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Ihr EUmel! (5)

Es ist ja nicht so, dass wir Spaß daran hätten, den gleichen Fehler immer und immer wieder aufzuschreiben.

Wir dachten gestern also, wir erledigen das unbürokratisch:

Vielleicht wollten die Leute von “Focus Online” uns aber auch einfach zwingen, es wieder aufzuschreiben. Jedenfalls steht da immer noch:

Schutz des Eigentums verletztEU-Gerichtshof schränkt deutsches Jagdrecht ein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einen Prozessmarathon über das deutsche Jagdrecht beendet. Ein Landbesitzer hatte Jagden auf seinem Grund geklagt. Jetzt haben Tausende Jäger das Nachsehen.

Und jetzt alle im Chor: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist kein “EU-Gerichtshof”!

Mit Dank an Gerald.

dapd, Reuters  etc.

Highway to Helium

Am Freitagabend veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters folgende Meldung:

Explosion von Ballons verletzt mehr als 140 Menschen in Armenien

Jerewan, 04. Mai (Reuters) – Bei einer Explosion von Luftballons sind in der armenischen Hauptstadt Eriwan mehr 140 Menschen verletzt worden. Das berichtet die Nachrichtenagentur Interfax am Freitag unter Berufung auf das Katastrophenschutzministerium. Zwei Tage vor der Parlamentswahl explodierten lokalen Medienberichten zufolge mit Helium gefüllte Ballons während einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Platz der Republik. Das Gas sei durch eine Zigarette entzündet worden. […]

Wir haben nicht überprüft, was die lokalen Medien berichtet haben, aber unter der Reuters-Meldung stehen die Namen von drei Mitarbeiten: einem Reporter, einer bearbeitenden Autorin und einem Redakteur — und keinem von ihnen ist aufgefallen, dass Helium nicht brennbar ist.

Das scheint auch niemand der Agentur dapd verraten zu haben, die zweieinhalb Stunden später vermeldete:

144 Armenier bei Explosion von Ballons verletzt

Eriwan (dapd). Vor der Parlamentswahl in Armenien sind bei einer Explosion von Ballons in der Hauptstadt Eriwan mindestens 144 Menschen verletzt worden. Der Unfall ereignete sich bei einer Wahlkampfveranstaltung der Republikaner, wie das Katastrophenschutzministerium am Freitag mitteilte. 104 Menschen seien mit Brandverletzungen ins Krankenhaus gebracht worden. Die Explosion sei von einem Raucher verursacht worden, der sich nahe der mit Helium gefüllten Ballons eine Zigarette angesteckt habe. […]

Die Deutsche Presseagentur dpa hatte lediglich von einer “schweren Explosion von mehreren Gasballons” geschrieben, bei AFP war es die “Explosion zahlreicher mit Gas gefüllter Ballons”.

Heute Mittag immerhin verschickte Reuters eine Korrektur der eigenen Meldung:

ARMENIEN/EXPLOSION (KORREKTUR)
KORRIGIERT-Mehr als 140 Verletzte bei Explosion in Armenien

(stellt klar, dass in den Ballons nicht Helium sondern anderes Gas war)
Eriwan, 04. Mai (Reuters) – Bei einer Explosion von Luftballons sind in der armenischen Hauptstadt Eriwan mehr als 140 Menschen verletzt worden. Das berichtet die Nachrichtenagentur Interfax am Freitag unter Berufung auf das Katastrophenschutzministerium. Zwei Tage vor der Parlamentswahl explodierten lokalen Medienberichten zufolge mit Gas gefüllte Ballons während einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Platz der Republik. Das Gas sei durch eine Zigarette entzündet worden. […]

Dieser Korrekturversuch hat erstaunlich gut funktioniert, das Wort “Helium” jedenfalls wurde nachträglich aus den Reuters-Meldungen auf Portalen wie “Welt Online” und fr-online.de entfernt — das “Hamburger Abendblatt” spricht allerdings im Vorspann immer noch von Helium.

Das Reuters-Video von gestern, in dem die Off-Sprecherin über “zahllose weiße Ballons, gefüllt mit Helium” referiert, findet sich immer noch bei Nachrichtenportalen wie “Spiegel Online”, “Welt Online”, “Focus Online” und stern.de.

Die Agentur dapd, die sich selbst für ihre “hohen journalistischen Standards” feiert, hat ihre fehlerhafte Meldung bisher nicht korrigiert.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Ein Mann für jede Tonart

Am Samstag ist bei “Deutschland sucht den Superstar” der Kandidat Joey Heindle ausgeschieden, den “Bild” wegen seiner mangelnden stimmlichen Qualitäten seit Wochen begleitet und “Krächz-Joey” nennt — somit steht er endlich ganz der medialen Zweitverwertung zur Verfügung:

"Deutschland sucht den Superstar": Plattenvertrag für Krächz-Joey von "DSDS"

Und so soll das mit der “Karriere” weitergehen:

Musikproduzent Marco Delgardo (u. a. “Roxette”, “Shaggy”) will ihm einen Plattenvertrag geben!

“Joey hat gezeigt, dass er Ausdauer hat”, so Delgardo zu BILD. “Außerdem ist seine Krächzstimme ein Markenzeichen. So einen Wiedererkennungswert braucht man, um Erfolg zu haben.”

Und auch wenn kaum jemand sonst Marco Delgardo kennt — für “Bild” und Bild.de ist er kein Unbekannter:

  • Als die Jacob Sisters im Januar 2005 mit einem “Gedächtnis-Song” auf Rudolph Moshammer beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest antreten wollten (“Toter Mosi zum Grand-Prix”), äußerte sich Delgardo “zuversichtlich” in “Bild”: “So eine Wahnsinns-Show läßt sich die ARD bestimmt nicht entgehen.”
  • Als die Band Texas Lightning im März 2006 zum Eurovision Song Contest geschickt wurde, erhob “Musikproduzent Marco Delgardo (37, 183 Goldene, 54 Platin-Schallplatten)” in der Zeitung “schwere Vorwürfe” gegen die Musiker: Ihr Song “No No Never” sei “geklaut”. (Wenn überhaupt, dann nicht von ihm, aber was macht das schon?)
  • Im Februar 2010 war Delgardo zur Stelle, um “Deutschlands frechstem Arbeitslosen” Arno Dübel einen Plattenvertrag anzubieten. “Bild” zitierte ihn mit den Worten: “Mit uns kann Arno, ohne viel zu arbeiten, jede Menge Geld verdienen.”
  • Drei Monate später traten erneut die Jacob Sisters auf den Plan, die gemeinsam mit Marco Delgardo Arno Dübel beim Singen unterstützen sollten.
  • Kurz vor Weihnachten 2010 war “Bild” zur Stelle, als Dübel auf Mallorca von einer “deutschen Rentnerin” angegriffen wurde (“Sie brüllt ihn an: “Du Schwein verprasst hier mein Geld!” Dann tritt und schlägt sie zu!”) und Musikproduzent “Marco Delgardo (produzierte für ‘Savage Garden’ und ‘Roxette’)” Dübel trösten musste. Eine sich anbahnende Romanze zwischen Dübel und der “Kellnerin Katja” begleitete “Bild” in den nächsten Tagen bis zum tränenreichen Ende, stets kommentiert von seinem Produzenten und Manager Marco Delgardo.
  • Kurz darauf konnte “Bild” ein großes Joint Venture der beiden Delgardo-Spezialgebiete Song Contest und Arno Dübel verkünden: “Deutschlands frechster Arbeitsloser, Arno Dübel (54, seit 36 Jahren auf Stütze, ‘Wer arbeitet, ist doch dumm’), soll für Österreich in Düsseldorf beim Eurovision Song Contest antreten”. Es kam letztlich anders.
  • Als Arno Dübels Single “Ich bin doch lieb” im Januar 2011 Videopremiere feierte, fand die wenig überraschend auf Bild.de statt.
  • Nur eine Woche später beschäftigten Dübel und sein Manager plötzlich “sogar die Kanzlerin”, weil spanische Behörden sich angeblich über die Verwendung des Arbeitsamt-Logos auf Dübels Plattencover beschwert hatten. “Bild” zitierte Delgardo mit den Worten: “Offenbar eine plumpe Fälschung, mit der Arno Dübel und ich in Misskredit gebracht werden sollen.”
  • Im Juli 2011 verkündete Delgardo in “Bild”, dass er Arno Dübel “wegen andauernder Vertragsverletzung” verklage.
  • Einen Monat später versteigerte Delgardo die Rechte an der Marke “Arno Dübel” auf eBay, was “Bild” mit gleich drei Artikeln öffentlichkeitswirksam begleitete.
  • Und erst vor drei Wochen berichtete “Bild”, dass Delgardo nun “wie sein Schützling” von Hartz IV leben müsse, weil Dübel ihn in die Armut getrieben habe.

Obwohl Marco Delgardo nach eigenen Angaben “als Songwriter, Produzent und Künstler (No Face)” “rund 120 Millionen Tonträger” verkauft hat und “183 Gold- und 54 Platin-Auszeichnungen” erhielt, gibt es vergleichsweise wenige Informationen über sein Schaffen, die über das Zitieren der immer gleichen behaupteten Fakten und Künstler (Savage Garden, Roxette, Shaggy, Atomic Kitten) hinausgehen.*

Doch nichts davon hat andere Internetbefüllungsportale davon abgehalten, die “Bild”-Story vom Plattenvertrag für Joey Heindle unreflektiert weiter zu verbreiten. Neben diversen Klatschseiten sind darunter auch die österreichischen Plattformen news.at und oe24.at,
die “Augsburger Allgemeine” und “Focus Online”.

Bei “RP Online”, das so gerne Bild.de wäre, sind aus dem Angebot eines Plattenvertrags gleich knallharte Fakten geworden:

Wie die “Bild”-Zeitung berichtet, hat der 18-Jährige bereits einen Plattenvertrag in der Tasche.

* Nachtrag/Korrektur, 4. Februar 2013: Die wenigen Informationen, die sich zum Namen Marco Delgardo finden lassen, hängen offenbar damit zusammen, dass Delgardo viele seiner Arbeiten unter Pseudonym veröffentlicht hat.
Bild  etc.

So viel zum Opferschutz

Am Samstagabend ist ein elfjähriges Mädchen in einem Parkhaus in der Emder Innenstadt tot aufgefunden worden. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montagnachmittag erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft, dass es sich bei der Tat um ein “sexuell motiviertes Delikt” gehandelt habe — eine Information, die in der gestrigen Printausgabe von “Bild” schon zu lesen gewesen war.

Die Journalisten auf der Konferenz wollten möglichst viele Details wissen, die Sprecher gaben sich große Mühe, nichts zu sagen. Aus “ermittlungstaktischen Gründen” wollten sie zu Details wie der genauen Todesursache und der Auffindesituation des Mädchens keine Angaben machen. Bewusst hätten die Behörden in ihrer ersten Pressemitteilung keine Beschreibung vom Aussehen und der Kleidung des Mädchens und des sie begleitenden Jungen abgegeben, um die Hinweise aus der Bevölkerung nicht einzuschränken, sagte Martin Lammers, Leiter des Zentralen Ermittlungsdienstes der Polizei Leer/Emden. Auch zur Familie des Opfers wollte die Polizei keine Angaben machen, wie der Chef der Mordkommission, Werner Brandt, erklärte: “Weil wir natürlich auch die Verantwortung haben, die Eltern ein Stück weit zu schützen.”

Als ein anwesender Journalist fragte, ob die Behörden den Vornamen des Mädchens verraten könnten, sagte Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck nach kurzer Rücksprache zu seinen Kollegen: “Das sollten wir nicht tun!” Keine 30 Sekunden später nannte Brandt den Namen des Mädchens dann doch in einem Nebensatz — offensichtlich aus Versehen, aber ohne weiter darauf einzugehen.

Die meisten Medien hielten sich an die Bitte der Staatsanwaltschaft, wobei einige die einmalige Nennung des Namens auch schlicht nicht mitbekommen haben könnten. Die meisten, aber natürlich nicht alle: Bei “Bild” steht der Name in der Dachzeile und sechs Mal im Artikel. Auch “Berliner Kurier”, “B.Z.”, “Focus Online” und die “Ostfriesen-Zeitung” nennen den Namen jeweils mindestens einmal.

Wie ernst “Bild” die Bedenken der Behörden und deren Sorge um Opferschutz nimmt, stellt die Zeitung dann noch sehr eindrucksvoll unter Beweis, indem sie den Namen des Mädchens, deren ungefähren Geburtstag und das Geschlecht und den Namen eines Geschwisterkindes nennt. Alles “BILD-Informationen zufolge”, natürlich.

Mit Dank an Krizzz.

Bayern München, Wahrheit, Keystone

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die IVW-und-AGOF-Tricks der News-Sites”
(meedia.de, Jens Schröder)
Die Zugriffszahlen von Nachrichtenwebsites wie Focus Online oder N24 werden mit Besuchern von Partnerwebsites verstärkt. “Legalität hin oder her, die Methoden, völlig inhaltsfremde Websites zu einem namensgebenden Angebot hinzuzuzählen, verwässern die eigentlich starken Währungen der IVW und AGOF immer mehr und machen die Zahlen auf Dauer irrelevant.”

2. “Promis im Interview: Diese Stars streichen statt zu sprechen”
(20zwoelf.de, Nicola Erdmann und Nina Dinkelmeyer)
20zwoelf.de, ein Portal der Axel-Springer-Akademie zur Pressefreiheit, notiert Erfahrungen von Journalisten mit Forderungen von “Sängern oder Schauspielern beziehungsweise ihren Agenturen”.

3. “Verdammt und vergöttert – die mediale Achterbahnfahrt der Spieler”
(fanorakel.de, Oliver Kahn)
Ex-Fußballtorwart Oliver Kahn kommentiert die Extreme der medialen Berichterstattung zum FC Bayern München. “Da wird Mario Gomez nach der vergebenen Großchance gegen Leverkusen zum ‘Gurken-Gomez’ gemacht und wenige Tage später als ‘Gomessi’ überhöht. Noch vor kurzem wurde die Spielweise von Arjen Robben als zu egoistisch eingestuft, heute wird wieder vom Traumduo ‘Robbery’ (Robben und Ribery) gesprochen. Bayern-Präsident Uli Hoeneß sagte nach dem Sieg gegen Basel: ‘Vor 14 Tagen waren alle Bratwürste, jetzt sollen alle Super-Stars sein. In diesem Umfeld möchte ich nicht leben.'”

4. “Fakten zählen. Emotionen zählen. Und die Wahrheit?”
(notes.computernotizen.de, Torsten Kleinz)
Torsten Kleinz fragt, ob die komplexe Wahrheit zu viel ist für uns Medienkonsumenten. “Als Journalist muss ich mich täglich damit herumschlagen, wie weit man die ‘Wahrheit’ herunterkochen kann. Wenn man immer alle Seiten und Standpunkte wiedergibt, entsteht allzu leicht unverständliches Wischi-waschi, das den Leser ratlos zurücklässt. Wir müssen auswählen, was wir transportieren. Und auf diesem Wege konstruieren wir ein Zerrbild, eine andere Realität.”

5. “Der Mensch hinter der Kamera”
(journal21.ch, Stephan Wehowsky)
Ein Interview mit Alessandro della Valle von der Bildagentur Keystone: “Wir haben die ganz strenge Regel, dass in die Gestaltung der Bilder nachträglich nicht mehr eingegriffen werden darf. Für die Bildagenturen haben sich da sehr strenge Codes durchgesetzt. Vorbildlich ist in dieser Hinsicht der im Internet einsehbarer Ethik-Code der Agenturen AP und Reuters. Dazu kommt noch Folgendes: Entfernt ein Fotograf von seinem Bild zum Beispiel einen Gegenstand aus einem Raum, weil der die Bildkomposition beeinträchtigt, werden wir in kürzester Zeit Internetkommentare von denjenigen haben, die auch am Ort waren und die Manipulation bemerken und entsprechend anprangern.”

6. “Wer hat die Bundeskanzlerin geohrfeigt?”
(faz.net)
Ein schmerzlich ausführlicher Report von fünf FAZ-Mitarbeitern fasst die wenigen, vom Fernsehen mit grosser Hingabe begleiteten Ereignisse der sonntäglichen Bundespräsidentenwahl zusammen: “13.45 Uhr, ARD: Senta Berger ist der Höhepunkt in der heutigen ARD Berichterstattung. ‘Was kann ich Ihnen noch sagen, was nicht schon andere gesagt haben?’.”

dpa  

Realitätssinn vermisst

In einer Volksabstimmung haben sich die Schweizer gegen eine Verlängerung des gesetzlichen Mindesturlaubs von bisher vier auf sechs Wochen ausgesprochen.

Die Deutsche Presseagentur (dpa) und mit ihr “Spiegel Online”, “Focus Online”, heute.de und zahlreiche andere Online-Medien schreiben dazu:

Die Gewerkschaften hatten argumentierten (sic), Arbeitnehmer bräuchten angesichts eines gestiegenen Leistungsdrucks mehr Zeit für Erholung. Nach der Niederlage sagte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerkschaftsverbandes (SGV), die Abstimmenden hätten wohl “Realitätssinn” gezeigt.

Nun erscheint es etwas paradox, dass der Direktor des Schweizerischen Gewerkschaftsverbandes den Wählern “Realitätssinn” unterstellt, während die Gewerkschaften doch für eine Verlängerung der Urlaubszeit waren. Spontaner Sinneswandel? Resignation? Zerwürfnis?

Nö. Einfach ein klitzekleines Missverständnis: Zwar ist Hans-Ulrich Bigler Direktor des SGV, aber das ist der Schweizerische Gewerbeverband.

Im Kontext wird auch klarer, was Bigler mit “Realitätssinn” meinte:

In den Augen von Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), hätten die Schweizer “Realitätssinn” bewiesen. “Die Arbeitnehmenden wollen flexibel sein bei der Einteilung ihrer Ferien.” Lösungen seien in den Gesamtarbeitsverträgen zu erarbeiten, nicht in überflüssigen Gesetzen, sagte Bigler. Das deutliche Ergebnis zeige zudem, dass “die Schweiz im Vergleich mit Ländern wie Deutschland, Belgien und Frankreich kein Feriendefizit hat”.

Mit Dank an Jan W.

Nachtrag, 22.35 Uhr: dpa hat eine korrigierte Fassung der Meldung verschickt.

Bild, focus.de, hna.de  etc.

Ihr Reim auf Schmerz

Die Plattenfirma von Matthias Reim hat gestern Mittag Spekulationen über eine Herz-OP des Schlagersängers zurückgewiesen (BILDblog berichtete).

In die Welt gesetzt hatte diese Spekulationen die “Bild”-Zeitung — und auch, wenn man auf der Journalistenschule lernt, dass eine Quelle keine Quelle sei, hatten sich andere Medien zu diesem Zeitpunkt schon an die Weiterverbreitung der “Bild”-Version der Ereignisse gemacht.

“Focus Online” verkündete unter Berufung auf “Bild”:

Matthias Reim übersteht schwere Herz-OP. Der Schlagersänger Matthias Reim erholt sich noch immer von seinem Zusammenbruch Anfang des Jahres. Nun wurde bekannt: Reim musste sich einer sechsstündigen Herzoperation unterziehen. Jetzt ändert er sein Leben.

Der Artikel wurde inzwischen unauffällig und halbherzig überarbeitet, so dass er nun folgenden Widerspruch enthält:

Auch dass der Sänger bis Ende März pausieren müsse, sei nicht korrekt. “Die damals aus Gesundheitsgründen verschobenen Konzerte sind schon lange nachgeholt, und inzwischen gab Matthias Reim noch drei weitere Konzerte. Von einer Pause bis Ende März war also nie die Rede”, so das Reim-Management. (…)

Die Konzerte wolle er aber nachholen, hatte Reim der “Bild-Zeitung” erklärt.

Unter dem Foto steht weiterhin:

Zurzeit erholt sich der Sänger von einer schweren Herzoperation.

Die Website der “Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung” hatte berichtet:

Schlagerstar Matthias Reim ist nach einem Zeitungsbericht am Herzen operiert worden. “Ich rauche jetzt weniger und versuche, alles ein bisschen ruhiger anzugehen”, sagte Reim der “Bild”-Zeitung.

Der Artikel ist inzwischen offline, hna.de hat einen Artikel zum Dementi veröffentlicht, in dem sogar Georg Friedrich Reim (“der Vater von Matthias Reim und ehemaliger Schulleiter am Homberger Gymnasium”) zu Wort kommt.

Unbeeindruckt von den Aussagen von Reims Umfeld behauptet das ARD-Boulevardmagazin “Brisant” auch weiterhin auf seiner Website:

Matthias Reim: Herz-OP? Der Zusammenbruch kam Ende 2011. Ein neues Album mit Ex-Freundin Michelle, Stress und ein ungesunder Lebensstil - Matthias Reim kam mit Atemnot und Krämpfen ins Krankenhaus. Nach Berichten über eine baldige Entlassung aus der Klinik hieß es nun, der Schlagersänger habe sich einer Herz-Operation unterziehen müssen.

(Das Fragezeichen in der Überschrift dient nur als dekoratives Element: Der Text lässt wenig Zweifel zu, dass Reim “sechs Stunden” in einer “Hamburger Spezialklinik am Herzen operiert” wurde.)

Die Deutsche Presseagentur (dpa) brachte in ihrer Meldung zwar das Dementi, entschied sich aber für einen kreativen Einstieg:

Schlagersänger Matthias Reim (54, “Verdammt, ich lieb dich”) macht wieder Schlagzeilen mit seiner Gesundheit. Nach seinem Zusammenbruch rund um Weihnachten musste er wegen Herzproblemen in einer Klinik behandelt werden. Allerdings sei er nicht am Herzen operiert worden, teilte seine Plattenfirma EMI Music am Mittwoch mit und dementierte damit einen entsprechenden Bericht der “Bild”-Zeitung. Dem Sänger gehe es gut, er müsse auch anders als berichtet nicht bis Ende März pausieren – tatsächlich stehen Mitte März zwei Konzerte im Tourplan, die nicht abgesagt sind.

Der Auslöser dieser “Schlagzeilen”, die Matthias Reim “wieder mit seiner Gesundheit macht”, nämlich die “Bild”-Zeitung, hat die Behauptungen weder in der heutigen Ausgabe noch auf Bild.de korrigiert.

In 80 Fehlern um die Welt (5)

Vom früheren Nationalspieler Andreas Möller ist der Ausspruch überliefert, es sei ihm ein Stückweit egal, bei welchem Verein er als nächstes spiele: “Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien!”

Offenbar arbeitet Möller inzwischen für “Focus Online”:

Italien. Clásico: Real und Özil ausgeschieden. Für die deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira ist der erste Traum vom Titel nach einem 2:2 (0:2) beim FC Barcelona ausgeträumt.

Wenn Real Madrid gegen den FC Barcelona im sogenannten Clásico spielt, dann natürlich immer noch in Spanien.

Mit Dank an Klaus B.

Nachtrag, 13.35 Uhr: Auch bei 11freunde.de und bei handelsblatt.com fand der Clásico in Italien statt. Sie haben (wie auch “Focus Online”) die dazugehörige Meldung über den Sportinformationsdienst sid bezogen, der allerdings überall “Spanien” geschrieben hatte.

2. Nachtrag, 18.05 Uhr: handelsblatt.com hat die Dachzeile in “Spanischer Pokal” geändert. Bei “Focus Online” steht immer noch “Italien”.

Und 11freunde.de hat sich für diese kreative Lösung entschieden:

Bulgarien: Clásico: Real und Özil ausgeschieden

3. Nachtrag, 27. Januar: “Focus Online” hat die Dachzeile in “Barcelona reicht Remis im Clásico” geändert. Dafür steht beim “Handelsblatt” jetzt wieder “Fußball Italien” über dem Artikel. Wir brechen unsere Beobachtung an dieser Stelle ab.

ARD  

Das ist doch kein Untergang!

Am Mittwochabend änderte die ARD ihr Programm und zeigte nach den “Tagesthemen” eine 15-minütige Reportage des Bayerischen Rundfunks über die Havarie der “Costa Concordia”. Darin gab es auch Amateurvideos aus dem Inneren des Schiffs zu sehen, zum Beispiel dieses hier:

Da kommt das Wasser schon die Treppe herunter:

Da gestikuliert jemand, womöglich in Richtung des Fluchtwegs:

Noch mehr Wasser, noch mehr Gesten:

Und dann geht’s die Treppe hinab:

Es sind beeindruckende Bilder, nur stammen sie offenbar nicht von der “Costa Concordia” — und schon gar nicht vom vergangenen Freitag. Seit Mai 2009 steht bei YouTube ein Video online, das den “Untergang” der “Carnival Paradise” zeigen soll. (Dass die “Carnival Paradise” nicht untergegangen ist, sondern es sich offenbar um die Fehlfunktion eines Swimming Pools handelte, soll uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren, macht die Sache aber auch nicht besser.)

Und so sah das damals aus:

Wir haben beim Bayerischen Rundfunk nachgefragt, wie es zu dieser Verwechslung kommen konnte, und nach intensiven internen Recherchen folgende Erklärung von der Pressestelle erhalten:

Die Kollegen haben vor Ort unter extremen Bedingungen und enormem Zeitdruck die Reportage geschnitten. Natürlich wurden auch Amateurbilder, beispielsweise von Handys, ausgewertet. Es wurden auch Sequenzen von youtube abgedreht. Obwohl die Quellen vor Ort standardgemäß überprüft werden, ist dem Team in diesem Fall ein Fehler unterlaufen, der der extremen Belastungssituation geschuldet ist. Dass eine falsche Sequenz Eingang in den Film gefunden hat, ist sehr bedauerlich. Die Fehlerquelle wird analysiert.

Der Film wurde unterdessen aus der ARD-Mediathek entfernt. Die Reportage soll korrigiert und in der korrigierten Version dem Sender Phoenix zur Verfügung gestellt werden.

Übrigens: Der BR war offensichtlich nicht der einzige Sender, der die Bilder von der “Carnival Paradise” als “Costa Concordia” gesendet hat. YouTube-Kommentatoren weisen darauf hin, das Video auch auf CNN und anderen Sendern gesehen zu haben.

Mit Dank an Thorsten H.

Nachtrag, 20.05 Uhr: Die BR-Reporter hätten es wissen können: Bereits am Mittwochmorgen hatte “Focus Online” ein Video veröffentlicht, in dem es um gefälschte Amateurvideos von der “Costa Concordia” ging — die Szenen von der “Carnival Paradise” waren darin mit ihrem korrekten Datum enthalten.

Mit Dank an Michael N.

Know your Kennedy

Die Kennedys. Um die legendäre, womöglich verfluchte, auf jeden Fall weit verzweigte amerikanische Politdynastie ranken sich auch heute noch Mythen. Und die Medien arbeiten fleißig daran, dass es auch so bleibt.

Den Durchblick kann selbst in der Familie vermutlich niemand behalten: Familienoberhaupt Joseph P. Kennedy, Sr hatte neun Kinder, darunter den US-Präsidenten John F. Kennedy und den Senator Robert F. Kennedy, die beide erschossen wurden. Alle Sechs dieser neun Kinder hatten selbst mehrere Kinder, Robert F. Kennedy sogar derer elf, wobei der erstgeborene Sohn zumeist nach seinem jeweiligen Vater benannt wurde, die weiteren Söhne nach einem ihrer Onkel. (Für Menschen mit abseitigen Hobbys und zu viel Tagesfreizeit hält der Stammbaum sicher viel Freude und Grundlagen für außergewöhnliche Small Talks bereit.)

Die Chance, bei der Genealogie der Kennedys danebenzuliegen, ist also hoch. Lieber würde man als Journalist über die Familie Duck aus Entenhausen schreiben.

Nun hat aber ein Kennedy angekündigt, für den US-Kongress kandidieren zu wollen, und einige deutsche Medien sahen sich verpflichtet, darüber berichten zu müssen.

Aber wer könnte dieser “Joseph P. Kennedy III” genau sein?

AFP hielt gestern folgende Version für plausibel:

Der Enkel des 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy sei in den letzten Zügen der Vorbereitung für seine Kandidatur und hoffe, dem in den Ruhestand gehenden demokratischen Abgeordneten Barney Frank nachzufolgen.

Die Agentur fügte aber gleichzeitig hinzu:

Joseph P. Kennedy III. ist der Sohn von JFK-Bruder Joseph P. Kennedy II..

Nun kann Joseph P. Kennedy III nicht gleichzeitig Enkel von JFK und Sohn dessen Bruders sein. Tatsächlich ist er deshalb — keins von beidem.

Entsprechend verschickte AFP heute Vormittag eine korrigierte Fassung der Meldung, in der die Familienverhältnisse jetzt einigermaßen geordnet waren:

+++ Berichtigung: Durchgängig heißt es nun richtig, dass Joseph P. Kennedy III. Großneffe (nicht Enkel) von John F. Kennedy ist. Er ist der Enkel von JFKs Bruder Robert F. Kennedy. +++

Die falsche Version findet sich aber noch bei “Focus Online”, “RP Online” hält ein ganz besonderes Mashup von erster und zweiter Fassung bereit.

Auftritt Bild.de:

Mit Joseph P. Kennedy III. (31), Sohn des 1968 ermordeten Robert Kennedy († 42), will wieder ein Mitglied der berühmten US-Dynastie ein politisches Amt übernehmen.

Der junge Staatsanwalt ist ein Großneffe von US-Präsident John F. Kennedy († 46), der 1963 in Dallas erschossen wurde.

Ein 31-jähriger Mann als Sohn eines vor fast 44 Jahren erschossenen Mannes? Ein Großneffe vom Bruder seines Vaters? Um zu bemerken, dass das nicht stimmen kann, muss man nicht mal den Stammbaum der Kennedys studiert haben.

Mit Dank an Jan W. und Felix H.

Nachtrag, 18.55 Uhr: Bild.de hat Joseph P. Kennedy III. zum “Enkel” von JFK umgeschrieben.

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