Suchergebnisse für ‘spiegel online’

Medienschweiz, Frühstücksgestrunze, Gutenbergs Rache

1. Drei Männer in der Medienschweiz
(infosperber.ch, Robert Ruoff)
Die Schweizer haben sich mehrheitlich gegen die Abschaffung der Rundfunkgebühren ausgesprochen. Nun müsse eine Mediendiskussion einsetzen, so Robert Ruoff, denn im Schatten der No-Billag-Debatte habe eine Machtverschiebung stattgefunden in der Schweizer Medienlandschaft: „Bei der Presse hat sich eine geballte Konzentration vollzogen, mit drei großen Zeitungsgruppen neben dem Blocherschen «Basler Zeitung»-Konglomerat und der NZZ. Im Mittelland zeichnet sich mit dem Joint Venture von NZZ-Regionalmedien und AZ Medien eine Multimedia-Gruppe ab, die sich zur (sprach-)nationalen Konkurrenz der SRG entwickeln könnte. Dieser Prozess wird weitergehen, mit weiteren Rationalisierungen und Stellenabbau.“ Obwohl noch vor Bekanntgabe des No-Billag-Ergebnisses geschrieben, ein lesenswerter Beitrag über den Schweizer Medienmarkt.

2. Brandstiftung erster Güte
(tagesspiegel.de)
Als „Brandstiftung erster Güte“ und reinen Populismus bezeichnet der Chefredakteur der PR-Agentur „fischerAppelt“ Dirk Benninghoff die Ausführungen des selbsternannten „Klartext“-Redners Claus Strunz im „Sat.1“-Frühstücksfernsehen: „Angela Merkel „Bürgerverachtung“ vorzuwerfen, nur weil die die Essener Tafel für ihre Entscheidung kritisiert hatte, keine Flüchtlinge mehr neu aufzunehmen: Da muss man sich über Pegida-Galgenbauer nicht wundern.“ Doch es gibt auch Dinge, über die sich Benninghof freuen konnte.

Weiterer Lesetipp: Im hausinternen Blog von „fischer Appellt“ hat Benninghof nochmal deutliche Worte für die Causa Strunz gefunden: Der Hassprediger.

3. Protestbrief an den Intendanten
(taz.de, Daniel Bouhs)
Die Wissenschaftsautoren des „Deutschlandfunks“ wehren sich mit einem Protestbrief gegen die geplanten Kürzungen bei der Wissenschafts­berichterstattung. Der Hintergrund: In Zukunft soll es unter anderem mehr günstige Reportagen statt aufwändige Features geben. Außerdem würden der Redaktion neue Aufgaben aufgebürdet. Daniel Bouhs erklärt die Standpunkte von Intendant und Betroffenen.

4. Krankenkasse untersucht, ob Social Media Teenager süchtig macht – und alle drehen durch
(motherboard.vice.com, Sebastian Meineck)
Eine Umfrage der Krankenkasse DAK zur Social-Media-Nutzung von Teenagern hätte Anlass zur Entspannung geben können: Nur 2,6 Prozent der Teenager zwischen 12 und 17 Jahren hätten laut DAK “einen problematischen Gebrauch sozialer Medien” gezeigt. In den Medien las sich das jedoch teilweise recht anders, dort war von hunderttausenden süchtigen Jugendlichen die Rede. Sebastian Meineck hat die Zahlen nachgerechnet und eingeordnet.

5. Wie es ist, als Journalist in der gefährlichsten Stadt der Welt zu arbeiten
(vice.com, Amelia Abraham)
Honduras ist für Medienschaffende ein gefährliches Pflaster: Seit dem Militärputsch vor knapp zehn Jahren wurden in dem zentralamerikanischen Land mehr als 30 Journalisten getötet. Die andere Seite sind die unheilvollen Allianzen zwischen Presse und Polizei. „Vice“ hat mit dem Reporter Alberto Arce gesprochen, der über seine Zeit in Honduras ein Buch geschrieben hat: „In Honduras haben Polizei und Lokalreporter einen teuflischen Pakt geschlossen. Sie teilen Informationen untereinander. Gangmitglieder sind ihre Trophäen. Es ist krank: Polizisten, Journalisten, Kameramänner – sie alle spielen dieses Spiel, bei dem sie untereinander Fotos von Leichen teilen.“

6. Urheberrecht: E-Book-Portal Gutenberg.org sperrt deutsche Nutzer aus
(heise.de, Martin Holland)
Das US-amerikanische „Project Gutenberg“ (nicht zu verwechseln mit dem bei „Spiegel Online“ gehosteten „Projekt Gutenberg-de“) hat einen Urheberrechtsstreit um 18 E-Books verloren. Dabei ging es um digitalisierte Werke von Heinrich Mann, Thomas Mann und Alfred Döblin, die beim S. Fischer Verlag erscheinen. Als Reaktion habe „Gutenberg.org“ nicht etwa die beanstandeten Werke offline genommen, sondern ausnahmslos alle Seiten und Unterseiten für Nutzer mit einer deutschen IP gesperrt.

Doppelter Auftragsmord, Söders Sidekick, Von der AfD lernen

1. „Doppelter Auftragsmord“
(taz.de, Alexandra Mostyn)
In der Slowakei sind der Investigativjournalist Ján Kuciak und seine Freundin Martina K. durch Auftragsmörder regelrecht hingerichtet worden. Kuciak hatte über Klüngeleien zwischen Politik und Wirtschaft recherchiert und sich mit Immobilienspekulanten angelegt. Er war seit 2015 Redakteur des Newsportals aktuality.sk, welches zu Ringier Axel Springer Slovakia gehört. 

Weiterer Lesetipp: Bastian Obermayer weist in der „SZ“ darauf hin, dass mit Ján Kuciak erneut ein Journalist ermordet wurde, der an den Panama Papers mitgearbeitet hat: „Die slowakische Politik muss nun zeigen, dass sie derartige Verbrechen nicht duldet. Sie muss mit aller Entschlossenheit den oder die Täter zur Verantwortung ziehen. In einem Land, in dem sowohl der Regierungschef als auch ein Minister sich abfällig über recherchierende Journalisten geäußert haben, ist dies leider nicht selbstverständlich. Auch in diesem Punkt gibt es also Parallelen zu Malta, wo noch immer vollkommen unklar ist, wer Daphne Caruana ermorden ließ und warum.“

2. Die AfD und ihr Newsroom
(buggisch.wordpress.com, Christian Buggisch)
Als die AfD ankündigte, einen Newsroom einzurichten, gab es teilweise empörte Reaktionen. Christian Buggisch kann die Empörung nicht teilen, sondern ermuntert die anderen Parteien an dieser Stelle von der AfD zu lernen: „Durch die Professionalisierung ihrer Kommunikation mittels Newsroom-Organisation könnte die AfD ihren Reichweiten-Vorsprung gegenüber anderen Parteien weiter ausbauen. Anstatt wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren und der AfD beleidigt Propaganda vorzuwerfen, sollten sich diese Parteien einen Ruck geben und ihre Kommunikation ebenfalls professionalisieren, modernisieren und an den Zielgruppen ausrichten – und sei es, indem sie das Newsroom-Modell ebenfalls adaptieren.“

3. Microsofts Nachrichtenzentrale
(wuv.de, Holger Schellkopf)
Vom Berliner “MSN”-Newsroom aus bespielt ein internationales Team die Nachrichtenangebote von Microsoft in zehn Ländern. Seit August 2017 werkeln dort etwa 70 Mitarbeiter aus den verschiedensten Ländern an den News von “MSN”, “Bing”, “Edge” und den Inhalten diverser Apps. Holger Schellkopf erklärt auf wuv.de wie das Ganze funktioniert.

4. Von der Redaktion in den Bundestag
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Manchmal engagieren sich Journalisten neben ihrer eigentlichen Arbeit auch parteipolitisch, und manchmal werden sie sogar Berufspolitiker wie im Fall von Tabea Rößner (Grüne) und Ralf Kapschack (SPD). Im „Deutschlandfunk“-Beitrag geht es um Fragen wie: Dürfen sich Journalisten politisch einbringen? Und wie wirkt sich ihre frühere Tätigkeit auf den späteren Job als Politiker aus?

5. Spiegel online fragt nach Zweifeln am Journalismus und liefert gleich Anlass
(stefan-fries.com)
Bei „Spiegel Online“ hat man die Leser zu ihrer „Haltung zu deutschen Medien“ befragt („Ich vertraue Ihnen weitgehend / Ich misstraue ihnen eher.“) und zu ihren Informationsquellen. Stefan Fries erklärt, warum diese Art der Befragung aus seiner Sicht genau den Zweifel an der journalistischen Arbeit aufkommen lässt, den man eigentlich abfragen will.

6. Söders Sidekick: Sat.1-Moderator auf CSU-Tour
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Wenn ein Moderator von „Sat.1 Bayern“ auch bei der CSU und großen Unternehmen moderiert, wirft dies Fragen z.B. zu seiner journalistischen Unabhängigkeit oder der Glaubwürdigkeit der Nachrichtensendung auf. Boris Rosenkranz hat versucht, Antworten auf diese Fragen zu bekommen. Es war ein beschwerlicher Weg, denn Moderator, Produzent und Sender sahen an keiner Stelle Probleme. Zum Glück kann sich Rosenkranz an einen alten Moderationsausschnitt aus dem Jahr 2009 erinnern, der seine Fragen gewissermaßen beantwortet.

NetzDG-Bumerang, Seitenwechsel, Schmutziger Türkei-Deal?

1. Das #NetzDG: Ein Bumerang für Heiko Maas
(wolfgangmichal.de)
Als einen Bumerang für Heiko Maas bezeichnet Wolfgang Michal das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Das NetzDG stehe in der Tradition der Republikschutzgesetze von Weimar und richte sich eindeutig gegen rechts. Doch eine der vielen Lehren aus Weimar sei: “Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht.” Dem NetzDG könne eine ähnliche Entwicklung blühen wie dem Republikschutzgesetz: “Denn nicht immer wird der verantwortliche Minister Heiko Maas heißen und “eine Strategie gegen rechts” im Sinn haben. Irgendwann könnte “der Schutz der Republik” auch in den Händen eines AfD-Ministers liegen.”
Weiterer Lesetipp: Der Beitrag “Das überschätzte Recht” von “FAZ”-Redakteur und Jurist Hendrik Wieduwilt.

2. Europas öffentlicher Rundfunk unter Beschuss
(ndr.de, Kathrin Drehkopf, Caroline Schmidt & Jonas Schreijäg)
Mit dem Anwachsen populistischer Bewegungen in Europa wächst auch der Druck auf öffentlich-rechtliche Medien. Kathrin Drehkopf, Caroline Schmidt und Jonas Schreijäg haben in ganz Europa Rundfunkanstalten und deren Gegner besucht und ergründet, wie die verschiedenen Sender mit der Kritik umgehen. Im verlinkten Beitrag gibt es eine Übersicht ihrer ersten Eindrücke. Mehr davon dann bei “Zapp” am heutigen Mittwoch um 23:15 Uhr im NDR und später in der NDR-Mediathek.

3. In eigener Sache
(silkeburmester.de)
“Widerstand gebrochen, ich arbeite jetzt für @axelspringer”, twittert die Journalistin und frühere “taz”-Kolumnistin (“Die Kriegsreporterin”) Silke Burmester, die den Springer-Verlag stets als “Druckwerkstatt des Teufels” verdammt hatte. In einer Stellungnahme erklärt sie die Gründe für den Wechsel. Gründe, von denen sie ahnt, dass sie nicht jeder akzeptieren wird: “Deswegen steht es jedem frei, von mir enttäuscht zu sein oder mich nun richtig blöd zu finden. Das ist okay, das ist Euer, das ist Ihr Recht. Es ginge mir im umgekehrten Fall sicherlich kaum anders.”

4. Gibt es einen schmutzigen Deal?
(faktenfinder.tagesschau.de, Arnd Henze)
Ist die Freilassung des “Welt”-Journalisten Deniz Yücel an Rüstungsexporte in die Türkei gebunden, wie man Äußerungen von Außenminister Sigmar Gabriel entnehmen kann? Was hat der Minister tatsächlich gesagt? Wie ist es interpretiert worden? Wie überzeugend sind seine späteren Dementis und Erklärungen? Arnd Henze vom ARD-Hauptstadtstudio sortiert und kommentiert den Vorgang.

5. „Keine Sau beschwert sich“
(taz.de, Svenja Bergt)
Max Schrems erlangte Berühmtheit, als er von Facebook die Herausgabe seiner Daten erzwang und das EU-US-Abkommen “Safe Harbor” vor dem Europäischen Gerichtshof kippte. Im Gespräch mit der “taz” spricht der Datenschutzaktivist über seine crowdgefundete NGO, mit der er ab Mai allzu datensüchtige Unternehmen verklagen will. Zu diesem Zeitpunkt startet nämlich die “europäische Datenschutz-Grundverordnung”.

6. Michael Wolff: You Should Believe All Of “Fire And Fury”
(youtube.com, Stephen Colbert, Video, 9:19 Minuten)
Der US-amerikanische Satiriker Stephen Colbert hat mit Michael Wolff gesprochen, dem Autor des Donald-Trump-Enthüllungsbuchs “Fire and Fury”. Auf die Frage angesprochen, wie viel Dichtung und wie viel Wahrheit das Buch enthalte, entgegnet der hinsichtlich seiner Arbeitsmethoden nicht unumstrittene Wolff: “You should believe all of it.”

Weiterer Lesetipp: “Fakten oder Fiktion”, ein Fünf-Punkte-Faktencheck von “Spiegel Online”.

Bezahl-Reputation, Wumpehaftigkeit der AfD, Männer-Journalistenpreis

1. Wirtschaftspreise: Positive PR gegen Geld?
(ndr.de, Stefanie Groth & Inga Mathwig)
In der Wirtschaft ist es verbreitet, dass sich Unternehmen mit allerlei dekorativen Siegeln und Auszeichnungen schmücken. Ob “Beste Sales Performance”, “innovativstes Unternehmen im Mittelstand” oder “Top100”: All diese Auszeichnungen samt Gala und Promiauftritt kann man erhalten, wenn man die Teilnahmegebühr von bis zu 9900 Euro berappt. “Zapp” berichtet anhand eines Praxisbeispiels, was solche Auszeichnungen wert sind. Spoiler: Der ausgezeichnete Unternehmer sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft, wegen Verdachts auf Untreue und Betrug.

2. Unabhängiger Journalismus oder PR? Greenpeace-Magazin-Chef Stukenberg verteidigt Nominierung für Reporterpreis
(meedia.de, Kurt Stukenberg)
Als ein Beitrag des “Greenpeace Magazins” für den “Deutschen Reporterpreis” nominiert wurde, kam der Vorwurf auf, dass sich damit der Journalismus der interessengeleiteten PR öffne. In einem Gastbeitrag bei “Meedia” verteidigt der Chefredakteur die Nominierung und wehrt sich gegen einen kritischen “taz”-Beitrag. Das “Greenpeace Magazin” sei keine Mitgliederzeitschrift und sei redaktionell, inhaltlich und finanziell unabhängig.

3. Warum die AfD den Medien gerade wumpe ist
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek)
Es ist ein Phänomen: Vor der Bundestagswahl berichteten die Medien ausführlich über die AfD und sprangen teilweise über jedes noch so kleine hingehaltene Stöckchen. Nun, da die AfD im Bundestag sitzt, ist es erstaunlich ruhig. Arno Orzessek ordnet das Phänomen in seiner Glosse ein und erklärt, warum den Medien die AfD gerade “wumpe” ist.

4. Zahlt sich Sensationsmache aus?
(de.ejo-online.eu, Rana Khaled)
Wissenschaftler einer holländischen Universität haben untersucht, ob sich Sensationsmache auf die Sehdauer von Nachrichten-Videos auswirkt. Dazu haben sie 190 Teilnehmer unterschiedlich aufgemachte Nachrichtenbeiträge der niederländischen Hauptnachrichtensendung “Het Journaal” schauen lassen und die Sehdauer pro Beitrag gemessen. Das Ergebnis: Eine boulevardeske Aufmachung bringe die Zuschauer dazu, sich Nachrichtenbeiträge mit neutralen Inhalten länger anzuschauen. Bei negativen Inhalten aber, für die die Zuschauer sich sowieso schon interessierten, mache es keinen Unterschied. Je mehr, desto besser gelte dort also nicht.

5. Faktencheck: Wie Spiegel Online und Der Standard wegen eines Übersetzungsfehlers einer Nachrichtenagentur Fake News verbreiteten
(correctiv.org, Jacques Pezet)
Haben “Spiegel Online” und der österreichische “Standard” Fake News verbreitet, als sie über die Verhaftung einer Gruppe Rechtsradikaler in Frankreich berichteten? Dies behauptete jedenfalls die rechtsradikale Webseite “Breitbart”. In der Tat war die Nachricht falsch, was jedoch an einer Meldung der Presseagentur “AFP” lag. Agentur und Medien hätten sich nach Bekanntwerden des Fehlers entsprechend korrigiert.

6. Es ist 2017 und bei diesem Journalisten-Preis haben 100% Männer gewonnen
(buzzfeed.com, Karsten Schmehl)
Auf dem Gruppenbild des “Georg von Holtzbrinck Preises für Wirtschaftspublizistik” sieht man ausschließlich Männer. Die Organisation “Pro Quote”, die sich für mehr Frauen an der Spitze der Medien einsetzt, twitterte: “Es entsteht der Eindruck, dass auf diesem Planeten keine Frauen leben.” Und auch sonst hagelte es negative Stimmen im Netz (“Männer feiern Männer”).
Dazu passend ein weiterer Lesetipp: “ARD will Frauenanteil in Filmen und Shows erhöhen” bei “DWDL”. Und was passiert, wenn eine Frau eine Hauptrolle in einem Film spielt (wie gerade Diane Kruger in Fatih Akins neuem Film über den NSU-Komplex), kann man beispielhaft im Magazin “DB Mobil” verfolgen: Dort sei Kruger zu Problemzonen und Schönheits-Ops befragt worden, so die “taz”-Autorin Elisabeth Kimmerle in ihrer heutigen “Geht’s noch”-Kolumne.

Medien zeigen Suizid von Slobodan Praljak

Seit vielen Jahren schreiben wir hier nun schon über die Gefahren, die eine ausgiebige Berichterstattung über Suizide mit sich bringt. Manchmal, so wie heute, haben wir das Gefühl, dass sich etwas verbessert hat. Manchmal, so wie heute, haben wir aber auch das Gefühl, dass einigen Redaktionen es völlig egal ist, was der “Werther-Effekt” ist, und dass ihre Berichte und Videos im schlimmsten Fall Menschenleben kosten können.

Nachdem der “Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien” die 20-jährige Haftstrafe gegen Slobodan Praljak heute bestätigt hatte, vergiftete sich der frühere bosnisch-kroatische General selbst. Praljak sagte nach der Urteilsverkündung noch, dass er kein Kriegsverbrecher sei, und trank dann eine Flüssigkeit, bei der es sich nach Angaben seiner Verteidigerin um Gift handelte. Slobodan Praljak starb später in einem Krankenhaus.

Völlig verständlich, dass so gut wie alle überregionalen Medien über den Vorfall in Den Haag berichten.

Die Frage ist, wie die Redaktionen darüber berichten.

Süddeutsche.de zeigt beispielsweise weder ein Foto noch ein Video, auf beziehungsweise in dem Praljak das Gift nimmt. Genauso “Zeit Online”, wobei die Redaktion — anders als alle anderen — noch eine Box mit Informationen zu “Hilfe und Beratung” ans Ende ihres Artikels gestellt hat:

Screenshot Zeit Online - Menschen, die unter Depressionen leiden und Suizidgedanken haben, finden bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den kostenlosen Hotlines 0800-1110111 und 0800-1110222 rund um die Uhr Hilfe. Die Beratungsgespräche finden anonym und vertraulich statt. Angehörige, die eine nahestehende Person durch Suizid verloren haben, können sich an den AGUS-Verein wenden. Der Verein bietet Beratung und Informationen an und organisiert bundesweite Selbsthilfegruppen.

Die “taz” verwendet zur Bebilderung ihres Textes ein Standbild aus einem Video, das Slobodan Praljak kurz vor dem Trinken der giftigen Flüssigkeit zeigt. Im Artikel bei Welt.de ist ein Video eingebettet, in dem Praljak zwar im Gerichtssaal in Den Haag zu sehen ist — allerdings ist es so geschnitten, dass die Einnahme des Gifts nicht darin vorkommt. Ähnlich hat “Spiegel Online” es gelöst. Tagesschau.de zeigt, wie Praljak zum Trinken ansetzt und friert das Bild dann ein.

All diese Medien haben entschieden, den eigentlichen Suizid nicht zu zeigen.

Anders sieht es bei Bild.de, “Focus Online”, RTL.de, FAZ.net und Handelsblatt.com aus. Sie alle haben Videos veröffentlicht, in denen der Suizid von Slobodan Praljak zu sehen ist, bei Bild.de und “Focus Online” sogar mehrfach wiederholt und bei Bild.de zusätzlich noch in Zeitlupe. Die Bild.de-Redaktion hatte das Video heute tagsüber ganz oben auf der Startseite und direkt zum Anklicken platziert:

Screenshot Bild.de - Kroaten-General vor UN-Tribunal - Kriegsverbrecher stirbt nach Gift-Trunk
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Mit Dank an Peter K. und Daniel für die Hinweise!

Nachtrag, 1. Dezember: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass die “Tagesschau” in einem Facebook-Post das Video, das Slobodan Praljak bei der Einnahme des Gifts zeigt, nicht eingefroren hat. Dort ist alles komplett zu sehen. Außerdem hat auch das ARD-Studio Brüssel bei Twitter ein Video veröffentlicht, das den Suizid zeigt. Die “Deutsche Welle”, die Mitglied der ARD ist, zeigt auf ihrer Website einen Zusammenschnitt, in dem das Trinken des Gifts mehrfach zu sehen ist.

In einer früheren Version als der von uns beschriebenen scheint auch “Spiegel Online” die Gift-Einnahme gezeigt und sie erst später aus dem Video geschnitten zu haben. Auch “n-tv” und die “heute”-Redaktion des ZDF sollen Aufnahmen gesendet beziehungsweise in den Sozialen Medien gepostet haben, auf denen Slobodan Praljaks Suizid zu sehen ist.

Ausgesprochen befremdlich ist der Umgang der österreichischen “Kronen Zeitung” mit dem Vorfall in Den Haag. Dort kommentiert Kurt Steinitz, es handele sich um einen “starken Abgang wie einst von Göring”:

Ausriss Kronen Zeitung - Selbstmord eines Kriegsverbrechers: Starker Abgang wie einst von Göring

Mit Dank an Karolin, Patrick, BH, Sven P., Jörn K., Martin R., Andi W., Marco F., Isabel H., Frank S., Bullen N., Laura R., Arne C., Marcel D., Jörg S., Otto W., Wilfried S., @BchnerBuechner, @druemshausen, @fattony2k, @derAlteMannFFM, @Wirkungsmann und @bassena für die Hinweise!

Erfundener Sexmob, Influencer-Hype, Bullshit-Man-of-the-Year

1. Anklage gegen First-In-Betreiber wegen erfundenem Sexmob
(hessenschau.de, Heike Borufka)
Ein Frankfurter Gastwirt und eine weitere Beteiligte hatten Anfang 2017 gegenüber einem Journalisten der “Bild”-Zeitung behauptet, bis zu 50 arabischstämmige junge Männer hätten in der Silvesternacht in Frankfurt Frauen belästigt, Schlägereien angezettelt und Gäste beklaut. Daraufhin veröffentlichte “Bild” einen Artikel mit der Überschrift: “Sex-Mob tobte in der Freßgass”. Rund 900 “größtenteils betrunkene Flüchtlinge” seien es gewesen. Schnell war klar: Alles war erfunden. Nun kommen der Gastwirt und seine Komplizin vor Gericht.

2. Whistleblower sind keine Verräter
(sueddeutsche.de, Heribert Prantl)
Werden Whistleblower von Gesellschaft und Politik zutreffend wahrgenommen und angemessen behandelt? Heribert Prantl hat seine Zweifel: “Whistleblower sind keine Verräter, sie leiden aber oft am schlechten Ruf, den Denunzianten und Wichtigtuer haben. Whistleblower sind Leute, die in den Zeitungen oft als die Heldinnen und Helden des Alltags gefeiert werden. Aber wenn der Whistleblower der Hinweise wegen, die er öffentlich gemacht hat, von seinem Arbeitgeber entlassen oder sonst bedroht wird, braucht er Schutz — da genügen Elogen in der Zeitung nicht. Es sollte endlich ein Whistleblower-Gesetz geben, das solche Nachteile zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren hilft.”

3. Ärger gehabt mit #Spiegelonline?
(facebook.com/Freischreiber.de)
Vertreter des sich “Freischreiber” nennenden Berufsverbands freier Journalistinnen und Journalisten haben sich mit dem Ombudsmann für freie Journalisten von “Spiegel Online” getroffen. Es ging vornehmlich um die Einhaltung des Autorenvertrags. Die “Freischreiber”-Kritikpunkte an “Spiegel Online” sind unter anderem reißerische Teaser, keine Möglichkeit eines “letzten Blicks”, verspätete Veröffentlichungen und — last but not least — das ihrer Ansicht nach zu geringe Honorar.

4. #werbung #lifestyle
(zeit.de, Anja Reiter)
Beim “Influencer Marketing” machen Menschen ihren Alltag im Internet öffentlich, mischen jedoch Werbeinhalte unter, für die sie von Firmen teilweise üppig bezahlt werden. Diese geschäftstüchtigen Exhibitionisten gebe es mittlerweile in fast allen Branchen, sie würden über Mode, Tourismus oder Medizin, über Gastronomie, Autos oder Fitness schreiben. Doch wie lange hält der Hype noch an? Anja Reiter hat sich bei den digitalen Selbstdarstellern umgesehen. Weiterer Lesetipp: “Neue Liebe” in der “SZ”. Im Beitrag geht es um Frauenmagazine, die die Influencer für sich entdeckt hätten und immer öfter zu Titelhelden machen würden.

5. Wie ich die Türkei verließ, um in Deutschland Journalist zu werden
(ze.tt, Isabel Schneider)
Isabel Schneider berichtet über einen türkischen Journalisten, der vielleicht gerade noch rechtzeitig nach Deutschland flüchten konnte und nun in Hamburg Journalistik studiert. Obwohl er vorerst in Sicherheit ist, geschieht dies nicht frei von Druck: Falls er nach Ablauf seines Studentenvisums keine Arbeit in Deutschland findet, müsse er in die Türkei zurückkehren.

6. “Time”-Redaktion nennt Trump-Behauptung “Bullshit”
(spiegel.de)
Der amerikanische Präsident Donald Trump schreibt auf Twitter, dass er eine angeblich mögliche Ehrung zur “Person des Jahres” des “Time Magazine” abgelehnt hätte (“‘Time Magazine’ rief an, um zu sagen, dass ich WAHRSCHEINLICH ‘Mann (Person) des Jahres’ werde, wie vergangenes Jahr, aber ich müsste einem Interview und einem großen Fotoshooting zustimmen. Ich sagte, ‘wahrscheinlich’ nützt mir nichts und hab abgelehnt. Danke trotzdem”). Ein Verantwortlicher des “Time Magazine” antwortet: “Erstaunlich. Nicht ein Hauch von Wahrheit in der Geschichte”. Und ergänzte bekräftigend: “Totaler Bullshit.”

Deniz-Yücel-Parlamentsanfrage, Polit-Podcasts, Fakes aus Krisenregionen

1. Türkische Opposition stellt Parlamentsanfrage wegen Deniz Yücel
(welt.de)
Mehr als sieben Monaten befindet sich der Journalist und “Welt”-Korrespondent Deniz Yücel schon in Einzelhaft. Nun hat ein Abgeordneter der größten türkischen Oppositionspartei CHP im Parlament in Ankara eine kleine Anfrage gestellt, in der es u.a. heißt: “Warum wird gegen den Journalisten Deniz Yücel keine Anklageschrift erstellt, obwohl er vor rund neun Monaten in Polizeihaft genommen wurde? Warum wird Deniz Yücel in Isolationshaft gehalten und ihm eine gemeinsame Unterbringung mit anderen Gefangenen nicht gestattet?”

2. Aufs Ohr gelegt
(taz.de, Anne Fromm)
Podcasts sind weiter auf dem Vormarsch, ob Unterhaltungsformate oder solche zur Politik, wie sie jüngst von “Spiegel Online”, “Zeit Online” und “Deutschlandfunk” gestartet wurden. “taz”-Medienredakteurin Anne Fromm hat sich einen Monat angehört, was in diesem Themenumfeld von den drei genannten Medien derzeit geboten wird. (Anmerkung des “6vor9”-Kurators: Wer sich für Politik interessiert, könnte auch bei unabhängigen Formaten fündig werden wie z.B. dem “Aufwachen”-Podcast oder der “Lage der Nation”.)

3. Fakes aus Krisenregionen
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner)
Für Medien ist es nicht immer leicht herauszufinden, ob Bild- oder Videomaterial gefälscht ist. Im Beitrag des “Deutschlandfunks” geht es darum, wie das “News Lab” des Schweizer Fernsehens und das ARD-Studio Kairo mit dieser Herausforderung umgehen. Die Verifizierung von Bildern kann, trotz einschlägiger Tools, eine aufwändige Sisyphusarbeit sein, weiß ARD-Reporter Volker Schwenck in Kairo. Bei unklaren Fällen empfiehlt er zumindest den Hinweis, dass es sich um Bildmaterial aus fremden Quellen handelt. “Häufig ist die einfachste Form, dass man sagt: Die Bilder sollen dies und das sagen. Sie wurden im Internet verbreitet und könne nicht unabhängig verifiziert werden.”

4. Bietet Onlinern bessere Perspektiven!
(edito.ch, Tobias Bühlmann)
Im Schweizer Medienmagazin “Edito” erzählt Tobias Bühlmann von seinen langjährigen Erfahrungen in Online-Redaktionen. Er beklagt den schlechten Umgang der Medienhäuser mit ihren Onlinern. Diese stünden oft ganz unten in der Hackordnung, würden gering geschätzt und schlechter bezahlt. Er appelliert an die Chefs: “Hört euch um am Online-Desk, gebt den Arbeiterinnen und Arbeitern dort mehr Raum. Mehr Zufriedenheit führt zu einem motivierten Team, und dies garantiert ein besseres Produkt. Was eignet sich mehr als Alleinstellungsmerkmal in einer Medienwelt, die sich immer mehr angleicht?”

5. Keine Angst vor der Wahrheit – auch nicht unter Erdogan
(spiegel.de, Maximilian Popp)
“Spiegel Online” berichtet über den türkischen Medienunternehmer Engin Önder und dessen Internetplattform für Bürgerjournalismus “140journos”. Obwohl in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch Mitte 2016 mehr als 150 Journalisten verhaftet und zahlreiche Medienhäuser geschlossen wurden, gibt es das alternative Medienprojekt immer noch. Was womöglich daran liege, dass Önder zwar heikle Themen anpacke, aber eine neutrale Sprache verwende und Kampfbegriffe meide.

6. Sandro Schwarz knöpft sich Journalisten vor
(swr.de, Benjamin Wüst)
Das passiert nicht oft: Ein Fußballtrainer, hier der des FSV Mainz 05, Sandro Schwarz, findet die Journalisten zu zahm und wünscht sich mehr Reibung und Diskussionen: “Auch wenn dann vielleicht mal eine patzige Antwort dabei ist, das kann natürlich sein. Aber ich will den Austausch. Ich bin bereit, die Wahrheit zu sagen.”

Genötigte Journalisten, verbotene Links, rassistischer Witz

1. Erneute Vorwürfe gegen Polizei München: Beamte sollen von NDR-Journalisten Herausgabe von TV-Material gefordert haben
(meedia.de, Alexander Becker)
Aktuell gibt es mehrere Vorwürfe von Journalisten gegen die Polizei München. Alexander Becker berichtet über den Fall von NDR-Reporter Christoph Lütgert, der Mitte Oktober mit einem Kamerateam das Frauengefängnis in Stadelheim filmte. Polizisten sollen Lütgert und dessen Kollegen am Wegfahren gehindert und die Sichtung des Videomaterials gefordert haben. Als der Journalist sich weigerte, sollen die Beamten mit Beschlagnahmung gedroht haben. Gestern wurde bekannt, dass ein Zivilbeamter der Polizei München während einer Festnahme einen “Bild”-Reporter genötigt haben soll, Aufnahmen von dessen Smartphone zu löschen. Zu den Vorwürfen des NDR-Reporters hat sich die Münchner Polizei inzwischen etwas ausführlicher geäußert.

2. Müssen Journalisten transparenter arbeiten?
(spiegel.de, Sascha Lobo, Audio, 50:44 Minuten)
Vor einer Woche schrieb Sascha Lobo in seiner “Spiegel Online”-Kolumne über den Vertrauensverlust der Menschen in “‘die Medien'” und forderte unter anderem die Verlagshäuser und Redaktionen zu mehr Transparenz auf. Im Kommentarbereich unter dem Artikel und in den Sozialen Netzwerken antworteten viele Leute auf Lobos Text. Und der antwortet in seiner neuen Podcast-Folge bei “Spiegel Online” wiederum den Kommentatoren.

3. Wer verlinkt, muss nicht immer prüfen: Neue Urteile zur Linkhaftung
(irights.info, David Pachali)
Können Betreiber von Websites, die unerlaubt veröffentlichte Inhalte verlinken, allein durch den Link Urheberrechte verletzen? Durchaus, befand der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr. Das Landgericht Hamburg urteilte im November 2016 ganz ähnlich. Genau dieses Landgericht Hamburg rudert nun allerdings etwas zurück: Zwei unterschiedliche Kammern entschieden, dass es vom jeweiligen Angebot der Website abhänge, ob Links vorab auf rechtliche Probleme geprüft werden müssen.

4. der angebliche reichweiten-verlust für medien auf facebook
(danielfiene.com)
Es werde gerade eine Sau durchs Netz getrieben, schreibt Daniel Fiene und versucht, diese Sau wieder einzufangen. Sie heißt “Entdecker-Feed”, wurde von Facebook rausgejagt, und lässt Redaktionen befürchten, bald viel weniger Leute in dem Sozialen Netzwerk erreichen zu können. Jedenfalls gibt es Berichte aus dem derzeitigen Testgebiet, die leicht bedrohlich klingen. Daniel Fiene aber sagt: “Don’t panic!”

5. Das unterschätzte Massenmedium
(tagesspiegel.de, Felix Hackenbruch)
Videotext. Diese 800 Seiten mit je 25 Zeilen à 40 Zeichen — braucht die überhaupt noch irgendjemand? Täglich etwa elf Millionen Menschen in Deutschland offenbar schon. Der Videotext (oder Teletext) ist noch immer ein Massenmedium. Felix Hackenbruch hat die ARD-Teletext-Redaktion in Potsdam besucht und mit den Verantwortlichen über Kegelergebnisse und die Seite 251 gesprochen.

6. Der Comedian Faisal Kawusi hat einen tollen Witz gemacht
(twitter.com, Sophie Passmann, Video, 2:16 Minuten)
Sophie Passmann will mit uns mal kurz über deutsche Comedy reden. Konkret: Über einen Witz von Comedian Faisal Kawusi, dessen Repertoire normalerweise aus Scherzen über seine eigene Figur besteht. Nun aber hat er bei einem Auftritt einen Witz gemacht, der “nicht nur schlecht war, sondern auch rassistisch”, so Passmann. Im Video erklärt sie, wieso Kawusis Auftritt völlig daneben war. Und zwar so, dass es wirklich jeder verstehen müsste.

Rechte Reden, Lauschrausch, Irreführung mit Algen

1. “Blut und Feuer um dich – das ist Krieg”
(spiegel.de, Markus Becker)
Zum Tod der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia, die durch eine Autobombe umgebracht wurde, schreibt Markus Becker bei “Spiegel Online”: “Der Mord an einer regierungskritischen Bloggerin auf Malta erschüttert das Land, EU-Politiker reagieren entsetzt. Ändert sich jetzt etwas an den Verhältnissen in dem Inselstaat? Vermutlich nicht.” Ein kompromittiertes Rechtssystem und Polizisten, die sich über Caruanas Tod freuen, geben wenig Grund zur Hoffnung. Mehr zu dem Fall: Süddeutsche.de mit “Tod einer unermüdlichen Journalistin” und “Zapp” mit dem Videobeitrag (4:43 Minuten) “‘Malta Files’: Autobombe tötet Journalistin”.

2. Sie reden doch die ganze Zeit
(zeit.de, Mely Kiyak)
Nach dem Eklat bei der Frankfurter Buchmesse (nein, nicht dem zwischen Roberto Blanco und seiner Tochter Patricia, über den “Bild” berichtet hat, sondern dem mit den rechtsextremen Verlagen) widmet sich Mely Kiyak in ihrer Kolumne “Deutschstunde” den Klassikerfragen “Wie umgehen mit Rechten?” und “Dürfen sie reden, müssen sie reden, können sie reden?” Der Witz dabei sei, “dass sie permanent reden” würden: “Die rechtsextremen Netzwerke sind politisch, gesellschaftlich und finanziell enorm einflussreich. Es handelt sich nicht um Benachteiligte. Wer rechtsextrem ist, hat beste Chancen, gehört zu werden.”

3. Fahndungsfotos noch online: Google vs. Medien
(ndr.de, Sabine Schaper, Video, 3:50 Minuten)
Um einen mutmaßlichen Sexualstraftäter zu fassen, hatte das Bundeskriminalamt auch Fotos eines missbrauchten Mädchens veröffentlicht. Viele Redaktionen halfen dem BKA bei der Öffentlichkeitsfahndung, indem sie die Aufnahmen in ihre Onlineartikel einbanden. Nun ist der — inzwischen geständige — Täter geschnappt, und das BKA bittet, die Fotos des Mädchens zu löschen. “Zapp” zeigt, dass einige Bilder durch den sogenannten Google Cache noch immer zu finden sind. Laut Google müssten die Redaktionen aktiv werden, damit die Fotos verschwinden. Doch deren Löschanträge wurden von Google teilweise abgelehnt. Für alle, die sich das Video gerade nicht angucken können oder wollen: Hier gibt es auch einen Artikel zum Thema.

4. “Vertrauliche Quellen sind eingeschüchtert”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio, 5:12 Minuten)
Im Zuge von Telefonüberwachungen gegen das Umfeld von Fußball-Oberligist BSG Chemie Leipzig wurden auch Berufsgeheimnisträger abgehört. Soll heißen: Unter anderem wurden Journalisten bei ihrer Recherche von Polizisten belauscht. Alexandra Gerlach erzählt im Gespräch mit Sebastian Wellendorf vom Ausmaß der Abhöraktion und den Fehlern, die die sächsische Justiz zugegeben hat. Dazu auch: Süddeutsche.de mit “Lauschrausch”.

5. ExxonMobil: Mit den Algen spielen
(klima-luegendetektor.de)
In Werbeanzeigen, unter anderem erschienen in der “Berliner Zeitung”, will sich der Ölkonzern “ExxonMobil” einen grünen Anstrich geben — mit Algen, die in Zukunft Treibstoff produzieren “könnten”. “Der Klima-Lügendetektor” erinnert sich an eine ganz ähnliche, sechs Jahre alte “ExxonMobil”-Kampagne: “Was das ganze nun mit dem Klimaschutz zu tun hat? Nichts! Das erklärte zumindest im Jahr 2011 die Advertising Standards Authority ASA, die Werbeaufsichtsbehörde in Großbritanien. So wie jetzt in Deutschland hatte ExxonMobil damals auch mit seinen Algen im Vereinigten Königreich für den Klimaschutz geworben und als Lösung gefeiert, was die Werbeaufsicht als irreführend einstufte und verbot.”

6. Luftnummer (II)
(noemix.twoday.net, Michael Nöhrig)
“Auto 20 Meter in die Luft geschleudert”! “Pkw 20 Meter hochgeschleudert”! “Laut Augenzeugen wurde das Fahrzeug eines 29-jährigen Klagenfurters nach einem Crash 20 Meter in die Luft katapultiert und fiel danach wie ein Stein auf die Fahrbahn zurück”! Michael Nöhrig hat sich die Flugbahn, die in diesen Meldungen österreichischer Medien versprochen wird, mal angeschaut.

Buchmessen-Tumulte, Bundeswehr-Filmchen, Dystopie-Geschwafel

1. Dialog unmöglich
(spiegel.de, Eva Thöne)
Auf „Spiegel Online“ gibt es einen aktualisierten Beitrag über die Tumulte auf der Frankfurter Buchmesse. Hintergrund: Der Veranstalter hatte Verlage zugelassen, die man dezidiert dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zuordnen kann, was zu Protesten geführt hatte. Im Beitrag geht es um Provokation auf beiden Seiten, gewalttätige Angriffe von rechts und einen hilflosen Veranstalter.
Weiterer Lesetipp: Auch Gerald Hensel schreibt über die Vorgänge: “Chaostage auf der Buchmesse”. Er verurteile Protestaktionen, welche das Recht verletzen, wünsche sich aber von der Buchmesse mehr Haltung: “Eine Buchmesse hat Hausrecht und nicht die Aufgabe, alle Meinungen der Welt gleichberechtigt abzubilden — speziell dann, wenn sie dedizierte Gegner einer offenen Demokratie sind.”
Und zur Vervollständigung: Auf Twitter verbreiteten sich Meldungen, dass ein Frankfurter Stadtverordneter (“Die Partei”) auf der Buchmesse zusammengeschlagen worden sei, weil er gegen Nazis demonstriert hatte. Nun hat ein Fotograf ein Video veröffentlicht, das einen anderen Eindruck vermittelt. Mehr darüber bei “BuzzFeed News” unter “Dieses Video zeigt, dass der DIE PARTEI-Politiker auf der Buchmesse nicht zusammengeschlagen wurde”.

2. Feindbild Algorithmus
(zeit.de, Patrick Beuth)
In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ist von einem „Bedarf an weiterführenden Regelungen im Bereich der Algorithmenkontrolle” die Rede. Der scheidende Bundesjustizminister Heiko Maas forderte in der Vergangenheit bereits ein „Transparenzgebot für Algorithmen“. Patrick Beuth betrachtet auf „Zeit Online“ die verschiedenen Aspekte dieser Vorhaben. Die Sache ist nicht einfach. Schließlich betrifft es auch schwer zu kontrollierende, sich verändernde Algorithmen und selbstlernende Systeme.

3. Gesprächsaufklärung mit Drohnen
(taz.de, Lisa Ecke)
Auf die Bundeswehr-Serie „Die Rekruten“ auf YouTube folgt nun die Serie „Mali“. Allein die Werbung für die unterhaltsamen Propagandafilmchen lässt sich die Bundeswehr 4,4 Millionen Euro kosten. Bereits der Trailer der Serie stoße auf kritische Resonanz. So kritisiert die Vorstandsleiterin des Bereichs Schule der “Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft” die “verklärte Darstellung als Heldenstory und die fehlende Objektivität”.

4. Wer redet, riskiert einen teuren Prozess
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Die „SZ“ hat sich mit Paul Farhi, dem Medienexperte der “Washington Post“, über das Machtverhältnis zwischen dem Filmboss Harvey Weinstein und Journalisten unterhalten. Es geht um die mutmaßlichen sexuellen Übergriffe des mächtigen “Miramax”-Mitgründers Weinstein und die Frage, ob Journalisten Weinstein indirekt geholfen hätten, die Übergriffe zu vertuschen. Farhi kritisiert insbesondere den TV-Sender NBC, der im vergangenen Jahr schon einmal im Verdacht gestanden hätte, prekäre Informationen zurückzuhalten. Damals ging es um das Video, in dem Donald Trump damit angegeben hatte, Frauen belästigt zu haben.

5. Sterne für 14,95 Euro
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker)
Wie verlässlich sind Kundenbewertungen auf Onlineportalen? Wenn man Tests der Analyseseite „ReviewMeta“ Glauben schenkt, ist Vorsicht geboten: Bei einem untersuchten Fall hielt das Unternehmen nur 75 von mehr als 400 Bewertungen für glaubwürdig. Experten würden davon ausgehen, dass im großen Stil manipulierte beziehungsweise interessensgeleitete Bewertungen auf Online-Portalen kursieren. Diese stammen oft von kommerziellen Bewertungsverkäufern, die teilweise vom Ausland aus ihre zwielichtigen Dienste anbieten.

6. Narrativ intrinsische Dystopie: Die Welt der Modewörter
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff erzählt in seiner Kolumne von seinen drei Lieblings-Modewörtern. Auf Platz drei rangiert bei ihm das „Narrativ“. Der zweite Platz gehört dem Wort „intrinsisch“. Auf Platz eins steht bei ihm das in der deutschen Film- und Literaturkritik unentbehrliche, zukunftspessimistische Gesellschaftsszenario: „Sich ein Leben ohne Dystopie vorzustellen, ist für Rezensenten möglicherweise noch erahnbar, wird aber letztlich doch eher als weitgehend sinnlos eingeschätzt. Ohne Dystopie kriegt man das Bild auf seiner Schwafelei einfach nicht rund.“

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