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BILD dir deinen Inzest-Schock

Hunderttausende “Bild”-Leser schüttelten heute verwundert den Kopf, als sie diese Geschichte lasen:

"Inzest-Schock im TV"

Woher wir das wissen? Wir wissen es nicht. Wir haben keine Ahnung, was Menschen so treiben, während sie “Bild” lesen. Ob sie sich am Hintern kratzen, in der Nase bohren oder Sex mit ihrer Tochter haben.

Eines wissen wir dafür aber ziemlich genau: Als “Bild”-Autorin Bea Peters gestern über den ZDF-Film “liebeskind” schrieb, da konnte sie keine Ahnung haben, ob die folgenden Zeilen wahr sein würden, wenn sie am nächsten Tag in der Zeitung stehen:

Diese TV-Szene schockte gestern Abend Hunderttausende Zuschauer (…) Ein Film, der viele Zuschauer zutiefst verstörte, Gefühle verletzte.

Der Film begann nämlich erst um 22.45 Uhr und die Szene, die angeblich “Hunderttausende Zuschauer” geschockt haben soll, kam sogar noch später. Die Zeitungsseite aber, auf der die eben zitierten Zeilen stehen, ging, soweit wir wissen, gestern bereits um 20.00 Uhr in Druck.

Merke: Wenn die “Bild”-Zeitung — wie so oft — zu wissen behauptet, was “Hunderttausende” empört oder “ganz Deutschland” diskutiert, ist das womöglich frei erfunden.

Beim ZDF sagte man uns übrigens, dass das Feedback auf “liebeskind” insgesamt eher unterdurchschnittlich gewesen sei. Obwohl in der Zuschauerredaktion grundsätzlich sehr viele Anrufe und E-Mails eingingen, wenn Zuschauer über eine Sendung empört seien, habe man zu “liebeskind” nur zwei Anrufe und einige E-Mails erhalten. Überwiegend Anfragen, ob und wann der Film wiederholt werde.

P.S.: Außerdem fragen wir uns, warum “Bild” “liebeskind” gestern zum TV-Tipp (siehe Ausriss) machte, anstatt vor dem “Inzest-Schock” zu warnen, der doch angeblich so viele Zuschauer verstört und deren Gefühle verletzt hat.

Kaum zu glauben und tatsächlich unwahr

A|pril|scherz [m.]: Erfundene Geschichte, die am 1. April eines Jahres in die Welt gesetzt wird, um andere in die Irre zu führen, und von “Bild” noch Jahre später für wahr gehalten wird; vgl. → Grand-Prix und Zypern, → USB-Schreibtisch-Fondue.

“Kaum zu glauben, aber wahr”, hat Bild.de über den Artikel geschrieben, und vielleicht würde es als Faustregel für den Redaktionsalltag schon genügen, bei Dingen, die “kaum zu glauben” sind, einfach mal zu überprüfen, ob sie überhaupt stimmen.

An Warnsignalen hätte es diesmal nicht gemangelt. Die “Benutzungsordnung für Toiletten in Sachsen-Anhalt”, an der Bild.de ein Stück darüber aufhängt, dass Deutschland “immer noch das Land der schrägen und unfreiwillig komischen Dienstanweisungen, Verordnungen und Gesetze” sei, trägt das Datum vom 1. April 1993. Sucht man im Internet nach “Benutzungsordnung für Toiletten” und “Sachsen-Anhalt”, findet man vor allem Witzeseiten. Und überhaupt — wie wahrscheinlich ist es, dass es eine Verordnung gibt, in der es unter Paragraph 6, “Darmentleerung”, heißt:

Unter ruhigem Ein- und Ausatmen drängt der Benutzer unter gleichmäßigem Anspannen der Bauchmuskulatur den ausscheidungsreifen Inhalt des Mastdarms bei gleichzeitigem Entspannen des Afterschließmuskels in den dafür vorgesehenen Durchbruch des Porzellanbeckens.

Kaum zu glauben? Eben. Und für den Fall, dass Bild.de solche Plausibilitätsrechnungen nicht genügen, lohnt vielleicht ein Blick in die Quelle, die Bild.de selbst nennt:

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt, 4. Jahrgang, Magdeburg, den 01. April 1993, Nr. 15 (BoA)

Nr. 15 erschien nicht am 1. April, sondern am 29. März 1993. Und die enthaltenen Verordnungen betrafen keine Toiletten, sondern Amtsgerichte und wissenschaftliche Bibliotheken. Und in Nr. 16 vom 7. April 1993 ging es ausschließlich um das neue Richtergesetz. Und wer im Landesrecht Sachsen-Anhalt [pdf] nach der Toilettenverordnung sucht, sucht sie vergebens.

Aber, unter uns, liebe Leute von Bild.de: Man hätte da auch gar nicht nachsehen müssen. Wirklich nicht.

Danke an die vielen Hinweisgeber und vor allem an Arthur D.!

Außer- und Unterirdisches

1995 machte eine Dokumentation Furore, die angeblich zeigte, wie 1947 in Roswell ein Außerirdischer obduziert wird. Vor einigen Tagen hat der Brite John Humphreys zugegeben, dass der vermeintliche Außerirdische eine von ihm gebastelte Puppe war.

Die “Bild”-Zeitung nimmt das zum Anlass, ihre eigene Experimentreihe fortzusetzen, auf kleinstmöglichem Raum eine überirdisch große Zahl von Fehlern unterzubringen. Sie schreibt über den Alien-Film:

Erst 1995 hat ihn der englische Webdesigner John Humphreys in seiner Wohnung in London produziert. Der Mann hat u. a. “Max Headroom” erfunden, die erste computeranimierte Werbefigur (u. a. für T-Mobile).

1. John Humphreys ist kein “Webdesigner”, sondern ein Bildhauer und Special-Effect-Experte bei Film und Fernsehen.

2. Max Headroom ist nicht “computeranimiert”. Die Figur wurde von dem Schauspieler Matt Frewer gespielt, der eine Maske trug.

3. Max Headroom war eigentlich keine Werbefigur, sondern Moderator einer Chart-Show und Protagonist eines britischen Fernsehfilms und einer amerikanischen Science-Fiction-Serie. Aber wie viele erfolgreiche Fernsehstars bekam er in der Folge auch Werbeaufträge, u.a. für Coca Cola.

4. Max Headroom war nie die Werbefigur für ein deutsches Telekommunikations-Unternehmen. “Bild” verwechselt ihn mit Robert T-Online — angesichts der Ähnlichkeit der beiden ein naheliegender Fehler, aber doch ein Fehler.

5. Weder Max Headroom noch Robert T-Online haben je für T-Mobile geworben. “Bild” meint T-Online.

Und als Bonusfehler nennt “Bild” den Bildhauer und Spezialeffektmann John Humphreys im Bildtext “Werber”.

Vielen Dank an Alex Z., Michael S. und Andreas N.!

Patchworken mit Christiane Hoffmann

Christiane Hoffmanns “Bild”-Kolumne heißt jeden Tag “Ich weiß es!”. Vermutlich weil es den Grafikern zu mühsam ist, das Logo je nach Bedarf gegen “Könnte ungefähr hinkommen!”, “Ziemlich grob geraten!” und “Frei erfunden!” auszutauschen.

Gestern hat die “Bild”-Kolumnistin den Weg gewählt, aus drei Ereignissen, die zu unterschiedlicher Zeit an unterschiedlichen Orten stattgefunden haben, ein einziges zu machen.

Christiane Hoffmanns Patchwork-Geschichte geht so:

So toben sich Kate Moss und ihr Drogenfreund nach dem Sex aus

(…) Heimlich trafen sich die beiden zu einer “Sauf- und Sexnacht”, wie die britische Zeitung “News of the World” berichtete.

Im Abstand von 90 Minuten verließen Pete [Doherty] und Kate das konspirative Haus eines befreundeten Künstlers. Tja, wurden dabei natürlich erwischt. Und zum Dank setzte es Prügel!

Pete ging mit Regenschirm auf das Auto eines Paparazzo los, zertrümmerte seine Scheibe. Kate schlug wie eine Furie mit ihrer Handtasche auf Fotografen ein. (…)

Richtig ist, dass laut “News of the World” Moss und Doherty eine gemeinsame Nacht mit “WILDEM SEX” verbrachten und das Haus im Abstand von 90 Minuten verließen, wobei sie von Fotografen erwischt wurden. Nur: von irgendeiner Schlägerei ist da nicht die Rede. Und die angebliche Wilde-Sex-Nacht fand schon von Freitag auf Samstag vergangener Woche stand.

Zum Handtaschen-Angriff von Kate Moss kam es erst drei Tage später, am Dienstag. Er hatte deshalb natürlich auch nichts mit der Sex-Nacht zu tun. Und er ereignete sich auch nicht vor dem Haus, in dem Doherty und Moss die Nacht verbracht haben sollen, sondern vor einem anderen Haus.

Dienstag war ebenfalls der Tag, an dem Pete Doherty einen Paparazzo mit einem Regenschirm angriff. Nicht vor dem Haus mit dem wilden Sex, auch nicht vor dem Haus mit dem Handtaschen-Zwischenfall, sondern auf offener Straße. Zwei Fotografen sollen ihn verfolgt haben, als er mit seinem frisch gekauften, angeblich achten Jaguar herumfuhr.

Und wenn man, wie Christiane Hoffmann, einfach nach Gutdünken Orte, Zeitangaben und Zusammenhänge verändert, sieht das so aus:

(Überschrift: Wilde-Sex-Geschichte, Foto rechts unten: Handtaschen-Geschichte, Fotoleiste oben: Regenschirm-Geschichte.)

Und als sei das noch nicht schlimm genug, vermischt Bild.de das alles unauffällig mit einer vierten Geschichte und illustriert Hoffmanns Kolumne mit Fotos, die Doherty bei einem wiederum ganz anderen Ausraster zeigen: vor einer Woche nach einer gerichtlichen Anhörung.

Danke an Michael K.!

neu  

“Bild” macht Kaninchen schwanger

RudiDieser sympathische Riesen-Flauschzottel hier rechts ist Rudi. Rudi ist ein Kaninchen von beachtlicher Größe, amtierender Landesmeister in der Farbkategorie wildgrau, begehrter Fernsehstar und internationale Berühmtheit und Star einer beliebten Rammelnovela in den Berliner Boulevardzeitungen. In der weiblichen Hauptrolle: Frenzy, die noch mehr wiegt als Rudi, aber unter Kinderlosigkeit leidet, was sie immer wieder an den Rand des Kochtopfes bringt.

Seitdem Rudi und Frenzy eine gemeinsame Nacht gemeinsame fünf Minuten miteinander verbrachten, warten die Zuschauer auf ein Happy End. Wird Rudi Frenzy davor bewahren, ein Braten zu werden? Wird Frenzy Rudi kleine Riesenrammler schenken? Ja! Jaaa! JAAA!

Am 28. Februar berichtete die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.”: “Berlins dickste Häsin (10,4 Kilo), ist keine Jungfrau mehr!” Am 2. März verkündete sie noch einmal: “Und jetzt steht fest: Frenzy ist endlich schwanger!” Geschafft! Rudi Rammler, du bist ein Riese!Und am 17. März meldete “Bild” Vollzug (siehe Ausriss): “Jetzt hat das tierischste Liebespaar Berlins Nachwuchs bekommen.” Zehn kleine, große Kaninchenbabys, die die “Bild”-Zeitung namentlich aufzählte. Und zu einsetzenden Geigen schrieb sie quasi den Abspann:

Rudi Rammler machte nicht nur seinem Namen alle Ehre. Er rettete auch das Leben von Fränzy. Wäre die nämlich nicht bis April Mama geworden, hätte sie Ostern in die Bratröhre geguckt…

Happy End.

Von wegen! Frenzy ist nach wie vor unschwanger und kinderlos. Rudi hat tatsächlich Nachwuchs gezeugt, aber die Mutter ist nicht Frenzy, sondern Ramona. Die war bislang noch gar nicht in dieser Kaninchensoap aufgetaucht, soll nach Informationen des “Berliner Kurier” aber Rudis angestammte Kaninchendame sein. Frenzy sei “wohl irgend so ein medien-geiles Flittchen, das nur unbedingt mal in die Zeitung wollte”, empörte sich der “Kurier” und titelte am Samstag unter Bezugnahme auf “Bild”:

Rudi: Die Rammel-Lüge von Spandau

Aber natürlich haben wir uns in so einer brisanten Frage nicht auf die Lokalkonkurrenz von “Bild” verlassen, sondern selber recherchiert. Doch eine Nachfrage bei Klaus-Dieter Peter, Frenzys Züchter, bestätigt: keine Mini-Riesen, null. Die “B.Z.” hatte die Schwangerschaft der Kaninchendame, “Bild” ihre Niederkunft schlicht erfunden.

Wie geht es weiter? Wird Ramona Rudi den Seitensprung verzeihen? Wird Rudi die Rammel-Lügner bei der Hamburger Staatsanwaltschaft verklagen? Und schaut Frenzy nun endgültig in die Bratröhre?

Wenigstens die letzte Frage können wir beantworten: Nein, sagt uns Frenzys Züchter Klaus-Dieter Peter, sie wird überleben. Einen Medienstar isst man nicht, den mästet man.

Fortsetzung folgt.

Danke an Heiko für den sachdienlichen Hinweis!

Wogegen sich Kai Diekmann wehrt III

“Bild”-Chef Kai Diekmann, der ja bekanntlich eine gewisse Art von Gegendarstellungen “gerne” drucke, “weil sie zeigen, wie hier das Recht der Gegendarstellung im Kern mißbraucht wird”, hat mal wieder eine Gegendarstellung durchgesetzt. Diesmal gegenüber der “Berliner Zeitung”.

In deren Silvesterausgabe hatten Mitarbeiter des Blattes notiert, was ihnen 2005 in den Medien gefiel und was nicht. Ein Beitrag war von Christoph Schultheis, einem der Betreiber dieser Seite. Seine persönlichen Plus-Punkte des Jahres gingen so:

Matthias Reim (Sänger), Claudia Roth (Politikerin), Anke Engelke (Entertainerin), Alexandra Neldel (Schauspielerin), José Manuel Barroso (EU-Kommission) und Steffi (16). Sie konnten sich erfolgreich gegen falsche Behauptungen der Bild-Zeitung wehren. Ihre Gegendarstellungen endeten mit dem kleinlauten Eingeständnis der Redaktion, dass das, was “Bild” berichtet hatte, nicht stimmte.

Gegen diesen Text hat Diekmann eine Gegendarstellung erwirkt. Er stellt darin fest:

Die Gegendarstellung von Alexandra Neldel haben wir ohne eine derartige Erklärung abgedruckt.

Diekmann hat Recht — wenn man unter “wir” ausschließlich die gedruckte “Bild”-Zeitung versteht. Der Online-Auftritt von “Bild” dagegen hat sehr wohl eine derartige Erklärung abgedruckt. Nur die Papier-“Bild” hat es nicht getan. Sie hat es unterlassen, ihre Leser darüber zu informieren, dass ein Zitat, das ihre Kolumnistin Christiane Hoffmann der Schauspielerin Alexandra Neldel untergeschoben hat, tatsächlich frei erfunden war.

Kai Diekmann hat also eine Gegendarstellung durchgesetzt, damit niemand fälschlicherweise annimmt, er habe eine von seiner Zeitung verbreitete Lüge über Alexandra Neldel in seiner Zeitung korrigiert. Das muss ihm wichtig gewesen sein.

Nachtrag, 30. Januar: Die Gegendarstellung ist bislang nur online erschienen. In der gedruckten Ausgabe der “Berliner Zeitung” soll sie voraussichtlich am Mittwoch stehen.

Verfestigter Irrtum

Gestern stand in der Berliner “Bild”-Ausgabe dieser Text über die Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz:

Über die Bedeutung der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 heißt es dort:

Anschließend war die “Endlösung der Judenfrage” beschlossene Sache.

Womit “Bild” eine gängige, aber überholte, wenn nicht gar falsche Ansicht wiedergibt. Dass “Bild” sie in einem Text über das Haus der Wannsee-Konferenz weiterverbreitet, ist vor allem deswegen ärgerlich, weil das Haus der Wannsee-Konferenz sich u.a. gerade zur Aufgabe gemacht hat, diesen Irrtum aus der Welt zu schaffen, den es für einen “fast nicht mehr revidierbaren Irrtum der Geschichtsschreibung und der Publizistik” hält, wie es dort auf der Internetseite heißt. (Weiter heißt es: “Diese Behauptung kommt dem verbreiteten Bedürfnis entgegen, außergewöhnliche geschichtliche Ereignisse mit konkreten Entscheidungssituationen zu belegen.”) Denn zum Zeitpunkt der Konferenz gab es nichts mehr zu beschließen, die planmäßige Ermordung von Juden war spätestens seit dem Sommer 1941 in vollem Gange. Auf der “Wannsee-Konferenz” ging es um die organisatorische Umsetzung des Völkermords.

P.S.: Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass darüber hinaus die ausschmückenden Kleinigkeiten am Textanfang offenbar von “Bild” frei erfunden wurden und einige weitere Details nicht stimmen: Das Treffen war nämlich keine “morgendliche Konferenz”, es gab kein “üppiges Frühstück”, keinen “heißen Tee” und keinen “Kellner”. Vielmehr begann die Besprechung laut Wolf-Dieter Mattosch, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums, mittags um 12 Uhr, und SS-Ordonanzen reichten französischen Cognac und Häppchen. Der Begriff “Frühstück” in der Einladung sei lediglich eine stehende Floskel aus der Diplomatie. Und “Berlins schrecklichste Villa” wurde auch nicht “wiedereröffnet”. Sie war, samt ihrer ständig wechselnden Ausstellungen, die ganze Zeit offen. Lediglich die Dauerausstellung zur “Wannsee-Konferenz” war nicht zugänglich.

Allgemein  

Rückwärts in die Zukunft

Kennen Sie das auch? Sie laufen mühsam einen steilen Berg rauf und denken sich, Mensch, wenn es doch nur einen Trick gäbe, sich diese Strapazen zu ersparen. Wir haben da — inspiriert durch Bild.de — eine Empfehlung: Drehen Sie sich einfach um. Und gehen Sie rückwärts. Dann laufen Sie nicht bergauf, sondern bergab. Quasi.

Und damit zu einem neuen Elektroauto namens “Pivo” von Nissan. Dessen Fahrgastzelle lässt sich komplett auf dem Fahrgestell drehen. Das ist praktisch beim Einparken, weil man in alle Richtungen gucken kann. Unter anderem berichten “Auto Motor und Sport”, “Kronen-Zeitung” und “Blick” über dieses Gefährt. Aber nur “Bild” kommt auf die Idee, dass durch diese Konstruktion der Rückwärtsgang überflüssig würde…

Danke an largoplecs für den Hinweis.

Nachtrag, 3. Oktober: Womöglich hat “Bild” den Unsinn mit dem Rückwärtsgang doch nicht selbst erfunden, sondern einfach gedankenlos von AFP übernommen.

  

Presseratsrügen für “Bild” 2002

“Bild” fotografiert auf der Intensivstation
Verstoß gegen Ziffer 4 und 8 (B 232/01)

Ein Busfahrer erleidet hinter dem Steuer einen Schlaganfall. “Bild” veröffentlicht ein Foto des Fahrers auf der Intensivstation des Krankenhauses, nach Darstellung des Busfahrers ohne dessen Einwilligung. Zudem sucht ein Reporter des Blatts die Familie zuhause auf und fragt an der Tür den 14-jährigen Sohn aus, der mit der Situation offenbar überfordert ist. Als die Frau des Fahrers dazu kommt, erklärt sie dem Reporter, er solle die Familie in Ruhe lassen.

“Bild” entgegnet später, der Fahrer habe nichts gegen ein Foto einzuwenden gehabt, der Sohn sei nicht befragt worden und die Frau des Fahrers sei zu einem Gespräch bereit gewesen. Der Presserat stellt dennoch fest, dass es “unbedingt notwendig” gewesen wäre, auf den Abdruck des Fotos zu verzichten, damit der Fahrer nicht identifizierbar werde. Es habe kein öffentliches Interesse bestanden, das das Persönlichkeitsrecht des Busfahrers überlagert hätte. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” rückt Selbstmörderin groß ins Bild
Verstoß gegen Ziffer 8 und 11 (B 9-11/02)

“Bild” berichtet über die Selbsttötung einer Frau, die sich auf einem Friedhof mit Benzin übergossen und angezündet hat. “Bild” druckt ein Foto der verbrannten Leiche, auf dem Einzelheiten an Körper und Gesicht zu erkennen sind. Der Presserat erkennt eine “unangemessen sensationelle Darstellung”, mit der Persönlichkeitsrecht und Intimsphäre de Verstorbenen sowie ihrer Familie verletzt wurden.

“Bild” räumt ein, dass das Foto nicht hätte erscheinen dürfen und entschuldigt sich eigenen Angaben zufolge mit einem Schreiben der Rechtsabteilung bei den Hinterbliebenen. Der Presserat urteilt, dass der Abdruck des “schockierenden Leichenfotos” “jegliche Zurückhaltung vermissen” lasse und bemängelt, dass sich “Bild” nicht öffentlich entschuldigt hat. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” macht Opfer zum Täter
Verstoß gegen Ziffer 8 und 11 (B 14/02)

Ein Mann springt vor eine fahrende Straßenbahn. “Bild” druckt einen Bericht mit der Überschrift “Er hat gerade einen Menschen überfahren” und einen Pfeil auf das Foto des geschockten Fahrers, der von einem Feuerwehrmann zum Krankenwagen geführt wird. Seine Augenpartie ist mit einem Balken bedeckt.

Der Presserat kommt zu dem Schluss, dass durch die Aufmachung suggeriert werde, der betroffene Fahrer sei weniger Opfer des Vorgangs als selbst Täter. Trotz des Balkens sei er zudem für einen bestimmten Personenkreis erkennbar gewesen. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” macht Opfer zum “Opfer”
Verstoß gegen Ziffer 2 (B 35/02)

Unter der Überschrift “Freispruch! Das ‘Opfer’ hat die Misshandlungen nur erfunden” berichtet “Bild” über eine acht Jahre zurückliegende Gerichtsverhandlung gegen einen Mann, der eine Minderjährige sexuell missbraucht haben soll. Der Angeklagte war jedoch nicht freigesprochen, sondern zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Das erwähnt “Bild” im Text auch. Die Überschrift suggeriert jedoch das Gegenteil. Zudem druckt “Bild” ein Bild des Opfers samt Angaben wie Vorname, abgekürzter Nachname, Alter und Wohnort. Damit sei die junge Frau erkennbar geworden, was einen unzulässigen Eingriff in ihre Privatsphäre darstelle, urteilt der Presserat. (Nicht öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” fälscht Fotos
Verstoß gegen Richtlinie 2.2 (B 65/02)

“Bild” berichtet über die Umsiedlung von Bewohnern einer Wagenburg in Sozialwohnungen. Unter der Überschrift “Hier sollen sie hin” zeigt sie Fotos einer Wohnung, unter der Überschrift “Hier kommen sie her” ein Bild der Wagenburg mit vermummten Gestalten, unter dem steht: “Vermummte Alternative kämpften 1994 gegen die Räumung. Ergebnis: 22 verletzte Polizisten.”

Auf Nachfrage des Presserats gesteht “Bild” ein, dass die Vermummten in das Foto hineinmontiert wurden. Bei der abgebildeten Wohnung handelte es sich zudem nicht um eine der Wohnungen, in die die Wagenburgbewohner umgesiedelt werden sollten. Der Presserat rügt den Abdruck und die Montage, durch die beim Leser ein falscher Eindruck entstünde. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” beschafft Foto eines Opfers durch Lüge
Verstoß gegen Ziffer 8 und 4 (B 125/02)

Zu einem Bericht über einen Flugzeugabsturz im Spreewald druckt “Bild” das Foto des Opfers und nennt Namen, Alter und Arbeitsort. Die Ehefrau des Verstorbenen klagt, das Foto sei durch unlautere Methoden beschafft worden: Ein Unbekannter habe sich gegenüber eines Bekannten ihres Mannes als Schulfreund ausgegeben und um ein Foto für eine Collage anlässlich eines Schultreffens gebeten. Der Bekannte wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem Unfall und habe das Foto herausgegeben. “Bild” behauptet, der Redakteur habe sich seinen Gesprächspartnern korrekt als Journalist vorgestellt.

Der Presserat stellt einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen fest. Es habe kein öffentliches Interesse vorgelegen, das den Abdruck des Fotos gerechtfertigt habe. Auch die Beschaffung des Fotos habe gegen den Kodex verstoßen. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” setzt Leibwächterin mit Tier gleich
Verstoß gegen Ziffer 1 (B 137/02)

Eine farbige Leibwächterin des Popstars Kylie Minogue wird in “Bild” als fünfmal so groß, fünfmal so breit und fünfmal so schwer wie die von ihr Beschützte beschrieben und als “Tier” bezeichnet. Ein Foto zeigt die Frau mit einer Sprechblase, in der “Wuff” zu lesen ist. Die Rechtsabteilung der Zeitung gesteht auf Nachfrage ein, dass die Bezeichnungen unpassend gewesen seien. Der Presserat kritisiert einen Verstoß gegen die Menschenwürde, da die Leibwächterin mit einem Tier gleichgesetzt werde. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” macht Selbstmörder identifizierbar
Verstoß gegen Ziffer 8 (B 141/02)

Unter der Überschrift “Warum sprang der schöne Philosoph in den Tod?” spekuliert “Bild” über den Selbstmord eines Literaturwissenschaftlers, der aus dem Fenster seiner Wohnung im 5. Stock sprang. Die Zeitung nennt Vornamen und Initial des Nachnamens, die Adresse, Details aus seinem Leben und druckt ein Bild des Betroffenen. Der Vater des Verstorbenen beschwert sich beim Presserat.

“Bild” erklärt, wegen der hohen Zahl von Suiziden sei es von öffentlichem Interesse, die Gründe dafür zu erläutern. Dazu müsse man das soziale Umfeld eines Selsbtmörders aufzeigen. Der Presserat dagegen sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8. Es gebe keinen Grund, in dieser identifizierenden Form über die Selbsttötung zu berichten. Der “Berliner Kurier” wird wegen ähnlicher Berichterstattung gerügt. (Nicht-öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” vorverurteilt Verdächtigen als “Killer”
Verstoß gegen Ziffer 13 (B 150/02)

Ein Mann soll ein 14-jähriges Mädchen zum Sex gezwungen und danach vom Balkon gestoßen haben. “Bild” bezeichnet den Verdächtigen unter der Überschrift “Der Vergewaltiger – sein Opfer” als “Killer”. Der Presserat kritisiert, die Berichterstattung erwecke beim Leser den Eindruck, als sei der Verdächtige bereits der Tat überführt und verurteilt. Dass die dazu gedruckten Fotos des Mannes, der später tatsächlich verurteilt wurde, sowie des Mädchens von den jeweiligen Angehörigen freigegeben worden, kann “Bild” nachweisen. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” spekuliert über Selbstmörder und macht ihn identifizierbar
Verstoß gegen Ziffer 8 und Richtlinie 8.5 (B 230/02)

“Bild” berichtet über den Selbstmord eines Ingenieurs, der aus dem Bürofenster seines Arbeitsplatzes gesprungen ist, nennt den Vornamen des Mannes, den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens und erwähnt, dass die Frau des Mannes im selben Unternehmen tätig ist. Zudem druckt sie Spekulationen über den Grund des Selbstmords: Demnach habe sich die Frau des Ingenieurs im Frühjahr in einen jüngeren Mann verliebt.

Der Presserat kritisiert, dass die Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötungen “grob vernachlässigt wurde”. Es sei “presseethisch nicht zu rechtfertigen”, Spekulationen über das Motiv der Tat zu publizieren. Zudem seien durch die im Text genannten Details sowohl der Mann als auch seine Frau identifizierbar. (Öffentliche Rüge)

* * *

“Bild” macht geistig Behinderten zum “Schwein” und “Killer”
Verstoß gegen Ziffer 8 und Richtlinie 8.1 (B 249-250/02)

Ein geistig behinderter Mann gesteht, ein Mädchen getötet zu haben. “Bild” berichtet unter der Überschrift “Es war wieder so ein Schwein!” und bezeichnet den Betroffenen, dessen Foto “Bild” samt Vornamen und abgekürztem Nachnamen veröffentlicht, als “Killer”. Der Presserat ist der Ansicht, dass damit das Persönlichkeitsrecht des Mannes verletzt werde. Wegen der möglichen Schuldunfähigkeit sei eine solche Veröffentlichung nicht rechtens gewesen. (Öffentliche Rüge)

Dinosauriersterben ohne Schaulustige

Forscher sicher! Durch ein Wurmloch geht

Um mal etwas Positives zu sagen: Diese Geschichte auf der heutigen Seite 1 von “Bild” ist nicht ganz so unsinnig, wie man denken könnte. Natürlich müsste man den Ausruf “Forscher sicher!” ersetzen durch: “Einzelne Forscher vermuten!”, und natürlich sind die Thesen des Princetoner Professors mit dem schönen Namen Richard Gott bestenfalls faszinierende Gedankenspiele und nicht konkrete Erwartungen. Aber richtig ist, dass der Forscher glaubt, es sei theoretisch möglich, Zeitreisen zu unternehmen, und Wurmlöcher könnten dabei als eine Art Abkürzung zwischen zeitlich oder räumlich weit entfernten Punkten dienen.

“Bild” hat offenbar diesen Artikel in “National Geographic” gelesen, daraus gleich ein Zitat von Professor Gott abgeschrieben und die Illustration übernommen (natürlich ohne den ursprünglichen Hinweis, dass es sich nicht um ein “Foto” handelt, sondern um die Fantasie eines Künstlers).

Alles wäre nur ein bisschen übertrieben und abwegig und ungenau gewesen — wenn man sich bei “Bild” nicht dazu entschieden hätte, die theoretischen Gedankenspiele mit ein bisschen Anschauung aufzupeppen. Und so beginnt der Artikel mit der Frage:

Können wir doch eines Tages in die Vergangenheit blicken und beobachten, wie vor 65 Millionen Jahren die Dinos ausstarben?

Und er endet mit der Antwort:

Wir bräuchten vielleicht nur Minuten, um 65 Millionen Lichtjahre im Wurmloch zurückzureisen und das Ende der Dinosaurier zu erleben.

Mal abgesehen davon, dass es nicht einen Moment gab, in dem es Poff machte und die Dinosaurier plötzlich alle tot waren. Und mal abgesehen davon, dass “Bild” am Ende Lichtjahre (eine Entfernungseinheit) mit Jahren (einer Zeiteinheit) verwechselt. Wenn, sagen wir, in 100 Jahren eine Maschine erfunden würde, mit der die Menschen in die Vergangenheit reisen können, warum wimmelt es dann bei uns nicht von Menschen, die diese 100 Jahre zurück gereist sind? Weil sie alle unsere Gegenwart so langweilig fanden und stattdessen gerade schlangestehen vor den Dinosaurieren?

Richard Gott (der ohnehin Reisen in die Vergangenheit für weit unwahrscheinlicher hält als solche in die Zukunft) hat auf diese Frage eine Antwort:

Man kann nicht in eine Zeit reisen, in der noch keine Zeitmaschinen gebaut worden waren. Man kann keine Zeitmaschine benutzen, bevor sie existiert.

Und deshalb ist die ganze Dinosauriergeschichte in “Bild” leider doch endgültig: Unsinn.

Danke an Jan B., Frank W. und Andreas G.

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