelten, entspricht der Preis genau dem für reguläre Abonnements, die für sechs Tage 24,90 Euro kosten. Dafür spart das “Abendblatt” sich die sonst üblichen Prämien- oder Werbungskosten.

Schülerreaktionen laut “Abendblatt”:

Gunnar, 16: “Die Zeitungen wären sicher heiß begehrt.”

Nils, 16: “Ich habe letztes Jahr bei ‘Schüler machen Zeitung’ mitgemacht und da täglich das Abendblatt gelesen. Ich habe es richtig vermisst, deswegen freue ich mich darauf, wieder den Sportteil lesen zu können.”

Lasse, 14: “Ich glaube, es wäre gut, wenn vor allem Wortführer bei uns öffentlich Zeitung lesen würden, das würde viele motivieren, auch zu lesen.”

Anil, 18: “Ich habe zu Hause keine Zeitung. Deswegen würde ich sie gerne in der Schule lesen, dann hätte man wenigstens Gesprächsstoff für die Pausen.”

Übrigens kostet ein “Abendblatt”-Abo mit sechs Ausgaben wöchentlich für Studenten oder Auszubildende regulär nur 16,75 Euro. So gesehen zahlen die Paten mit jedem “Abendblatt”, das sie den Schulen über die neue “Bildungsinitiative” schenken, einen “Abendblatt”-Solidaritäts-Aufschlag von fast 50 Prozent.

Das Geld spendet man aber ja gern, wenn man weiß, wie glücklich man mit so einer Zeitung die Schüler machen kann (siehe Kasten rechts). Wie glücklich man mit einem Abo die Zeitung machen würde, zeigt das “Abendblatt” heute. Es hat erneut eine ganze Seite freigeräumt, auf der es finanzielle Klammheit demonstriert. Die Zeitung bietet an, einzelnen Schulen “Lese-Ecken” zu “spenden”, bemüht sich aber, mögliche übertriebene Vorstellungen, die sich mit dem Wort “Lese-Ecke” verbinden, gleich wieder zu relativieren:

In einer Cafeteria oder Mensa könnte man einen schönen Zeitungsständer gut integrieren. Stühle und Tische könnten eventuell aus dem vorhandenen Mobiliar stammen. Eine Trennwand sorgt für etwas Abgeschiedenheit.

Eine andere Variante sieht so aus:

In einer Pausenhalle könnten Stellwände zur Lesewand werden. So hätten viele Schüler die Möglichkeit, das aktuelle Abendblatt an verschiedenen Stellen gleichzeitig zu lesen.

Wenn es nicht so eine selbstlose “Bildungsinitiative” wäre, käme man glatt auf den Gedanken, das “Abendblatt” wolle große Werbetafeln in den Schulen aufstellen. Aber, immerhin:

Zu jedem Abo gibt es auf alle Fälle einen Zeitungshalter, den viele aus Cafés kennen und der ein Auseinanderfleddern des Abendblatts verhindert.

Das ist der Deal, den das “Hamburger Abendblatt” unter dem neuen Chefredakteur Claus Strunz bei seiner großen “Bildungsinitiative” seinen Lesern anbietet: Sie zahlen überteuerte Abos und dafür verkaufen wir uns als Bildungsretter der Stadt und legen noch einen Zeitungshalter mit drauf.

Mit Dank an Gesine G.!

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