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Das siebte Gebot

Am Sonntag erst fragte die FAS, “Welches christliche Gebot ist für eine Boulevardzeitung am schwierigsten in der Praxis zu beherzigen”, und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann antwortete offenherzig:

Du sollst nicht stehlen. Eine alte Journalistenweisheit besagt nämlich: Besser gut geklaut, als schlecht erfunden…

"Eine Schlagzeile wird Kult"Und schon drei Tage später ist es wieder passiert. Sechs Fotos aus der “Wir sind Papst”-Aktion von “Eye said it before” schmücken einen Artikel in der heutigen “Bild” und auf Bild.de. Das Blatt hat vorher weder die Mitwirkenden, noch den Betreiber der Seite um Erlaubnis gefragt, nennt nicht einmal die Quelle.

Trotzdem weiß “Bild”, dass die Aktion ein Zeichen dafür ist, wieviele Leute die Zeitung und ihre “Wir sind Papst”-Schlagzeile toll finden. Sie zitiert Oscar Wilde:

“Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung.”

Öhm… ja. Entweder das. Oder das Gegenteil.

Das “Murmel-Satz”-Satz-Dementi

Ja, exklusiv für “Bild” hatte “Bild”-Klatschreporterin Christiane Hoffmann der Hollywood-Schauspielerin Sharon Stone unlängst wohl einfach mal so eine Brust-OP angedichtet, was Sharon Stone hiermit dementieren lässt.

Aber der Reihe nach:

Am 15. März druckte “Bild” fünf Paparazzi-Fotos (online sogar 26!), die Sharon Stone am Strand von Bora Bora zeigten. Zu sehen waren die Fotos tags zuvor bereits in der britischen Boulevardzeitung “The Sun”, und bemerkenswert an ihnen war, wenn man so will, dass sie die Filmschauspielerin (“Basic Instinct”) barbusig zeigten und… na, egal!

Die “Bild”-Überschrift jedenfalls lautete:

Sharon Stone (47): So gut hat ihr Schönheits-Schnippler gearbeitet

Im dazugehörigen Text wurden die Paparazzi-Fotos dann noch wie folgt betextet:

“Obenrum nackig, wie Schönheits-Schnipplers Hand sie schuf. Mit einem hübschen neuen Murmel-Satz.”

Der “Murmel-Satz”-Satz war von Christiane “Ich weiß es” Hoffmann – und er ist frei erfunden, nun ja, bis heute weltexklusiv. Denn davon, dass sich die Hollywood-Schauspielerin jüngst einer Schönheits-OP unterzogen hat, weiß außer Christiane Hoffmann offenbar niemand, will offenbar auch nach der “Bild”-Enthüllung keiner wissen, obwohl doch Sharon Stone bislang zu denjenigen Frauen zählte, die Schönheitsoperationen für sich ablehnen. Noch im Sommer 2004 wurde sie mit Sätzen wie “Ich halte nichts von Schönheitsoperationen für mich persönlich” oder “Ich habe einfach gute Gene und mein ganzes Leben lang die selben Brüste” zitiert. Vielleicht hat sie zum Thema Schönheits-OP auch gesagt: “I don’t need it. I’ve got strong Irish genes. I’ll grow old, taut and tight. Well, maybe when I’m 60. But, I doubt it.” Oder irgendsowas. Und nachdem ein Schönheitschirurg dennoch öffentlich einen gegenteiligen Eindruck erweckt hatte, ließ die Schauspielerin das umgehend zurechtrücken und klagte vor Gericht: “Stone hat niemals ein Gesichtslifting zur Aufwertung ihrer äußeren Erscheinung erhalten”, zitierte nach Bekanntwerden des Rechtsstreits auch Bild.de aus Stones Klageschrift und schrieb dazu: “Sharon Stone (46) ist immer noch eine der schönsten im Promi-Land. Und das auch ohne Schönheits-OP.” Das war im Dezember.

Nun ist es März. Und Sharon Stones Sprecherin Cindi Berger schreibt uns heute schlicht und ergreifend:

sharon stone has NOT had plastic surgery

Man muss das nicht übersetzen. Aber man kann. Oder man paraphrasiert’s. Dann lautete der Satz wohl schlicht und ergreifend: “Bild” lügt.

Die “Bild”-Zeitung bleibt trotz Dementi bei ihrer Darstellung. Auf Nachfrage, woher Frau Hoffmann von Stones Brust-OP erfahren haben will, sagt “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich nur: “Wir nennen unsere Quellen nicht.”

Frannie Avery beim Sex – jetzt auf DVD!

Die härtesten Sex-Szenen der schönen Meg Ryan

Heißer Sex in den wildesten Stellungen – so sexy und nackig haben wir Meg Ryan bislang nur im Kino sehen können! Doch ab heute gibt es den Film “In the Cut” mit Hollywood-Schauspielerin (“Harry & Sally”) auf DVD. Und nicht nur das: BILD zeigt Bilder der schärfsten F***-Szenen und verrät, wie Sie sich den Weg in die Videothek sparen und den Sex-Thriller sogar online ausleihen und ungestört auf dem Computer ansehen können. (…)

Schon möglich, dass die hier vorangestellten Sätze den Eindruck erwecken, “Bild” mache darin Werbung für eine DVD und eine Online-Videothek. Doch der Eindruck trügt. Die vorangestellten Sätze stammen nämlich gar nicht aus der “Bild”-Zeitung. Stattdessen sind sie frei erfunden, um zu demonstrieren, wie es hätte aussehen können, wenn eine Boulevardzeitung wie “Bild” Ihren Lesern mitteilen möchte, dass Kopien des Kinofilms “In the Cut” aus dem Jahr 2003 ab heute käuflich zu erwerben und (bereits seit dem 10. Februar) auszuleihen oder online herunterzuladen sind. Das hätte dann zwar immer noch verdammt nach einem unlauteren Deal mit dem DVD-Vetrieb EuroVideo und dem Internet-Videoverleih Amango.de ausgesehen, widerspräche womöglich dem Pressekodex Ziffer 7, dem Mediendienstestaatsvertrag § 13 und/oder den im Abschnitt “Werbung” formulierten journalistischen Leitlinien des Axel Springer Verlags, wäre aber zumindest sachlich richtig.

In Wirklichkeit hat sich “Bild” jedoch für die mutmaßlich irreführende Überschrift “So hart liebt’s die schöne Meg Ryan” entschieden und die Werbung Berichterstattung online mit einer, ähm, vielversprechenden Bilderschau (ähm, siehe Ausriss) angereichert, die ebenfalls den sinnfälligen Unterschied zwischen Schauspielerin (Meg Ryan) und Rolle (Frannie Avery) ignoriert und sich “So liebt die schöne Meg Ryan” nennt, obwohl das natürlich völliger Quatsch ist.

We are the champions XXVII

Am Sonntag übertrug das ZDF die “Goldene Kamera”. Das ist ein Preis der Fernsehzeitschrift “Hörzu”. Die ist eine Schwester von “Bild”. Und deshalb hatte die Übertragung im ZDF — laut “Bild” — eine “Rekord-Einschaltquote”.

Oder was könnte der Begriff “Rekord-Einschaltquote” sonst bedeuten? Dass die Sendung die meistgesehene am Sonntag war? Nö, das war der “Tatort”. Die meistgesehene am Sonntag im ZDF? Nö, das war der “Ferienarzt auf Capri”. Die mit dem höchsten Marktanteil am Sonntag im ZDF? Nö, das war “Leute heute spezial”. Die meistgesehene “Goldene Kamera” der letzten Jahre? Nö, die Quoten waren 2001 besser. Und 1999. Und 1998. Und 1997. Und 1996. Und 1995. Und 1994. Und 1993.

Nein, das mit der “Rekord-Einschaltquote” hat “Bild” einfach erfunden. Vermutlich als Vorwand, damit die “Goldene Kamera” es endlich einmal in die “Bild”-Rubrik “Gewinner des Tages” schafft. Das war sie ja in den vergangenen sechs Wochen erst ein-, zwei-, dreimal.

Allgemein  

Einsam, abenteuerlichst, unbewiesen

Heute steht einer der lustigsten Texte seit langem in “Bild”.

Mit einer Grundhaltung, die man fast journalistisch nennen möchte, nehmen zwei “Bild”-Autoren ein angekündigtes Buch auseinander, das “schockierende Enthüllungen im Fall Moshammer” verspricht. Wer sich die Homepage zum Buch ansieht, käme kaum auf den Gedanken, dass irgendetwas an dieser “Biographie” ernst zu nehmen wäre, vermutlich ist das meist nicht einmal ernst gemeint. Und auch “Bild” schreibt gleich vorweg, dass die Theorien “abenteuerlichst” und unbewiesen sind — um sie dann in großer, großer Ausführlichkeit zu zitieren. Fazit von “Bild”: Das Buch ist “eine Aneinanderreihung von einsamen Behauptungen”.

Entweder haben sie bei “Bild” Tränen gelacht, als das hingeschrieben haben, in diesem Tonfall ernster Entrüstung. Oder sie haben sich ernsthaft Sorgen gemacht, dass ihnen jemand Konkurrenz machen könnte, mit dem Aufstellen einsamer, unbewiesener, abenteuerlichster Behauptungen. Fassen wir kurz zusammen, was “Bild” seit dem Tod Moshammers einsam, unbewiesen, abenteuerlichst behauptet hat:

  • Der Chauffeur habe Hund Daisy nach Österreich “verschleppt” und plane mit ihr eine quasi lebensgefährliche Gletschertour. (Von einem “Verschleppen” konnte nie die Rede sein; kurz darauf tauchte der Chauffeur wieder auf; die lebensgefährliche Gletschertour blieb anschließend verdächtig unerwähnt.)
  • Der Hund gehe “nicht gern auf Reisen”; seit dem Tod der Mutter sei “Mosi mit Daisy nicht mehr verreist”. (Beide flogen, wie “Bild” inzwischen fröhlich berichtet, andauernd durch die Welt.)
  • Es gebe einen “Riesenwirbel” um Mosis Vermächtnis. (Wirbel machte nur “Bild”.)
  • Daisy werde mit dem Chauffeur in Moshammers Villa einziehen. (Kurz darauf empörte sich “Bild”, dass der Chauffeur nicht in Moshammers Villa einziehen werde.)
  • Der Chauffeur habe den Mörder gekannt. (Beweise dafür ist “Bild” bis heute schuldig.)
  • Moshammer sei mit einem Telefonkabel erwürgt worden. (Als sich herausstellte, dass es ein Stromkabel war, machte Bild.de klammheimlich aus fast jedem “Telefonkabel” rückwirkend ein “Kabel”.)
  • Der “wichtigste Erbe” sei der Chauffeur. (Drei Tage später wusste “Bild”: ein Teilhaber des Geschäftes sei “Alleinerbe”)
  • Hund Daisy sei 11 Jahre alt. (Tja, wer weiß? “Bild” nicht. Eine Woche vorher war sie schon 12.)

Fast möchte man sagen, dass die “Bild”-Berichterstattung frei erfunden oder halb erlogen ist. Aber vielleicht ist das zu hart. Sagen wir es lieber so: Was “Bild” über Moshammer und seinen Tod geschrieben hat, war im Wesentlichen eine Aneinanderreihung von einsamen Behauptungen und abenteuerlichsten Theorien. Manche davon waren sogar nicht nur unbewiesen, sondern im Gegenteil: nachweislich falsch.

Verstaubt

Heute müssen wir “Bild” loben. Gestern war Sonntag, sonntags ist notorisch wenig los und das Blatt notorisch dünn besetzt, und trotzdem hat die Redaktion nicht — wie sonst gerne einmal — einfach eine Nachricht erfunden. Aber die Rubrik “Verlierer des Tages” wollte halt gefüllt werden, und so findet sich da heute Ulrich Meyer:

Wird die “Akte 2004” langweilig? TV-Moderator Ulrich Meyer (48) scheitert mit seiner SAT-1-Show regelmäßig an der 15-%-Hürde in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Jetzt sah sich der TV-Sender laut “kressreport” sogar gezwungen, die Preise für die Werbung zu senken.

BILD meint: Verstaubt diese Akte?

Alles korrekt soweit, aber apropos “verstauben”: Die Meldung aus dem “kress” ist über zwei Wochen alt. Sie stammt vom 3. September. Soviel zum Verlierer “des Tages”.

Ja, wir können beamen!

Hans Bewersdorff, der Mann, der uns Schlagzeilen brachte wie: “NASA entdeckt Musikplanet”, “Kommunikations-Code der Außerirdischen entschlüsselt”, “Knacken Hummer den Code des ewigen Lebens?”, “Pilze haben den Sex erfunden!” und “See-Gurken sind unsere Verwandten!” hat eine neue gute Nachricht für uns:

Nun weiß der aufmerksame “Bild”-Leser, dass Teaser wie “Wie bei Star Trek: Ja, wir können jetzt beamen” meistens bedeuten, dass wir (zumindest noch) nicht beamen können wie bei Star Trek. Und richtig: Am Ende des zugehörigen Artikels hat sich, wie üblich, die Aussage in eine Frage verwandelt:

Beamen wie in „Raumschiff Enterprise“. Wird dieser alte Science-Fiction-Traum jetzt endlich wahr?

Doch dazwischen verleiht “Bild” seiner Meldung mit der Angabe “wie das Fachmagazin ‘Nature’ berichtet” Seriösität. Vielleicht stimmt also wenigstens das Kleingedruckte?

Nö. “Bild” schreibt:

Mit Hilfe von Lichtteilchen (Photonen) transportierten die Forscher Datenmengen über eine Entfernung von mehr als 600 Meter über die Donau. Bei dem in der Fachwelt als Quanten-Teleportation bekannten Vorgang wurden … ohne Kabel oder Funk die in Photon A vorhandene Information wie von Geisterhand auf Photon B am anderen Donauufer übertragen.

Richtig ist: Von Datenmengen kann keine Rede sein und die Formulierung “ohne Kabel” stimmt nur, wenn man das 800 Meter lange Glasfaserkabel vernachlässigt, mit dem Sender und Empfänger verbunden waren und in dem das Experiment stattfand.

Das geglückte Teleportieren scheint trotzdem ein erstaunlicher wissenschaftlicher Durchbruch gewesen zu sein. Aber was die Möglichkeit angeht, dass der “Traum der Menschheit”, wie “Bild” schreibt, wahrwerden könnte: “Augen zu und Sekunden später auf Mallorca wieder aufwachen, vielleicht sogar an einem Südseestrand”, zitieren wir Spiegel Online:

Inzwischen haben Physiker gezeigt, dass dieses Verfahren nicht nur mit Lichtteilchen, sondern auch mit Atomen funktioniert – aber wohl niemals auf größere Gegenstände oder gar komplette Lebewesen angewandt werden kann.

Mist.

Mit sachdienlichen Hinweisen von Marc K. und anderen.

Es war nicht 23.07 Uhr

Die Geschichte der angeblichen “Scheidungsschlacht” von Oliver und Simone Kahn muss neu geschrieben werden. Das bisschen, was “Bild” mangels Zugang zu den Beteiligten an Fakten herausgefunden hatte, war falsch. In einer Pressemitteilung teilt Axel Springer mit:

Ein Artikel unter der Überschrift „Erst Liebesnacht, dann Scheidungsschlacht“ basierte auf Agenturfotos, die Oliver Kahn beim Verlassen seiner Wohnung in München zeigen. Diese Fotos wurden der Zeitung mit falschen Zeit- und Datumsangaben angeboten.

Im Klartext: Die Liebesnacht fand nicht zum jetzigen Zeitpunkt statt und war nicht der Auslöser der Scheidung.

Trotz Quellenprüfung und vorliegender eidesstattlicher Versicherung des Fotografen, stellte sich jetzt heraus, dass BILD am SONNTAG mit dem Abdruck der Fotos offenbar einem vorsätzlichen Betrug aufgesessen ist. Gegen den betreffenden Fotografen wird deshalb Strafanzeige erstattet.

Rumsbums-“BamS”-Chefredakteur Claus Strunz entschuldigte sich bei Kahn für den “schweren Fehler”.

Anders als Strunz hat Oliver Kahn übrigens nicht nur ein Problem mit den Fehlern, sondern überhaupt damit, dass da Fotografen rund um die Uhr vor seinem Haus herumlungern. Er erklärt:

Im übrigen werde ich es nicht mehr hinnehmen, dass meine Privatsphäre derart grob verletzt wird, wie dies Bild am Sonntag und Bild getan haben – unabhängig davon, dass ihre Geschichten frei erfunden waren.

Klingt nicht so, als ob er die “Bild”-Leute bald wieder aus der Kälte hinein in sein Leben lässt.

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