1. Facebook schließt die Seiten von Russlands heimlicher Medienzentrale (t-online.de, Lars Wienand & Jan-Henrik Wiebe)
Facebook hat mehrere Seiten geschlossen, die von Russlands heimlicher Medienzentrale in Berlin aus gesteuert wurden. Darunter der erfolgreiche Kanal “In the Now”, der zuletzt rund vier Millionen Fans auf Facebook hatte. Die Begründung sei offenbar, dass in den Profilen die Verbindungen zum russischen Staat verschleiert worden sei.
Weiterer Lesehinweis zum Hintergrund: Mitten in Berlin: Russlands heimliche Medienzentrale in Europa (t-online.de, Jan-Henrik Wiebe).
2. 2018 gingen in den USA über 15.000 Medien-Jobs verloren (wuv.de, Franz Scheele)
Laut der Analyse einer amerikanischen Outplacement-Firma wurden in der amerikanischen Medienbranche (Fernsehen, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Publishing allgemein und Kino) vergangenes Jahr mehr als 15.000 Arbeitsplätze abgebaut. Wesentlicher Grund dafür seien die um Werbeerlöse konkurrierenden Tech-Konzerne wie Google, Facebook und Amazon sowie die zunehmende Nutzung von Werbeblockern. Paywalls als zusätzliche Einnahmequelle hätten die Verluste nicht abfedern können. 2019 scheint nicht besser zu werden: Das “Reuters Institute” rechne für 2019 mit der “größten Entlassungswelle für Journalisten seit Jahren”.
3. “Sie müssen sich für Ihre Taten verantworten” (tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
“Tagesspiegel”-Reporter Sebastian Leber ist ins Visier von Reichsbürgern geraten und sieht sich zahlreichen Angriffen und Beschimpfungen ausgesetzt: “In den vergangenen Tagen habe ich versucht, einige der Nachrichten zu beantworten. Es hat sich bestätigt, was ich schon bei früheren Gesprächsversuchen erleben musste — als mir ein Verschwörungstheoretiker etwa weismachen wollte, die Erde werde im Geheimen von Satanisten beherrscht, aber auch von Juden, aber auch von Außerirdischen, aber auch von Chinesen, aber auch von Illuminaten. In hellen Momenten war der Mann bereit zuzugeben, dass vermutlich nicht alle Theorien gleichzeitig stimmen konnten. Doch er zog daraus keine Konsequenzen, er hatte schließlich jede einzelne Theorie im Internet gelesen, sie stimmten also.”
4. DJV kritisiert Vorgaben für Fotografen (taz.de, Frederik Schindler)
Bildjournalisten könnten es bei Veranstaltungen der katholischen Kirche bald schwerer haben: Laut Deutschem Journalisten-Verband (DJV) versuche die katholische Kirche derzeit, Fotojournalisten vorzuschreiben, in welcher Weise bei kirchlichen Veranstaltungen fotografiert oder gefilmt werden darf. In einem der “taz” vorliegenden Vorstandsbeschluss fordere der DJV die katholische Kirche in Deutschland auf, “die Arbeit von Bildjournalistinnen und Bildjournalisten nach den bewährten Grundsätzen des Presse- und Fotorechts ohne weitere Einschränkungen zu gewährleisten”.
5. Wie Google und Amazon die Wikipedia gefährden (sueddeutsche.de, Adrian Lobe)
Wikipedia kassiert Millionen Euro Spenden von Plattformen wie Google und Amazon, die jedoch auch massiv von den kostenlos zur Verfügung gestellten Daten profitieren. So bezieht Amazons Sprachassistentin Alexa ihre Informationen unter anderem aus Wikipedia. Adrian Lobe stellt die Frage, “ob die Datenverarbeitung mit den angesichts der Milliardenumsätze der Tech-Konzerne eher mickrigen Spenden abgegolten ist — und wie die kommerzielle Nutzung mit dem Commons-Gedanken der Wikipedia vereinbar ist. Die Idee des Gemeinguts beruht ja gerade auf der Nichtexklusivität, auf der nicht kommerziellen Nutzung von Inhalten. Werden die freiwilligen Autoren und Helfer ausgebeutet, wenn sich gewinnorientierte Konzerne an dem Wissensschatz wie an einem Steinbruch bedienen?”
6. Studie: YouTube verantwortlich für Verbreitung von Flat-Earth-Bewegung (heise.de, Tilman Wittenhorst)
Ja, es gibt sie tatsächlich: Menschen, die an die Flat-Earth-Theorie glauben, wonach die Erde, nun ja, flach ist. Jetzt hat eine Studie herausgefunden, dass die meisten der befragten Plattheitsverfechter erst durch Youtube auf die Theorie gestoßen seien. Flacherdler, die es laut einem bekannten Bonmot, anscheinend rund um die Welt gibt.
1. Warum “linksgrün versifft”? (spiegel.de, Margarete Stokowski)
“Spiegel”-Kolumnistin Margarete Stokowski denkt über die Besonderheiten rechter Sprache nach, in der Formulierungen wie “links-/rotgrün versifft” auftauchen. Derlei Begriffe seien in einem historischen Kontext zu sehen, wobei nicht jeder Verwender derartiger Vokabeln durch und durch ein Faschist sei: “Aber wenn man schon genau sein will, dann muss man auch sehen, dass heute Begriffe in die Alltagssprache sehr vieler Menschen übergegangen sind, die direkt aus dem Faschismus kommen und bei denen sich eine klare Linie zu Hitler ziehen lässt, die offensichtlicher ist, als viele sich wohl wünschen würden, die heimlich immer noch auf einen Führer warten, der sie an die Hand nimmt.”
2. Eine Frage der Ressourcen (taz.de, Wilfried Urbe)
Gleich vier Kinder-Fernsehprogramme buhlen um die Gunst der jungen Zuschauer, doch die Angebote werden von Kritikern bemängelt, vor allem hinsichtlich Qualität und Vielfalt. Medienexpertin Gudrun Sommer kritisiert: “Es wird vorrangig ein bestimmter Ausschnitt der Gesellschaft gezeigt, Hauptschüler*innen beispielsweise kommen, wenn überhaupt, nur problematisiert vor. Die Vielfalt junger Lebenswelten, jenseits von Berlin oder Köln, und jenseits der herkömmlichen Geschlechterstereotypen findet sich höchstens marginalisiert im Kinderfernsehen wieder.”
3. Wenn der Druck zu groß wird (de.ejo-online.eu, Alice Antheaume)
Französischen Journalistinnen und Journalisten, die über die Gelbwesten-Bewegung berichten, scheint es derzeit so zu gehen wie ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen in der Hochblüte der “Pegida”-Versammlungen: Die Feindlichkeit ist teilweise so heftig, dass sie die Logos ihrer Medienhäuser auf ihren Mikrofonen verstecken. Gleichzeitig soll mit knappem Personal möglichst rund um die Uhr berichtet werden. Ein Druck, der seinen Tribut fordert.
Weiterer Lesetipp: Bei den Gelbwesten haben die traditionellen Medien einen schlechten Ruf. Ihr Held ist ein junger Live-Reporter (nzz.ch, Nina Belz).
4. Queer in den Medien: Homosexualität ist keine Privatsache und Stonewall war keine Online-Petition! (nollendorfblog.de, Johannes Kram)
Etwa 150 Medienschaffende haben die “Queer Media Society” gegründet, unter anderem, um die Präsenz der LGBTI-Community in den Medien zu verbessern. Johannes Kram spricht in seiner Eröffnungsrede über die Wahrnehmung in Medien und Unterhaltungsindustrie und über die damit verbundenen Widersprüche und Dilemmata: “Wir wollen endlich als ganz normale Charaktere sichtbar sein, die nicht vor allem ihr Anderssein zur Schau stellen. Einerseits. Denn andererseits haben wir darum gekämpft, endlich anders sein und auch stattfinden zu dürfen! Wir wollen endlich, dass Homo- oder Transsexualität nicht immer nur als Problem, sondern als Normalität gezeigt wird. Einerseits. Denn andererseits wollen wir, dass endlich unsere Opfergeschichten angemessen gezeigt werden. Wir wollen, dass es egal ist, ob eine Figur LGBTI ist. Anderseits wollen wir zeigen, dass, und wo es eben nicht egal ist. Wir wollen keine Klischees, keine Stereotypen mehr sein. Aber andererseits sind viele dieser Stereotype auch ikonenhafte Ergebnisse und auch Erfolge von Queer Culture! Wir wollen, dass es nicht immer um Sex geht. Andererseits haben wir auch dafür gekämpft, dass wir keine bürgerlichen, aseptischen Homos mehr sein müssen!”
Weiterer Lesetipp: “Queer Media Society” gegründet: Für mehr Diversität in den Medien (tagesspiegel.de, Tilmann Warnecke).
6. Klick durchs Museum (sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Beim Fernsehsender ZDFkultur soll heute eine virtuelle Kunsthalle eröffnet werden mit Werken, die der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglich sind. Aber auch sonst tut sich viel bei dem Spartensender, der einen Relaunch mit 15 Eigenproduktionen und interaktiven Tools hinlegt. Siehe dazu auch: Comeback im Digitalen: Das kann das neue ZDFkultur (dwdl.de, Timo Niemeier) und die dazugehörige Formatübersicht.
1. “Erzähltes muss natürlich stimmen” (taz.de, Markus Kowalski)
Michael Haller leitet das Europäische Institut für Journalismus- und Kommunikationsforschung und ist der Verfasser mehrerer Standardwerke des Journalismus, darunter auch der Lehrbuchklassiker “Die Reportage” (siehe dazu auch Stefan Niggemeiers wichtigen Text auf “Übermedien”: Die Reportage: Manipulationen nach Lehrbuch). Die “taz” hat mit Haller anlässlich des Falls Relotius (beziehungsweise des Falls “Spiegel”) über das Reportageformat gesprochen: Was ist zulässig, was nicht? Haller versteht angeblich gut, “wenn man hier heute strenger denkt”. Angeblich, weil es an anderer Stelle des Interviews scheint, als ob diese Einsicht nicht vollständig bei ihm angekommen ist: “Und ich vermute, manche Redaktion wird jetzt ihren Reportern ganz pingelig vorschreiben: Wenn der Satz nicht in dieser Situation von dieser Person so gesagt wurde, musst du ihn weglassen.”
2. Wie Fake News und alternative Medien die Unabhängigkeit der Branche bedrohen (ard-wien.de, Vera Gasber, Video: 4:30 Minuten)
Das ARD-Studio Wien hat mit der Autorin Ingrid Brodnig (unter anderem “Hass im Netz”) über die zunehmende Wut bestimmter Personengruppen auf Journalisten und Journalistinnen gesprochen und darüber, wie man ihr begegnen kann: “Wie eine Gesellschaft mit ihren Journalisten umgeht, ist ein guter Gradmesser, wie gesund eine Gesellschaft ist. Und ich würde sagen in den letzten Jahren ist es schlechter geworden.”
3. Lokaljournalismus mit Herz und Relevanz (journalist-magazin.de, Hannah Suppa)
Im Medienmagazin “journalist” kommt Hannah Suppa zu Wort, Chefredakteurin der “Märkischen Allgemeinen Zeitung” (“MAZ”), der größten Tageszeitung in Brandenburg. Suppa hat sieben lesens- und bedenkenswerte Thesen für den Lokaljournalismus der Zukunft entwickelt, der das Digitale nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung sieht: “Nicht das Digitale ist schuld an der Erosion des Geschäftsmodells. Im Gegenteil: Es serviert uns die Lösung auf dem Silbertablett. Digitales Denken führt uns im Journalismus näher zum Leser zurück — und gibt uns die Chance, mit ihm noch einmal neu zu starten.”
Lesetipp am Rande: Was im Lokaljournalismus schiefgehen kann, zeigt Fastnachtsfiasko in der MAZ — Ein offener Brief (stuecken.de).
4. BR-Rundfunkrat lehnt Helmut Markwort ab (t-online.de)
Der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks hat den ehemaligen “Focus”-Chef und jetzigen FDP-Abgeordneten Helmut Markwort wegen möglicher Interessenkonflikte abgelehnt. Grund seien Markworts Beteiligungen an und seine geschäftlichen Aktivitäten bei privaten Radiosendern. Markworts Polterantwort: “Der Bayerische Rundfunk will sich seine Kontrolleure selbst aussuchen”.
5. Das Sterben der Netzsendungen (blog.wdr.de, Dennis Horn)
Dennis Horn beklagt das Sterben der Netzsendungen. In letzter Zeit hat es bekannte Formate wie “Trackback” und das “Chaosradio” (beide Radio Fritz/rbb) erwischt, zu früheren Zeiten Sendungen wie den “WDR Computerclub”, das 3sat-Magazin “neues” oder den “Elektrischen Reporter” bei ZDFinfo. Horn kommentiert: “Ich halte das für ein Problem: Mit diesen Sendungen und Formaten stirbt auch die Tiefe, die digitale Themen brauchen. Schließlich hat die digitale Welt weitreichende Folgen für unseren Alltag, für Gesellschaft, Politik und Recht. Es geht um Themen, die uns alle betreffen und die übrigens immer wieder zu denen gehören, die vom Publikum am erregtesten diskutiert werden. Netzthemen sind keine Nerdthemen.”
6. “Ligue du LOL” – Facebook-Club für Frauenhass (spiegel.de, Sonja Peteranderl)
Ein erschütternder Fall von Onlinemobbing hat sich in Frankreich ereignet. Dort haben sich Männer in einer Facebook-Gruppe zusammengerottet und digitale Attacken vor allem gegen Frauen koordiniert. Zu den organisierten Frauenbelästigern gehörten unter anderem Journalisten, Werber, Grafikdesigner und Informatiker.
1. Kein Kampf: Roland Tichy macht sich zum Opfer (uebermedien.de. Stefan Niggemeier)
Der Publizist Roland Tichy (“Tichys Einblick”) ist von der Mediengruppe Madsack abgemahnt worden. Nach Informationen von “Übermedien” sei das Unternehmen im Kern gegen zwei Tatsachenbehauptungen Tichys vorgegangen: Dass die SPD bestimme, was in den Zeitungen der Gruppe stehe, und dass es sich bei den Madsack-Medien um “SPD-Medien” handele. Daraufhin löschte Tichy den Artikel und inszenierte sich in einem neuen Beitrag als unschuldiges Zensur-Opfer. Eine Strategie, die Stefan Niggemeier mit deutlichen Worten kritisiert: “Tichys ursprünglicher Artikel war ein übles Machwerk, aber seine Reaktion auf die Abmahnung ist besonders perfide. Er wird wissen, warum er eine juristische Auseinandersetzung scheut: Er müsste all seine forschen und extrem aggressiv formulierten Behauptungen von der Parteipropaganda belegen, die die SPD zentral gesteuert über Medien wie das RND verbreite.”
2. Ein Verdacht ist schnell in der Luft (faz.net, Jochen Zenthöfer)
Jochen Zenthöfer kritisiert die Berichterstattung des “Spiegel” über die Plagiatsvorwürfe gegen Familienministerin Franziska Giffey. Diese sei laut “Spiegel” wegen ihrer politikwissenschaftlichen Dissertation ins “Visier der Plagiatsjäger” geraten. Zenthöfer kommentiert: “Ehrlicher müsste man wohl sagen: Giffey ist ins Visier des “Spiegel” geraten, der nicht abwarten konnte, bis die Plagiatsprüfung zuerst zu Ende geführt wird.”
3. Gutachten: Macht den Journalismus gemeinnützig! (netzwerkrecherche.org, Thomas Schnedler)
Ein im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung erstelltes Gutachten empfiehlt, den Journalismus steuerrechtlich als gemeinnützig anzuerkennen. Kommt die vorgeschlagene Gesetzesänderung zur Umsetzung, schaffe dies auch Rechtssicherheit. Bislang mussten journalistische Institutionen wie die “Kontext:Wochenzeitung”, das Recherchezentrum “Correctiv” oder das Online-Magazin “MedWatch” Umwege bemühen, um von den Finanzbehörden als gemeinnützig anerkannt zu werden. Was die Umsetzung auf Bundesebene anbelangt, geben sich die Gutachter optimistisch: “Das politische Klima der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages scheint für eine Gesetzgebungsinitiative günstig.”
5. Wissenschaftler wollen Merkels Facebook-Seite für Nachwelt erhalten (spiegel.de)
Angela Merkel hat sich von Facebook verabschiedet und ihre Seite mit immerhin 2,5 Millionen Likes abschalten lassen, was von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kritisch gesehen wird. So fordert der Bibliotheksjurist Eric Steinhauer, dass die Seite zumindest sichtbar im Netz hätte bleiben müssen: “Jedermann sollte noch auf das Konto zugreifen können.”
6. Trumps Feind ist unser Feind (taz.de, Jürn Kruse)
Amazon-Chef Jeff Bezos wirft dem “National Enquirer” Erpressung vor. Es sei ihm per Mail mit der Veröffentlichung von privaten Nachrichten und intimen Fotos gedroht worden, die er anscheinend mit seiner neuen Lebensgefährtin ausgetauscht hatte. Die Hintergründe dazu lesen sich wie der Plot zu einer neuen Netflix-Serie.
1. Ein anderer Ausschnitt macht noch kein anderes Bild (lto.de)
Dazu gehört schon eine Menge Dreistigkeit: Obwohl es “Bild” gerichtlich untersagt wurde, das Foto einer “G20-Plünderin” zu zeigen, druckte das Blatt ein sehr ähnliches Foto erneut ab und titelte frech: “Bild zeigt die Fotos trotzdem — Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin”. Die Uneinsichtigkeit kostet “Bild” ein nun auch vom Oberlandesgericht Frankfurt bestätigtes Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro.
2. Deutscher Reporter in Haft: Kaum Solidarität mit Billy Six (uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Seit zweieinhalb Monaten sitzt der für rechte Medien arbeitende, deutsche Journalist Billy Six in Venezuela im Gefängnis. Gab es bei der Inhaftierung von Deniz Yücel noch Auto-Korsos, Soli-Konzerte, Titelseiten, Zeitungsanzeigen und Aufrufe von Politikern, Künstlern, Intellektuellen, herrscht bei Billy Six ziemliche Stille. Boris Rosenkranz erklärt, warum der Fall Six dem Fall Yücel ähnelt und warum doch alles etwas anders ist.
3. Warum “Bild Politik” zum Flop werden könnte (haz.de, Imre Grimm)
Der Verlag Axel Springer wirft ein neues wöchentliches Heft auf den Markt: Die am Freitag erscheinende, 50 Seiten starke und 2,50 Euro teure “Bild Politik”. Imre Grimm fragt sich, ob sich der Verlag mit “Bild Politik” und der “Bild”-Zeitung nicht selbst kannibalisieren könnte. Und ist auch ansonsten skeptisch, was den Erfolg von Springers Polit-Postille anbelangt: “Wenn aber “Bild” und “Bild am Sonntag” mit ihrem streitlustigen Journalismus schon derart rasant an Zuspruch verlieren — wen genau will “Bild Politik” dann mit seiner sanfteren Spielart der Politemotion erreichen? Gefühle und Fakten? Mit dem Grundsatz “Fakten, Fakten, Fakten — und immer an die Leser denken” sind schon ganz andere gestartet. Und inzwischen tief in der publizistischen Irrelevanz versackt.”
4. Wie westliche Journalisten über Afrika berichten (de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
Ist die Afrikaberichterstattung westlicher Medien tatsächlich undifferenziert, einseitig und eurozentrisch, wie es oft heißt? Ein Wissenschaftler der Stanford University ist dieser Frage nachgegangen und hat dazu 282 Artikel aus acht britischen und französischen Zeitungen untersucht.
5. Spezialisierte Newsletter als Einnahmequelle (deutschlandfunk.de, Grit Eggerichs, Audio: 5:41 Minuten)
Der “Tagesspiegel” hat eine neue Einnahmequelle entdeckt: Spezialisierte Newsletter, die sich an Politiker, Unternehmer und Entscheider richten. Grit Eggerichs hat sich die Idee genauer angesehen und geht dabei auch auf die “Politico”-Newsletter ein, die in Europa von etwa 45.000 Abonnenten gelesen werden.
6. Was Relotius uns noch zu sagen hätte (faz.net, Anna-Lena Ripperger)
Marie Kilg hat einen Twitter-Bot gebaut, der den Reportage-Stil des ehemaligen “Spiegel”-Redakteurs Claas Relotius parodiert. Im Interview mit der “FAZ” spricht sie über die Funktionsweise von @ROB0TIUS und ihre Beweggründe bei dem Projekt: “Ich will mit den Bots, die ich mache, zeigen, dass sie nicht nur für russische Propaganda gut sind, sondern dass sie auch witzig sein können.”
1. Asylsuchender gewinnt – teilweise (taz.de, Markus Kowalski)
Das Hamburger Landgericht hat entschieden: “Bild” darf Teile eines Artikels über den Asylsuchenden Alassa M. nicht weiter verbreiten. Das gehe aus einer einstweiligen Verfügung gegen den Springer-Verlag von Ende Januar hervor, die der “taz” vorliege (zum Hintergrund: Ein unfassbarer Fall). In allen anderen Punkten wies das Gericht jedoch den Antrag des Asylsuchenden ab. “taz”-Autor Markus Kowalski erklärt die Entscheidung des Gerichts und die Beweggründe, warum sich Alassa M.s Anwalt damit nicht abfinden will.
2. Zensur und Selbstzensur (faktenfinder.tagesschau.de, Sebastian Schreiber)
Für US-Forscher hat sich unter Donald Trump vieles verändert. Eine Forschergruppe hat 80 Angriffe auf wissenschaftliche Prozesse in Regierungsorganisationen dokumentiert, darunter die Umweltbehörde EPA und die Wetterbehörde NOAA. Forscher seien von der politischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen, wissenschaftliche Texte zensiert und Studien eingeschränkt worden. Nun ruht alle Hoffnung auf einem neuen Berater im Weißen Haus.
3. Steigende Kosten bei der Zeitungszustellung (deutschlandfunk.de, Vera Linß, Audio: 5:29 Minuten)
Zeitungsverlage haben es in Deutschland nicht leicht: Sinkende Werbeerlöse sorgen für sinkende Auflagen. Und nun will die Deutsche Post auch noch die Zustellkosten erhöhen. Gleichzeitig steigen die eigenen Vertriebskosten durch die verordnete schrittweise Einführung des Mindestlohns. Entsprechend groß ist das Wehgeschrei von Verlagen und Zeitungsverlegerverband.
4. Gericht sieht keine Belege für Diskriminierung von ZDF-Reporterin (uebermedien.de, Juliane Wiedemeier)
Die ZDF-Reporterin Birte Meier hat vor Gericht eine bittere Niederlage hinnehmen müssen. Das Berliner Landesarbeitsgericht, an das sich Meier wegen angeblicher Frauendiskrimierung gewandt hatte, wies ihre Klage ab. Ein Kausalzusammenhang zwischen Gehalt und Geschlecht sei nicht belegt worden, so die Richterin. Wer sich für die Hintergründe interessiert: Im “Übermedien”-Beitrag gibt es Links zur Vorgeschichte.
5. Artikel 13 ist wieder auf der Zielgeraden – und er ist schlimmer als je zuvor (juliareda.eu)
Kurzfristig standen die Verhandlungen um die neue EU-Urheberrechtsreform und insbesondere den umstrittenen Artikel 13 (“Uploadfilter”) still, doch jetzt sieht es so aus, als könnte alles viel schlimmer kommen als befürchtet. Ein geleakter deutsch-französischer Deal sehe vor, dass Artikel 13 für alle profitorientierten Plattformen gilt. Damit müssten unzählige völlig harmlose Apps und Websites Uploadfilter installieren, selbst wenn die Plattform bisher überhaupt kein Problem mit Urheberrechtsverletzungen gehabt habe. EU-Urheberrechts-Expertin Julia Reda: “Der deutsch-französische Kompromiss zu Artikel 13 verlangt, dass fast alle unsere Posts oder geteilten Inhalte online von einer “Zensurmaschine” — Algorithmen, die grundsätzlich nicht dazu in der Lage sind, zwischen Urheberrechtsverstößen und legaler Nutzung für Parodie oder Kritikzwecke zu unterscheiden — vorab Existenzerlaubnis erhalten. Es würde diesen Rechteinhabern erlauben, jede profitorientierte Website oder App mit Uploadfunktion zu drangsalieren.”
6. Der Prinz und der Pöbler (spiegel.de, Isabell Hülsen & Marc Pitzke)
Der 38-jährige “New York Times”-Verleger Arthur Gregg Sulzberger schwimmt auf einer Erfolgswelle: Die Zahl der Abos habe sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, und die Redaktion sei mit 1500 Journalisten so groß wie nie zuvor. Das liege an vielen klugen und glücklichen unternehmerischen Entscheidungen, aber auch an der Auseinandersetzung mit Donald Trump.
1. Whistleblower oder Hacker? (tagesschau.de, Andreas Bellinger & Hendrik Maaßen)
Seit einigen Jahren erschüttern die “Football Leaks” die Fußballwelt. Der bislang unbekannte Informant “John” hatte rund 70 Millionen teils vertrauliche Dokumente dem “Spiegel” übergeben, die das Nachrichtenmagazin mit dem NDR und dem Recherchenetzwerk EIC teilte. Hinter dem Tarnnamen “John” steckt der 30-jährige Portugiese Rui Pinto, der am 16. Januar verhaftet wurde und mittlerweile in Budapest unter Hausarrest steht. Bis etwa Mitte März muss Ungarns Justiz über einen Auslieferungsantrag Portugals entscheiden. Sollte dieser positiv entschieden werden, könnte es für Pinto gefährlich werden: “Ich fürchte, dass, wenn ich ein portugiesisches Gefängnis betrete, vor allem eines in Lissabon, ich dort nicht lebend herauskomme.”
2. Gute Nachrichten! (blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Eine katholische Religionslehrerin hat zusammen mit ihren Grundschülern einen Brief an die ARD-Nachrichtenredaktion verfasst. Die Botschaft: Die “Tagesschau” verbreite zu viele schlechte Nachrichten. “Manche von uns können deshalb nicht mehr gut schlafen”. Man wünsche sich mehr “gute Nachrichten”. “ARD-aktuell”-Chefredakteur Kai Gniffke hat den Kindern geantwortet.
3. Episode 28: Live in Berlin (mit Stefan Niggemeier) (soundcloud.com, Lukas Heinser & Friedrich Küppersbusch, Audio: 73:15 Minuten)
Ex-BILDblog-Chef Lukas Heinser und der Journalist und TV-Produzent Friedrich Küppersbusch haben die neueste Folge ihres Podcasts vor Live-Publikum aufgenommen. Ab Minute 37 mit dabei: Der ebenfalls ehemalige BILDblog-Chef und “Übermedien”-Mitgründer Stefan Niggemeier, der sich anlässlich des Falls Relotius an seine Zeit beim “Spiegel” erinnert.
4. Hirsebrei für den Generaldirektor (bstu.de, Philipp Springer, Video: 2:56 Minuten)
Am 15. Juni 1971 erschien in der von der SED gelenkten Bezirkszeitung “Freies Wort” ein Artikel, der sich mit dem Aufbau des Sozialismus in der thüringischen Stadt Schmalkalden beschäftigte. Dort wurde unter anderem von einem verdienten Generaldirektor eines örtlichen Betriebes berichtet. Einem Generaldirektor, “der früh um halb fünf an der Arbeit ist und abends um neun seine Frau anruft, sie solle die Hirse warmmachen, in einer halben Stunde sei er zu Hause”. Dieses Detail empörte einen anonymen Leserbriefschreiber: “Das kann man im Kindergarten erzählen, aber doch nicht Erwachsenen vorsetzen.” Das Ministerium für Staatssicherheit archivierte die “Tatschrift”, stieg aber nicht in weitere Ermittlungen ein, was möglicherweise auch an den fehlenden technischen Voraussetzungen lag.
5. Focus Online löscht Artikel von Osthessen News (der-freigeber.de, Jens Brehl)
Nach Informationen des “Freigebers” Jens Brehl hat “Focus Online” verschiedene von einem Medienpartner gelieferte Artikel gelöscht, von denen Brehl zuvor zwei als Verstöße gegen den Pressekodex bemängelt hatte: Bei einem Beitrag über den Besuch eines Grünen-Politikers habe es sich um eine nicht gekennzeichnete Pressemitteilung gehandelt, ein Beitrag über die Rabattaktion eines Autohauses habe den Verdacht auf Schleichwerbung nahegelegt.
6. N-tv-Chef: “Wir brauchen mehr Luft zum Atmen” (wiwo.de, Peter Steinkirchner)
Hans Demmel, Chef des Nachrichtensenders n-tv, sieht sich von den öffentlich-rechtlichen und gebührenfinanzierten Sendern bedroht: “Wir brauchen als Privatsender mehr Luft zum Atmen. Deshalb fordern wir von der Politik, dass sie den Auftrag von ARD und ZDF endlich neu so definiert und schärft, dass wir endlich zu einer Reduzierung des Angebots kommen.” Seiner Meinung nach sollten sich die Sender auf die Kernbereiche Bildung, Information und Kultur konzentrieren: “Wir fordern, dass diese Inhalte 75 Prozent des Angebots und der Budgetverwendung ausmachen sollen.”
1. Erfindungen sind nicht zu rechtfertigen! (zeit.de, Andreas Wolfers)
Andreas Wolfers leitet die Henri-Nannen-Journalistenschule, die von Gruner+Jahr, dem Spiegel-Verlag und dem Zeitverlag getragen wird. Der Fall Relotius hat bei Wolfers einige grundsätzliche Fragen aufgeworfen: Handelte es sich um ein systemisches Versagen? Hat das Reportage-Format noch eine Berechtigung? Was wird dazu an Journalistenschulen gelehrt? Und was kann getan werden, um Vertrauen zurückzugewinnen? Wolfers setzt auf Transparenz: “Vor allem Journalisten, die Geschichten erzählen, sollten mehr davon offenbaren, wie diese Geschichten zustande gekommen sind. Kein anderes Genre verlangt einen höheren Vertrauensvorschuss ab als die Reportage. Weil ihr Wahrheitsgehalt sich, anders als etwa bei einer Nachricht, so schwer überprüfen lässt, all diese flüchtigen Momente, beiläufigen Zitate, biografischen Details unbekannter Menschen.”
2. Russland attackiert t-online.de – Journalistenverbände weisen Kritik zurück (t-online.de)
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums hat mehrere deutsche Medien, darunter auch t-online.de, scharf attackiert. In Deutschland gebe es eine staatlich gesteuerte Verfolgung russischer Medien, so der Vorwurf. t-online.de-Chefredakteur Florian Harms weist die Kritik entschieden zurück: “Selbstverständlich sind wir weder staatlich gesteuert noch ‘verfolgen’ wir russische Medien. Wir berichten unabhängig und gründlich, aber kritisch über den Einfluss russischer Medien und des russischen Staates in Deutschland. Dass dies manchen Stellen in Russland nicht gefällt, liegt auf der Hand.” Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Organisation “Reporter ohne Grenzen” wiesen die Vorwürfe zurück.
3. Instagram-Storys: Die kreative Art des Geschichtenerzählens (fachjournalist.de, Bernd Oswald)
In den sozialen Netzwerken, aber vor allem auf Instagram, erfreut sich die Story-Funktion großer Beliebtheit. Bernd Oswald gibt am Beispiel Instagram einen Überblick über die wichtigsten Gestaltungselemente und zeigt, wie man sie für kreatives Storytelling verwendet.
Weiterer Lesehinweis: Benedikt Frank erklärt auf Süddeutsche.de, welche Social-Media-Beiträge gegebenenfalls als Werbung gekennzeichnet werden müssen und wie diese Kennzeichnung auszusehen hat: Preis der Bilder.
4. Whistleblower verdienen vollen Schutz (djv.de, Sebastian Huld)
DJV-Sprecher Sebastian Huld kommentiert die geplante Richtlinie zum Whistleblowerschutz: “Problematisch ist auch, dass hier erneut eine Beweislastumkehr droht. Whistleblower müssten möglicherweise nachweisen, dass ihr Geheimnisverrat den Vorgaben entsprach. Aber welches Unternehmen oder Aufsichtsbehörde würde von sich aus einräumen, dass die Verantwortlichen im Fall einer ordentlichen Missstandsmeldung untätig geblieben wären?”
5. In eigener Sache: …und tschüss! (vginfo.org)
Die VG-Wort-Aufklärer von “VG Info” machen Schluss. In den Abschied mischt sich Frust über das Verhalten von Politik und Interessenvertretern: “Man hätte erwarten sollen, dass die Politik nach dem Urteil die VG WORT dazu drängt, endlich eine rechtmäßige Verteilung der treuhänderisch verwalteten Gelder sicherzustellen. Stattdessen hat sie alles dafür getan, den Autoren das Geld, das ihnen der BGH zugesprochen hat, so schnell wie möglich wieder wegzunehmen. Man hätte erwarten sollen, dass die Autorenvertreter und Gewerkschaften alles dafür tun, dass die Rechte der Autoren gewahrt bleiben. Stattdessen haben sie alles dafür getan, sich mit den Verlegern zusammen dagegen zu wehren, dass Urheber in Zukunft mehr Geld von den Verwertungsgesellschaften bekommen.“” BILDblog dankt “VG Info” für die bisherige Aufklärungsarbeit und wünscht den Betreiberinnen und Betreibern alles Gute!
6. Der Fall Miguel Pablo: Was wir vom heftigsten YouTuber-Absturz Deutschlands lernen können (motherboard.vice.com, Sebastian Meineck)
Miguel Pablo versorgt auf Youtube mehr als 750.000 Abonnenten mit Filmchen wie “24 Stunden ins Freibad einbrechen! (nachts)” oder “Ich rasiere mir meine Haare ab!” Wie sich Ende vergangenen Jahres herausstellte, hat der Youtuber massive psychische Probleme, spricht selbst von Psychose und Schizophrenie. Der Journalist Sebastian Meineck ist der Sache nachgegangen: “Der Fall Miguel Pablo zeigt mehr als das Schicksal eines einzelnen YouTubers. Er zeigt, wie die Beziehung zwischen Influencern und Fans durch soziale Medien eskalieren kann und wie die Neugier der Fans YouTuber unter Druck setzt. Der Fall zeigt auch, wie es ist, wenn Influencer nicht aufhören können, viel von sich zu zeigen — selbst, wenn sie sich mit ihrer Selbstentblößung schaden.”
1. taz zwingt Bayer in die Knie (taz.de, Jost Maurin)
Als der Chemiekonzern Bayer der “taz” eine satirische Titelseite zum Pestizid Glyphosat verbieten lassen will, kehrt die Zeitung den Spieß um und kontert mit einer sogenannten “negativen Feststellungsklage”. Das Ziel: Die offizielle Feststellung, dass die Zeitung die Titelseite verbreiten und der Konzern nicht das Gegenteil verlangen darf. Nachdem die “taz” die Klage vorgelegt hatte, gab der Chemieriese auf und verpflichtete sich, nicht gegen die Berichterstattung vorzugehen. “taz”-Justiziar Eisenberg kommentiert: “Die Kosten hat die Beklagte zu tragen. Sie ist zu feige, um sich dem Verfahren zu stellen. Die Beklagte wollte eine kritische Berichterstattung mit Drohungen unterbinden und hat jetzt Sorge, daß diese Drohung ins Leere geht. Allein deshalb will sie den Prozeß nicht. Sie kneift.”
2. Wie kann es sein, dass Claas Relotius 2018 zum vierten Mal mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet wurde? – Ein Erklärungsversuch (reporter-forum.de, PDF)
Das “Reporter-Forum” hat Claas Relotius viermal mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet. In einer Stellungnahme versuchen Jurymitglieder zu erklären, welche Argumente für und welche Argumente gegen Relotius’ letzte Auszeichnung sprachen, wie die ganze Debatte zu beurteilen sei, und was man aus dem Fall lernen könne.
Der Journalist Wolfgang Michal kommentiert auf Twitter: “Das eigentlich Besorgniserregende ist, dass Journalistenjurys Verkitschung nicht erkennen. Die meisten Geschichten waren aus zweiter Hand. Abgestaubt aus Esquire, LA Times, NYT, Mother Jones u. preisgekrönten Dokumentarfilmen. Man findet sie beim ersten googeln.”
3. Rannenberg und Friends (peterbreuer.me)
Werbetexter und Kreativ-Genie Peter Breuer ist für seine feinsinnigen Tweets und seinen kultivierten Humor auf Twitter bekannt (wer ihm noch nicht auf Twitter folgt: hier nachholen). Von ihm stammen unzählige geistreiche Sprüche, Wortspiele und Bildwitze, die von anderen dreist geklaut und wirtschaftlich ausgebeutet werden. Jüngstes Beispiel: Sein Satz “Brettspiel für eine Person? Bügeln.”, der vom Hamburger Postkartenverlag “Rannenberg und Friends” vermarktet werde. Breuer hat sich an die Chefin des Unternehmens gewandt und ist dort auf wenig Einsicht gestoßen: “Ich ekle mich vor dieser Frau, aber selbst das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels gibt ihr die Gelegenheit, sich mit ihrem zauberhaften “Non-Book-Sortiment” als Rettung des stationären Buchhandels zu gerieren. Dabei sind ihr Autoren scheißegal, solange die Kohle stimmt.”
4. “Es geht um die Leser in ihrer Rolle als Verbraucher” (message-online.com)
Die Journalismus-Zeitschrift “Message” hat sich mit den Wirtschaftsjournalisten Jens Bergmann (“brand eins”) und Jan-Henrik Petermann (dpa) über das neue Selbstverständnis ihres Berufszweigs unterhalten. Es geht um die Funktionen von Wirtschaftsjournalismus, den Umgang mit den riesigen PR-Apparaten großer Unternehmen und um die Frage, wie man trotz oft fehlender Auskunftspflichten an Interna kommen kann.
5. Amazon lässt Mitarbeiter fürs Image twittern (br.de, Manuel Mehlhorn)
Der Versandhändler Amazon sieht sich immer wieder Kritik ausgesetzt, zum Beispiel wegen der Arbeitsbedingungen oder der beharrlichen Weigerung, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Versandhandelstarif zu bezahlen. Wer auf Twitter kritische Worte gegenüber Amazons Geschäftsgebaren äußert, wird unter Umständen “Anne”, “Andrea”, “Rico” und “Andreas” kennenlernen. Die sogenannten Amazon-Botschafter versuchen das in dieser Hinsicht schlechte Image des Versandriesen mit allerlei positiv klingenden Worten zu polieren.
6. Schauspieler spendet für seinen Internet-Troll (spiegel.de)
Patton Oswalt ist ein US-amerikanischer Komiker und Schauspieler und vielen Zuschauern aus der Serie “King of Queens” bekannt. Als Oswalt auf Twitter angerüpelt wurde, spendete er seinem Angreifer laut “Washington Post” 2.000 Dollar und rief dazu auf, es ihm nachzutun. Der Schauspieler hatte sich die Timeline des Pöbelnden angeschaut und festgestellt, dass dieser große gesundheitliche Probleme habe. “Da wäre ich auch sauer”, so Oswalt. Mittlerweile ist das Spendenkonto des Erkrankten auf über 40.000 US-Dollar angewachsen.
Beim WDR ereignete sich in den vergangene Tagen eine Geschichte, die sehr an die Kokainaffäre des Fußballtrainers Christoph Daum im Jahr 2000 erinnert. Dieser sollte eigentlich Coach der deutschen Männer-Nationalmannschaft werden, doch es gab die starke Vermutung, dass er Kokain konsumierte, ein Verhalten, das der um einen “sauberen Sport” bemühte DFB nicht dulden konnte. Die Vorwürfe standen, vorgebracht durch Uli Hoeneß, im Raum. Daum bestritt heftig und bot schließlich zu seiner Ehrenrettung auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz eine freiwillige gerichtsmedizinische Überprüfung seiner Haare auf Kokainrückstände an. Dort verkündete er: “Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe”.
Als das Resultat der Haarprobe schließlich mit einem positives Testergebnis feststand, war wissenschaftlich belegt, dass Daum gelogen hatte. Bis heute wird darüber gerätselt, warum er sich im Wissen über das zu erwartende Ergebnis in eine solche Situation brachte, die zu einem riesigen Skandal führte.
Und nun zum WDR.
Dessen Radiosender WDR 5 hatte auf seiner Homepage ein Interview mit dem Blogger David Berger angekündigt. Berger ist eine schillernde Figur der Neuen Rechten. Er tritt mit Mitgliedern der Identitären Bewegung auf, sitzt im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD, sein Blog ist nicht nur eines der reichweitenstärksten der Szene, sondern verzeichnet laut “Correctiv” bei Facebook und Twitter mehr Interaktionen als taz.de oder Tagesspiegel.de. Dort werden immer wieder Beiträge veröffentlicht, die auch objektiv betrachtet als Hetze gegen Minderheiten bezeichnet werden müssen. Unter anderem wurde dort der “Johannes Gabriel”-Text erstveröffentlicht, der Homosexuelle mit Pädophilie assoziierte und der später, nach seinem Abdruck in der “FAZ”, vom Presserat als “diskriminierend” gerügt wurde.
Die Rechercheplattform “Correctiv” weist in einem Faktencheck völkische Rhetoriken und reihenweise Falschmeldungen nach, vor allem seine Kritik am Islam habe Berger mittlerweile auf die Spitze getrieben:
Schlagzeilen auf seinem Blog lauten:
“‘Goldstücke’ oder die Wiederkehr der Zoophilie” (25.05.2018)
“Bombenentschärfung, Messer- und Giftattacken: Auch in Frankreich wird Ramadan gefeiert” (19.05.2018)
“ISLAMische Merkmale: Dominanzdenken, Kritikresistenz, Schuldverweigerung, Opferrollen und Forderungsmentalität” (03.10.2017)
“Europa: ‘Eines Tages wird das alles uns gehören'” (24.08.2017).
In der Vorab-Information des WDR zum “Tischgespräch” mit David Berger war nichts über die öffentliche Rolle zu lesen, die dieser seit Jahren einnimmt. “Verharmlosend” ist ein viel zu verharmlosendes Wort für die Beschreibung, die der WDR für seinen Gesprächsgast wählte. Er sei bei manchen Schwulen zur Hassfigur mutiert und mache sich mit den politischen Äußerungen in seinem Blog “bei vielen unbeliebt”, heißt es dort lediglich.
In den sozialen Netzwerken wuchs folglich der Protest darüber, dass der Sender seinen Hörerinnen und Hörern Basisinformationen über Berger vorenthielt. Außerdem wurde angesichts des Weglassens der aktuellen Rolle Bergers in der Ankündigung befürchtet, dass auch das Interview selbst keinerlei Einordnung und Reflexion seiner politischen Bedeutung enthalten würde.
All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. In seinem neuen Buch “Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber” prangert er die “schrecklich nette Homophobie” auch in den Medien an. Für seinen “Nollendorfblog” bekam er eine Nominierung für den “Grimme Online Award”, er selbst erhielt 2018 den Tolerantia Award. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.
Das wäre die Stelle gewesen, an der der WDR eine saubere Lösung hätte finden können. Das “Tischgespräch” war nämlich schon längst aufgezeichnet, und die Verantwortlichen wussten, dass die Befürchtungen der Kritiker (auch von mir in meinem “Nollendorfblog” geäußert) nicht nur berechtigt waren — in Wahrheit war alles noch viel schlimmer: Es gibt in der Sendung nicht nur keine kritische Auseinandersetzung; vielmehr hilft der Interviewer seinem Gesprächsgast sogar bei dessen Legendenbildung, unterstützt ihn dabei, nachweislich falsche Angaben über dessen Werdegang in sanftem Plauderton zu verquirlen. “Deutschlandradio Kultur” wird den Beitrag später als “journalistische Bankrotterklärung” bezeichnen. (Erst nach erneuter heftiger Kritik heftete der WDR einen Hinweis vor den Beitrag: “In dem Gespräch ist auch David Bergers Internetblog Thema. Darin veröffentlicht Berger zum Teil rechtsradikale und menschenverachtende Beiträge.”)
Als Erwiderung auf die Kritik hätte der WDR also zugeben können, dass da etwas falsch gelaufen ist. Man hätte sagen können, man möchte David Berger gerne noch einmal einladen, aber in eine Sendung, in der man auf eine kritische Auseinandersetzung vorbereitet ist. So hätte man zu einer Lösung kommen können, die sowohl den Berger-Kritikern als auch den -Unterstützern zu vermitteln gewesen wäre. Vor allem hätte man aber hier noch eine Entscheidung treffen können, die den eigenen journalistischen Prinzipien genügen könnte.
Stattdessen entschied man sich beim WDR für die Haarprobe. Der Sender platzierte eine Notlüge, von der alle Beteiligten wissen mussten, dass sie spätestens bei der Ausstrahlung des Gespräches auffliegen wird. Auf der Website wurde die Ankündigung des Berger-Interviews um einen Hinweis ergänzt, in dem es unter anderem heißt:
Die Redaktion hat über die Frage, ob es eine Sendung mit David Berger geben soll, im Vorfeld ausführlich diskutiert. Den Ausschlag gab letztlich die Überzeugung, dass WDR 5 auch mit Menschen in den journalistisch-kritischen Diskurs gehen möchte, die Positionen vertreten, die viele nicht teilen. Wenn unsere Gesellschaft die offene Diskussion will, dann sollte sie auch die verschiedenen Positionen kennen — selbst, wenn das für manche nur schwer zu ertragen sein mag.
So wie Christoph Daums “reines Gewissen” eine bewusste Irreführung war, so war es beim WDR das Beschwören eines beabsichtigten “journalistisch-kritischen Diskurses”. Der WDR musste wissen, dass das Interview genau das Gegenteil davon war. Trotzdem blieb der Sender bei dieser Behauptung, die bald jeder als falsch erkennen konnte.
Und wie Fußballtrainer Daum trieb sich der WDR immer tiefer in die Misere: Jetzt hatte man also nicht nur eine zur baldigen Ausstrahlung vorgesehene PR-Sendung für einen Rechtspopulisten. Man hatte auch das Versprechen des Senders, dem sei nicht so. Und nach wie vor entschied man sich dazu, auf der Ankündigungsseite des Senders keine angemessene Einordnung des Interviewgastes vorzunehmen, während man gleichzeitig den Protestlern auf Twitter permanent mitteilte, wie ernst man ihre Kritik nehme.
Am Vormittag der für den Abend geplanten Ausstrahlung ging dann der Senderchef selbst in die Offensive, um eine weitere Etage auf das Kartenhaus zu setzen. In der Sendung mit dem für die momentane Situation wunderbar zynischen Titel “Neugier genügt” nahm Florian Quecke Stellung zu den Vorwürfen. Er verteidigte unter anderem die unterlassenen Informationen im Ankündigungstext mit dem Hinweis darauf, dass es die Höflichkeit gebiete, einen Gast nicht schlechter als beschrieben aussehen zu lassen, und bestätigte damit zumindest, dass es in der ganzen Sache nie um journalistische Kriterien gegangen sein kann. Und er verteidigte die Einladung Bergers und behauptete, es handele sich lediglich um “das falsche Format”, weil das “Tischgespräch” vom Charakter her zu wenig politisch konfrontativ sei.
Aus dem Umfeld des Senders hört man, dass die Einladung Bergers in die Sendung “Tischgespräch” allerdings kein Unfall gewesen sei; das Gespräch habe genau so stattfinden sollen. Die journalistische Katastrophe sei nicht aus Unwissenheit passiert, sondern weil der Gesprächsführer exakt gewusst habe, wen er da vor sich haben wird: “Tischgespräch”-Moderator Ulrich Horstmann soll diesen Gast für genau dieses Format gewollt haben. Man merkt dem Gespräch an, dass der Moderator nicht undankbar dafür ist, an gewissen Stellen nicht nachfragen zu müssen. Insofern war es genau das richtige Format.
Wir haben beim WDR nachgefragt. Dort sagte man uns, dass die Redaktion sich dazu entschieden habe, “David Berger einzuladen, weil sie seine Entwicklung vom Kirchenkritiker und gefragten Talkgast zum polemisierenden Publizisten am rechten Rand nachzeichnen wollte.” Doch auch das ist nicht gerade glaubwürdig: Die Radikalisierung Bergers spielte in der Sendung nicht nur keine Rolle, der Interviewer stellte sie durch Suggestivfragen sogar in Abrede.
Wie es zu all dem kommen konnte, müsste der WDR mal erklären. Doch dafür müsste der Sender erst einmal eingestehen, dass so gut wie nichts von dem, was er bisher zur Sache verlautbart hat, mit der Realität in Einklang zu bringen ist. Der WDR müsste erst einmal runter. Runter vom Koks.