Die Website relaxler.com bietet im AppStore Nachrichten-Applikationen an, zum Beispiel für spiegel.de oder 20min.ch. Im Gegensatz zu den offiziellen Angeboten der Newsportale sind diese kostenpflichtig: “Und damit scheinen sie Erfolg zu haben, die App wird von ahnungslosen Usern offenbar rege installiert. Denn obwohl die 20-Minuten-Raubkopie erst seit dem Wochenende zum Download bereit steht, belegt sie schon Platz Drei der meistgekauften Nachrichten-Apps.”
Das Düsseldorf-Blog veröffentlicht den Brief (pdf, 133kb) von Regierungssprecher Hans-Dieter Wichter an Focus-Chefredakteur Helmut Markwort. Näheres dazu auf tagesspiegel.de von Jürgen Zurheide.
Christian Humborg macht sich Gedanken zur Transparenz bei den Einkünften von Journalisten: “Eine schöne Ergänzung zur Genehmigung wäre, bei der Abmoderation der Tagesthemen liefe unten ein Band mit dem Text: Der Moderator hat in den letzten zwölf Monaten von folgenden Unternehmen und Organisationen Nebeneinkünfte von mehr als 1.000 Euro erhalten: …”
“In Radioprogrammen wird heute nicht selten getrickst und betrogen, werden Hörer bei Gewinnspielen an der Nase herumgeführt und in Informationssendungen für dumm verkauft. Wir – kritische Hörfunkjournalistinnen und –journalisten – fordern daher, die Glaubwürdigkeit unseres Mediums wieder zu stärken. Nur ein Radio, das seine Hörer nicht belügt wird als Medium im digitalen Zeitalter bestehen können!”
“Du bist uns schon eine rechte Mausefalle! (…) Wie, Sueddeutsche.de, Du also einerseits von der seriösen Aura Deines Mutterblatts zehrst und andererseits auf die billigste Weise Klicks abgreifst, das ist wirklich Wahnsinn, völlig irre, zum Verrücktwerden!”
Man kann nicht sagen, dass “Bild” dieser Geschichte nicht genug Platz eingeräumt hätte:
Im Innenteil widmet “Bild” Jackson drei Seiten, zeigt “die letzten Fotos” und wagt weitreichende Interpretationen:
Vor vier Tagen starb der “King of Pop” mit nur 50 Jahren. Nur wenige Stunden zuvor probte er noch in Los Angeles für seine neue Show. Jacko trägt schwarze Klamotten, er tanzt, er wirkt gelöst, zufrieden, er spricht mit den Komparsen. Es sind Fotos der letzten Probe, die das Drama um Michael Jackson in einem noch mysteriöseren Licht erscheinen lassen. Denn der Jackson, den wir auf den Fotos sehen, sieht nicht totkrank [sic] aus.
Dass Jackson auf den Fotos so vital wirkt, könnte natürlich auch damit zusammenhängen, dass sie nicht am “vergangenen Mittwoch” entstanden sind, sondern schon etwas früher: im November 2003, bei den Dreharbeiten zum Musikvideo “One More Chance”, das nie fertiggestellt wurde, weil zeitgleich die Ermittlungen gegen den Popstar wegen Kindesmissbrauchs begannen.
Ein Kalender für 2006 zeigt Jackson im gleichen Aufzug und mit der gleichen Frisur an dem Tisch sitzen, auf dem er angeblich am Mittwoch tanzte.
Möglicherweise ist das auch der Grund, warum der Artikel bei Bild.de — ohne jede Erklärung — plötzlich nicht mehr verfügbar ist.
Aber “Bild” ist nicht als einziges Medium auf die umetikettierten Fotos hereingefallen. Auch “Welt” und “Berliner Morgenpost” und viele andere internationale Medien berichteten über die Bilder vom “Tag vor seinem Tod”. Auch der Internetdienst TMZ.com, der am Donnerstag als erstes Medium über Jacksons Tod berichtet hatte, zeigte zwischenzeitlich die Fotos und präsentierte sie als neu.
“Focus Online” hat inzwischen recherchiert, wie es zu dem Vorfall kommen konnte:
Des Rätsels Lösung: Die “Bild”-Zeitung ist einem dreisten Betrug aufgesessen, denn die Aufnahmen schienen zwar exklusiv und noch nie veröffentlicht worden zu sein, doch sie entstanden bereits 2003. “Es stimmt, die Bilder sind sechs Jahre alt”, erklärte Michael Symanowski von der Potsdamer Agentur Reflex im Gespräch mit FOCUS Online. […]
“Wir sind den Tränen nah”, sagt Michael Symanowski. Für die “Bild”-Redaktion gilt heute sicher das Gleiche.
Was “Focus Online” dabei elegant verschweigt: In einem eigenen Artikel, auf den sich wiederum max.de und tvspielfilm.de bezogen, prangten bis vor kurzem noch diese Bilder:
PS: Einigermaßen bemerkenswert ist übrigens die selektive Wahrnehmung der “Focus Online”-Redaktion:
Die Verwunderung war groß, als der Blick in die Montagausgabe der “Bild”-Zeitung fiel. Stolz präsentierte das Blatt die angeblich letzten Fotos von Michael Jackson. […]
Doch schnell kamen Zweifel an der Echtheit der Bilder auf.
Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber.
Nachtrag, 16:15 Uhr: “Focus Online” hat seinen Artikel noch mal ein bisschen nachbearbeitet. Plötzlich finden sich darin auch Bezugnahmen aufs eigene Medium:
Auch FOCUS Online war den falschen Bildern zunächst aufgesessen und hatte einige davon für die Berichterstattung zum Tod von Michael Jackson übernommen. […]
Die “Bild”-Zeitung und andere Medien, darunter auch FOCUS Online, sind einem dreisten Betrug aufgesessen […]
Über die Tränen der “Bild”-Redaktion wird dafür nicht mehr gemutmaßt.
2. Nachtrag, 17:15 Uhr: Bild.de erklärt in einem eigenen Artikel, wo die falschen Bilder herkamen, und schließt ungewohnt offen:
Ausdrücklich bedankt sich BILD bei den zahlreichen Michael-Jackson-Fans, die uns auf den Schwindel aufmerksam gemacht haben. Dass auch wir darauf reingefallen sind, bedauern wir.
Biertrinker müssen sich auf höhere Preise einstellen. Angesichts gestiegener Rohstoffkosten etwa beim Malz und des sinkenden Absatzes stünden die Brauereien unter Druck, sagten Vertreter des Deutschen Brauer-Bundes am Donnerstag in Darmstadt.
Deutschlands Biertrinker müssen nicht mit steigenden Preisen rechnen, obwohl die Rohstoffpreise gestiegen sind. Zurzeit seien Preiserhöhungen kaum zu realisieren, sagte der Präsident des Deutschen Brauer-Bunds, Wolfgang Burgard, in Darmstadt.
P.S.: Zum Wohle unserer Leser werden wir natürlich baldmöglichst einfach mal beim Brauer-Bund nachfragen, was denn jetzt stimmt.
Mit Dank an Jan-Dirk S., Benjamin Z., Theo W., Stephan F. und Mark F.
Nachtrag, 13.57 Uhr: Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Brauer-Bundes, sagt uns auf Anfrage, der Brauer-Bund hielte es zwar für gerechtfertigt, wenn das Bier in Deutschland teurer würde, aber:
“Wir gehen nicht davon aus, dass es flächendeckend zu Preiserhöhungen kommt.”
Anders gesagt: Nachdem inzwischen ausgerechnet die korrekte Meldung (“nicht teurer”) aus den Bild.de-Newsticker gerutscht ist, ist wohl das, was beispielsweise bei Bild.de übrig bleibt und gestern sogar die Startseite zieren durfte, falsch.
Sie haben zufällig ein paar Euro auf der hohen Kante? Wir hätten da einen Anlagetipp, der ist mindestens so seriös wie das, was Sie in Banken angeboten bekommen: Kaufen Sie doch mal ein Hochhaus — sowas gibt’s momentan ganz besonders günstig. Aktuell beispielsweise: Hochhaus in allerbester Lage in New York City, wenige Schritte vom Museum of Modern Art entfernt, Central Park in unmittelbarer Reichweite, 40 Stockwerke für nur sagenhafte 100.000 Dollar. Ein echtes Schnäppchen, greifen Sie zu: Das komplette Stockwerk für gerade mal läppische 2.500 Dollar! Wenn Sie bitte vergleichen wollen: Dafür bekommen Sie in München eben mal einen Quadratmeter Eigentumswohnung, aber auch nur dann, wenn Sie Glück haben und nicht gerade in bester Lage wohnen wollen.
Das Hochhaus, das gerade in New York verkauft wurde, ist zwar nicht mehr die 500 Millionen wert, die es mal gekostet hat. Einen Preisverfall von rund 99,8 Prozent muss man aber nicht mal in dieser Krise befürchten.
Tatsächlich war die Geschichte so, dass der bisherige Eigentümer einen bestehenden Kredit nicht mehr bedienen konnte. Der Deal, auf den sich der Käufer des Gebäudes einließ, war der folgende: Man bot als Kaufpreis lediglich das Mindestgebot von 100.000 Dollar, verpflichete sich aber zugleich zur Übernahme der auf dem Gebäude lastenden Hypothek. Das sind stolze 240,1 Millionen Dollar (im Detail ist das hier nachzulesen).
Dieser nicht ganz unwesentliche Teil, der aus einem Schnäppchen dann doch eine schwere, nun ja: Hypothek macht, fehlt in der Meldung, die die Nachrichtenagentur AP über den Verkauf verbreitete. Und die “Süddeutsche” und die anderen schienen nicht einmal zu stutzen über das unglaubliche Angebot.
Ist es übrigens dann tröstlich, wenn auch amerikanische Blätter nachdrucken ohne nachzudenken?
Mit Dank an O.S.!
Nachtrag, 11. Juni: In allgemeiner Form findet sich in den Meldungen doch ein Hinweis auf die Hypotheken. Im drittletzten Absatz heißt es: “Deshalb verkaufen sie die Bürohochhäuser teils erheblich unter Wert mit der Bedingung, dass der Käufer die damit verbundene enorme Schuldenlast übernimmt.” Danke an den Hinweisgeber!
Der niederländische Politiker Geert Wilders, dessen Freiheitspartei bei der Europawahl in seinem Land zweitstärkste Kraft wurde, ist ein Mann fürs Grobe. Den Islam bezeichnet er als “faschistische Ideologie”, den Koran vergleicht er mit Hitlers “Mein Kampf”; er will ein Einwanderungsverbot für Muslime und gegen ihn wird wegen Volksverhetzung ermittelt.
Doch das bedeutet nicht, dass die Medien bei der Berichterstattung über ihn auch gern mal ein bisschen gröber zu Werke gehen dürfen und es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen müssen.
In einem “ZDF-Spezial” zur Europawahl berichtete der Sender gestern abend über Wilders:
Für Empörung in der muslimischen Welt sorgte der von Wilders mit Theo van Gogh produzierte islamkritische Film “Fitna”. Intoleranz mit schlimmen Folgen: Theo van Gogh wurde 2004 ermordet.
Das ist ebenso falsch wie perfide.
Falsch, weil das ZDF Wilders’ Film “Fitna” mit van Goghs Film “Submission” verwechselt. Aus “Submission” stammen auch die Szenen, die der Beitrag zeigt. An dessen Produktion war Wilders aber gar nicht beteiligt. Sein Film “Fitna” ist von 2008, kann also schlechterdings nicht van Goghs Ermordung 2004 zur Folge gehabt haben.
Und perfide, weil die Formulierung des ZDF van Gogh eine Mitschuld an seinem eigenen Tod zu geben scheint. Der umstrittene Filmemacher wurde von einem Amsterdamer marokkanischer Herkunft auf offener Straße erschossen. Der Mörder schnitt ihm dann die Kehle durch und hinterließ ein Bekennerschreiben, indem er seinem Opfer das Messer mit dem Papier in den Leib rammte. Das sind, laut ZDF, die “schlimmen Folgen” von van Goghs eigener “Intoleranz” und der des nicht einmal beteiligten Geert Wilders.
Wenn sie von den Rechtspopulisten kämen, würde man solche Formulierungen und Unwahrheiten als Hetze bezeichnen. Zu Recht.
Nicolaus Fest weiß, dass die “Bild”-Zeitung nach dem Amoklauf von Winnenden nichts Unzulässiges gemacht hat, und er kann es auch beweisen: “Kein einziges presserechtliches Verfahren” habe es gegen die Berichterstattung des Blattes gegeben. So.
Nicolaus Fest ist Mitglied der Chefredaktion von “Bild”. Gisela Mayer ist die Mutter einer jungen Frau, die bei dem Amoklauf getötet wurde. Sie sagt, dass ein Foto ihrer Tochter, das in den Medien gezeigt wurde, von deren jüngerer Schwester in einem ganz privaten Rahmen gemacht worden sei. Die Familie habe nicht eingewilligt, dass es veröffentlicht wurde. “Es war uns bewusst, dass wir einen Anwalt beauftragen könnten, um dagegen vorzugehen”, sagt sie. “Aber wir waren zu schwach, trauerten, waren menschlich am Ende.”
Beide sitzen nur wenige Meter auseinander auf dem Podium der Tagung des “Netzwerks Recherche”, das am vergangenen Samstag über die Grenzüberschreitungen bei der Berichterstattung über den Amoklauf diskutiert. “Geklaute Fotos, verletzte Intimsphäre — Medien ohne Moral?” ist der Titel, und Nicolaus Fest hängt in einer Weise in seinen Stuhl, dass sein ganzer Körper demonstriert, wie sehr ihn die Diskussion langweilt und nervt.
Eigentlich hätte er stattdessen zum Thema “Leser-Reporter” diskutieren sollen, aber in der Runde ist auch der ehemalige BILDblogger Christoph Schultheis, und Fest weigert sich, mit ihm auf einem Podium zu sitzen.
Frank Nipkau, der Chefredakteur der “Winnender Zeitung”, gibt sich große Mühe, Fest nicht anzusehen, wenn er erzählt von der “Jagd auf die Opfer” und davon, dass sogar Polizeistreifen nötig waren, um Angehörige vor Journalisten zu schützen. Seine Zeitung habe sich von einfachen Regeln leiten lassen: keine Opferfotos, keine Berichte von Beerdigungen, Vorsicht mit Stellungnahmen traumatisierter Kinder. “Es war eine einfache Haltung”, sagt Nipkau, “aber schon die erregte bundesweite Aufmerksamkeit.”
Nicolaus Fest hält das alles für “standeswidrige Verlogenheit”: “Es ist unsere Aufgabe, Informationen zu sammeln und zu berichten. Dass dabei manchmal Fehler passieren, ist sicher richtig. Aber bei einem so wichtigen Zeitereignis wie diesem überwiegt das Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.” Die “Bild”-Zeitung habe sich von mehreren, auch externen, juristischen Experten beraten lassen, ob die Veröffentlichung der Fotos der (teils minderjährigen) Opfer erlaubt sei. Keiner habe Bedenken gehabt, sagt Fest. Andere Medienvertreter auf dem Podium sind erstaunt.
Manche Argumente versteht Fest einfach nicht. Von Gisela Mayer will er wissen, ob sie denn nun für oder gegen die Veröffentlichung von Fotos der Opfer sei, die Fronten seien ihm da nicht ganz klar. Sie erklärt ihm dann geduldig, aber vermutlich vergeblich, dass es auf den Kontext ankomme: Die Fotos der Opfer, wie sie der “Focus” auf seinem Titel gezeigt habe, seien für sie eine Art Traueranzeige und ein respektvoller Umgang gewesen. Unzulässig sei es dagegen, die Bilder zu benutzen, um sensationsheischend und falsch zu berichten.
Fest kann auch nicht nachvollziehen, warum man die riesige Fotomontage von “Bild”, die den Amokläufer in Kampfmontur zeigte, für eine unzulässige “Heroisierung” hält: Mitglieder von Truppen wie der GSG9 oder der KSK zeige man doch auch regelmäßig in solchen Posen. Dieses Missverständnis lässt sich auf dem Podium nicht ausräumen, aber immerhin gelingt es mehreren Teilnehmern mit vereinten Kräften, Fest darauf aufmerksam zu machen, dass der Amokläufer eine solche Kampfuniform nicht einmal getragen habe (vgl. BILDblog vom 13. März 2009). Fest sagt, das höre er gerade zum ersten Mal, aber wenn das stimme, müsse er dem Sprecher des Presserats, der neben ihm sitzt und die entsprechende Rüge für “Bild” erläutert hat, recht geben — “so schwer mir das fällt”.
Dennoch: “Hier wird eine Selbstskandalisierung betrieben, die wirklich Quatsch ist”, meint Fest. Natürlich gebe es Anlässe, bei denen Medien versagt hätten, der Fall Sebnitz zum Beispiel. Aber Winnenden gehöre wirklich nicht dazu. Er habe Verständnis dafür, dass die Berichterstattung für Frau Mayer schmerzhaft gewesen sei — “ja, das wühlt noch mal auf”, wenn man die Bilder und Berichte über die getötete Tochter sehen müsse — “aber wenn man eine Presse haben will, die diesen Namen verdient, muss man das leider in Kauf nehmen.” Und wenn man die Veröffentlichung von Fotos jugendlicher Täter oder Opfer von der Zustimmung der Eltern abhängig machen wolle, “dann kann man den Journalismus gleich vergessen.”
Journalismus? Frank Nipkau bestreitet, dass es darum bei vielen Berichten über Winnenden überhaupt ging: “Das war teilweise Gewaltpornographie. Das hat mit unserem Informationsauftrag nichts zu tun.”
Die Mutter Gisela Mayer kritisiert auch die Aufmerksamkeit, die viele Medien dem Amokläufer hätten zukommen lassen. Dieser Nachruhm sei Teil dessen, was Amokläufer antreibt. Den Täter groß in Szene zu setzen, wie dies geschah, könne nachweislich Nachahmungstäter animieren. “Schwachsinn, Schwachsinn, Schwachsinn”, zischt Nicolaus Fest an dieser Stelle vor sich hin.
In Schweden hat die Piratenpartei auf Anhieb einen Sitz im Europaparlament erobert. Auch in Deutschland stimmten gestern bemerkenswerte 0,9 Prozent für diese junge Partei, die von der “Bild”-Zeitung “Gaga-Verein” genannt wird.
Eigentlich war es also eine gute Idee von der deutschen Nachrichtenagentur dpa, kurz zu erklären, wer diese Piraten sind. Wenn sie es denn getan hätte. Stattdessen veröffentlichte sie gestern Abend um 21.22 Uhr und noch einmal um 22.50 Uhr folgenden Text:
Schwedische Internet-Piraten im EU-Parlament
Bei den Europawahlen in Schweden hat die für kostenlose Downloads aus dem Internet eintretende Piratenpartei aus dem Stand 7,4 Prozent der Stimmen geholt. (…) Hintergrund für die Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. Die Börse ermöglicht das kostenlose Herunterladen von Musik, Filmen und Computersoftware aller Art. (…)
Richtig ist, dass die Piratenpartei für eine radikale Änderung des Urheberrechts kämpft. Das auf “kostenlose Downloads aus dem Internet” zu reduzieren, ist schon gewagt. Eindeutig falsch ist aber die Behauptung, dass das Pirate-Bay-Urteil Hintergrund der Kandidatur war. Das ist schon zeitlich unmöglich, weil es erst am 17. April 2009 fiel. Die Piratenpartei wurde am 1. Januar 2006 gegründet und hatte noch im selben Jahr angekündigt, bei der Europawahl antreten zu wollen. Piratenpartei und Pirate Bay entstammen derselben Bewegung, sind aber nicht direkt miteinander verbunden.
Die meisten haben auch gleich Foto und Bildtext von dpa übernommen, in dem es schlicht und falsch heißt:
Nachtrag, 15 Uhr. Um 13:21 Uhr hat dpa die Meldung teilweise korrigiert. In einer Berichtigung heißt es nun: “Hintergrund für den Erfolg der Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. ”
Eine halbe Stunde später veröffentlichte die Nachrichtenagentur eine neue, differenziertere Meldung “Schwedische Piratenpartei auf Erfolgswelle”, mit der die meisten der oben genannten Online-Medien die alte Meldung ersetzt haben. “Focus Online” hat stattdessen eine etwas kryptische Korrektur veröffentlicht.
Die Online-Redaktion der “Frankfurter Neuen Presse” reagiert angesäuert auf die Kritik an der falschen Meldung:
Als ob wir diese Meldung wider besseres Wissen veröffentlicht hätten. Wie sollen Kunden von Nachrichtenagenturen, also Zeitungen, jede einzelne Meldung überprüfen? Hunderte, tausende täglich. Die Agenturen sind dazu da, dass sie uns korrekt recherchierte Meldungen und Artikel zukommen lassen. (…)
Erinnern Sie sich an die Geschichte, amerikanische Wissenschaftler hätten herausgefunden, dass Twitter und Facebook unmoralisch machen? Für große Verbreitung dieser Falschmeldung im deutschsprachigen Raum sorgte die Düsseldorfer Nachrichtenagentur “Global Press” mit ihrem Dienst “Medical Press”. Leider haben die Mitarbeiter es — trotz einer Anfrage von uns — noch nicht geschafft, das zu berichtigen.
Kein Wunder: Sie sind ja voll damit beschäftigt, neue Meldungen für ihre Kunden wie “Focus Online” zu produzieren, zum Beispiel diese, die neue wissenschaftliche Ergebnisse mit der schlichten Überschrift zusammenfasst:
Homöopathie wirkt
Das wäre nichts weniger als eine Sensation, denn bislang ist es nicht gelungen zu beweisen, dass homöopathische Mittel besser wirken als Placebos, das heißt: Die Heilungserfolge lassen sich allein durch Faktoren wie den Glauben an die Wirksamkeit des Mittels oder auch die größere Zuwendung durch den Arzt erklären.
Als Quelle nennt “Focus Online” (bzw. “Medical Press”) die kleine Frauenzeitschrift “feminin & fit”. Die ganze Nachricht beruht ausschließlich auf einer Pressemitteilung von “feminin & fit”. Die beruft sich auf eine neue Studie von Professor Claudia Witt, die an der Berliner Charité den Projektbereich Komplementärmedizin leitet und dabei offenbar ausdrücklich den Auftrag hat, zur größeren Akzeptanz der umstrittenen Heilkunde beizutragen.
Doch die Aussagekraft ihrer Untersuchung ist in Wahrheit sehr begrenzt. Die Studie beruht im Wesentlichen darauf, Patienten in Praxen, die auch homöopathisch behandeln, nach acht Jahren zu fragen, ob es ihnen besser geht. Ein sehr großer Teil sagt, dass er sich besser fühlt — aber ob das an den homöopathischen Medikamenten liegt oder zum Beispiel dem Placebo-Effekt geschuldet ist, kann die Studie gar nicht beantworten.
Daraus zu folgern: “Homöopathie wirkt”, ist Unfug. Trotzdem hat auch diese Schein-Meldung dank “Medical Press” und der abgeschriebenen Pressemitteilung einer weithin unbekannten Frauenzeitschrift weite Verbreitung gefunden. Neben “Focus Online” brachte sie u.a. — Überraschung! — die “Bild”-Zeitung (“Homöopathische Mittel wirken”).
Doch die Medien wollen nicht nur an die magische Wirkung von sozialen Netzwerken und Flüssigkeiten ohne Inhaltsstoffe glauben.
Wissenschaftler in Seattle haben gerade eine Studie über die Wirksamkeit von Akupunktur veröffentlicht. Sie teilten über 600 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in vier Gruppen ein. Alle bekamen die konventionelle Therapie, aber eine Gruppe wurde zusätzlich nach den Regeln der Akupunktur behandelt, die zweite wurde einfach irgendwohin gestochen und bei der dritten wurden die Stiche nur mit Zahnstochern simuliert. Bei der vierten Gruppe blieb es bei der Standardtherapie. Das Ergebnis ist ebenso eindeutig wie verblüffend: Jede Behandlung war wirksamer als die konventionelle Behandlung allein, aber es machte keinerlei Unterschied, ob die Patienten “richtige” Akupunktur erhielten oder nur eine Simulation.
Die Studie ist ein überzeugender Beleg für die erstaunliche Wirksamkeit des Placebo-Effektes. Wer glaubte, eine zusätzliche Behandlung mit Akupunktur zu bekommen, dem ging es besser — egal wohin er gestochen wurde und ob er überhaupt gestochen wurde. Wenn die Studie etwas beweist, dann dass Akupunktur gegen chronische Rückenschmerzen nicht wirkt.
Und wie fasste “Focus Online” (dank unserer Freunde von “Medical Press”) das Ergebnis zusammen?
Akupunktur hilft bei Rückenschmerzen besser als Standardtherapie
Und die Nachrichtenagentur AP titelte:
“Akupunktur lindert Rückenschmerzen besser als normale Therapie”
— und brachte diese Halluzination u.a. zu WDR 2 und Welt Online.
Vermutlich wäre es sinnlos, ihnen zu schreiben, dass zumindest diese Studie das Gegenteil ergeben hat. Der Glaube versetzt Berge.
1. Einspruch der NZZ gegen die Jury des hessischen Kulturpreis (nzz.ch, Markus Spillmann)
Markus Spillmann, Chefredaktor der NZZ, hat einen Brief an Hessens Ministerpräsident Roland Koch verfasst. Darin äussert er Besorgnis und Unverständnis über die Aberkennung des hessichen Kulturpreises an Navid Kermani. Auslöser der Aberkennung ist ein Artikel Kermanis in der NZZ und die Reaktion von Kardinal Lehmann. Die dazu passenden Fragen stellt Martin Mosebach in der FAZ.
2. Was Medien von Microsoft lernen können (blog.agoeldi.com, Andreas Goeldi)
Andreas Goeldi widerspricht der Meinung, dass Medien mit Micro-Payments erfolgreich sein werden. Goeldi schlägt vor, die User nicht für einzelne Artikel sondern für attraktive Pakete bezahlen zu lassen. Vorbild ist für ihn hierbei Microsoft mit dem Office-Paket.
3. Twitter und Facebook verringern Abhängigkeit von Google (faz-community.faz.net, Holger Schmidt)
Holger Schmidt, besser bekannt als Netzökonom, analysiert eine Studie des Marktforschungsunternehmens Hitwise. Er kommt zu der Erkenntnis, dass schon heute mehr und mehr Traffic auf Medienseiten über Twitter und vor allem Facebook generiert wird. Die führe, bei konsequenter Nutzung, vor allem zu einer sinkenden Abhängigkeit von Google.
1. Zu Besuch beim “Guardian” (blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer besucht den “Guardian” in London und ist angetan: “So werden Medienhäuser der Zukunft aussehen”. Vor allem die Audio- und Video-Infrastruktur des “Guardian” sei aussergewöhnlich gut ausgebaut.
2. Wie ein Niederländer etablierte Nachrichtenagenturen aufmischen will (axel-springer-akademie.de, Thomas Wanhoff)
Michael van Poppel kennt wohl kaum jemand, sein Twitter-Dienst @breakingnews wird hingegen von 330.000 Abonennten gelesen. Und der gelernte Journalist plant Grosses: BNO News soll profitabel und zu einem vollwertigen Nachrichtendienst ausgebaut werden.
3. Uli Hoeness, Helmut Markwort und die Internet-Situation (probek.net, Kai Lorentz)
Bayern-Manager Uli Hoeness spricht im “Sonntags-Stammtisch” des Bayrischen Rundfunks über die Gefahren des Internets und hätte wohl besser geschwiegen. Und Focus-Chef Helmut Markwort hält so ziemlich alle, die im Internet publizieren (und nicht für klassische Medien schreiben) für “Narren die an Klowände schreiben”.