Ist es vorstellbar, dass sich Unternehmen ganze Artikel in der “Bild”-Zeitung kaufen können? Schwerlich, oder?
Die “Bild”-Zeitung sah in dem Film “Da Vinci Code”, der von der Kritik sonst heftigverrissenwurde, “die Kino-Sensation des Jahres”. Das könnte daran liegen, dass “Bild”-Autor Norbert Körzdörfer der Film einfach gefiel. Oder daran, dass er “als einziger Reporter weltweit” die “Hollywood-Legende Tom Hanks” “exklusiv in Los Angeles” treffen durfte. Oder daran, dass die “Bild”-Zeitung von der Produktionsfirma Sony für die Lobeshymmne bezahlt wurde.
Insgesamt drei Artikel hat Körzdörfer, laut Impressum “Berater des Chefredakteurs”, in der “Bild”-Zeitung über den Film geschrieben. Am 12. und 13. April 2006 erschienen zwei jeweils fast ganzseitigeArtikel über das Treffen mit Tom Hanks. Am 18. Mai 2006 brachte “Bild” eine Filmkritik unter Körzdörfers Pseudonym “Blieswood”.
Abgesehen von der positiven Bewertung und der mangelnden Distanz, die aber so etwas wie ein Markenzeichen Körzdörfers ist, deutete für “Bild”-Leser nichts darauf hin, dass es sich hier um Texte handeln könnte, für die die Produktionsfirma Geld gezahlt hat.
Anders bei Bild.de. Das “Bild”-Interview, das Körzdörfer geführt hat, ist hier unter einer Adresse veröffentlicht, die bei Bild.de normalerweise für “Partner” (imKlartext:Werbekunden) reserviert ist und Sony als Auftraggeber nennt:
Das könnte man noch für ein Versehen halten. Aber nur, bis man die Ressortseite “Kino & TV” von Bild.de besucht hat. Dort gibt es einen als “Anzeige” gekennzeichneten Teaser für ein “Da Vinci Code”-Special (siehe Ausriss rechts, Hervorhebung von uns).
Die Zeitschrift “RUND” hat in ihrer aktuellen Ausgabe die Geschichte aufgeschrieben, wie “Bild” seit 1984 Fußball-Bundestrainer aus dem Amt und ins Amt geschrieben hat — und erklärt die aktuelle Feindschaft zu Jürgen Klinsmann:
Unter den Spielern der aktuellen Nationalmannschaft hat “Bild” keinen Informanten. Angeblich hat Oliver Kahn für die Zeit nach der Weltmeisterschaft einen Exklusivvertrag mit der Zeitung. Umso blindwütiger greift “Bild” Klinsmann an. Dies geschieht vor allem durch WM-OK-Chef Beckenbauer, der, so hört man, eine Million Euro pro Jahr für seine Tätigkeit bei “Bild” bekommen soll und den uns das ZDF trotzdem als unabhängigen Experten verkauft. Über “Bild”-Kolumnist Günter Netzer, den die ARD als unabhängigen Experten verkauft. Über einige Trainer aus der Bundesliga, die “Bild” brauchen, um ihren Job zu sichern. Und über DFB-Funktionäre der zweiten, Politiker der dritten Reihe und enttäuschte Spieler wie Christian Wörns. (…)
“Bild” hat den Nachfolger [für Klinsmann] schon positioniert: Matthias Sammer. Dessen Medienberater heißt Ulrich Kühne-Hellmessen und war Chefreporter bei “Bild”. Sammer wurde, unter Einsatz aller Blätter des Springer-Verlags und der üblichen Trittbrettfahrer, als neuer DFB-Sportdirektor gegen Klinsmanns Kandidaten, Hockey-Nationaltrainer Bernhard Peters, durchgeboxt. Ein Erfolg. Der Ausgang des Kampfes zwischen Klinsmann und “Bild” ist offen. Es ist wie im Fußball. Nicht immer gewinnt der Bessere.
“Die EU-Kommission schlägt jetzt vor, das Mindestalter für den Kauf von Alkohol von 16 auf 18 Jahre heraufzusetzen — eine entsprechende Verordnung ist in Vorbereitung!”
Schlägt sie nicht, ist sie nicht. In einer aktuellen Pressemitteilung der Kommission heißt es:
“Die Europäische Kommission plant keine EU-weit gültige Altersgrenze für den Alkoholverkauf. Medienberichte, dass die EU-Kommission das Verkaufsalter für Bier und Wein von 16 auf 18 Jahre anheben will, entbehren jeglicher Grundlage. (…)”
Außerdem heißt es in einer dpa-Meldung zum Thema unter Berufung auf den EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou:
“Eine EU-weite Anhebung des Mindestalters für den Alkoholkauf von 16 auf 18 Jahre, von der die ‘Bild’-Zeitung am Donnerstag berichtete, sei aber nicht geplant.
Die Kommission wolle im Sommer Leitlinien zum Thema Alkohol und Gesundheit veröffentlichen, sagte Kyprianous Sprecher Philip Tod. Dabei handele es sich jedoch nur um Empfehlungen in Form einer so genannten Kommissionsmitteilung. ‘Bild’ hatte von einer Verordnung berichtet, die rechtlich bindend wäre. Kyprianou sehe keine Notwendigkeit für eine EU-Gesetzgebung, betonte Tod.”
In diesem Zusammenhang sei den “Bild”-Rechercheuren vor der Abfassung weiterer EU-Falschmeldungen ein Blick auf die Website eu-kommission.de empfohlen. Zum Thema “Alkohol erst ab 18!” etwa stand dort nämlich bereits im Januar:
“Was Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol an Minderjährige angeht, so hat die EU-Kommission hier keine Kompetenzen und strebt folglich auch keine EU-weite Regelung an.”
Kurzum: Wir sind gespannt, wann und wie “Bild” ihre heutige Falschmeldung “unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtigzustellen” gedenkt, wie es der Pressekodex empfiehlt. Denn (nur zur Erinnerung) beim letzten Mal, als “Bild” falsch über die EU-Kommission berichtet hatte, sah die angemessene Richtigstellung in “Bild” so aus:
Mit Dank an Oliver-Sven L. und Michael B. für die Anregungen.
Nachtrag, 17.40 Uhr: Mittlerweile habe wir auch die mutmaßliche Quelle für die mutmaßlich falschen “Bild”-Behauptungen ausfindig gemacht. So stand gestern im Handelsblatt, die EU-Kommission wolle “gegen den Alkoholmissbrauch vorgehen” und “dazu ein Bündel von Vorschlägen machen, etwa die Heraufsetzung des Mindestalters für den Verkauf von Bier und Wein auf 18 Jahre”. Und ein Sprecher der EU-Kommission sagt uns deshalb, die heutige Pressemitteilung beziehe sich durchaus auch auf den “Handelsblatt”-Artikel — in dem sich übrigens auch mehrfach das von “Bild” so fälschlich verwendete Wort Verordnung findet, allerdings, wie man vielleicht dazusagen sollte, in völlig anderem Zusammenhang (“Gestern verabschiedete das EU-Parlament eine Verordnung, welche die nährwert- und gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel stark einschränkt.”).
Ganz besonders bitter ist die Tatsache, dass Günther Jauch unter Ausschluss der Öffentlichkeit heiraten will, natürlich für seinen Fanclub, der sich angeblich extra ein Gedicht zusammengereimt hatte, wie “Bild” heute exklusiv suggeriert:
“Was Ihr Euch ersehnt seit einiger Zeit / es wird bald Wirklichkeit /
Wir wünschen Euch von Herzen nun / Gottes Segen möge auf Euch ruhn”
Nachtrag, 21.10 Uhr. Ursprünglich hatten wir an dieser Stelle noch die “Bild”-Formulierung bemängelt, Jauch heirate die “Mutter seiner vier Kinder”. Da waren wir leider etwas voreilig.
Diese Tabelle zeigt, wie dramatisch Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund in Deutschland im vergangenen Jahr zugenommen haben. Die Zahl der Körperverletzungen zum Beispiel ist um 27,5 Prozent auf 816 gestiegen. Die Zahl der Sachbeschädigungen hat sogar um über 80 Prozent zugenommen.
Quelle für die Angaben ist das Bundeskriminalamt. Die Statistik stammt aus dem Verfassungsschutzbericht des Landes Niedersachsen, der gestern veröffentlicht wurde. Die Nachrichtenagentur AP berichtete darüber (ähnlich wieandere, siehe Ausriss) gestern nachmittag unter dem Titel: “Polizei registriert drastischen Anstieg rechtsextremer Gewalttaten”.
Damit ist offiziell, was sich bereits am Wochenende abzeichnete: Die Zahlen, die die “Bild”-Zeitung am Samstag veröffentlichte und die von mehrerenAgenturen verbreitet wurden (siehe Ausriss), sind falsch. “Bild” hatte behauptet, dass “die Zahl der Gewalttaten mit einem rechtsextremen bzw. fremdenfeindlichen Hintergrund 2005 offenbar zurückgegangen ist”. Die tatsächliche Zahl der Gewaltverbrechen liegt um 63 Prozent über der von “Bild” genannten, die der Straftaten insgesamt um 50 Prozent darüber.
Man könnte sagen: Das Gegenteil dessen, was “Bild” berichtet hat, ist wahr.
Und nun kann man vielleicht noch verstehen, dass die “Bild”-Zeitung in ihrem Eifer, Exklusivmeldungen zu produzieren, sich manchmal verrechnet — auch wenn das im konkreten Fall niemand geringerem als Einar Koch passierte, der im Impressum “Chefkorrespondent” genannt wird. Aber würde eine seriöse Zeitung diesen Fehler in einem so gravierenden Fall und bei einem so heiklen Thema nicht im Nachhinein korrigieren? Entweder aus Verantwortung der Wahrheit oder ihren Lesern gegenüber? Oder wenigstens, weil es der Pressekodex in Ziffer 3 fordert:
Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen (…), die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtigzustellen.
In der “Bild”-Zeitung haben wir bis heute keine Korrektur der Falschmeldung oder wenigstens unauffällige Vermeldung der richtigen Zahlen gefunden. Der Artikel mit den falschen Angaben ist bei Bild.de weiter online.
Nachtrag, 23. Mai. Heute endlich hat “Bild” die richtigen Zahlen gemeldet.
Manchmal, da stehen “Bild”-Reporter einfach nur einen ganzen Tag lang auf einem Friedhof in Berlin-Zehlendorf vor dem Grab von Bubi Scholz und warten, dass irgendwer vorbeischaut, um hinterher auf einer halben Zeitungsseite mehrere Fotos des Scholzschen Grabsteins (“10 Uhr”, “12 Uhr”, “15 Uhr”, “18 Uhr”) abzudrucken und dazuzuschreiben:
“Gestern wäre die Box-Legende 76 Jahre alt geworden. Niemand besuchte des Grab. (…) BILD war von 7.30 bis 18 Uhr vor Ort. (…) Von 7.30 bis 18 Uhr kam kein Besucher.”
Manchmal machen “Bild”-Reporter aber auch andere Dinge…
…kleine Kinder ansprechen zum Beispiel: Vor knapp einem Monat etwa berichtete die “Süddeutsche Zeitung”, ein “Bild”-Reporter habe am Tor des Hauses von Günther Jauch geklingelt und durch den Zaun Jauchs neunjährige Tochter befragt, die aus der Tür getreten sei, was ein “Bild”-Sprecher mit den Worten dementierte: “Aber vielleicht hat er ja ‘Guten Tag’ gesagt.”
Und in Zusammenhang mit dem bei einem Bombenattentat im ägyptischen Dahab getöteten Jungen aus Tübingen schreibt das ortsansässige “Schwäbische Tagblatt” heute über den begleitenden Presserummel:
“In einem Fall schreckte ein Journalist laut einem Elternbericht nicht davor zurück, Kinder, die gerade alleine zu Hause waren, mit der Suche nach einem Foto des getöteten Jungen zu behelligen. Der Journalist gab sich den Kindern gegenüber als TAGBLATT-Mitarbeiter aus. Dem Presseausweis zufolge*, den sich der später hinzugekommene Vater zeigen ließ, arbeitet er für die Springer-Presse.”
Beim “Tagblatt” erwägt man deshalb rechtliche Schritte gegen den Journalisten, bei dem es sich nach unseren Informationen um den Fotojournalisten Alexander Blum handelt, der u.a. für die “Bild”-Zeitungarbeitet und, wie es auf seiner Homepage heißt, Auftraggeber “auch bei der Recherche vor Ort unterstützt”.
Und fündig geworden ist Blum bei seiner Suche nach einem Foto des getöteten Jungen offenbar doch noch. “Bild” druckt es heute (anders als in anderen Fällen, in denen sich “Bild” auch schon mal mit einem unkenntlich gemachten Symbolfoto behilft) quasi weltexklusiv auf der Titelseite und im Blattinnern (siehe Ausrisse) sowie bei Bild.de. Der Fotograf selbst, dessen Namen “Bild” als Quelle für das Foto angibt, wollte sich uns gegenüber nicht äußern, woher die Aufnahme stammt bzw. wer die Einwilligung für den Abdruck gegeben habe (“Ich weiß nicht, wovon Sie reden”), und verwies an die “Bild”-Pressestelle. Eine Antwort auf unsere mehrmalige Anfrage dort steht bislang aus.
*) Anders als das “Tagblatt” berichtete, zeigte der Journalist auf Nachfrage offenbar seinen Presseausweis und sagte, dass er Mitarbeiter der Axel Springer AG sei.
Laut dem “7. Familienbericht der Bundesregierung” arbeiten deutsche Mütter verglichen mit Müttern aus anderen europäischen Ländern am wenigsten — ihre Freizeit ist ihnen wichtiger als die Hausarbeit!
Das ist haarsträubender Unsinn. “Bild” vermischt geradezu böswillig den Begriff “arbeiten” im Sinne von Geld verdienen mit “arbeiten” im Sinne von die Hausarbeit machen. Deutsche Mütter arbeiten laut Studie viel weniger, um Geld zu verdienen, als andere europäische Mütter. Aber deutsche Mütter arbeiten nicht weniger im Haushalt. Und dass ihnen ihre Freizeit wichtiger ist als die Hausarbeit, steht nirgends in dem Bericht.
“Bild” schreibt weiter:
Auf Seite 57 des 589 Seiten starken Berichts, den Familienministerin Ursula von der Leyen (47, CDU) gestern vorstellte, heißt es wörtlich: “Die geringste Präsenz am Arbeitsmarkt findet sich bei deutschen Müttern, die diese gewonnene Zeit aber nicht in Hausarbeit investieren, sondern in persönliche Freizeit.”
Klartext: Mütter in Deutschland gehen weniger arbeiten als Mütter in Frankreich, Norwegen oder Finnland. Doch statt dafür mehr Zeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung zu verbringen, genießen sie lieber ihre Freizeit.
Doch darin steckt, anders als “Bild” behauptet, kein “Vorwurf”. Und schon gar nicht der Gedanke der Faulheit. Die Statistik besagt einfach, dass deutsche Mütter deutlich seltener berufstätig sind als andere europäische Mütter. Die bezahlen für ihre Berufstätigkeit mit einem Verlust von Freizeit.
Betrachtet man die Zahlen im Detail, sieht man, dass deutsche Mütter sogar ein bisschen mehr Zeit mit Hausarbeiten verbringen — der Unterschied ist nur nicht so groß, dass er die Zeit ausgleicht, in der andere arbeiten gehen. Deutsche Frauen verbringen nach dem Bericht 45 Minuten mehr Zeit mit Hausarbeit als norwegische Frauen, 42 Minuten mehr als schwedische Frauen, 22 Minuten mehr als französische Frauen.
Der Gedanke, dass deutsche Mütter “faul” seien, entstammt also allein den Köpfen der “Bild”-Zeitungs-Redakteure.
Franz Josef Wagner (der aus der Studie zu schließen scheint, dass Mütter von heute zuviel Sex haben) behauptet im faktisch nachvollziehbaren Teil seiner Kolumne:
Liebe deutsche Mütter, laut neuem Familienbericht der Bundesregierung seid Ihr faul. 2 Stunden und 18 Minuten investiert Ihr in Hausarbeit (…)
Auch das stimmt laut Familienbericht nicht. 2 Stunden und 18 Minuten beträgt die Zeit, die deutsche Mütter mit Kinderbetreuung verbringen. Hinzu kommen noch 233 Minuten, also fast vier Stunden, für andere Hausarbeiten.
Im Übrigen sind all diese Zahlen, die “Bild” als “Schock-Bericht” bezeichnet, nicht neu, sondern fast zwei Jahre alt. Sie sind eine von vielen Datenquellen in dem neuen Familienbericht und stammen aus der Untersuchung “How Europeans spend their time — Everyday life of women and men — Data 1998-2002”, die am 27.07.2004 veröffentlicht wurde. Diese Quellen-Angaben stehen auch in dem jetzt vorgelegten Bericht, und zwar unmittelbar über dem Satz, den “Bild” jetzt so aufgeregt und falsch interpretiert.
Nachtrag, 12.30 Uhr. Der Gedanke, dass der Familienbericht deutsche Mütter als zu faul kritisiere, kam durch die “Rheinische Post” in die Welt. Die berichtete gestern früh exklusiv unter dem Titel “Familienbericht kritisiert die Mütter in Deutschland”. Bereits einige Stunden zuvor hatte sie einen Kommentar zum Thema mit dem Titel “Faule Hausfrau oder Rabenmutter” veröffentlicht. Auf dem Vorabbericht der “Rheinischen Post”, der u.a. von der Agentur AFP verbreitet wurde, beruhen andere irreführende Berichte von gestern, zum Beispiel bei “Spiegel Online”. Hans Bertram, der Vorsitzende der Sachverständigenkommission, die den Bericht erstellt hat, widersprach auf der Pressekonferenz ausdrücklich der Interpretation durch die “Rheinische Post”. Über dieses Dementi berichtete gestern nachmittag u.a. auch AFP. Der “Bild”-Zeitung lagen zum Zeitpunkt ihrer Berichterstattung also nicht nur die irreführende Meldung der “Rheinischen Post” und das Dementi vor, sondern auch der vollständige Familienbericht.
Kommt ein Mann zum Arzt und klagt über Kopfschmerzen. Kein Wunder: In seinem Schädel stecken zwölf Stahlstifte. Am Tag zuvor hatte sie sich der Mann mit einer Nagelmaschine selbst in den Kopf geschossen. Der Patient wird operiert und behält keine bleibenden Schäden zurück.
Nur in “Bild” ist die Geschichte noch unglaublicher. Um nicht zu sagen: falsch.
Bei “Bild” war man offenbar nachhaltig verwirrt von der Tatsache, dass sich all das, der Selbstmordversuch, der Krankenhausbesuch und die gelungene Operation, schon vor einem Jahr abgespielt hat — die Geschichte wurde erst jetzt in einem medizinischen Fachmagazin veröffentlicht. Aber “Bild”-Leute sindesbekanntlichnichtgewohnt, dass es Dinge gibt, die nicht “jetzt” passieren, und packten die Zeitangabe mit dem einen Jahr an eine Stelle, an der sie viel eindrucksvoller ist.
Und so hat “Bild” heute weltexklusiv die Geschichte von dem Mann, der ein ganzes Jahr lang mit Nägeln im Kopf durch die Gegend rannte:
Natürlich hätte alles viel schlimmer kommen können. “Bild” hätte titeln können:
Norbert Körzdörfer hätte als “Bild”-Sonderkorrespondent nach Rom geschickt werden können für die Schlagzeile:
Oder “Bild” hätte, nie auszuschließen, Hitler irgendwie ins Spiel bringen können:
(Keine Abbildung.)
So gesehen muss man froh sein, dass die “Bild”-Zeitung daraus, dass sie “vom Vatikan exklusiv die Genehmigung erhielt, bereits am heutigen Gründonnerstag das Gebet zu drucken, das der Heilige Vater morgen sprechen wird, bevor er der Kreuzigung Jesu gedenkt”, nur folgende Schlagzeile gemacht hat:
Und das stimmt ja auch zweifellos — vielleicht bis auf die Wörter “exklusiv” und “Papst-Gebet”. Denn die Gebete und Meditationen, die der Papst morgen sprechen wird und die “heute schon in BILD” stehen, wurden nicht nur am Dienstag schon in einem Buch auf deutsch veröffentlicht, sondern stehen auch mindestens seit Montag schon auf der offiziellen Internetseite des Vatikan. Und das, was “Bild” “das Karfreitags-Gebet von Papst Benedikt XVI.” nennt, ist gut zur Hälfte nicht einmal ein Gebet, sondern nur eine “Betrachtung”. Die “Bild”-Zeitung hat aus zwei verschiedenen Arten von Kreuzweg-Texten einfach ein eigenes Papst-Gebet montiert.
“Welche Filme lieben Sie, Tom Hanks?”, fragt “Bild”-Kolumnist Norbert Körzdörfer heute im zweiten Teil seines “Welt-Exklusiv!”-Interviews. Angeblich soll Hanks darauf u.a. geantwortet haben:
Wehe, Sie haben Gus Van Sant’s “Elefanten-Mann” nicht gesehen!
Und dass er das wirklich so gesagt hat, ist eher unwahrscheinlich. Gus Van Sant hat nämlich überhaupt keinen Film dieses Namens gemacht. Wahrscheinlich meinte Hanks also Gus Van Sants “Elephant”. Den hat Körzdörfer aber offenbar nicht gesehen und ihn wohl mit David Lynchs “The Elephant Man” verwechselt. Der heißt auf deutsch übrigens “Der Elefantenmensch” und handelt im Gegensatz zu “Elephant” von einem Mann, der am Proteus-Syndrom litt.
Mit Dank an Reinhard T. für den sachdienlichen Hinweis.