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Verbesserungen bei der Pflege — “Bild” geschockt

Noch bevor heute um elf Uhr der Prüfbericht des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) offiziell vorgestellt wurde, hatte “Bild” schon in ihm, nun ja: geblättert und eine riesige Titelgeschichte daraus gemacht (siehe Ausriss).

Die Zeitung zitiert einige schockierende Fakten aus dem 212 Seiten langen Bericht. Genauer: von den Seiten 66 und 67. Zum Beispiel diese:

  • In Heimen wird jeder dritte Patient (35,5 %) nicht häufig genug umgebettet. Folge: Er liegt sich wund (Dekubitus). (…)
  • Jeder dritte Pflegefall (…) bekommt nicht genug zu essen und zu trinken! Grund: Zeitnot. Dass die Pflegebedürftigen rapide an Gewicht verlieren, stellt das Pflegepersonal angeblich nicht fest.

Um mit der guten Nachricht anzufangen (die für alle Betroffenen eine schlechte ist): die Zahlen stimmen. Aber eben nur die Zahlen an sich.

Zum Dekubitus heißt es im Bericht des MDS ausdrücklich:

Bei 35,5 % der Personen bestanden Defizite. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Dekubitus entstanden sein muss. Gemeint ist vielmehr u.a., dass ein Dekubitusrisiko nicht ermittelt oder nicht erkannt worden ist, dass keine prophylaktischen Maßnahmen geplant oder keine entsprechenden Hilfsmittel eingesetzt worden sind.

(Alle Hervorhebungen von uns)

Der Anteil der Patienten, bei denen solche Defiziten bei der Prophylaxe gegen das Wundliegen bestanden, ist sicherlich schockierend hoch. “Bild” unterschlägt aber, dass diese Anteil gegenüber der letzten Studie deutlich gesunken ist: um über sieben Prozentpunkte.

Zur Ernährung steht im Bericht:

Bei 65,6 % der im 1. HJ 2006 in die Prüfung eingezogenen Bewohner lagen bei der Ernährung und Flüssigkeitsversorgung keine Qualitätsprobleme vor. Bei 34,4 % der Personen wurden Mängel festgestellt. Auch hier sind diese Mängel nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer eingetretenen Unterernährung oder einer Dehydratation.

Eine Einschränkung, die “Bild” ebenso unterschlägt wie den Hinweis, dass sich der Anteil der Defizite sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege verringert hat. Und das gilt (wenn auch in einem Fall nur um 0,1 Prozentpunkte) für jede einzelne Zahl, die “Bild” heute präsentiert. “Bild” schreibt:

Ihren letzten Pflege-Prüfbericht hatten die Krankenkassen 2004 vorgelegt. Schon damals eine Bilanz des Grauens!

Geändert hat sich wenig.

Nun könnte man über die Bedeutung des Wörtchens “wenig” sicherlich lange diskutieren und beim Thema Pflege ist wohl jedes “Defizit” eines zuviel. Allein: “Bild” reduziert die durchaus vorhandene Verbesserung der Situation auf einen Satz mit vier Wörtern.

Entsprechend verärgert war man beim MDS über die eigenwillige Interpretation der “Bild”-Zeitung seines Berichts, die von fast allen Nachrichtenagenturen unter Überschriften wie “‘Bild’: Neuer Prüfbericht der Krankenkassen deckt Pflege-Skandal auf” verbreitet wurden, bevor der MDS widersprechen konnte. “Spiegel Online” zitiert den MDS-Geschäftsführer Peter Pick mit den Worten:

“Im Vergleich zum ersten Bericht vor drei Jahren gibt es bei allen Versorgungskriterien Verbesserungen.”

“Bild”-Leser können das nicht einmal ahnen.

Danke an Michael R., Florian S., Jenny R., Benjamin S. und Susann für die sachdienlichen Hinweise.

6 vor 9

Skepsis in Russland
(sueddeutsche.de)
“Im Fall der Journalistin Politkowskaja feiert die russische Staatsanwaltschaft die Aufklärung des Verbrechens – die russische Presse hat Zweifel.”

Feindbild Google
(faz.net-Blog, Holger Schmidt)
“Deutsche Medienmanager prügeln auf Google ein. ?In zehn Jahren ist Google tot”, behauptet Verleger Christian DuMont Schütte, ohne allerdings seine Aussage zu begründen. […] Ohne Googles Marktmacht herunterreden zu wollen, sollten ein paar Aussagen mit den Fakten konfrontiert werden”.

Schweizer Medienhäuser planen Konkurrenz zu Google News
(persoenlich.com)
“Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen mit Google Schweiz plant ein Verbund von sieben deutschschweizer Medienhäusern, eine Konkurrenz-Website zu google.news zu lancieren”.

10 Questions with Rafat Ali
(thepomoblog.com, Terry Heaton)
Ein E-Mail-Interview mit Rafat Ali, dem Betreiber von paidcontent.org. “PaidContent.org is the premier aggregator of news about where the money?s going in media.”

Report recherchiert offen
(notes.computernotizen.de, Torsten Kleinz)
“Eben hab ich es auf der Webseite von Report Mainz gesehen: Die Redaktion stellt im Internet zusätzliche Originaldokumente bereit. Spannend.”

Blogstats revisited – Bestandsaufnahme nach 40 Monaten
(wortfeld.de, Alexander Svensson)
“Wie viele von den damals unter den Blogstats.de Top 50 geführten Bloggern sind mittlerweile clean und wie viele bloggen auch heute noch?”

Wie man aus einem Edeka einen Elefanten macht

“Bild” vermeldet heute überregional eine Neuigkeit*:

Neu im Supermarkt!
Bezahlen mit Fingerabdruck

Bargeldlos bezahlen ohne Kredit- oder EC-Karte? Ein Edeka-Markt in Bocholt (NRW) macht das jetzt möglich! Der Fingerabdruck genügt …

Is’ ja ‘n Ding — vor allem, wenn man bedenkt, dass “Bild” bereits am 12. März 2005, also vor ungefähr zweieinhalb Jahren, auf der Titelseite Folgendes zu berichten wusste:

Im Edeka-Markt in Rülzheim (Rheinland-Pfalz) können Kunden jetzt in einer Testphase per Fingerabdruck bezahlen.

Und die “Süddeutsche Zeitung” [pdf] berichtete bereits im vergangenen Januar — wenngleich eher so nebenbei:

In Straubing, Ingolstadt, Saaldorf und Bergen kann man bei Edeka per Fingerabdruck bezahlen.

Noch eindrucksvoller aber wirkt das heutige “Ein Edeka-Markt (…) macht das jetzt möglich!” der “Bild”-Zeitung nach einem Blick auf die Website des Fingerabdruckscannerfabrikanten, wonach biometrisches Bezahlen u.a. beim Edeka in Albbruck, Altdorf, Armorbach, Aulendorf, Baden-Baden Lichtental, Dahn, Dogern, Dossenheim, Dunningen, Eisingen, Erbach, Filderstadt/Bonlanden, Freiburg, Fürth, Großen-Buseck, Großsachsenheim, Görwihl, Hauenstein, Heubach, Iggingen-Brainkofen, Kirchzarten, Kleinglattbach, Konstanz, Neresheim, Neu-Anspach, Newel-Butzweiler, Oberkirch/Zusenhofen, Ötisheim, Pirmasens-Ruhbank, Pliezhausen, Rastatt, Reichenbach, Rimbach, Rottweil, Rudersberg, Römerberg, Salmtal-Salmrohr, Schömberg, Staufen, Steinbach, Stutensee-Büchig, Trier-Ehrang, Trierweiler, Villingen-Schwenningen, Waldshut-Tiengen, Weilheim Teck, Weissach i.T., Weissenbach und Wiesbaden möglich ist — weshalb es auch auf der Edeka-Website heißt:

Im ganzen Einzugsgebiet der EDEKA Südwest kann man bereits in 50 Märkten per Fingerabdruck bezahlen. “Das ist ein richtiger Boom”, so Fitterer [ein Filialleiter].

Immerhin: Edeka hat bundesweit 8.581 Filialen (Stand 2006 [pdf]). Sollte sich der Fingerabdruck-“Boom” fortsetzen, ist bei “Bild” also mit weiteren 8.579 “Neu im Supermarkt”-Meldungen zu rechnen.

Mit Dank an Nahne J. für Hinweis und Scan!

*) Die eigentliche Neuigkeit besteht offenbar darin, dass der Edeka-Laden in Biemenhorst bei Bocholt als erster Lebensmittelmarkt in Nordrhein-Westfalen das Bezahlen per Fingerabdruck eingeführt hat. Die Lokalpresse berichtete darüber bereits vor zehn Tagen. Soviel dazu.

Kurz korrigiert (440)

Mag sein, dass China “uns” im nächsten Jahr überholt und “Export-Weltmeister” wird. Das prognostiziert jedenfalls eine Umfrage des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), aus der “Bild” heute eine gewaltige Schlagzeile gemacht hat. Darunter “erklärt” das Blatt die “neue SUPERMACHT CHINA”:

Keine andere Wirtschaft wächst so explosionsartig! Wachstum derzeit: 11,9 % (Deutschland 0,5 %).

Da waren die Wirtschaftsexperten von “Bild” anscheinend so beeindruckt von dem asiatischen Überholmanöver, dass sie sicherheitshalber noch Äpfel mit Sojasprossen verglichen. Die chinesische Zahl beschreibt das Wachstum in einem Jahr, die deutsche in einem Quartal. Innerhalb eines Jahres wächst das deutsche Bruttoinlandsprodukt aktuell immerhin um 3,3 Prozent.

PS: Und wenn “Bild” schon eine Rangliste der am explosionartigsten wachsenden Wirtschaften der Welt aufstellen will, lägen da genau genommen sogar noch so unwahrscheinliche Kandidaten wie Aserbaidschan, Äquatorialguinea und einige andere vor China.

Vielen Dank an Joachim L.!

Allgemein  

Zirkusreife “Bild”-Kampagne gegen Sarrasani

Tag 1:
Es fing eigentlich relativ harmlos an: Vor einer knappen Woche berichtete “Bild”-Dresden zum ersten Mal über die zwei Tiger des"Sarrasani-Tiger wohnen jetzt im Supermarkt!" Zirkus “Sarrasani”: “Sarrasani-Tiger wohnen jetzt im Supermarkt!” (siehe Ausriss). Mieter hätten sich wegen des Gebrülls beschwert, hieß es. “Bild” zitierte eine 71-jährige Anwohnerin, die sich gar nicht mehr traue, “an unserem alten Supermarkt vorbeizugehen”. Außerdem stinke es “schrecklich”. Eine weitere Mieterin “schimpft” angeblich: “Das Gebrüll hört sich so qualvoll an!” Zwar habe die Stadt die “seltsame Raubtierhaltung” genehmigt. Allerdings zitiert “Bild” einen Amtstierarzt, er habe nicht gewusst, dass die Tiger “im Warenlager” gehalten würden.

Tag 2:
Am Tag darauf berichtete “Bild”"Rettet die Tiger aus dem Supermarkt" wieder über den “Skandal”, den “Bild”-Leser “aufgedeckt” hätten. Unter der Überschrift “Rettet die Tiger aus dem Supermarkt” behauptete “Bild”, Sarrasani lasse seine zwei Tiger “seit Wochen” und “heimlich” im Supermarkt wohnen. Und Tierschützer würden fordern, dass “Sarrasani seine Tiere sofort artgerecht unterbringt”. (Nebenbei: Als wir einen der von “Bild” zitierten Tierschützer fragten, ob er die konkrete Unterbringung der Sarrasani-Tiger kenne, beendete der abrupt das Telefon-Gespräch.)

Tag 3:
Am folgenden Tag hieß es in “Bild”: “Tiger in Kaufhalle gehalten: Fliegt"Tiger in Kaufhalle gehalten: Fliegt Sarrasani jetzt aus dem Supermarkt?" Sarrasani jetzt aus dem Supermarkt?” “Bild” habe herausgefunden, dass nicht mal der Vermieter der Halle über die “merkwürdige Nutzung als Raubtierkäfig” informiert gewesen sei. “Ob Sarrasani rausfliegt”, wolle der Vermieter nach einem Gespräch entscheiden. Und wieder hieß es, “Bild”-Leser hätten “aufgedeckt, dass der Varieté-Chef seit Wochen seine Tiger (…) mitten im Wohngebiet hausen lässt.”

Tag 4:
Einen Tag später kam, was kommen musste: “Sarrasani-Tiger im Supermarkt: Der Foto-Beweis!” Ein “Bild”-Fotograf "Sarrasani-Tiger im Supermarkt: Der Foto-Beweis!"hatte ein Foto gemacht, das, nun ja, einen Tiger hinter Gittern zeigt, und offenbar die Behauptung Sarrasanis widerlegen sollte, es gehe den Tigern gut. “Bild” fasste noch kurz ihre Kampagne der vorhergehenden Tage zusammen und schrieb, dass sich “wieder Mieter der angrenzenden Wohnblocks bei BILD” gemeldet hätten. Von “mehreren Eingaben wegen des Gebrülls und Gestanks” war die Rede. Zu Wort kam dann allerdings wieder nur die 71-jährige Mieterin, die “Bild” schon am ersten Tag ihrer Kampagne zitiert hatte und die sich nun auch noch über “das Zirkus-Zelt mit Bumbum bis 23 Uhr” beschwerte. “BILD bleibt dran!” hieß es abschließend.

Tag 5:
Tat sie auch. Aber nur in Form einer Zwei-Spalten-Meldung, in der es hieß: “Gestern fotografierte BILD exklusiv eine der beiden Raubkatzen” — und die darüber Auskunft gab, dass Sarrasani “einen zweiten Drahtzaun mit Sichtschutz gegen neugierige Blicke aufgestellt” habe.

Soweit die Kampagne von “Bild”. Und nun die Fakten:

Die Sarrasani-Tiger wohnen nicht “seit Wochen”, wie “Bild” mehrfach behauptete, “im Supermarkt”, sondern sie sind bereits seit dem Jahr 2004 auf dem Gelände untergebracht. Und das auch nicht “heimlich”, wie “Bild” wiederholt schrieb, sondern mit Kenntnis und Billigung des Veterinäramts, das die Haltung abgenommen und regelmäßig kontrolliert hat. “Die Haltungsbedingungen und der Allgemeinzustand der Tiger wurden letztmalig im Dezember 2006 amtstierärztlich kontrolliert”, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der Dresdner Stadtverwaltung. Zudem fand am Tag des ersten “Bild”-Berichts eine weitere Kontrolle statt. Weiter heißt es in der Mitteilung (und ähnlich auch in einer Stellungnahme Sarrasanis [pdf]):

Bei beiden Kontrollen ergaben sich aus tierschutzrechtlicher Sicht keine Beanstandungen bzw. Auflagen.

Sarrasanis Vermieter, die TLG Immobilien GmbH, ist nach unseren Informationen seit Mietbeginn im Jahr 2004 darüber informiert, dass der Zirkus zwei Tiger auf dem Gelände hält. Bei der TLG wollte man sich uns gegenüber jedoch nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Dass laut “Bild” weder der zitierte Amtstierarzt noch der Vermieter gewusst hätten, dass die Tiger “im Warenlager” gehalten würden, kann allerdings stimmen. Doch es gibt dafür einen einfachen Grund: Die Tiger werden nicht “im Warenlager” gehalten.

In der Pressemitteilung der Dresdner Stadtverwaltung heißt es entsprechend:

Die Tiger werden im Außengelände neben der ehemaligen Kaufhalle am Straßburger Platz gehalten. Die Haltung der Tiere ist nicht zu beanstanden; Größe und Ausstattung der Haltungseinrichtungen entsprechen den “Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen des BMVEL” sowie den Anforderungen des Erlaubnisbescheides nach § 11 Tierschutzgesetz der zuständigen Erlaubnisbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Ob es aus ethischer Sicht zu beanstanden ist, Tiger oder sonstige wilde Tiere wie beispielsweise Eisbären in Gefangenschaft zu halten, wollen wir nicht diskutieren. Sarrasani erfüllt jedenfalls offensichtlich alle “drei Voraussetzungen” für die Haltung von Tigern, die “Bild” bereits am zweiten Tag ihrer Kampagne zusammengetragen hatte:

"Darf sich eigentlich jeder einen Tiger halten?"

P.S.: Der Zirkus Sarrasani hat in direkter Umgebung des Tiger-Geheges ein Büro mit Kartenverkaufsstelle. Von Beschwerden seitens der Anwohner sei bei Sarrasani jedoch nichts bekannt, sagt uns eine Sprecherin auf Anfrage. Tja, die 71-jährige Dame Mieter hielten es offenbar für sinnvoller, sich an “Bild” zu wenden.

Kurz korrigiert (421)

Es muss wohl eine Art Reflex sein, der Bild.de-Mitarbeiter dazu "Neues Urteil: Krankgeschrieben zum Konzert!"veranlasst, völlig Fakten-unabhängig in Überschriften bestimmte Schlüsselbegriffe einzubauen. Der Teaser, der derzeit auf der “Tipps & Trends”-Seite von Bild.de steht (siehe Ausriss), ist ein schönes Beispiel dafür. Das “neue” Urteil, von dem dort die Rede ist (“Az.: 10 Sa 117/04“), ist nämlich keineswegs neu. Jedenfalls nicht nach landläufigen Maßstäben. Es stammt aus dem Jahr 2004. Aber immerhin: Der Agentur-Bericht dazu, der ist offenbar neu.

Mit Dank an Daniel P. für den sachdienlichen Hinweis.

“Warum mag uns eigentlich keiner?”

Für die “Bild”-Zeitung ist der Eurovision Song Contest traditionell ein Anlass, nationalistische Töne anzuschlagen. Vor zwei Jahren kommentierte die Zeitung das schlechte Abschneiden Deutschlands unter anderem mit der Feststellung:

Wir haben keine Freunde.

Und jammerte:

Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey. (…)

Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).

Auch heute verwechselt die “Bild”-Zeitung den Schlager- mit einem nationalen Sympathiewettbewerb und fragt in ihrem Online-Auftritt:

Warum mag uns eigentlich keiner?

Und jammert:

Statt unseren Swing-König mit Punkten zu belohnen, schacherten sich die osteuropäischen Staaten wieder gegenseitig die Punkte zu. (…)

Grand-Prix-Wut auf die Stimmen-Mafia aus dem Osten!

Nun ist es schon erstaunlich, dass eine so harmlose Veranstaltung die “Bild”-Zeitung immer wieder dazu veranlasst, Ressentiments gegen andere Nationen zu pflegen und zu bedienen. Doch der Versuch, das schlechte Abschneiden Deutschlands und anderer westlicher Länder mit einer “Mafia” zu erklären, ist auch sachlich haltlos. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn man sich das Ergebnis ansieht, wenn man nur die Stimmen der 21 westeuropäisch oder westlich orientierten Länder** berücksichtigt:

Ohne die “Mafia” aus dem Osten würde sich also auf den vorderen Plätzen fast nichts ändern, und Deutschland wäre statt auf einem sehr traurigen 19. auf einem traurigen 14. Platz gelandet. Tja.

Der Ausdruck “Mafia” bezeichnet übrigens eine “verbrecherische Geheimorganisation”.

Vielen Dank an Amin N. für die Anregung!

**) Andorra, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Israel, Malta Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Türkei, Zypern.

Nachtrag, 14. Mai. Der Aufmacher der heutigen “Bild”-Zeitung sieht so aus:

Ungeachtet der Fakten spricht die “Bild”-Zeitung in ihrem Artikel vom “Schummel-Grand-Prix”, der “Stimmen-Mafia aus Ost-Europa”, einer “Riesen-Schummelei” und der “Stimmen-Schacherei der Ost-Europäer”.

Allgemein  

Trau, stau, wem!

"Deutschland trocknet aus! Ab wann wird das schöne Wetter gefährlich?"Die anhaltende Trockenheit ist wirklich ein Problem. Landwirte befürchten Ernteausfälle, Konsumenten befürchten steigende Preise für Obst und Gemüse, mindestens ein Meteorologe befürchtet eine “Wespenplage” im Spätsommer, und bei “Bild” befürchtet man gar, dass Deutschland austrocknet (siehe Ausriss):

Deutschland ist staubtrocken! Seen sind ausgetrocknet, Flüsse werden zu Rinnsalen, Felder verdorren.

Illustriert ist diese Geschichte mit zwei Fotos vom Forggensee:

Forgensee

Das sieht dramatisch aus. Als Beleg dafür, dass Deutschland austrocknet, sind die Fotos jedoch denkbar ungeeignet. Zwar führt der Forggensee zurzeit ziemlich wenig Wasser, und sein Grund ist begehbar, aber: das ist jedes Jahr zu dieser Zeit so. Oder wie uns ein Sprecher von E.ON Wasserkraft, dem Betreiber des Wasserkraftwerks am Forggensee, sagt:

Ein solches Foto können Sie jedes Jahr am Forggensee machen. Der derzeitige Pegelstand ist überhaupt nicht unnatürlich für diese Jahreszeit.
(Link von uns)

Der Forggensee ist nämlich ein künstlicher Stausee. Er wird im Oktober abgelassen und im Frühjahr langsam wieder aufgestaut. Seinen niedrigsten Stand erreicht der Forggensee für gewöhnlich Mitte März. Deshalb ist es auch nicht unerheblich, dass das Foto, das “Bild” auf “Mai 2007” datiert, in Wahrheit schon eine Woche alt ist. Seither hat der Pegel schon wieder um einen guten Meter zugelegt. Und dass “Bild” ein Foto aus dem Juni 2006 zum Vergleich heranzieht und dazu schreibt “der Forggensee vor einem Jahr um diese Zeit”, macht das Ganze noch unsinniger. Mitte Juni hat man am Forggensee nämlich üblicherweise das “Stauziel erreicht” und der See ist sozusagen voll.

Mit Dank an Alexander H., Benjamin K. und Karsten S. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 17.30 Uhr: Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Bild.de ein anderes Foto des vollen Forggensees zeigt als “Bild” und es auf “April 2006” datiert. Diese Angabe ist unwahrscheinlich, da der Pegelstand im April 2006 niedriger war als jetzt.

6 vor 9

Für flüchtige Leser
(berlinonline.de, Daniel Häuser)
Welt online, Netzeitung, sueddeutsche.de: Wie Tageszeitungen den Anschluss ans Web 2.0 suchen.

Blogger haben keine Lust auf Regeln
(futurezone.orf.at, Patrick Dax)
Bei der Berliner Konferenz re:publica wird noch bis Freitag über Weblogs, Podcasts und das Mitmach-Web diskutiert. Zum Auftakt des Blogger-Treffens wurde an Mythen gekratzt und einem derzeit in der Blogosphäre heftig diskutierten Regelwerk für Blogger eine Absage erteilt.

Der Spaß wird ernst
(tagesspiegel.de, Johannes Boie)
Zu Besuch auf der größten deutschen Blogger-Konferenz ?re-publica? in Berlin.

Gut übersetzt, schlecht geklaut
(swissreporter.ch, Peter Sennhauser)
Ich fühle mich geehrt, beklaut und nicht ganz ernst genommen: Das ist das Resultat einer Recherche in der Schweizerischen Mediendatenbank, dem “Ur-Google” der helvetischen Medienszene, wo Journalisten nicht nur nach Fakten, sondern bisweilen auch nach sich selber suchen.

“Wir gestalten nur eine Übergangsphase”
(neuegegenwart.de, Björn Brückerhoff)
Focus Online-Chefredakteur Jochen Wegner über mobilen Online-Journalismus.

Zweiklassenjournalismus
(taz.de, Bernd Bieberich)
Seit Raúl Castro in Kuba regiert, genießen einheimische Journalisten etwas mehr Freiraum. Ihre Kollegen aus dem Ausland haben unter dem “Kontrollfanatiker” allerdings einen schweren Stand.

6 vor 9

Radikales Umdenken
(werbewoche.ch, Karl Lüönd)
Das tägliche Informationsmenü soll nicht den Röhrenblick der Spezialisten, sondern die offene und neugierige Sicht der Menschen prägen.

“Fakten sind langweilig” (+ +)
(taz.de, Johanna Schmeller)
Tom Kummer sorgte mit gefälschten Starinterviews für einen Medienskandal. Jetzt hat er eine Autobiografie geschrieben: “Blow up”. Will er sich rehabilitieren?

“Künftig wird jeder im Internet sein”
(fr-online.de, Ralf Siepmann)
Uwe Knüpfer, Chef der ersten deutschen Online-Lokalzeitung (onruhr.de), sieht die Zukunft im Digitaldruck.

Eingebunden oder abgebunden? Wie Weblogs (nicht) integriert werden
(blog.zeit.de/blogruf, Falk Lüke)
Wie werden Weblogs auf Medien-Websites präsentiert, wie werden ihre Inhalte mit dem originär redaktionellen Content verzahnt?

Die nackte Wahrheit
(facts.ch, Markus Schär)
Der «Kassensturz» tat alles, um den Arzt Peter Meyer-Fürst als Sexualtäter darzustellen. Jetzt zeigt sich: Das eingeleitete Verfahren gegen den Schönheitschirurgen beruht auf der Anzeige einer Betrügerin.

Bundesrat Moritz Leuenberger hat einen Blog eröffnet
(moritzleuenberger.blueblog.ch, Karikatur)

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