Suchergebnisse für ‘guttenberg’

Kommt Zeit, kommt Rad

Gestern berichteten wir über die traurige Geschichte des kleinen Ben, dessen Kinderfahrrad laut “Bild” von einem herzlosen Zugchef am Bahnhof Regensburg ausgesetzt worden war, und den Widerspruch der Deutschen Bahn.

Dank zahlreicher Leserhinweise können wir folgende Nachträge machen:

Es ist geradezu ausgeschlossen, dass die Mutter des Jungen “im Wiener Hauptbahnhof zwei Tickets für den ‘ICE 22’ nach Frankfurt/Main” gekauft hat — Wien hat nämlich (noch) gar keinen Hauptbahnhof. Der “ICE 22”, der auch in Frankfurt hält, verkehrt vom Westbahnhof.

Der gutmütige Unternehmer, der dem kleinen Ben ein neues (zweites) Fahrrad geschenkt hatte, ist – anders als wir vermutet hatten – wohl eher nicht auf die “Bild”-Berichterstattung reingefallen. Es handelt sich vielmehr um einen guten, alten Bekannten der Zeitung: Tobias Huch war in “Bild” und bei Bild.de in den vergangenen Jahren wahlweise als “Erotik-Millionär”, “Musik-Produzent”, “Internet-Guru”, “YouPorn-Retter”, “IT-Experte”, “Deutschlands IT-Legende”, “Internet-Experte”, “Datenschützer”, “Medien-Mogul” oder “Internet-Pionier” in Erscheinung getreten und hatte auch die Facebook-Seite “Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg” ins Leben gerufen.

Tobias Huch schrieb zu unserem gestrigen Eintrag bei Facebook, er glaube der Deutschen Bahn kein Wort. Auf unsere Frage, ob er sich erklären könne, warum Bild.de plötzlich seinen Nachnamen abkürzt, antwortete er:

Das weiss ich selber nicht. Vielleicht war es journalistisch nicht wichtig.

Das mag durchaus stimmen. Journalistisch wichtiger wäre es da schon gewesen, zu schreiben, dass die Deutsche Bahn erklärt hatte, dass das Fahrrad des Jungen “sichergestellt” sei.

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Sexy Urlaubsfotos von Teenager-Mädchen

Menschen, die sexuelles Interesse an Minderjährigen zeigen, bezeichnet “Bild” als “Sex-Täter”. Männer, die sich tatsächlich an Minderjährigen vergriffen haben, nennt die Zeitung “Schwein”, “Dreckschwein” oder “Sex-Monster”.

Anders verhält es sich bei Menschen, die so etwas über Minderjährige schreiben:

Am Strand macht Aurora auch mindestens so eine gute Figur wie ihre Model-Mama. Das findet Michelle Hunziker wohl auch und lässt ihre Tochter für sexy (private) Urlaubsfotos posieren.

Die nennt Bild.de “Mitarbeiter”.

Aurora, die 14-jährige Tochter von TV-Moderatorin Michelle Hunziker, macht derzeit offenbar Strandurlaub mit ihrer Mutter. Und Bild.de schreibt:

Andere Teenies finden die Outfits ihrer Mütter oft nur peinlich! Michelle und Aurora wurden sogar im Partnerlook gesichtet: In knappen pinken Bikinis.

Und weil sich die Wenigsten vorstellen können, wie das so aussieht, wenn eine Frau und ein Mädchen knappe pinke Bikinis tragen, hat Bild.de eine kleine Bildergalerie zusammengestellt.

Im sexy Partnerlook: Michelle Hunziker und ihre Tochter Aurora haben Spaß am Strand von Formentera

Ganz schön heiß! Mama Michelle lässt Töchterchen Aurora für die Urlaubsfotos posieren

Wo ist eigentlich Stephanie zu Guttenberg, wenn man sie braucht?

Mit Dank an Timo W., Jan S. und Jan.

Bild  

“1. Sex-Täter verurteilt!”

Endlich kann “Bild” mal wieder etwas Gutes aus dem Hause derer zu Guttenberg berichten:

Stephanie zu Guttenberg (34) und ihr engagierter Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern – jetzt ein großer Erfolg! Der erste Täter, den sie mit ihrer TV-Sendung “Tatort Internet” überführt hatte, stand Dienstag in München vor Gericht! Der Schlosser, der im Netz und auch bei einem Treffen Sex mit einer 13-Jährigen suchte, wurde verurteilt!

“Was für ein tolle Frau”, möchte man da fast ausrufen — wenn “Bild” das nicht wahrlich schon oft genug getan hätte.

Allein für ihren einmaligen Auftritt als Co-Moderatorin in der umstrittenen RTL2-Sendung “Tatort Internet” (die “Bild” unbeirrt als “Sendereihe von Stephanie zu Guttenberg” bezeichnet) hatte “Bild” die Gattin des damaligen Bundesverteidigungsministers mehrfach in den höchsten Tönen gefeiert. Nun ist einer der Männer, der in eine Falle der TV-Macher getappt war, wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern vom Amtsgericht München zu drei Monaten Haft auf Bewährung und 1000 Euro Geldauflage verurteilt worden und “Bild” (für die eine Bewährungsstrafe sonst eigentlich “laufen lassen” bedeutet) feiert dies als persönlichen Triumph von Stephanie zu Guttenberg.

Die Freifrau darf natürlich sogleich selbst zu Wort kommen und so tun, als sei überhaupt erstmalig in der Geschichte der Menschheit
ein “Sex-Täter” (“Bild”) verurteilt worden:

Stephanie zu Guttenberg zu BILD: “Ich bin froh, dass endlich ein Richter den Mut findet, einen dieser Täter zu verurteilen. Die Justiz muss die Gesetze gegen Kinderschänder endlich härter anwenden!”

Was “Bild” lieber verschweigt, hat die “Süddeutschen Zeitung” aufgeschrieben:

Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, der Mann sei von RTL2 ‘in eine Falle gelockt’ worden. Richter Andreas Forstner hielt dem 42-jährigen Schlosser zugute, dass er von dem TV-Team ‘vorgeführt worden’ war. Wenn die Polizei mit Lockvögeln arbeite, sagte der Vorsitzende, sei das schon grenzwertig. Das gelte für einen Sender, der seine Quoten aufbessern wolle, ganz besonders.

Mit Dank an Andreas G. und Axel Sch.

Theater, Panorama, Überwachung

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Mediale Vorverurteilung”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
Vor der erstinstanzlichen Urteilsverkündung im Prozess gegen Jörg Kachelmann stellt Brigitte Baetz fest: “Die Medien übernehmen immer mehr die Rolle eines modernen Prangers. Der Grundsatz, dass jeder zunächst als unschuldig zu gelten hat, scheint in der Berichterstattung immer öfter in den Hintergrund zu rücken.” Berichte in der NZZ und der FAZ stellen Vergleiche zum Theater an.

2. “Ex-‘Handelsblatt Online’-Chefredakteur räumt Plagiate ein”
(sueddeutsche.de, Marc Felix Serrao)
Sven Scheffler, bisheriger Chefredakteur von handelsblatt.de, hat “mitunter ganze Absätze kopiert”. “Warum er abgeschrieben habe, wisse er beim besten Willen nicht mehr: ‘Das war ein Riesenfehler. Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte.’ Er wisse nur, dass er an dem Tag unter enormem Zeitdruck gestanden habe.”

3. “Mal ehrlich, ‘Frankfurter Allgemeine Zeitung’!”
(titanic-magazin.de)
Die Titanic entdeckt eine Bildbeschriftung auf faz.net, die so auch in der Wikipedia zu finden ist. “Die Texte zum zweiten, dritten und vierten Foto der Klickstrecke stehen ja – genau so bei Wikipedia! Bis auf einige kosmetische Änderungen sogar wortwörtlich!”

4. “Tabloid complains about ‘perving’ over Pippa”
(tabloid-watch.blogspot.com, MacGuffin, englisch)
Die Zeile “Sick Germans target royal sister” auf der Titelseite von “Daily Star Sunday” – und was “Bild” damit zu tun hat.

5. 50 Jahre Panorama
(daserste.ndr.de/panorama)
Die ARD-Sendung “Panorama” macht zum 50. Geburtstag Sendungen im Archiv zugänglich. Zu sehen sind nun Berichte wie “Klauen, lügen, schikanieren – Boulevardreporter auf Bilderjagd” (1997), “Piep, peep und Provokation – Wie Kultstars gemacht werden” (1998) oder “Blablabla vom Boulevard – Bild-Kampagne diffamiert Politiker und Parlamente” (2003).

6. “Die Anti-Terror-Lüge”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Richard Gutjahr prüft die Anlässe für Telekommunikationsüberwachung 2009.

Stalins Badezimmer, Cosmopolitan, Prinz

6 vor 9

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1. “Wie ich Stalins Badezimmer erschuf”
(berlinonline.de, Andreas Kopietz)
Andreas Kopietz fügt 2009 im Wikipedia-Artikel zur Berliner Karl-Marx-Allee (Versionsgeschichte) die (erfundene) Behauptung hinzu, die Straße sei zu DDR-Zeiten im Berliner Volksmund auch “Stalins Badezimmer” genannt worden. Die Falschinformation hält sich und wandert weiter: “Wer vor zwei Wochen den Begriff googelte, fand 328 Einträge. Gestern listete Google Stalins Badezimmer bereits 360 Mal auf.”

2. “Eine mediale Vorverurteilung ist eigentlich nicht reparabel”
(planet-interview.de, Marie v. Baumbach)
Medienanwalt Matthias Prinz spricht über “Bild”, “Personen der Zeitgeschichte” und Privatsphäre: “Grundsätz­lich gilt, dass jeder Mensch ein Recht hat, sein Privatleben unbeobachtet und in Ruhe zu führen.”

3. “Das Ping-Pong-Dilemma”
(freitag.de, Kathrin Zinkant)
Erklärbären und/oder kompetente Experten? Kathrin Zinkant über die Vermittler von Wissen in den Medien.

4. “Echo-Verleihung: 20 Jahre Bullshit Bingo”
(carta.info, Tim Renner)
Tim Renner erinnert daran, dass die Musikindustrie mit der Echo-Verleihung seit 1992 “lieber auf platten Mainstream und die Rückbetrachtung auf Basis der Charts” setzt.

5. “When Reporters Attack”
(thedailyshow.com, Video, 7:07 Minuten, englisch)
TV-Journalistin Nancy Grace will im Gespräch mit einem Wissenschaftler nicht glauben, dass für die US-Westküste keine Gefahr einer radioaktiven Strahlung besteht.

6. “Wenn die Zeit den Journalismus einholt”
(huss-schaefer.de, Nadine)
Nadine liest die April-Ausgabe von “Cosmopolitan”, in der Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister und als einer der “beliebtesten Politiker des Landes” beschrieben wird.

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Wagner steht Kopf

Instinktkolumnist Franz Josef Wagner hat natürlich auch zum überraschenden Tod vom “lieben armen Eisbären Knut” eine Meinung:

Ich hasse Zoos. Ich hasse Gefängnisanstalten für Tiere. Die Zoodirektoren sollten in ihre Zoogefängnisse eingesperrt werden. Freiheit für alle gefangenen Tiere. Was für eine schöne Welt wäre das.

Das ist immerhin insofern überraschend konsequent, als Wagner, der sonst dazu neigt, sich selbst zu widersprechen, schon seit Jahren bei jeder Gelegenheit gegen die Haltung von Zootieren wettert.

Leider weiß Wagner zumindest im Falle Knut nicht, wo diese “Freiheit für alle gefangenen Tiere” denn eigentlich genau wäre:

Knut war auch so ein Gefangener. Von seiner Heimat, der Antarktis, wusste vielleicht seine DNA. Im Eis leben, unter Eisschollen Robben fangen, im Schnee wandern.

Knut hätte in der Antarktis, also am Südpol, zwar durchaus “Robben fangen” und “im Schnee wandern können”, er wäre dabei aber wohl ziemlich einsam gewesen. Denn Eisbären, das weiß doch jedes Kind, wohnen am Nordpol, also in der Arktis.

Immerhin ist auch das konsequent, nachdem Wagner schon vor ziemlich genau vier Jahren in seinem Brief an das “liebe Eisbär-Baby Knut” geschrieben hat:

Man hat Dir Antibiotika gespritzt, weil es in der Antarktis keine Viren und Bakterien gibt.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Bundeswehr, Nürnberger Zeitung, Teschow

6 vor 9

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1. Interview mit Michael Martens
(spreegurke.twoday.net, Ursula Pidun)
Ursula Pidun befragt FAZ-Redakteur Michael Martens zu seinem Urteil über das Buch “Mit der Hölle hätte ich leben können” der Ex-Bundeswehrsoldatin Daniela Matijevic sowie zur unkritischen Aufnahme des Werks durch viele Journalisten. “Fest steht, dass weder Verlag noch Autorin bisher einen Zeugen genannt haben, obwohl es doch angeblich so viele gibt. Wer hingegen nach Personen sucht, die das alles für Unsinn halten, wird ohne Mühe sehr schnell sehr viele finden.”

2. “Mein böses Ich”
(news.de, Björn Menzel)
Björn Menzel blickt zurück auf seine eigene Erfahrung als Berichterstatter am Amoklauf von Winnenden, der sich heute vor zwei Jahren ereignete.

3. “Welche ‘Kapelle’ hat sich ‘gemüht’?”
(thilo-baum.de)
Thilo Baum kann die Beobachtungen, die “Spiegel Online” beim von ARD live übertragenen Zapfenstreich der Bundeswehr zur Verabschiedung von Karl-Theodor zu Guttenberg macht, nicht nachvollziehen.

4. “In the Thick of Libya’s Brutal Fighting”
(lens.blogs.nytimes.com, englisch)
Ein Gespräch mit Tyler Hicks, Fotograf der “New York Times”: “Anyone who goes into this area assumes the same risk as any of the fighters. That’s something you always have to remind yourself: even as an observer, you’re just as susceptible to getting hit as anyone else.”

5. “A.J.A.I.”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier über die Reaktionen auf unseren Artikel “Sprühfarbe ins Feuer”. Inzwischen hat sich die “Nürnberger Zeitung” für ihren Fehler “ganz herzlich” entschuldigt.

6. “Luci Lehmann, Teschow (MV)”
(interviewproject.de, Video, 4:49 Minuten)
Das erste von 50 Gesprächen des “Interview Project Germany” ist online. Luci Lehmann aus Teschow erzählt, dass nichts ihr Leben so verändert habe wie die Wende. “Es ist ja wirklich alles anders geworden.”

RTL Extra, Ines Pohl, Twitterschlingel

6 vor 9

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1. “RTLs zweifelhafter Pakt mit der Kriminalität”
(news.de, Martin Walter)
“RTL Extra” begleitet Nordafrikaner auf einem Schlepperboot nach Lampedusa. Siehe dazu auch “Boulevardsender im Bündnis mit den Schleusern” (zeit.de, Christian Denso und Tilman Steffen).

2. “Guttenberg-Journalismus?”
(medienspiegel.ch, Martin Hitz)
Martin Hitz vergleicht einen Artikel von tagesanzeiger.ch mit einem Artikel von nzz.ch und fragt: “Copy-Paste oder nicht? Urteilen Sie selbst.”

3. “Die Medien und Guttenberg”
(stern.de, Bernd Gäbler)
Bernd Gäbler beurteilt die Leistungen der Medien im Fall Guttenberg und fragt: “Wie können Leidenschaft und Demokratie eine gute Ehe eingehen?”

4. “Strikte Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen”
(blogs.taz.de/hausblog)
Für “taz”-Chefredakteurin Ines Pohl ist die “Bild”-Anzeige in ihrer Zeitung Sache des Verlags und nicht der Redaktion. “(…) wenn wir immer nach der Meinung des Hauses gehen – das darf ich hier auch sagen, so transparent sind wir – hätten wir gar keine Anzeigen.”

5. “Der dumme Zuschauer”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler missfällt “die Idee vom Fernsehen als Erziehungsanstalt”. “Die Versuche der Programmmacher, die Zuschauer wie Kleinkinder durch die Welt des Wissens zu führen” hält er für “lästig, wenn nicht ärgerlich”. “Die Programmmacher haben offensichtlich kein Vertrauen in die Mündigkeit und Aufnahmebereitschaft des Publikums.”

6. “Lutz und Gert, die oberschlauen Twitterschlingel”
(twitkrit.de, baranek)
Baranek beschreibt zwei Twitter-Nutzer, die rund fünfzig “Reichtum und Erfolg” versprechende Twitter-Konten betreiben. “Durch dieses massive Auftreten in immer wieder neuen Accounts qualifizieren sie sich selbst dermaßen ab, dass es nur so ein Freude ist.”

Uneindeutiger im Tank

Nachdem Karl-Theodor zu Guttenberg vergangene Woche als Verteidigungsminister zurückgetreten war, stellten die deutschen Medien fest, dass es auch noch andere Themen gibt, über die man berichten könnte. Seitdem sind die Fernsehsendungen, Hörfunkprogramme und Zeitungen voll mit dem Chaos rund um die Einführung des neuen Bio-Kraftstoffs E10.

In der Berichterstattung scheinen zwei Prinzipien besonders hervor zu stechen: 1.) “Nichts genaues weiß man nicht.” 2.) “Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.” Dementsprechend handelt die “Bild”-Familie konsequent inkonsequent.

Gestern bemühte sich “Bild am Sonntag”, “zehn Irrtümer über den Bio-Sprit” aufzuklären. Konkret etwa so:

5. E10 zerstört den Motor.

Kfz-Meister Erhard Schwind: “Steht das Auto auf der Positivliste der Hersteller, kann dem Motor nichts passieren, ansonsten drohen Motorschäden.”

Schon gestern Mittag berichtete Bild.de dagegen:

Laut Thomas Brüner, Leiter der Mechanikentwicklung beim Autobauer BMW, könnte E10 dafür sorgen, dass Motoren schneller verschleißen.

Durch den hohen Ethanolanteil von zehn Prozent im Benzin nehme die Wassermenge im Motor zu, erklärte der Experte der “Welt am Sonntag”.

Dieser Widerspruch hat auch die Redakteure der gedruckten “Bild” irritiert, weswegen sich die Zeitung heute darum bemüht, alle Klarheiten zu beseitigen:

BILD fragte nach: Was stimmt denn nun?

BMW-Sprecher Bernhard Ederer: “Entgegen aktuellen, anderslautenden Medienberichten ist E10 für alle BMW-Pkw unbedenklich.” Lediglich einige ältere Modelle benötigten unabhängig vom Ethanolgehalt aufgrund der höheren Oktanzahl Super Plus.

Auch der ADAC stellte klar, Kondenswasser sei kein Problem für die Motoren. Technik-Experte Reinhard Kolke zu BILD: “Das ist Quatsch! Motorenöl wird beim Fahren sehr heiß. Das Wasser verdunstet also wieder.” Anstatt für Verwirrung zu sorgen, sollten die Autobauer ihre Kunden sofort schriftlich über das Kraftfahrtbundesamt aufklären, ob ihr Auto E10-tauglich ist oder nicht.

Alles klar? Dann zum nächsten “Irrtum”, den “Bild am Sonntag” widerlegen wollte:

6. Es gibt keine Erfahrungswerte mit E10.

Schwind: “E10 wird seit mehreren Jahren von der Automobilindustrie getestet. Nur so konnte man feststellen, welche Modelle geeignet sind.” [Automobilexperte Prof. Dr. Ferdinand] Dudenhöffer: “In Brasilien fahren 50 Prozent der Autos mit E80 oder E100, und es funktioniert perfekt.”

Dazu wieder der BMW-Entwickler bei Bild.de:

Ob es so weit kommt oder der in Deutschland verkaufte E10-Sprit gut genug ist, wissen die Autobauer Brüner zufolge noch nicht.

BMW will nun gemeinsam mit dem Konkurrenten Daimler entsprechende Tests durchführen, so die “Welt am Sonntag”.

Und noch einmal die “Bild am Sonntag” bei der Irrtums-Bekämpfung:

8. Durch E10 werden Anbauflächen für Nahrungsmittel knapper.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU): “Die Politik stellt sicher, dass die Produktion der Biokraftstoffe nachhaltig ist und Produktion und Anbau der dafür verarbeiteten Pflanzen nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion steht.”

Gut, dass Bild.de heute “die wichtigsten Fragen zum neuen Öko-Kraftstoff” beantwortet. Darunter auch diese:

WERDEN JETZT DIE LEBENSMITTEL TEURER?

Nach Angaben der “WirtschaftsWoche” gab es binnen sechs Monaten eine Preissteigerung von 75 Prozent bei Mais, Weizen und Zucker – getrieben wird dies von der Biospritproduktion in den USA, wo schon 33 Prozent der Maisernte hierfür verwendet würden. Eine Entwicklung, die sich auch in Deutschland abzeichnet!

“Wir bekommen in Deutschland so gut wie keinen Hafer mehr. Unser Getreide müssen wir jetzt teuer aus dem Ausland beziehen”, so DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann in der “WirtschaftsWoche”. “Das sind die Folgen des Bioenergiebooms, der den klassischen Anbau verdrängt. Auch deshalb steigen die Nahrungsmittelpreise.”

Bei der finalen Klärung der Verbraucherfragen zu E10 scheint der Einsatz eines Misthaufens und eines darauf krähenden Hahns also unverzichtbar zu sein.

Mit Dank an Clemens W.

Bild, Spiegel, Kommentare

6 vor 9

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1. “Der Preis der Kooperation”
(freitag.de, Gerhard Henschel)
Gerhard Henschel schreibt über den Brief von Judith Holofernes: “Dagegen ist inzwischen der recht klägliche Einwand erhoben worden, dass Judith Holofernes sich nur wichtigmachen wolle. Aber weshalb gibt es dann nicht ein paar Prominente mehr in Deutschland, die den Mut zu solcher Wichtigmacherei besitzen?”

2. “SPIEGEL: Im Zweifel unrecherchiert”
(bild.de, Nicolaus Fest)
Nicolaus Fest wehrt sich gegen die “Spiegel”-Kritik an der “Bild”-Geschichte über den Selbstmord einer 16-jährigen. Er wirft der Zeitschrift mangelnde Recherche und “ungeprüfte Parteilichkeit” vor.

3. “Die Medien-Obsession mit der BILD-Zeitung”
(visdp.de, Sebastian Esser)
Sebastian Esser sieht die Macht von “Bild” im Einfluss auf andere Journalisten: “Seinen größten Einfluss übt BILD nicht bei seinen Lesern aus, sondern in den unzähligen Morgenkonferenzen, wo sich gestandene Blattmacher aus Bequemlichkeit von großen Buchstaben die Agenda diktieren lassen; wo Fernsehsender BILD das ‘Drehbuch’ nennen, nach dem sie die Abendnachrichten abfilmen; wo Journalisten glauben, die Boulevardzeitung wüsste besser, was die Leute denken.”

4. “Netz der Selbstkontrolle”
(freitag.de, Jimmy Wales)
Für Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales zeigen Projekte wie GuttenPlag und Churnalism, “dass das Netz sehr wohl in der Lage ist, seine eigenen Auswüchse zu korrigieren”.

5. “Aller Anfang des Neuen ist der Schrecken”
(nachtkritik.de, Nikolaus Merck)
In einem Vortrag macht sich Nikolaus Merck, Mitgründer der Theaterkritik-Plattform nachtkritik.de, Gedanken über Kommentare. “Wir haben Fehler gemacht, wir haben Kommentare ins Netz gestellt, die wir heute nicht einmal mehr mit der Kneifzange anfassen würden. Aber – wir haben unsere Praxis unter heftigen Diskussionen sukzessive verändert. (…) Wenn Verballhornung, Verhöhnung, Verächtlichmachung wichtige und vielgenutzte Mittel der Kritik an politischen Persönlichkeiten sind – warum sollte das nicht auch für andere Leute gelten? … Wieso nimmt der Befindlichkeitsbürger für sich in Anspruch, Politiker straffrei als Idioten bezeichnen zu können, aber strengt eine Beleidigungsklage an, wenn man ihn so nennt?”

6. “Plakatierte Plagiate: ‘Guttenbergs Ghostwriter: Ich schrieb sie in einer Nacht'”
(mucbook.de, Marco Eisenack)
“Mitglieder einer NGO haben in den frühen Morgenstunden etwa 50 Zeitungsständer in München mit verschiedenen Schlagzeilen-Plagiaten plakatiert.”

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