Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Falsches Foto von Mordopfer” (diepresse.com)
“Österreich” wurde am Mittwoch vom Landesgericht für Strafsachen in Wien zu einer Entschädigungszahlung von 20.000 Euro verurteilt. Die Tageszeitung wies ein von Facebook stammendes Foto einer unbeteiligten Studentin als Abbildung einer ermordeten Prostituierten aus.
2. “Die Story sichtbar machen” (politik-kommunikation.de, Maximilian Steinbeis)
Der langjährige Parlamentskorrespondent Maximilian Steinbeis plädiert dafür, von der langweiligen Personalisierung wegzukommen und sich um den spannenderen Datenjournalismus zu kümmern. Es interessiere ausserhalb der Hauptstadtdunstglocke niemanden, “wenn irgendein langweiliger Politiker Ärger mit irgendeinem anderen langweiligen Politiker hat.”
3. “Datenjournalismus und die Zukunft der Berichterstattung” (netzpolitik.org, Lorenz Matzat)
Auch Lorenz Matzat tritt für den Datenjournalismus ein: “Journalismus, der sich selbst ernst nimmt, muss sich diesem Feld widmen. Mit der ihm eigenen Spezifik und seinen Werkzeugen.”
4. “Geschichte muss mehr sein als Entertainment” (zeit.de, Christian Staas)
Das deutsche Geschichtsfernsehen habe sich aus der Debattenkultur verabschiedet, kritisiert Christian Staas. Er regt an, das Fernsehen “könnte die Technik der Montage nicht nur zum Addieren einander stützender Aussagen benutzen, sondern Widersprüche in Szene setzen – zwischen Zeitzeugenerinnerung und Historikersicht, zwischen großer und kleiner Geschichte, zwischen einzelnen Bildquellen. ”
5. “Die arme Familie Grüttner” (tina-andi.blogspot.com, Andreas)
Andreas fragt sich, warum ein RTL-Reporter in einer kalten Wohnung vor einem nicht angefeuerten Kamin sitzt.
6. “Warum mir 02 keinen Vertrag geben möchte II: Nachricht von Arvato Infoscore” (mindsdelight.de, Marco)
Marco erhält einen Brief von Arvato Infoscore: “Ich wohne also alleine in Neukölln, bin 24 Jahre alt und zahle meine Rechnungen nicht. In Wahrheit weiss Arvato das alles aber gar nicht. Sie nehmen sich nur die Daten, die ich O2 beim Vertragsgesuch gab, schauen in ihrer Tabelle über Neukölln nach und gehen einfach davon aus, dass ich meine Rechnungen nicht bezahle.”
Es ist die Liebesgeschichte des Jahres: die “Bild”-Zeitung & Stephanie zu Guttenberg. Zum Weihnachtsfest schenken wir Ihnen, liebe Leser, die Chronologie einer Romanze, die in diesen kalten Tagen das Herz erwärmt.
Es begann schon im vorigen Jahr, und es begann mit Haaren, Blut und Beinen. Noch bevor die “Bild”-Zeitung die Ehefrau des damaligen Wirtschaftsministers Theodor zu Guttenberg “gutt” fand, fand sie sie geil. Sie sortierte sie am 20. Mai 2009 auf Platz 30 ihrer Liste der “100 erotischsten Frauen Deutschlands”. Mit mehr als nur einem Hauch von Homoerotik schwärmte “Bild”-Mitarbeiterin Christiane Hoffmann:
Stephanie zu Guttenberg (32) Frau unseres Wirtschaftsministers, blondeste Versuchung, seit es Politikergattinen gibt. Blaues, wallendes Blut. Absolut großartige Beine! Wow!
14. August 2009. Damit Karl-Theodor zu Guttenberg nicht wieder, wie in Bayreuth, mit schiefer Fliege da sitzt, korrigierte “seine hinreißende Frau Stephanie (32) sein Erscheinungsbild fürsorglich auf dem Weg in die Oper”, notiert Adels-Experten-Adel Alexander von Schönburg und stellt fest: Sie “sorgt sich rührend um die makellose Erscheinung ihres Mannes, unseres Wirtschaftsministers”.
26. September 2009. “KT und Stephanie zu Guttenberg” werden auf der Wiesn gesehen. “Bild” sorgt sich: “Dürfen Franken denn Lederhose tragen?”
5. Oktober 2009. Weil sie “mit ihrer lässigen Schönheit” “der heimliche Star bei ‘Wetten, dass..?'” war, “erklärt BILD die schöne Frau von Wirtschafts-Minister Guttenberg” – die erste Titelgeschichte. Erstaunliche Erkenntnis:
Stephanie zu Guttenberg hält wenig von Starkult. Sie sagt: “Die wichtigsten Dingen im Leben sind Demut und Dankbarkeit.”
31. Oktober 2009. “Bild”-Kolumnistin Evelyn Holst seufzt: “Ich wäre so gern eine richtig coole Technikmaus, so wie Stephanie zu Guttenberg, die mir kürzlich nach einem Interview zack, zack mein Navi im Leihwagen programmierte, an dem ich erfolglos herumgedrückt hatte.”
19. November 2009. Alexander von Schönburg beobachtet, wie sich Stepanie zu Guttenberg bei einer Filmpremiere von “Bild”-Filmgott Arthur Cohn “mit Nachos, Popcorn und Cola” ausrüstet.
21. November 2009. Alexander von Schönburg berichtet, wie es bei Verdis “Requiem” in der Berliner Philharmonie zu einem “Familientreffen der Guttenbergs” kam. “Zum Konzert gebeten hatte Stephanie zu Guttenberg, die kluge und schöne Frau des Ministers”, um für ihre Organisation “Innocence in Danger” zu sammeln.
27. November 2009. Bei der “Bambi”-Verleihung hat Stephanie zu Guttenberg den “bezauberndsten Auftritt”, als sie ihren Mann “in einer hinreißenden roten Robe” vertritt.
7. Dezember 2009. Großes Interview: “So kämpfe ich gegen den Missbrauch von Kindern. Stephanie Freifrau von und zu Guttenberg.”
12. Dezember 2009. Stephanie zu Guttenberg wird an der “Bild”-Spendengala “Ein Herz für Kinder” im ZDF teilnehmen.
14. Dezember 2009. In einer “bewegenden Rede” hat Stephanie zu Guttenberg bei der “Ein Herz für Kinder”-Gala die Arbeit von Pater Max gewürdigt.
19. Januar 2010. Stephanie zu Guttenberg wird an der “Bild”-Spendengala für die Erdbebenopfer in Haiti teilnehmen:
“Ich finde es großartig, dass es BILD und dem ZDF gelungen ist, so schnell etwas auf die Beine zu stellen, womit den Menschen auf Haiti geholfen wird.”
22. Januar 2010. “Frau Guttenberg betet für unsere Soldaten”. “Bild” zitiert sie mit den Worten:
“Mein Mann konnte wegen der Haushaltswoche nicht aus Berlin weg. Ich bin gekommen, weil es mir sehr viel bedeutet, dass wenigstens ein Mitglied unserer Familie bei diesem wichtigen Gottesdienst dabei ist.”
22. Februar 2010. Stephanie zu Guttenberg lässt Maria Riesch im Deutschen Haus bei den Olympischen Winterspielen einen Blick auf ihr iPhone werfen.
1. April 2010. Die ARD zeigt einen Film zum Thema Kindesmissbrauch. In einer Sondersendung von “Beckmann” ist auch Stephanie zu Guttenberg zu Gast. Sie sagt: “Es wird eindeutig zu wenig für die Opfer getan!”
22. Mai 2010. Stephanie zu Guttenberg ist zu Gast beim Champions-League-Finale FC Bayern München gegen Inter Mailand.
27. Mai 2010. “Bild” macht Stephanie zu Guttenberg zur “Gewinnerin” des Tages, weil sie mit dem Deutschen Kinderpreis ausgezeichnet wurde.
Die Preisträgerin: “Ich werde weiter kämpfen wie ein Löwe.”
BILD meint: Gut gebrüllt, Jury!
5. Juli 2010. “Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (38, CSU) und Gattin Stephanie (33) verfolgten das Deutschland-Spiel gegen Argentinien im fränkischen Kulmbach, wo der Minister einst selber kickte.”
2. August 2010.“Der Preis für den schönsten Urlaubs-Schnappschuss geht heute an Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (38) und seine entzückende Frau Stephanie (33). ‘Wir verbringen unsere wenigen freien Tage in der oberfränkischen Heimat’, schwärmt Stephanie, die als Halb-Schwedin im Dirndl eine erstaunlich gute Figur macht.”
11. September 2010. Stephanie zu Guttenberg erklärt in einem Ratgeber: “So schützen Sie Ihr Kind vor Missbrauch”. “Bild” druckt ihre “wichtigsten Ratschläge”.
13. September 2010. “Es ist ein mahnender Appell aus Sorge um die Seelen unserer Kinder! Stephanie zu Guttenberg, Ehefrau unseres Verteidigungsministers, beschreibt als Präsidentin des Vereins “Innocence in Danger”, wie gefährlich die Sexualisierung unserer Gesellschaft für die Jugend ist.” In “Bild”.
14. September 2010. Zweiter Teil des Vorabdrucks aus Guttenbergs Buch: “Die Heidi-Klum-Show ist kein Vorbild für unsere Kinder / Stephanie zu Guttenberg kritisiert den Sex-Chic”.
16. September 2010. Stephanie zu Guttenberg stellt ihr Buch vor.
17. September 2010. “Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß nimmt Stephanie zu Guttenberg in seine “Top 10 der Woche” auf:
6. Der heißeste Wunsch von Stephanie zu Guttenberg, Präsidentin des Vereins gegen Kindesmissbrauchs “Innocence in Danger”, lautet: “Wenn morgen in der BILD stünde: Telekomchef Obermann spendete 1 Million Euro”.
23. September 2010. Ein “Bild”-Leser hat Stephanie und Karl-Theodor zu Guttenberg auf der Wiesn fotografiert. “Bild” titelt: “Total verschossen auf der Wiesn!” Und schreibt:
Das glamouröse Polit-Paar ganz verschossen! Am Schießstand, gleich neben dem Käfer-Zelt, hatten sich die beiden zuvor als Präzisionsschützen hervorgetan. Der Budenbesitzer: “Respekt! Die Frau zu Guttenberg schießt saugut. Er aber noch besser.” Reingewinn: Eine rote Plastikrose für SIE. Eine Hutfeder für IHN.
27. September 2010. Auf der “Funk & Soul Night” zugunsten von “Innocence in Danger”:
Ihre Haare fliegen ihr ins Gesicht, sie lacht, tanzt ausgelassen…
Hier rockt Deutschlands heimliche First Lady Stephanie zu Guttenberg (33)! (…)
Stephanie überzeugt. Souverän wie sonst ihr Mann steht sie am Rednerpult, mahnt eindringlich gegen sexuellen Missbrauch von Kindern. “KT” streichelt ihr nach ihrer Rede stolz über die Wange…
Stephanie hat eine Wahnsinns-Ausstrahlung. Sie trinkt Weißwein, glitzert im schwarzen Paillettenkleid. “Ein bisschen funky, passend zum Abend”, sagt sie mir. JEDER Gast will mit ihr reden — und sie weicht niemandem aus.
Stephanie zu Guttenberg — elegant und lässig. Eine Frau, die was zu sagen hat — sich aber nicht in den Vordergrund spielt. Deutschlands heimliche First Lady!
29. September 2010. “Bild”-“Stilkritik”:
Sie rockte und glitzerte wundervoll. Stephanie zu Guttenberg (33), Gattin des Bundesverteidigungsministers, setzt DEN neuen Mode-Trend! Was trägt frau, wenn sie mal so richtig glänzen will? Schwarze Pailletten!
5. Oktober 2010. Die Wiesn geht zu Ende. Fazit von “Bild”: “Karl-Theodor und Stephanie zu Guttenberg. Die Wiesn-Könige in puncto Stil- und Treffsicherheit”
7. Oktober 2010. Große “Bild”-Schlagzeile: “Stephanie zu Guttenberg jagt Kinderschänder im TV!”
Marion Horn kommentiert:
Respekt, Frau zu Guttenberg!
Viele Politiker-Frauen engagieren sich sozial, aber keine geht so weit wie Stephanie zu Guttenberg. Sie geht da hin, wo es weh tut. Mitten in die Abgründe perverser Täter, die sich an unseren Kindern vergreifen wollen. (…)
Stephanie zu Guttenberg zwingt Polizei, Justiz und Eltern, sich mit diesem widerlichen Thema auseinanderzusetzen. Zum Schutze unserer Kinder.
Respekt!
8. Oktober 2010. “Bild”-Kommentator Einar Koch fordert “mehr Härte gegen Kinderschänder” und behauptet: “Tatort Internet: Stephanie zu Guttenberg stellt potenzielle Kinderschänder vor laufender Kamera bloß.”
“Bild” zeigt, wie Stephanie zu Guttenberg zeigt, wie sie auf der “Bild”-Titelseite ist und zitiert sie: “Es sind diese Schlagzeilen, die wir brauchen – zum Schutz unserer Kinder!”
9. Oktober 2010. “Tatort Internet – die RTL-2-Sendung mit Stephanie zu Guttenberg erschüttert Deutschland.”
11. Oktober 2010. “Bild”-Reporter Hans-Jörg Vehlewald prangert an: “Nach mutiger TV-Doku: Kinderschänder beschimpfen Stephanie zu Guttenberg”. Mit den Kinderschändern im Bund sieht er die “Süddeutsche Zeitung” und zitiert empört und verkürzt: “Die Ministergattin wecke einen ‘gefährlichen Volkszorn’ gegen erwachsene Männer, die mit 13-jährigen Kindern Sex haben wollen.”
16. Oktober 2010.
18. Oktober 2010.
Stephanie zu Guttenberg sagt zu “Bild”, sie sei empört, wie sich Medienexperten, Juristen und Journalisten so offensichtlich auf die Seite von Tätern stellen, statt die Opfer zu schützen. Ein vierfacher Vater namens Til Schweiger sagt zu “Bild”, er sei “erst sprachlos und dann vor allen Dingen wütend”, wie mit Frau zu Guttenberg umgegangen werde. Er stellt die Frage: “In was für einer Gesellschaft leben wir denn?”
19. Oktober 2010.
5. November 2010. Stephanie zu Guttenberg wird für ihr Engagement gegen Kindesmissbrauch mit der “Goldene Erbse” des Deutschen Zentrums für Märchenkultur geehrt.
8. November 2010.
Diese Guttenbergs! Sie waren DAS Glamour-Paar beim Sportpresseball in der Alten Oper. Entwaffnend sympathisch, erfrischend ehrlich. So gesteht Stephanie zu Guttenberg (33) in ihrem nachtblauen Abendkleid: “Ich fühle mich eindeutig wohler in Jeans.”
10. November 2010. Stephanie zu Guttenberg ist erneut “Gewinnerin” des Tages in “Bild”:
Seit die Ministergattin mit der Sendung “Tatort Internet” gegen Kinderschänder kämpft, steigt die Zahl von Hinweisen auf Kinderpornografie bei der Beschwerdestelle der Internet-Wirtschaft rasant. Kindersex-Fotos und -Videos verschwinden schneller aus dem Netz.
15. November 2010. Stephanie zu Guttenberg wird an der Promi-Ausgabe von “Wer wird Millionär” teilnehmen.
16. November 2010. Stephanie zu Guttenberg wird an der Promi-Ausgabe von “Wer wird Millionär” teilnehmen. Sie sagt: “Ich bin schon nervös. Doch Nervosität muss ja nicht unbedingt schaden.” Günther Jauch sagt: “Sie spricht fünf Sprachen und ist hochgebildet. Aber dennoch kann man bei einer Frage hängen bleiben (…).”
30. November 2010. Stephanie zu Guttenberg wird an der “Bild”-Spendengala “Ein Herz für Kinder” teilnehmen.
1. Dezember 2010. “Innocence in Danger” stellt Strafanzeige gegen Redakteure der “Frankfurter Rundschau”, die die Arbeitsweise des Vereins kritisiert haben. “Bild” berichtet auf Seite 1. Stephanie zu Guttenberg sagt: “Wir lassen uns die erfolgreiche Arbeit zum Schutz der Kinder nicht von der absurden Verleumdungskampagne des DuMont-Verlags kaputt machen.”
3. Dezember 2010. “Bild” veröffentlicht eine 30-köpfige Liste: “Diese Deutschen wollen wir öfter im TV sehen!” Auf Platz 1 landet überraschend Stephanie zu Guttenberg:
Sie ist definitiv schuld daran, wenn der Blondinenwitz ausstirbt! Klug, witzig, tough. Wer interessiert sich da noch für Ur-Ur-Opa Bismarck? Nicht mal der eigene Minister-Ehemann kann ihr die Show stehlen. Bleibt nur noch die Frage: Wie schafft die das bloß?
4. Dezember 2010. Stephanie zu Guttenberg wird an der “Bild”-Spendengala “Ein Herz für Kinder” teilnehmen.
8. Dezember 2010. “Bild” präsentiert das Werk “Verletzungen – Verbindungen” des Künstlers Günther Uecker. Unter den Gästen: Stephanie zu Guttenberg.
10. Dezember 2010. “Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß rühmt “den besten Beweis für tadelfreies Arbeiten”, den Stephanie zu Guttenberg für “Innocence in Danger” von der deutschen UNESCO-Kommission erhalten habe, die erklärte, sie unterstütze “mit Nachdruck die Ziele des Vereins”.
Unterdessen erklären Stephanie zu Guttenberg und Maria Riesch in “Bild”: “Jetzt kämpfen wir gemeinsam gegen Kindes-Missbrauch!”
14. Dezember 2010. Stephanie zu Guttenberg begleitet ihren Mann zu einem Truppenbesuch in Afghanistan:
Die Ministergattin sucht das Gespräch mit Soldatinnen – in sandfarbenen Jeans, Karo-Bluse, Parker und “Ugg”-Boots -, lässt sich von Oberfeldwebel Stefanie ein “Yak” erklären (gepanzertes Sanitätsfahrzeug), besichtigt die leere Intensivstation des Einsatzlazaretts: “Wenn in Krankenhäusern nichts los ist, ist es ja großartig …”
15. Dezember 2010. Ein Coming-Out:
“Bild” zitiert Hauptfeldwebel Stefan B. (39), Kunduz: “Für uns war es schön, dass beide bei uns waren. Frau zu Guttenberg war sozusagen stellvertretend für unsere Freundinnen, Frauen und Mütter hier.”
“Bild” fragt bei Moderator Johannes B. Kerner nach: “Gab es Reaktionen auf Frau zu Guttenberg?” Kerner antwortet: “Frau zu Guttenberg war hauptsächlich in Kunduz und wir in Mazar-e-Sharif. Mir haben zwei Soldatinnen gesagt, dass sie es gut finden, dass die Ministergattin mitgekommen ist. Mehr habe ich nicht gehört.”
17. Dezember 2010. Stephanie zu Guttenberg erklärt, warum sie ein “Herz für Kinder” hat: “Weil das Lächeln eines Kindes und in diesem Fall meiner eigenen Kinder mit nichts auf dieser Welt aufzuwiegen ist.”
18. Dezember 2010. Stephanie zu Guttenberg wird an der “Bild”-Spendengala “Ein Herz für Kinder” teilnehmen. Sie war als Projekt-Patin im Oktober in ein Waisenhaus nach Nepal gereist.
20. Dezember 2010. Stephanie zu Guttenberg hat an der “Bild”-Spendengala “Ein Herz für Kinder” teilgenommen.
SIE kämpfte für den guten Zweck, ER kam direkt aus dem Krieg dazu …
DIE GUTTENBERGS.
Millionen TV-Zuschauer sehen im ZDF eine Stephanie zu Guttenberg (34), die sich leidenschaftlich für verstoßene und missbrauchte Kinder in Nepal einsetzt. (…)
Nach ihrem bewegenden Auftritt fällt Stephanie zu Guttenberg dann auch ihrem Mann in die Arme. Sie küssen sich innig.
Kurz nach ein Uhr gehen die Guttenbergs — Hand in Hand.
Power-Paar: Stephanie und Karl-Theodor zu Guttenberg. SIE in einem eleganten Kleid von Rena Lange. ER direkt vom Flughafen — noch im Afghanistan-Outfit.
(Übersicht möglicherweise unvollständig. Alle Artikel ausschließlich aus der gedruckten werktäglichen “Bild”-Zeitung. Auf Bild.de ist das Korpus natürlich größer.)
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1. “Nach dem Facebook-Event: Der Hype-Journalismus im Schatten der Web-Giganten” (wasmitmedien.de, Daniel Fiene)
Es reicht, Journalisten statt zu einer “Pressekonferenz” zu einem “Event” einzuladen und in einem Nebensatz ein völlig neues Zeitalter zu versprechen – und schon ist das von Facebook angekündigte Messaging-System in allen Medien: “In großen Teilen sind auch heute Morgen die Nachberichte vom Facebook-Event völlig unkritisch – und das obwohl die meisten Autoren nicht einmal persönlich das System oder zumindest eine Demo testen konnten. Sie müssen sich auf das verlassen, was ihnen bei dem Event präsentiert wurde.”
2. “Einmal rein und raus” (journalist.de, Gabriele Bärtels)
Journalistin Gabriele Bärtels schildert, wie ein klassisches 15-Minuten-Interview mit einem Filmstar abläuft: “Ich ballere zusammenhanglose Fragen ab, weil mir aus Zeitmangel nichts anderes übrig bleibt. Der Prominente guckt vertraut, tut erfreut, obwohl er weiß, dass ich lüge, und er lügt.”
3. Interview mit Frank Westphal (stefanmey.wordpress.com, Stefan Mey)
Frank Westphal gibt zu, dass er bei dem von ihm entwickelten Newsaggregator Rivva auch redaktionell eingreift. Neben der Monetarisierung des Diensts geht es in Teil 2 des Gesprächs um Links.
4. “Let’s Play A Game: Anarchist Or Photo Op?” (techdirt.com, Mike Masnick, englisch)
Viele britische Zeitungen hieven ein Foto einer Gewalttat anlässlich der Studentenproteste auf die Titelseite. Die vielen danebenstehenden Fotografen werden konsequent weggeschnitten.
5. “Tief im Western mit der ‘Aktuellen Stunde'” (coffeeandtv.de, Lukas Heinser) Kerpen muss seinen Status als Formel-1-“Weltmeisterstadt” an Heppenheim abgeben. Die WDR-Sendung “Aktuelle Stunde” spricht dazu mit von diesem Umstand nicht besonders aufgewühlten Kerpenern.
6. “Showdown beim Elternabend” (stern.de, Holger Witzel)
“Ob es um den Kuchenbasar für die Erdbebenopfer geht oder um die meisten überflüssigen Fragen zur Klassenfahrt – an ihrem Benehmen auf Elternabenden sollt ihr sie erkennen.”
Seit Wochen lobpreist “Bild” die RTL2-Sendung “Tatort Internet”, in der gezeigt wird, wie Männer in Chats vermeintlich 13-jährige Mädchen ansprechen, sich mit ihnen verabreden und sie treffen (BILDblog berichtetemehrfach). Erst vergangenen Mittwoch erklärte die Zeitung die Politikergattin Stephanie zu Guttenberg, die in der Erstausgabe der Sendung herumgesessen hatte, mit einer beeindruckenden Begründung zum “Gewinner” des Tages:
Riesenerfolg für Stephanie zu Guttenberg (33)! Seit die Ministergattin mit der Sendung “Tatort Internet” gegen Kinderschänder kämpft, steigt die Zahl von Hinweisen auf Kinderpornografie bei der Beschwerdestelle der Internet-Wirtschaft rasant. Kindersex-Fotos und -Videos verschwinden schneller aus dem Netz.
BILD meint: Bravo!
Die Menschen, die in “Tatort Internet” leidlich anonymisiert der Öffentlichkeit preisgegeben werden, bezeichnet “Bild” gern als “Kinderschänder” oder “Sex-Ekel”, die sich “an 13-jährige Kinder ranmachen wollten, um sie zum Sex zu überreden”.
Umso erstaunlicher ist der Tonfall, in dem Bild.de und “Bild am Sonntag” über einen Fall aus Österreich berichten, in dem eine 42-jährige Handball-Trainerin zu 22 Monaten auf Bewährung verurteilt worden war, weil sie mit einem damals 13-jährigen Schutzbefohlenen eine Affäre eingegangen war:
Schlimm, so Bild.de, scheint das alles nicht so richtig zu sein:
Er wollte Handball bei ihr spielen. Doch seine Trainerin unterwies ihn im verbotenen Liebesspiel: Jetzt wurde Renata C. (42) wegen Verführung eines Minderjährigen zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Immer wieder droht die Berichterstattung in eine Art “Schuljungenreport” umzuschlagen:
Erwin U. – eine imposante Erscheinung, gut aussehend, groß und schlank, athletisch. Er ist inzwischen 14, wirkt aber deutlich älter.
Die Angeklagte wird dabei als “liebestolle Trainerin” (“Kurze Strubbelfrisur”, “selbst Mutter zweier halbwüchsiger Töchter”) bezeichnet, der Schüler erst als “Opfer”, dann als “Toy-Boy”. In weiteren Artikeln ist von “Spielchen außerhalb des Strafraums” die Rede, die die “Sex-Trainerin” mit dem “Burschen” getrieben habe.
So richtig mochte sich offenbar auch die “Bild am Sonntag” nicht für eine moralische Bewertung entscheiden, die ihr sonst so leicht von der Hand geht:
Während die Öffentlichkeit streitet, ob diese Beziehung romantisch, unmoralisch, oder gar pervers ist, bekommt Erwin zumindest von seinen Freunden Rückendeckung. “Meine Freunde und Schulkollegen haben volles Verständnis für meine Beziehung.” Und auch Renata sagt: “Mein Mann auch. Er war in den letzten Monaten eine große Stütze, er ist großartig.”
Online-Redakteure haben es schwer: Sie müssen sich nicht nur um die Texte kümmern, sondern auch um Bilder. Trotz Fotoagenturen und riesigen Datenbanken ist es nicht ganz einfach, die richtigen Bilder zu finden. Denn sie müssen nicht nur die Geschichte erzählen, sondern auch in das rigide Baukasten-Schema der Redaktionssysteme passen.
So hat zum Beispiel der Online-Auftritt des Hochglanzmagazins “Stern” seit dem Relaunch ganz oben ganz viel Platz freigeräumt für ein starkes Aufmacherbild: nicht zu hoch, dafür aber sehr breit. Doch wie findet man jeden Tag passende Bilder für diesen prominenten Platz?
Am Samstag sah es besonders düster aus. Zwar bot die Geschichte über die baldige Rettung der verschütteten Bergleute in Chile eine ganze Reihe emotionaler Bilder, doch in das Breitwandformat wollte keines so recht passen.
Doch dem Redaktör ist nichts zu schwör und so begrüßte Stern.de seine Leser mit diesem farbintensiven Aufmacher-Foto: ein Clown, ein Reporter und der weite Himmel über Chile.
Irgendwas ist merkwürdig, nicht? Noch merkwürdiger wirkt das Bild, wenn man es ohne die Aufmacherschlagzeilen betrachtet:
Oder einfach nur die rechte Hälfte des Bildes:
Ein Blick auf das Original-Foto zeigt sehr schön, wie das Aufmacherbild zu Stande kam: Ein Redakteur hat den rechten Rand des Bildes abgeschnitten und einen schmalen Streifen Himmel 16 Mal dorthin kopiert.
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1. Busunglück: “Fakt”-Reporter soll sich als Angehöriger ausgegeben haben (polskaweb.eu)
Um “an Exklusivfotos und Insider-Informationen” zu kommen, soll sich ein Mitarbeiter der polnischen Boulevardzeitung “Fakt” “als Angehöriger eines der Todesopfer aus dem polnischen Reisebus ausgegeben haben, der am vergangenen Sonntag auf dem Berliner Ring verunglückte”. Eine Sprecherin des die Zeitung herausgebenden Axel-Springer-Verlags dementierte das. “Zu keinem Zeitpunkt habe er seine Identität als ‘Fakt’ Mitarbeiter verborgen und auch habe sich kein Angehöriger hierüber beschwert”.
4. “Klum-pa-Klatsch me if you can” (wortvogel.de, Torsten Dewi)
Torsten Dewi würde gerne ein Blog über die “Verlogenheit der Yellow Press” schreiben. Es genüge nicht, nur einzelne Versäumnisse zu kritisieren, es gehe um “das Existenzrecht von Magazinen, die praktisch komplett aus Hörensagen und Gerüchten bestehen”.
6. “Wenn die Böcke zicken” (clack.ch, Nicole Althaus)
Nicole Althaus denkt nach über das “Unwort” “Zickenkrieg”, das kurz nach der feststehenden Frauenmehrheit in der Schweizer Regierung in verschiedenen Zeitungen zu lesen war.
Nach dem Amoklauf in Lörrach wettern Deutschlands User auf Twitter gegen die Sinnlosigkeit von Killerspielverboten. Ohne Rücksicht auf die Opfer der Tragödie.
“Zynisch” habe sich “das Web” “gegeben”, “Futter für Häme” habe die Biographie der Amokläuferin “geliefert”, “Häme” habe auch den CDU-Politiker Wolfgang Bosbach “getroffen”, einen “sarkastischen Unterton” glaubt Disselhoff erkannt zu haben.
In welche Kategorie sein eigener Text fällt, lässt der Autor offen:
Das Problem ist wie so oft nicht die Nachricht, sondern wie mit ihr umgegangen wird. Während ausgebildete Journalisten darin geschult sind, sensibel mit Daten von Personen umzugehen und Fakten zu recherchieren, steht hingegen bei Twitter die Meinung schnell fest. Der Pressekodex gilt nun einmal nur für die Presse. Und nicht für ein Medium, welches von vielen fälschlicherweise als die Zukunft des Journalismus betrachtet wird.
Erschienen ist Disselhoffs Text bei stern.de, dem Internetportal jener Zeitschrift, deren ausgebildete Journalisten sich nach dem Amoklauf von Winnenden im vergangenen Jahr geweigert hatten, die Herkunft der von ihnen veröffentlichten Privatfotos der Opfer zu erklären, und die derart sensibel mit Daten von Personen umgegangen waren und Fakten recherchiert hatten, dass sie das Foto eines Unbeteiligten als Porträt des Täters ausgaben.
Es waren viele Beschwerden, die zur Berichterstattung über die Loveparade-Katastrophe beim Deutschen Presserat eingingen, sehr viele Beschwerden: 241 insgesamt, die zu 13 Sammelbeschwerden zusammengefasst wurden.
Die “Maßnahmen” des Presserates:
Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:
einen Hinweis
eine Missbilligung
eine Rüge.
Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.
Eine “öffentliche Rüge”, die härteste Sanktion, die dem Presserat zur Verfügung steht, hat sich Bild.de eingehandelt: In einem Artikel beschrieb ein Arzt die Todesumstände einer jungen Frau, die dazu auf einem ungepixelten Foto zu sehen war. Der Presserat sah darin Verstöße gegen die Ziffern 8 und 11 des Pressekodex.
Der Artikel, über dem nicht weniger als 18 Autoren-Namen prangten, war eine Übernahme aus der gedruckten “Bild”-Zeitung, aber weil sich niemand gesondert über die Printausgabe beschwerte, wurde nur Bild.de wegen der “unangemessen sensationellen Darstellung” gerügt.
Aber nicht alles, was in den Tagen nach dem Unglück in Zeitungen und online erschienen ist, war in den Augen des Presserats “unangemessen sensationell”: In einer großen Fotostrecke von Bild.de, über die sich allein 179 Menschen beschwert hatten, sah der Presserat nur in einem Fall eine “unangemessen sensationelle Darstellung”. Die Darstellung abgedeckter Leichen falle nicht automatisch darunter, stellten die Ausschussmitglieder klar.
Manfred Protze, Vorsitzender des Beschwerdeausschuss 1, ließ dazu verlautbaren:
Dass viele Menschen diese Fotos unerträglich finden, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass ein solches Ereignis von hohem öffentlichen Interesse ist. Dabei dürfen Journalisten auch Situationen zeigen, die die furchtbare Realität dokumentieren.
Eine Grenze sei erst erreicht, wenn “Menschen zu bloßen Objekten herabgewürdigt” würden.
Verschiedene Zeitungen und Online-Portale hatten die Opfer mit Fotos vorgestellt und teilweise den abgekürzten Namen, das Alter, den Wohnort und weitere Details wie Hobbies und Beruf veröffentlicht (willkürliches Beispiel: s.o.). Damit verstießen sie gegen Ziffer 8 des Pressekodex, die die Privatsphäre der Opfer schützen soll.
Für ungepixelte Fotos der Opfer mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen gab es in drei Fällen “Hinweise”, in vier weiteren Fällen, in denen weitere Details aus dem privaten Umfeld veröffentlicht wurden, “Missbilligungen”.
Ausdrücklich betonte der Presserat, dass die Veröffentlichung von Fotos ohne Einwilligung der Hinterbliebenen “grundsätzlich unzulässig” sei. Die Frage, ob die Bilder aus sozialen Netzwerken wie Facebook entnommen wurden, klärte der Ausschuss diesmal nicht. Die Zeitungen hatten darüber auch keine Informationen abgegeben. Gleichzeitig kündigte der Presserat aber an, sich “zeitnah” mit der Thematik zu befassen, da er es “als bedenklich einstuft, wenn Journalisten hier für ihre Beiträge recherchieren und sich der dort gespeicherten Fotos bedienen.”
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1. “Sarrazin führt Deutschland vor” (konjovic.de, Georg Konjovic)
“Es steht 5:0 für Thilo Sarrazin im Spiel ‘Provokanter Autor’ versus ‘Hysterie-süchtige Republik’.”
2. “Sarrazin und die Medien: Pure Heuchelei” (carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Für Robin Meyer-Lucht hatte die “Huldigung in Blitzlichtgewittern” anlässlich der Pressekonferenz zur Buchvorstellung von Thilo Sarrazin etwas Bedrückendes. Der Journalismus renne “sklavisch der Gier des Publikums nach”, denn Sarrazin sei “aus dem Stoff gemacht, der Auflage bringt”, ein “Auflagen- und Aufmerksamkeitsgoldstück”. Siehe dazu auch “Ein Abgrund an Journalismus-Verrat”(blog-cj.de, Christian Jakubetz).
3. “Reisebetrug über RTL-Videotext” (ndr.de, Video, 7:20 Minuten)
Eine auf RTL Videotext geschaltete Werbeanzeige für Urlaubsreisen stellt sich als betrügerisches Angebot heraus.
4. “Vom Mordopfer ein falsches Bild machen” (derstandard.at, Harald Fidler)
“Krone”, “Österreich” und “Kurier” veröffentlichen ein Bild einer ermordeten Frau, das unter ihrem Namen bei Facebook zu finden war. “Ob es tatsächlich die Seite des Opfers war, oder, wofür es Hinweise gibt, einer Frau gleichen Namens gehört, war Sonntag nicht zu eruieren.”
5. “Die häufigsten Fehler der taz-Autoren” (blogs.taz.de/hausblog, Matthias Fink)
“Der häufigste Fehler ist aber sicher das Auseinanderschreiben von allem und jedem. Selbst wer weiß, dass die reine Getrenntschreibung nicht das Wahre ist, setzt oft nur einen Bindestrich, wobei ‘Heinrich Heine-Straße’ mit ‘Heinrich-Heine Straße’ konkurriert.”
6. “Sag beim Abschied leise Servus!” (zeit.de, Jens Jessen)
“Zeit”-Feuilletonchef Jens Jessen mahnt zur Zurückhaltung beim Ausstand nach dem Praktikum. “Als ich zum Ende meiner Hospitanz bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mehrere Bleche Pflaumenkuchen servierte, wurde dieser zwar gerne gegessen – aber vielleicht auch zu gerne, denn der Feuilletonchef verabschiedete mich mit den Worten, dies sei der beste Artikel, den ich bisher abgeliefert hätte.”
Es ist ein schrecklich geschundenes Gesicht, das “Bild” am 11. August 2004 in Großaufnahme zeigt. Das linke Auge des Mannes ist fast zugeschwollen, im Mund ist getrocknetes Blut zu sehen, auf Wangen und Nase haben Schläge deutliche Spuren hinterlassen.
Das Foto des Mannes war von einer Nachrichtenagentur unter Berufung auf die thailändische Zeitung “Pattaya Mail” verbreitet worden. Die Geschichte zu dem Gesicht erzählte “Bild” so: Ein deutscher Geschäftsmann namens F. habe sich als “Sex-Tourist” im thailändischen Urlaubsort Pattaya aufgehalten.
Er engagierte ein Thai-Mädchen, versprach ihr viel Geld für ein privates Pornovideo. (…)
Für 1000 Baht (umgerechnet 20 Euro) willigte die Prostiuierte ein, ging mit ihm aufs Zimmer — und ließ sich filmen. Aber nach dem Sex wollte der Bayer plötzlich den vereinbarten Lohn nicht zahlen! Lautstarker Streit, die Hure wurde handgreiflich, sie stürzte sich auf den Deutschen, schlug ihm ins Gesicht. (…) Vergeblich versuchten andere Prostituierte und die Bordellchefin dazwischenzugehen.
Erst Polizisten konnten den Deutschen und die Hure trennen. (…)
Eine tolle Geschichte, oder wie “Bild” schrieb: “ein unglaublicher Fall”, den das Blatt natürlich trotzdem unbesehen geglaubt hatte.
Doch die Geschichte ist falsch. Das fängt schon damit an, dass der Mann, den “Bild” groß im Foto zeigt und mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und Heimatort nennt, kein “Sex-Tourist” ist, sondern in Pattaya lebt. Und es hört nicht damit auf, dass der Mann in seiner eigenen Wohnung zusammengeschlagen wurde, nicht in einem Bordell, weshalb auch keinen anderen Prostituierten oder gar eine Bordellchefin dazwischen gingen.
F. hat die “Bild”-Zeitung damals verklagt. Nach über fünf Jahren Verhandlung hat das Landgericht Hamburg in der vergangenen Woche endlich ein Urteil gefällt: Das Blatt habe das Persönlichkeitsrecht von F. “in schwerwiegender Weise” verletzt. Der Inhalt des Artikels sei “unwahr”. Durch die Veröffentlichung des Fotos habe die Zeitung “in evidenter und krasser Weise” gegen F.s Recht am eigenen Bild verstoßen:
Es handelt sich um eine großformatige Portraitaufnahme des Klägers, die ihn entstellt zeigt, nachdem er Opfer einer Straftat geworden ist. Sie zerrt den Kläger an die massenmediale Öffentlichkeit, zeigt ihn in einem Zustand, der einer Krankheit vergleichbar ist, und macht diesen für jedermann sichtbar. Der Kläger wird entwürdigend und anprangernd dargestellt.
Und was kostet sowas? Nicht viel: Das Gericht verurteilte “Bild” zur Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld, und nicht einmal die wird der Kläger vollständig bekommen.
Ein Sieg ist das nicht.
Dass der “Bild”-Bericht in den wesentlichen Punkten falsch ist, steht außer Frage. Umstritten ist, ob er einen wahren Anlass hat.
Die “Bild”-Zeitung hatte als Teil ihrer Verteidigung einen Mann zur “Nachrecherche” nach Thailand geschickt und behauptete nun, Hintergrund des Angriffs seien mehrere Pornofilme gewesen, die F. mit einer Prostituierten gedreht habe, deren Herausgabe sie forderte und die später von der Polizei auf F.s Computer gefunden worden seien. Als F. der Forderung nicht nachkam, habe die Frau Freunde zu Hilfe gerufen, woraufhin es zu den Handgreiflichkeiten gekommen sei.
F. bestreitet einen solchen Zusammenhang und schildert die Tat als einen brutalen Raubüberfall von zwei Männern auf ihn. Die Frau, die ihn laut “Bild” mit verprügelt haben soll, sei gar nicht anwesend gewesen. Auf seinem Computer seien zwar pornografische Filme gewesen, aber keiner mit der betreffenden Frau.
Das Hamburger Gericht ließ in Thailand einen Polizeibeamten als Zeugen vernehmen, der mit dem Fall damals zu tun hatte, aber nicht vor Ort war. Das trug mit zu der erstaunlichen Verlängerung der Prozessdauer bei, brachte aber nur bedingt Klarheit. Am Ende glaubte das Gericht, dass ein Streit um die Videos, die während der Beziehung zwischen der Frau und F. “zum Hausgebrauch” entstanden seien, Hintergrund der Körperverletzung gewesen sei. Somit sei die Berichterstattung von “Bild” zwar in weiten Teilen unwahr, sei aber “auf ein reales Geschehen zurückzuführen”. Das mindere den Schadensersatzanspruch von F.
Als entscheidend für die Höhe der zu zahlenden Summe wertete das Gericht auch, inwieweit die “Bild”-Berichterstattung Folgen für F. hatte. Ungefähr die einzige Aussage des Opfers, die die “Bild”-Anwälte ihm glaubten, war die, dass er kein “Sex-Tourist” ist, sondern seinen Wohnsitz in Thailand hat. In Thailand, so die Argumentation der “Bild”-Anwälte, würden aber nicht einmal 400 Exemplare des Blattes täglich verkauft. Dass die Familie von F. in Oberstdorf lebe, dass er regelmäßig dorthin zu Besuch fahre, dass die Mutter von F. vielfach auf den “Bild”-Artikel über ihren Sohn angesprochen worden sei, all das bestritten die Anwälte pauschal.
Das Gericht urteilte, dass F. von der falschen und seine Persönlichkeitsrechte verletzenden Berichterstattung “weniger intensiv betroffen” sei, weil er seinen Lebensmittelpunkt in Thailand habe.
Anstelle der Forderung von 30.000 Euro, für die das Gericht dem Kläger ursprünglich Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, sprach die Zivilkammer 24 dem “Bild”-Opfer nur 10.000 Euro Schmerzensgeld zu. Ursprünglich hatte F. auch versucht, “Bild” zu einem Widerruf zu zwingen — eine Forderung, die F.s Anwalt zurückziehen musste, weil es sich als unmöglich erwies, Zeugen des Tatverlaufs in Thailand aufzutreiben. Den Streitwert eines solchen Widerrufs hatte das Gericht mit 50.000 Euro angegeben. Die 10.000 Euro entsprechen somit nur einem Achtel der Forderungen des Klägers, der deshalb sieben Achtel der Kosten tragen muss.
Die Kosten des Gerichtes und seines eigenen Anwaltes trägt die Staatskasse. Von den 10.000 Euro Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen, die “Bild” F. zahlen muss, kann das Blatt rund 3000 Euro eigene Anwaltskosten gleich abziehen.
F. ist außerordentlich frustriert. Er beschwert sich über die massive Verzögerungstaktik des Richters Andreas Buske und meint, dass schon die Veröffentlichung des “schrecklichen Fotos” von ihm eindeutig unzulässig gewesen sei. Er muss sich nun entscheiden, ob er Berufung gegen das Urteil einlegt.
Für “Bild” sind die paar Euro für die Entwürdigung und Verleumdung eines Menschen sicher leicht zu verschmerzen.