Suchergebnisse für ‘fakten’

Nichtige BKA-Listen, Falsches von der Polizei, 50 Jahre “Aktenzeichen”

1. BKA-Listen waren nicht rechtskonform
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Beim G20-Gipfel in Hamburg wurden einige Medienvertreter von der Polizei nicht ins Medienzentrum gelassen und somit an ihrer Arbeit gehindert. Als Grundlage dienten damals Namenslisten des Bundeskriminalamtes. Nun stellt sich raus: Das BKA hatte diese Listen wieder zurückgezogen, sie durften also gar nicht mehr verwendet werden. “Diese Information erreichte aber nicht die eingesetzten Polizisten am Medienzentrum. Die Beamten beschlagnahmten dort Akkreditierungen von Journalisten, einem wurde sogar Urkundenfälschung vorgeworfen”, so Patrick Gensing. Die “taz” schreibt ebenfalls über “Pannen der Polizei beim G20-Gipfel”.

2. Wenn die Fake News von der Polizei kommen
(rbb24.de, Markus Pohl)
Oft gibt es Lob für Polizeistellen, die über Einsätze twittern und selbst in Breaking-News-Situationen noch besonnen darauf hinweisen, man möge doch bitte keine Fotos vom Einsatzort in die Welt jagen. Manchmal verbreiten Accounts der Polizei über Twitter aber auch blanke Falschmeldungen: hier sei vermeintlich eine “benzingefüllte Flasche” geflogen, dort ein Türknauf “unter Strom gesetzt” worden. Rechtsexperten hielten diese Praxis “für schlicht rechtswidrig”, schreibt Markus Pohl.

3. Der verlängerte Arm der Kripo
(deutschlandfunk.de, Klaus Deuse, Audio, 5:13 Minuten)
Von Raub bis Mord, von Eduard Zimmermann bis Rudi Cerne: Klaus Deuse blickt im “Deutschlandfunk” auf 50 Jahre “Aktenzeichen XY … ungelöst” zurück.

4. Was zur Hölle geht eigentlich mit der ‘Heute’?
(vice.com, Verena Bogner)
Das Knallportal oe24.at (Onlineableger der Zeitung “Österreich”) hat sie sich bereits genauer angeschaut, mit der “Kronen Zeitung” ist sie ebenfalls durch — nun hat sich Verena Bogner an Österreichs drittes Boulevardmedium gemacht, die Gratis-Tageszeitung “Heute”: “Dass die Heute in der heiligen Dreifaltigkeit des österreichischen Boulevards tatsächlich der ‘gute’ ist, mag stimmen. Im Gegensatz zu Österreich und Krone wirkt das Blatt beinahe gemäßigt und harmoniebedürftig. Außerdem wird immer wieder der Anschein der Kritikfähigkeit und Selbstreflexion geweckt.”

5. Pfft-pfft to go
(spiegel.de, Anja Rützel)
Seit vorgestern hat Reality-TV-Star Daniela Katzenberger ein eigenes Printmagazin. Der “Bauer”-Verlag hat’s uns eingebrockt möglich gemacht. Anja Rützel rützelt dazu: “Aufs erste Blättern sind das lauter Einlassungen zu einer Lebensführung, die wie ein quietschrosa Luftkissenboot immer eine gute Gürtelbreite über dem Eigentlichen schwebt, die Oberfläche niemals berührt, geschweige denn ankratzt.” Mehr Rezensionen des neuen Katzenberger-Hefts: “Vice” mit “Ich habe das ‘Daniela Katzenberger’-Magazin gelesen, damit ihr es nicht müsst” und süddeutsche.de mit “Ich über mich”.

6. 17 Leute, die komplett am Postillon scheitern
(buzzfeed.com, Phil Jahner)
Jacqueline “kanns nich fassen” — da renkt sich ein Flüchtling den Unterkiefer aus, um ein blondes deutsches Kind zu verspeisen. “Und sowas lassen die hier rein langsam reichts”, kommentiert sie zu dem Link, den sie bei Facebook gepostet hat. Der stammt allerdings von den lieben Kollegen des “Postillon”. Phil Jahner hat Jacquelines und 16 weitere Fälle gesammelt, in denen Satire nicht als Satire erkannt wurde.

Buchmessen-Tumulte, Bundeswehr-Filmchen, Dystopie-Geschwafel

1. Dialog unmöglich
(spiegel.de, Eva Thöne)
Auf „Spiegel Online“ gibt es einen aktualisierten Beitrag über die Tumulte auf der Frankfurter Buchmesse. Hintergrund: Der Veranstalter hatte Verlage zugelassen, die man dezidiert dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zuordnen kann, was zu Protesten geführt hatte. Im Beitrag geht es um Provokation auf beiden Seiten, gewalttätige Angriffe von rechts und einen hilflosen Veranstalter.
Weiterer Lesetipp: Auch Gerald Hensel schreibt über die Vorgänge: “Chaostage auf der Buchmesse”. Er verurteile Protestaktionen, welche das Recht verletzen, wünsche sich aber von der Buchmesse mehr Haltung: “Eine Buchmesse hat Hausrecht und nicht die Aufgabe, alle Meinungen der Welt gleichberechtigt abzubilden — speziell dann, wenn sie dedizierte Gegner einer offenen Demokratie sind.”
Und zur Vervollständigung: Auf Twitter verbreiteten sich Meldungen, dass ein Frankfurter Stadtverordneter (“Die Partei”) auf der Buchmesse zusammengeschlagen worden sei, weil er gegen Nazis demonstriert hatte. Nun hat ein Fotograf ein Video veröffentlicht, das einen anderen Eindruck vermittelt. Mehr darüber bei “BuzzFeed News” unter “Dieses Video zeigt, dass der DIE PARTEI-Politiker auf der Buchmesse nicht zusammengeschlagen wurde”.

2. Feindbild Algorithmus
(zeit.de, Patrick Beuth)
In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ist von einem „Bedarf an weiterführenden Regelungen im Bereich der Algorithmenkontrolle” die Rede. Der scheidende Bundesjustizminister Heiko Maas forderte in der Vergangenheit bereits ein „Transparenzgebot für Algorithmen“. Patrick Beuth betrachtet auf „Zeit Online“ die verschiedenen Aspekte dieser Vorhaben. Die Sache ist nicht einfach. Schließlich betrifft es auch schwer zu kontrollierende, sich verändernde Algorithmen und selbstlernende Systeme.

3. Gesprächsaufklärung mit Drohnen
(taz.de, Lisa Ecke)
Auf die Bundeswehr-Serie „Die Rekruten“ auf YouTube folgt nun die Serie „Mali“. Allein die Werbung für die unterhaltsamen Propagandafilmchen lässt sich die Bundeswehr 4,4 Millionen Euro kosten. Bereits der Trailer der Serie stoße auf kritische Resonanz. So kritisiert die Vorstandsleiterin des Bereichs Schule der “Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft” die “verklärte Darstellung als Heldenstory und die fehlende Objektivität”.

4. Wer redet, riskiert einen teuren Prozess
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Die „SZ“ hat sich mit Paul Farhi, dem Medienexperte der “Washington Post“, über das Machtverhältnis zwischen dem Filmboss Harvey Weinstein und Journalisten unterhalten. Es geht um die mutmaßlichen sexuellen Übergriffe des mächtigen “Miramax”-Mitgründers Weinstein und die Frage, ob Journalisten Weinstein indirekt geholfen hätten, die Übergriffe zu vertuschen. Farhi kritisiert insbesondere den TV-Sender NBC, der im vergangenen Jahr schon einmal im Verdacht gestanden hätte, prekäre Informationen zurückzuhalten. Damals ging es um das Video, in dem Donald Trump damit angegeben hatte, Frauen belästigt zu haben.

5. Sterne für 14,95 Euro
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker)
Wie verlässlich sind Kundenbewertungen auf Onlineportalen? Wenn man Tests der Analyseseite „ReviewMeta“ Glauben schenkt, ist Vorsicht geboten: Bei einem untersuchten Fall hielt das Unternehmen nur 75 von mehr als 400 Bewertungen für glaubwürdig. Experten würden davon ausgehen, dass im großen Stil manipulierte beziehungsweise interessensgeleitete Bewertungen auf Online-Portalen kursieren. Diese stammen oft von kommerziellen Bewertungsverkäufern, die teilweise vom Ausland aus ihre zwielichtigen Dienste anbieten.

6. Narrativ intrinsische Dystopie: Die Welt der Modewörter
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff erzählt in seiner Kolumne von seinen drei Lieblings-Modewörtern. Auf Platz drei rangiert bei ihm das „Narrativ“. Der zweite Platz gehört dem Wort „intrinsisch“. Auf Platz eins steht bei ihm das in der deutschen Film- und Literaturkritik unentbehrliche, zukunftspessimistische Gesellschaftsszenario: „Sich ein Leben ohne Dystopie vorzustellen, ist für Rezensenten möglicherweise noch erahnbar, wird aber letztlich doch eher als weitgehend sinnlos eingeschätzt. Ohne Dystopie kriegt man das Bild auf seiner Schwafelei einfach nicht rund.“

G20-Löschung, Unheimlich umverteilt, Brauner Balken

1. G20-Akkreditierungen: Illegale Datenlöschung bestätigt
(blog.ard-hauptstadtstudio.de, Arnd Henze)
Im Blog des ARD-Hauptstadtstudios geht es um die Affäre um die G20-Akkreditierungen. Die Aufarbeitung zieht sich in die Länge und die zuständigen Behörden geben sich wenig auskunftsfreudig. TV-Korrespondent Arnd Henze berichtet, dass die Daten der beiden Journalisten Florian Boillot und Po-Ming Cheung tatsächlich gelöscht wurden. Ein Sprecher des LKA widerspricht der Darstellung des ARD-Hauptstadtstudios: Sowohl die Speicherung als auch die Löschung sei in beiden Fällen rechtmäßig erfolgt. Wie das allerdings mit dem im Beitrag zitierten Löschvorbehalt in Einklang zu bringen sei, hätte der Sprecher nicht erklären können.

2. Ein Algorithmus für mehr Kreativität
(journalist-magazin.de, Catalina Schröder)
Ein neues Tool soll Redakteuren dabei helfen, neue Erzählansätze zu bekannten Themen zu finden. Die Idee dazu stammt von der Uni London, wurde von der „Google Digital News Initiative“ gefördert und wird inzwischen von der EU-Initiative „Horizon 2020“ für eineinhalb Jahre mit einer Million Euro finanziert. 14 Journalisten, Software-Entwickler und Wissenschaftler aus sechs Ländern arbeiten an dem Projekt. Das Magazin “Journalist” hat sich mit dem Hamburger Journalisten Claus Hesseling über den Stand des Projekts und den weiteren Fortgang unterhalten.

3. Die unheimliche Umverteilung
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker & Wolfgang Wichmann)
Der „Faktenfinder“ beschäftigt sich mit einem skandalisierenden Bericht zur angeblich geheimen Umverteilung von Flüchtlingen in der EU, der sich in den letzten Tagen im Netz verbreitet hat. Hintergrund ist ein Umverteilungsprogramm der Europäischen Union, das jedoch nicht geheim, sondern für jedermann online einsehbar ist.

4. “Nicht originell und in sich inkonsistent”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf & Michael Borgers, Audio, 7:09 Minuten)
Im “Deutschlandfunk” geht es nochmal um die Debatte zur “Spiegel”-Kritik an ARD und ZDF. Leonhard Dobusch, im ZDF-Fernsehrat für den Bereich “Internet” zuständig, äußert sich zum Vorwurf, bei den Öffentlich-Rechtlichen handele es sich um „Staatsfunk“, den er bei aller möglichen Kritik für verfehlt hält. Der „Deutsche Journalisten-Verband“ moniert, der “Spiegel” spare in seiner Geschichte “vieles aus, was für das Gesamtverständnis der Leser wichtig gewesen wäre”. Im Beitrag seien nur die “Nörgler” zu Wort gekommen.

5. Löschen, so gut es geht
(spiegel.de)
Nach erfolgreicher BKA-Fahndung konnte im Fall des Missbrauchs einer Vierjährigen ein Verdächtiger festgenommen werden. Dem vorausgegangen war eine Öffentlichkeitsfahndung, bei der ein Bild des Opfers veröffentlicht wurde. Nun bittet das BKA darum, das Bild zu löschen, um das Opfer zu schützen. Das Gros der Nutzer und Medien sei bemüht, das Bild des Opfers möglichst schnell wieder aus der Welt zu schaffen. Ganz gelingen werde das jedoch nicht.

6. taz.sachen: Die Macht der Farbe Braun
(blogs.taz.de)
In der Onlineredaktion der „taz“ hat man bereits vor geraumer Zeit entschieden, bei Wahldiagrammen den Balken für die AfD braun zu färben. Bis zur Bundestagswahl habe das keine großen Reaktionen hervorgerufen — aber am Abend danach traf es offenbar einen Nerv. Was auch mit der Betitelung zu tun hat …

Diskretionsgrenze, Xavier und die Medien, Tatort-Fucktencheck

1. Die unsichtbare Grenze der Diskretion
(taz.de, Bettina Gaus)
Bettina Gaus kommentiert in der “taz” die viel gelobte “Spiegel”-Reportage über Martin Schulz. Wenn es nach ihr geht, wäre die Reportage besser nie erschienen: “Natürlich wollte Markus Feldenkirchen so dicht wie irgend möglich an den SPD-Kanzlerkandidaten herankommen. Das ist sein Job. Er hat seine Möglichkeiten genutzt, und er hat sich – soweit das von außen zu beurteilen ist – nicht unfair verhalten gegenüber seinem Protagonisten. Aber viele Szenen, die in der Reportage geschildert, und Äußerungen, die zitiert werden, gehen die Öffentlichkeit schlicht nichts an.”

2. Sturm Xavier – wie Medien Menschen auf dem Gewissen haben: Nichtstun tötet.
(wetterkanal.kachelmannwetter.com, Jörg Kachelmann)
Jörg Kachelmann wirft den ARD- und ZDF-Verantwortlichen schwere Versäumnisse bei den Fernsehwetterberichten vor Eintreffen des Sturms “Xavier” vor, der in Deutschland mehrere Menschenleben gekostet hat: “Ich verachte diese Leute dafür, sehr. Denn Menschen sind gestorben und werden wieder sterben. Und es wird durch die, die dafür zuständig wären, nichts getan, dass sich das ändert.”

3. Wir sollten über “Political Correctness” diskutieren, aber bitte nicht so
(broadly.vice.com, Yasmina Banaszczuk)
Zerstört die Political Correctness unsere freiheitliche Gesellschaft, wie es im Buch “Es war doch gut gemeint” behauptet wird? Unter anderem darüber hat sich Yasmina Banaszczuk mit den beiden Autoren des Buchs unterhalten. Doch die wollten die Zitate aus dem Interview nicht freigeben. Das Gesagte sollte angeblich durch schönere, relativierende Dinge ersetzt werden. Auch ohne das Interview wird deutlich, wo die Probleme des Buchs nach Ansicht von Banaszczuk liegen: “Ein – im besten Falle gut gemeintes – Buch über eine falsch verstandene linke Entwicklung kann potenziell gefährlich sein, wenn wir den Vorurteilen, die dem teils zugrunde liegen, nicht widersprechen. Und widersprechen sollten wir, egal, wie oft wir uns wiederholen müssen.”

4. Fellner übernahm am deutschen Wahlabend die ARD-Sendungen
(kurier.at, Philipp Wilhelmer)
Bei der Bundestagswahl verfiel der österreichische Fernsehsender “oe24.tv”, wohl aus Ermangelung eigener Teams vor Ort, auf eine kostensparende Idee und ließ die Bilder der ARD ausstrahlen – allerdings ohne Genehmigung. Der “Kurier” hat bei der ARD nachgefragt, wie man mit dem Vorgang umgehe. Dort wird nun der Rechtsweg geprüft. Für “oe24.tv” kann die Sache nach Auskunft eines Juristen teuer werden. Weil es sich beim Fernsehsender um einen Medienbetreiber handele, der zumindest theoretisch wissen müsse, wie man das Urheberrecht einhält, könnte sich das vom Gericht zu ermittelnde Ersatzentgelt verdoppeln.

5. Wie porno ist Deutschland?
(faz.net, Eva Heidenfelder)
Im aktuellen “Tatort” ging es auch um die darniederliegende Porno-Branche. Eva Heidenfelder hat für die “FAZ” den Faktencheck gemacht und Experten gefragt, ob die Porno-Produzenten wirklich “im Arsch wegen diesem Internet-Scheiß” sind, wie es ein Protagonist im “Tatort” behauptet. Außerdem geht es um Künstlernamen von Sex-Darstellern, Spermaspuren und den Unterschied zwischen Erwürgen und Erdrosseln. Weiterer Lesetipp: Die Tatort-Nachlese der “SZ”: “Porno im Planschbecken”

6. »Kothaufen in der Dusche«
(11freunde.de, Stephan Reich)
Andere besprechen Schallplatten oder Bücher – Fußballer Arne Tiedemann rezensierte zu seiner Kreisligazeit beim TSV Kollmar die Kabinen und Duschen der Kreisliga Steinburg. Im Gespräch mit den “11Freunden” geht es um den Kachelreport, die Wischmopp-Skala von eins bis elf und die hygienischen Abgründe von Dusch- und Kabinentrakten.

NSA-Affäre, “Krisenschauspieler”, Babylon-Verspätung

1. Nichts gefunden: Auch der Generalbundesanwalt hat NSA-Affäre beendet
(netzpolitik.org, Anna Biselli)
Im Zuge der Snowden-Enthüllungen kam heraus, dass die NSA in Deutschland im großen Stil abhörte und wahrscheinlich deutsche Behörden eingeweiht oder sonst wie involviert waren. Einige Menschen erstatteten daraufhin Anzeige beim Generalbundesanwalt, unter anderem wegen des Verdachts auf geheimdienstliche und landesverräterische Agententätigkeit. Einer der Anzeigeerstatter, Markus Beckedahl von netzpolitik.org, bekam nun Post vom Generalbundesanwalt. Dieser sieht vier Jahre nach Eingang der Anzeige keinen Anfangsverdacht für eine Massenüberwachung durch britische und US-Geheimdienste in Deutschland und hat die Sache für sich als beendet erklärt.

2. Nach Las Vegas gilt in Social Media, was die ganze Zeit galt!
(wired.de, Johnny Haeusler)
Unmittelbar nach dem schrecklichen Geschehen in Las Vegas verbreiteten sich in den sozialen Medien Lügen und Spekulationen über den Schützen, der aus einem Hotelfenster im 32. Stock in die Menge schoss. Johnny Haeusler fragt sich, warum das Fake-News-Problem noch immer nicht gelöst ist und plädiert auf breite Aufklärung, Bildung und Digitalkompetenz: “Tun wir dies nicht, dann waren Teilergebnisse der Bundestagswahl 2017 erst der Anfang eines Zeitalters, in dem in immer größeren sozialen Gruppen gefühlte Richtigkeit, Populismus, Emotionen und Sensationen mehr zur Meinungsbildung beitragen als Argumente, Fakten, sachliche Erklärungen und geltendes Recht.”

3. Die angeblichen Krisenschauspieler
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker)
Immer wieder bezeichnen Verschwörungstheoretiker besondere Vorkommnisse als politische Inszenierung. Besonders oft werden diese Legenden bei Amokläufen oder Attentaten gestrickt. Überlebende und Zeugen werden dann regelmäßig als “Krisenschauspieler” bezeichnet. Durch Fehlinterpretationen von Videomaterial wird den Opfern, Augenzeugen oder Zeugen unterstellt, Teil einer Inszenierung zu sein. Kristin Becker erklärt das perfide Vorgehen der Verschwörungstheoretiker anhand von Beispielfotos und Tweets.

4. Antipolizeitaste in iOS 11: Schutz vor neugierigen Blicken
(strafakte.de, Mirko Laudon)
Strafverteidiger Mirko Laudon weist auf eine Besonderheit beim Apple-Betriebssystem iOS 11 hin: Die sogenannte Antipolizeitaste. “Wer Sorge hat, sein iPhone könnte gleich von der Polizei beschlagnahmt werden, deaktiviert durch fünfmaliges Drücken der Einschalttaste schnell in der Hosentasche die Touch-ID. Das führt dazu, dass das iPhone nur noch durch die Eingabe des Passcodes im Sperrbildschirm zu entsperren ist. Denn die Biometriescanner können durch die Polizei leichter überlistet werden …” Die Barriere des Passcodes zu überwinden, sei dagegen deutlich schwieriger, zumal Beschuldigte nicht verpflichtet seien, der Polizei Passwörter jeglicher Art mitzuteilen.

5. Bildagentur Getty nimmt den Kampf gegen Photoshop auf
(wuv.de, Petra Schwegler)
Die US-Bildagentur Getty reagiert auf ein neues Gesetz in Frankreich, das Fotografen dazu verpflichtet, retuschierte Bilder von Models zu kennzeichnen: “Seit dem 1. Oktober 2017 übernimmt Getty Images als weltweit erste Bildagentur keine Bilder mehr von Models in die Datenbank, deren Körperform retuschiert wurde, um sie schlanker oder fülliger erscheinen zu lassen”. Petra Schwegler hat die neue Geschäftspolitik kommentiert und Beiträge über umstrittene Werbekampagnen und Photoshop-Fails der Mode- und Kosmetikindustrie verlinkt.

6. Wie die ARD ihre Zuschauer warten lässt
(haz.de, Imre Grimm)
Stolze 40 Millionen Euro flossen in „Babylon Berlin“, das teuerste deutsche TV-Epos aller Zeiten. Das Projekt wurde maßgeblich finanziert mit Gebührengeldern der ARD, zu sehen bekommen es jedoch vorerst nur die fünf Millionen “Sky”-Kunden. Die “ARD”-Zuschauer müssen sich ein Jahr gedulden. Imre Grimm kommentiert: “Das Problem ist das Signal, das die ARD aussendet. Sie scheint nicht zur Kenntnis genommen zu haben, dass zwölf Monate Wartezeit in Zeiten globalisierter Sofortbefriedigung aller Entertainmentbedürfnisse ein Anachronismus sind. Im Ersten scheint man weiterhin dem Irrglauben anzuhängen, dass eine Produktion wie früher erst Gültigkeit hat, wenn sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelaufen ist. Ganz so, als betreffe Sky, HBO, Netflix & Co. nur eine Minderheit. Ein fataler Irrtum.”

Twitterfakes, Die Affäre Silberstein, ARD-ZDF-Fusion erstrebenswert?

1. Zahlreiche Fake News auf Twitter
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Bei Extremsituationen wie Anschlägen, Naturkatastrophen oder Unglücksfällen dient Twitter oft als Kommunikationskanal, um beispielsweise wichtige Informationen von Polizei oder Feuerwehr zu verbreiten. Doch gleichzeitig kursieren Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen. So auch beim gestrigen Massaker in Las Vegas. Patrick Gensing hat sich nach dem Attentat auf Twitter umgesehen.
Weiterer Lesetipp: Auch bei “Spiegel Online” hat man sich mit der “Fake-Flut” nach dem Attentat in Las Vegas beschäftigt.

2. Die Affäre Silberstein
(falter.at, Barbara Toth & Florian Klenk & Josef Redl & Nina Horoczek)
Ein SPÖ-Berater soll in Österreich mit einer geheimen “Spezialeinheit” im Auftrag seiner Partei auf Facebook eine Schmutzkampagne gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz betrieben haben. Der “Falter” hat versucht, mit allen Beteiligten zu sprechen. Anschließend hat man den Skandal in 20 Fragen und Antworten aufgearbeitet. So gut es nach jetzigem Kenntnisstand ging.

3. Interpol muss politischen Missbrauch abstellen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” fordert die internationale Polizeiorganisation Interpol zu schnellen Reformen auf, um den zunehmenden Missbrauch ihrer Fahndungsaufrufe durch repressive Regierungen zu verhindern: “Niemand sollte in ein Land ausgewiesen werden, in dem ihm ein unfairer Prozess oder gar Folter drohen, und kein kritischer Journalist sollte wegen eines willkürlichen Fahndungsaufrufs bei jeder Auslandsreise in ständiger Angst vor Verhaftung leben müssen. Interpol darf sich nicht zum Handlanger autoritärer Regime bei der Verfolgung unliebsamer Journalisten machen lassen.” Dazu auch ein Lesetipp aus dem Jahr 2015 vom “SZ-Magazin”: “Der viel zu lange Arm des Gesetzes”.

4. Google kommt Verlagen bei Bezahl-Artikeln entgegen
(zeit.de)
Viele Paywalls lassen sich derzeit über eine Google-Suche umgehen. Das soll sich nun ändern, denn Google will die Verlage selbst entscheiden lassen, wie viele bezahlpflichtige Artikel Nutzern kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das neue Modell habe Google zusammen mit vielen Verlagen entwickelt, auch mit der “New York Times” und der “Financial Times”.

5. Warum ARD und ZDF fusionieren sollten
(handelsblatt.com, Hans-Peter Siebenhaar)
ARD und ZDF haben Sparvorschläge vorgelegt, doch für Handelsblatt-Kolumnist Hans-Peter Siebenhaar handelt es sich nur um kosmetische Korrekturen. Die Politik sei gefordert, das “verkrustete und ineffektive” Rundfunksystem zu reformieren. “Im digitalen Zeitalter braucht niemand mehr eine mediale Grundversorgung durch staatsnahe Rundfunkanstalten mit einem beamtenähnlichen Pensionssystem.” Eine Möglichkeit, die Rundfunkgebühr nachhaltig zu senken, sei die Zusammenlegung von ARD und ZDF.

6. Mehr als 500 Podcasts von und mit Frauen in Deutschland
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Sind Podcasts vor allem eine Männerdomäne? Weit gefehlt! Die Medienforscherin Nele Heise pflegt eine Datenbank, in der mehr als 500 aktive Podcasts und Podcastformate gelistet sind, an denen Frauen beteiligt sind. Die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender seien dabei noch nicht einmal mitgezählt. Leider würden Podcasts von Frauen im medialen Diskurs weitgehend unberücksichtigt werden. Podcasterinnen kämen kaum als Interviewpartnerinnen, kaum bei Vorstellungen des Formats Podcast und selten in Bestenlisten vor.

SPÖ-Skandal, “Funk”-Bilanz, Maas-Aufrüstung

1. Wer hat Schuld am SPÖ-Skandal?
(faktenfinder.tagesschau.de, Silvia Stöber)
Steckt die österreichische SPÖ hinter einer antisemitischen Kampagne gegen Herausforderer Sebastian Kurz von der ÖVP? Anscheinend hat ein SPÖ-Berater eine perfide Schmutzkampagne gestartet, die er unter anderem über eine anonyme Facebookseite befeuerte. Silvia Stöber versucht Licht ins Dunkel des österreichischen Wahlkampfs zu bringen. Lesenswert dazu ebenfalls Ingrid Brodnigs Beitrag “Die Wahrheit über anonyme Fanpages”, in dem sie anhand des konkreten Beispiels aufführt, wie gefährlich und rechtswidrig anonyme Seiten im Wahlkampf sind.
Auf “Telepolis” kommentiert Stefan Weber, der als Plagiatsgutachter u.a. die Diplomarbeiten von Bundeskanzler Christian Kern und Kanzleramtsminister Thomas Drozda überprüft hat: “Österreichs Politik dreht durch”.

2. Maas rüstet personell gegen Facebook & Co. auf
(spiegel.de, Fabian Reinbold)
Nach Informationen des “Spiegel” wird das Bundesamt für Justiz (BfJ) rund 50 Mitarbeiter für die Umsetzung des Facebook-Gesetzes von Justizminister Heiko Maas abstellen. Das Gesetz verpflichtet Plattformen wie Facebook oder YouTube unter anderem zum Aufbau eines wirksamen und transparenten Beschwerdemanagements. Die Hälfte der Mitarbeiter nehme die Arbeit bereits Anfang Oktober auf, wenn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Kraft trete. Dazu würden zwei Referate eingerichtet, eines für Grundsatzfragen und eines für Einzelfallverfahren. Weiterer Lesetipp: Markus Reuter auf netzpolitik.org mit: “Ab heute gilt das NetzDG – und das sind die Gefahren für die Meinungsfreiheit”.

3. Die traurige Bilanz des Jugendnetzwerks von ARD und ZDF
(welt.de, Christian Meier)
Letztes Jahr starteten ARD und ZDF ihr Jugendprogramm “Funk”. Dabei handelt es sich um ein Konglomerat aus mittlerweile rund 60 verschiedenen Video- und Audioformaten, die nur übers Netz und da vor allem über YouTube und Facebook verbreitet werden. 45 Millionen Euro war den Sendern der Verjüngungsversuch wert. Christian Meier hat sich die Zahlen genauer angeschaut und eine Zwischenbilanz gezogen. Niveau und Abrufzahlen seien bescheiden, dennoch lohne sich das Projekt für ARD und ZDF.

4. Die AfD in den Medien: Aufgeblasen am rechten Rand?
(netzpolitik.org, Constanze Kurz, Alexander Beyer )
Kanadische Forscher untersuchten über mehrere Monate die Erwähnungen der Rechtspopulisten und werteten dabei tausende von Artikeln des gesamten politischen Spektrums aus. Im Hinblick auf die letzten Monate vor der Wahl schreibt der am Forschungsprojekt beteiligte Politik- und Medienwissenschaftler Alexander Beyer: “Dass die traditionellen Medien eine übergroße Schuld am Erstarken der AfD hätten und zu einseitig wären, lässt sich als These wohl nicht mehr halten, wenn man die letzten Monate des Wahlkampfes mit dem Statistikauge betrachtet. Denn mit Blick auf die Mainstream-Medien und ihre Themensetzung zeigen sich signifikante Unterschiede bei der Erwähnung der Parteien und ihrer Themen — und gerade keine Übermenge an AfD-Berichten.”

5. Zahlen nur bei Empfang!
(faz.net, Michael Hanfeld)
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Rundfunkbeitrag für Hotel- und Gästezimmer nur erhoben werden darf, wenn die Zimmer auch eine Empfangsmöglichkeit bieten. Eine Hostel-Betreiberin aus Neu-Ulm hatte darauf verwiesen, dass es in den Zimmern keine Fernseher, Radios und keinen Internetempfang gebe, war mit dieser Argumentation in den Vorinstanzen jedoch erfolglos geblieben. Es sei das erste Verfahren, in dem ein Kläger mit dem Einspruch gegen den Rundfunkbeitrag Erfolg hatte. Nach Informationen der “Neuen Juristischen Wochenschrift” (NJW) rolle das Bundesverfassungsgericht den Rundfunkbeitrag neu auf und habe dazu einen Fragenkatalog an alle Landesregierungen verschickt.

6. “Willicks weltweit”: “Jetzt haben wir es echt richtig scheiße”
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff hat sich die WDR-Produktion “Willicks weltweit” angesehen und sich danach den Ärger über die “dümmste Sendung im deutschen Fernsehen” und ihre Protagonistin von der Seele gerantet: “Ich kann ja verstehen, wenn eine Moderatorin Lust hat, mal eine Reise anzutreten in ein fernes Land, sagen wir mal Texas. Darf sie machen. Dafür verdient sie genug. Warum aber muss sie auf Senderkosten noch einen Redaktionskollegen, einen Kamera- und einen Tonmann mitnehmen, um in einer Woche Dinge herauszufinden, die nicht über den Hauch von Relevanz für die Menschen im Sendegebiet verfügen, von denen noch nicht einmal klar ist, ob sie so, wie sie präsentiert wurden, überhaupt wahr sind und nicht nur die abgelutschtesten der abgelutschten Klischees bedienen? Ich sage mal so: Bei RTL II würde man sich für solch einen Mist schämen.”

Die AfD-Gärtner der “Bild”-Zeitung wundern sich über die Frucht-Ernte

Liest man heute den Kommentar von Tanit Koch zur Bundestagswahl und den 12,6 Prozent, die die AfD bekommen hat, könnte man fast meinen, dass die “Bild”-Chefredakteurin in den vergangenen Monaten durchgehend im Urlaub war und nichts davon mitbekommen hat, was in ihrem Blatt so passiert ist.

Ausriss Bild-Zeitung - Überschrift des Koch-Kommentars - Die Früchte der Angst

Koch schreibt:

Für Anstand steht das A in AfD nicht. Dennoch wurde sie gewählt — weil die regierenden Parteien, weil die Kanzlerin Vertrauen verspielt haben. (…)

Angela Merkel ist es nicht gelungen, einer verunsicherten Bevölkerung die Sorge vor Kriminalität und Islamisierung zu nehmen.

Die Angst davor gab es lange vor der Flüchtlingskrise. Doch man war sich zu fein dafür, sie zu adressieren. Nun hat die AfD die Früchte dieser Angst geerntet.

Es mag stimmen, dass ein Grund für die AfD-Stärke die Schwäche der “regierenden Parteien” ist. Es mag stimmen, dass Angela Merkel Sorgen nicht schmälern konnte. Was aber auch stimmt, und was Tanit Koch nicht mit einer Silbe erwähnt: Die “Bild”-Zeitung hat “die Sorge vor Kriminalität und Islamisierung” stetig bedient. Um im Bilde zu bleiben: Die fauligen Bäume und dornigen Sträucher, von denen die AfD “die Früchte der Angst” ernten konnte, haben unter anderem Tanit Koch und ihr Team ausgesät, sie haben sie immer wieder gegossen und gepflegt.

Da war zum Beispiel das “Bild”-Wahlprogramm:

Ausriss Bild-Titelseite - Das große BILD-Wahlprogramm - Was sich endlich ändern muss - Rente! Steuern! Sicherheit!

Am 17. Juli, also gut zwei Monate vor der Bundestagswahl, veröffentlichte die Redaktion fast auf einer kompletten Doppelseite eine Sammlung aus 25 “ES KANN DOCH NICHT SEIN”-Punkten:

Ausriss Bild - Übersicht zur Doppelseite mit verschiedenen Wahlprogrammpunkten

Nur ein Beispiel:

Ausriss Bild-Zeitung - Forderung der Bild zu Asyl/Integration - Es kann doch nicht sein, dass Asylsuchende und Zuwanderer sich nicht nach unseren Regeln richten. Darum gilt in Deutschland ein Burka-Verbot. Frauen und deren Ehemänner, die sich dem Widersetzen, werden mit Bußgeld belegt. Handelt es sich um Touristen, müssen sie umgehend ausreisen. Ein umfassendes Ausweisungsgesetz regelt zudem, welche Straftaten zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen. Fortgesetzter Sozialbetrug führt zur Beendigung eines Asylverfahrens.

Schon die Entscheidung für diesen Wahlkampfpunkt hat nichts mit Aufklärung zu tun, nichts mit dem Nehmen von Sorgen, sondern ist das reine Bedienen von Sorgen durch ein Scheinproblem. Abgesehen von dem Detail, dass es in der Regel nicht um Burkas, sondern um Niqabs geht, betrifft dies wohl wie viele Menschen in Deutschland? Auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln sicher ein paar mehr. In der Fußgängerzone in Görlitz vermutlich deutlich weniger. Sind es insgesamt im ganzen Land überhaupt mehr als 1000 Niqab-Trägerinnen? Dank “Bild” sieht es für mehrere Millionen Menschen wenige Wochen vor der Wahl so aus, als gehöre das Thema Burka/Niqab zu den 25 dringendsten der Bundesrepublik.

Dass ein Teil dieser Leute dann an den Laternen AfD-Plakate hängen sieht, auf denen steht “‘Burkas?’ Wir steh’n auf Bikinis.”, und sich denkt “Och, joar, könnte man vielleicht wählen” — völlig abwegig ist das nicht.

Diese Burka-Forderung, dieses ganze “Bild”-Wahlprogramm voller AfD-Positionen war komplett unnötig. Ja, man kann das machen, wenn man ganz rechten Positionen eine Plattform geben, Ressentiment schüren und ein bisschen zündeln will. Aber man muss es nicht. Und vor allem muss man sich dann nicht einen Tag nach der Wahl verblüfft zeigen über 12,6 Prozent. Bei der AfD waren sie im Juli jedenfalls hellauf begeistert von der kostenlosen Wahlwerbung in der immer noch auflagenstärksten Tageszeitung Deutschlands:

Tweet der AfD Bund - Hallo Bild, nahezu alles hier findet sich im AfD-Wahlprogramm
Tweet der AfD Berlin - So schnell kann es gehen: Das Bild-Wahlprogramm liest wie das der AfD. Gut gemacht
Tweet von Uwe Junge - Endlich! Die BILD als Wahlkampfblatt für die AfD! Unser Programm in BILD veröffentlicht!

Das “Bild”-Wahlprogramm war nur ein kleiner Baustein der Berichterstattung, die Uwe Junge, Alexander Gauland, Alice Weidel und all den anderen in die Hände gespielt hat. Seit Jahren — auch schon lange vor Gründung der AfD — trägt die Redaktion dazu bei, dass Positionen wie die der rechtesten Partei im kommenden Bundestag millionenfach an Kiosken liegen. Und häufig basieren die empörten und empörenden Schlagzeilen auch noch auf falschen Fakten. Da war beispielsweise der von einem AfD-Sympathisanten erfundene falsche Flüchtlings-“Sex-Mob”, den “Bild” willfährig aufgriff. Die sechsfach falsche Meldung, dass in Deutschland “aus Rücksicht auf Muslime die christlichen Wurzeln des Weihnachtsfestes unterschlagen” würden. Die falsche Geschichte, dass Politiker forderten, dass Christen “im Weihnachts-Gottesdienst muslimische Lieder singen” sollen. Die falsche Information, dass Flüchtlinge in Hamburg problemlos schwarzfahren dürften. Oder das falsche Gerücht, dass Sanitäter des Roten Kreuzes wegen Asylbewerbern nun Schutzwesten anhätten. “Bild” schreibt gegen Muslime, gegen Roma, gegen Griechen, gegen Ausländer, noch mal gegen Muslime, ein weiteres Mal gegen Muslime, gegen Migranten, gegen Muslime. Es sei auch noch mal an den hasserfüllten Kommentar von Nicolaus Fest erinnert, der einst Kulturchef bei “Bild” und bis September 2014 stellvertretender Chefredakteur beim Schwesternblatt “Bild am Sonntag” war und der gestern als Direktkandidat der AfD im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf nicht den Einzug in den Bundestag schaffte.

Am 17. Juli dann also das “Bild”-Wahlprogramm. Und auch danach ging es weiter mit der AfD-Förderung durch das Boulevardblatt. Mats Schönauer hat sich bei “Übermedien” durch die vergangenen zwei “Bild”-Monate gewühlt. So sahen die Titelseiten und Überschriften aus:

Collage mit Bild-Schlagzeilen - Mitten in Deutschland Burka-Frau verprügelt Dessous-Verkäuferin - Krankenkassen machen Minus Flüchtlinge kosten 20 Millionen im Monat - Asylbetrug So leicht ist es in Deutschland abzukassieren - Die große Abschiebe-Lüge - 387 Abschiebungen in letzter Minute gestoppt - Das hat der Islam mit Terror zu tun - So viele Flüchtlinge haben keinen Schulabschluss - Und wieder ein Frauenmörder der längst abgeschoben sein müsste - Joggerin vergewaltigt Warum wurde der Täter nicht abgeschoben? - Die Strafakte der abgeschobenen Afghanen - So spaltet die Flüchtlingskrise unser Land

Ich glaube nicht, dass die “Bild”-Redaktion ein Haufen von AfD-Wählern ist. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Julian Reichelt und Tanit Koch und die meisten anderen “Bild”-Mitarbeiter in ihren Kommentaren öffentlich gegen diese Partei anschreiben und in der Wahlkabine heimlich Kreuze bei ihr machen. Und trotzdem ist die “Bild”-Zeitung ein AfD-Blatt. Mit ihren gewählten Schwerpunkten, mit den Zuspitzungen auf den Titelseiten, mit den verwendeten Begriffen in Überschriften haben Reichelt und Koch und viele ihrer Kollegen die Gesprächsthemen in Büromittagspausen, in Bauwägen und an analogen wie digitalen Stammtischen geprägt. Über die “Burka-Frau” wurde dort diskutiert. Man regte sich über die Bedrohung der Rot-Kreuz-Sanitäter auf. War wütend über schwarzfahrende Flüchtlinge. “Bild” hat nicht direkt für die AfD geworben. “Bild” hat aber den öffentlichen Diskurs im Sinne der AfD vorgegeben.

Tanit Koch und ihre Redaktion titeln heute:

Titelseite der Bild-Zeitung - Der Rechts-Rumms

“Bild” hat kräftig mitgerummst.

6 vor 9: Sonderausgabe zur Bundestagswahl 2017

1. Wie der Rechtsruck herbeigetalkt wurde
(spiegel.de, Georg Diez)
Die Erfolge der AfD haben auch die Plasbergs dieser Welt mitzuverantworten, findet Georg Diez in seiner Kolumne auf “SPON”. Die öffentlich-rechtlichen Talker hätten den reaktionären Kräften schon früh und dann immer wieder eine Bühne geboten. “Es war falsch verstandene Demokratie: Indem sie eine dissidente Stimme, die extremen Rechten, anderen dissidenten Stimmen vorgezogen haben, haben die Fernsehsender eine Stimmung erzeugt, in der es normal erschien, dass der Stumpfsinn und der Hass eine Stimme im Bundestag werden. Man kann und darf am Tag nach der Wahl nicht einfach zum Alltag übergehen.”

2. Die Stimmungskanone der AfD
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer bezeichnet die “Bild”-Zeitung als “die Stimmungskanone der AfD” und liefert viele Beispiele, die seine Aussage auf erschreckende Weise untermauern. Schönauers Fazit: “Es ist eine Spaltung, an der „Bild“ fleißig mitgearbeitet hat. Mit den Themen, die sie setzte, mit der Schärfe, die sie immer wieder in die Debatte brachte, mit der Stimmung, die sie schürte, mit den Übertreibungen, den falschen Behauptungen, der Hysterie. Vor allem im Endspurt des Wahlkampfes hat sie alles getan, um Wut und Angst in einer Weise zu befördern, die der AfD in die Karten spielt.”

3. Das Panik-Orchester
(zeit.de, Christian Bangel)
Auf “Zeit Online” beschäftigt sich Christian Bangel mit dem zurückliegenden Wahlkampf und dem Zustandekommen des Wahlergebnisses: “Aus Angst vor dem Rechtspopulismus ist in Deutschland inzwischen ein Journalistenpopulismus entstanden. Wo immer er Ressentiments der Bevölkerung gegen “den Islam” und “die Flüchtlinge” vermutet, ist er zur Stelle, um sie hinauszuposaunen und doppelt zu unterstreichen. Darin duldet er keine Widerrede– er verweist dabei immer auf die US-Wahl und die Unfähigkeit dortiger liberaler Eliten, das Lebensgefühl der Bevölkerung zu verstehen.”

4. Mission Stimmungsmache
(Patrick Gensing, faktenfinder.tagesschau.de)
Beim “Faktenfinder” der Tagesschau geht es um die vielen automatisierten Tweets, die in der heißen Phase des Wahlkampfs vor allem die AfD unterstützt hätten. Nach “Buzzfeed”-Informationen soll ein russischer Hacker verschiedene Bots eingesetzt haben. In wessen Auftrag ist nicht bewiesen: “Tatsächlich bleibt unklar, ob und wie die AfD dieses Netzwerk mitsteuert. Klar ist hingegen, dass die meisten Social Bots die Agenda der AfD unterstützen: Sie helfen, Begriffe zu etablieren, generieren Reichweite und simulieren Relevanz.”

5. Welche Rolle Falschmeldungen im Wahlkampf spielten
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Welche Rolle spielten Fake News im Wahlkampf? In Deutschland wohl eine kleinere als oft angenommen, wenn man Experten Glauben schenkt. Dazu käme, dass Deutschland im internationalen Vergleich Social-Media-Entwicklungsland sei. Ernüchternd: Oft sei schlampiger Journalismus von vermeintlich seriösen Medien der Ausgangspunkt für virale Fake News.

6. Basta: “FAZ”-Redakteure plaudern – und das Mikro ist schon an.
(turi2.de, Jens Twiehaus, Video, 1:26 Minuten)
Panne der “FAZ” am Wahlabend: Das Mikro des YouTube-Livestreams ist schon Minuten vorher offen und überträgt Redakteure, die über ihren dicken Bauch, dreckige Fingernägel und “die blöde Schwesig” plaudern.

“Berliner Kurier” findet falsches Hitler-Uran

Auf der Titelseite des “Berliner Kuriers” ist heute Doppelapokalypse:

Ausriss der Titelseite des Berliner Kuriers - Atom-Klumpen-Fund in Oranienburg - War es Hitler-Uran? Radioaktives Material löst Großeinsatz aus. Polizei sieht Zusammenhang mit Atombomben-Forschung der Nazis - zu sehen ist ein Foto von Adolf Hitler sowie ein großer Atompilz

Hilter. Atompilz. Ein Boulevard-Traum.

Tatsächlich hat die ganze Sache aber nichts mit Uran zu tun, erst recht nichts mit einem Atompilz und höchstwahrscheinlich auch nichts mit Adolf Hitler.

Aber von vorne.

Im brandenburgischen Leegebruch, einem kleinen Ort mit etwas weniger als 7000 Einwohnern, gab es am Mittwochabend große Aufregung. Ein 64-jähriger Mann, der gerne mit seinem Metalldetektor in der Region nach Schrott und Schätzen sucht, war auf einen etwa 1,3 Kilogramm schweren Gegenstand gestoßen, der zwar metallähnlich aussah, aber nicht magnetisch war. Er nahm den Klumpen mit nach Hause, ließ ihn ein paar Tage rumliegen, schaute ihn dann zusammen mit seinen Kindern an, googelte ein wenig rum — und zack: Atom-Alarm in Leegebruch.

Polizei und Feuerwehr rückten an, zogen einen Sperrkreis um das Haus des Mannes und untersuchten den Gegenstand, bei dem der Finder inzwischen meinte, dass es sich um Plutonium handeln könnte. Die zuständige Polizeidirektion Nord gab gestern eine Pressemitteilung raus, die mit “Radioaktiver Fund” überschrieben ist und in der steht:

Die gemessene Strahlung war schwach. (Achtung: Wert von ca. 400 Nanosievert ist noch unbestätigt.)

Ja, das, was die Feuerwehr vor Ort gemessen hatte, war zu diesem Zeitpunkt alles “noch unbestätigt”. Wichtig in diesem Zusammenhang auch: Die benachbarte Stadt Oranienburg gilt als der radioaktiv am meisten belastete Ort Deutschlands, nachdem die Alliierten im Zweiten Weltkrieg mit Tausenden Bomben die dort ansässigen Auerwerke, in denen unter anderem Uranoxid angereichert wurde, komplett zerstört hatten.

Ein Mann findet einen bislang unbekannten Gegenstand in einer Region, in der Mal mit Uran hantiert wurde — für den “Berliner Kurier” reichte diese Faktenlage, um heute auf der Titelseite von einem “Atom-Klumpen-Fund” zu sprechen. Im Blatt hat die Geschichte eine komplette Doppelseite bekommen:

Ausriss Doppelseite des Berliner Kuriers - Überschrift Auf der Jagd nach dem Hitler-Uran

Die zwei Autoren schreiben dort:

Denn allem Anschein nach haben sie [der Mann und seine Kinder] etwas gefunden, aus dem die Nazis im Zweiten Weltkrieg eine Atombombe bauen wollten.

Und:

Kurz darauf die Bestätigung der Behörden: Ja, der Klumpen von Bernd T. ist radioaktiv. Und strahlt.

… was den Zusatz “Achtung: Wert von ca. 400 Nanosievert ist noch unbestätigt.” in der Polizeimeldung komplett missachtet.

Inzwischen haben sich auch Mitarbeiter der Strahlenschutzbehörde den 1,3-Kilo-Klumpen angeschaut und kommen zu dem Ergebnis: null Radioaktivität.

Wir wissen nicht, wann beim “Berliner Kurier” Redaktionsschluss ist. rbb24.de brachte die Nachricht, dass es sich bei dem Fund in Leegebruch nicht um radioaktives Material handelt, gestern bereits um 17:06 Uhr.

Das “Uran” in der “Kurier”-Schlagzeile ist also Quatsch. Bleibt noch der Zusammenhang mit Adolf Hitler, über den die Redaktion auf der Titelseite schreibt:

Polizei sieht Zusammenhang mit Atombomben-Forschung der Nazis.

Im Artikel machen die Autoren keine Scherze:

Kein Scherz: Auch die Polizei geht davon aus, dass strahlende Fund (sic) aus einer alten Nazi-Fabrik stammt.

Sie zitieren die Polizei sogar:

Doch wie kommt ein radioaktiv strahlender Metall-Klumpen nach Brandenburg? Die Polizei geht von einem Zusammenhang “mit der früheren Geschichte Oranienburgs und den Auer-Werken” aus.

Die komplette Aussage der Polizei steht in der bereits erwähnte Pressemitteilung und geht so:

Nicht ausgeschlossen wird derzeit ein Zusammenhang mit der früheren Geschichte Oranienburgs (Auer-Werke).

Die Polizeidirektion Nord kann sicher auch einen Zusammenhang mit dem nordkoreanischen Atomprogramm nicht hundertprozentig ausschließen. Der “Berliner Kurier” hätte also auch titeln können: “Schießt der Irre aus Nordkorea auf Leegebruch?”

Wir haben uns erlaubt, die “Kurier”-Titelseite von heute etwas zu korrigieren:

Ausriss der Titelseite des Berliner Kuriers, allerdings mit Korrekturen von uns - Durchgestichen sind Atom, Uran, radioaktives Material, Polizei sieht Zusammenhang mit Atombomben-Forschung der Nazis, der Atompilz, Fragezeichen liegen über dem Foto von Adolf Hitler und dem Namen Hitler

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