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Bild, dpa  

Die Phantom-Oma von Heilbronn

Die folgende kleine Geschichte hat eigentlich zwei Aspekte. Fangen wir mit dem etwas längeren an. Es geht um  jenes Phantom von Heilbronn, das jahrelang die deutsche Polizei und natürlich auch die Medien beschäftigte. Tausende Stunden arbeitete man sich an der überaus merkwürdigen Spurenlage ab, das ZDF sendete eine 45-Minuten-Doku (die übrigens angesichts der damaligen Erkenntnisse ziemlich gut war), die “Süddeutsche Zeitung” widmete der Suche nach der mysteriösen Dame eine Seite 3 (die ebenfalls gut war). Alles vergebens, wie man inzwischen weiß: Das Phantom von Heilbronn hat nie existiert, stattdessen waren verunreinigte Wattestäbchen die Ursache für die immer wieder auftauchende DNA-Spur.

Mittlerweile weiß man auch, wer die vermeintliche Superverbrecherin war — denn “Bild” hat “aus Polizeikreisen” erfahren, dass die DNA einer inzwischen 71-jährigen Frau aus Polen zuzuordnen ist, die vor Jahren bei der Hersteller-Firma der Wattestäbchen als Packerin gearbeitet hat.

Gen-Spur stammt von Polen-Oma (71)

Die dpa nahm die Recherchearbeit der “Bild” gerne an — und verbreitete unter Berufung auf die Zeitung, die 71-jährige Packerin aus Polen sei das vermeintliche “Phantom”. Nachgedruckt wurde die Meldung unzählige Male.

Ganz offensichtlich reicht es den Kollegen der dpa völlig aus, wenn “Bild” eine Geschichte bringt, um auf weitere Recherchen zu verzichten. Als stern.de schon Ende März berichtete, die DNA-Spur führe zu einer 71-jährigen Frau, berichtete niemand darüber (“Bild” natürlich auch nicht).

Und schließlich kommen wir noch zum zweiten Aspekt der Geschichte — nämlich dem, dass sie zumindest nach Angaben der zuständigen Sonderkommission gar nicht stimmt:

Die Gen-Spuren an den bei der Fahndung nach der vermeintlichen “Phantomkillerin” verwendeten Wattestäbchen können keiner bestimmten Person zugeordnet werden. Das sagte der Leiter der Sonderkommission, Frank Huber, SWR4 Baden-Württemberg. Die Proben seien aus Personenschutzgründen anonym durchgeführt worden, so Huber. Es war berichtet worden, dass eine aus Polen stammende 71-jährige ehemalige Packerin der Herstellerfirma die Wattestäbchen verunreinigt haben soll.

Das meldete der SWR heute  in seinem Regionalstudio Heilbronn — und sonst: eigentlich niemand.

Mit Dank an Edelbert F.

  

Sachdienliche Hinweise

Ist Dir in “Bild”, bei “Spiegel Online”, bei RTL oder in anderen Medien etwas aufgefallen, das Dir fragwürdig erscheint? Weil Du weißt, dass es nicht stimmt? Weil Du es für doch sehr, sehr unwahrscheinlich hältst? Weil in anderen Medien etwas anderes steht? Oder weil journalistische Standards verletzt werden, Menschen Unrecht getan oder möglicherweise gegen den Pressekodex verstoßen wird?

Dann schick uns doch einen sachdienlichen Hinweis — entweder über das unten stehende Formular (auch anonym) oder an [email protected] (dort kannst Du auch Screenshots oder andere Anhänge mitschicken)!

Über Links zu den betreffenden Artikeln oder anderen online verfügbaren Quellen, aber auch Scans beziehungsweise (lesbare) Digitalfotos der jeweiligen Berichte freuen wir uns.

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    Kontakt-Anzeige für Lukas Podolski

    Wenn er schlau war, der Kölner “Express”, hat er Lukas Podolski einfach selbst angezeigt. Das kostet nichts, lässt sich anonym machen, ist folgenlos — bringt aber richtig gut Publicity.

    Podolski hatte bekanntlich beim Spiel der Fußball-Nationalmannschaft Michael Ballack geohrfeigt. Irgendjemand hat deshalb Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet. Und der Journalist Volker Roters berichtete ganz aufgeregt, exklusiv und fast wortgleich gestern im Kölner “Express” und in der Berliner “B.Z.” darüber.

    Die Sache liest sich dramatisch:

    Eine Ohrfeige gilt laut Gesetz auch dann als vollendete einfache Körperverletzung, wenn das Opfer keine Schäden davonträgt und sich der Täter später entschuldigt. (…)

    Die Tat — also die Ohrfeige — wurde im Ausland begangen. Dann ist die Staatsanwaltschaften am Wohnort des Opfers befugt dazu, Ermittlungen einzuleiten. Die einfache Körperverletzung ist mit Geldstrafe oder im schlimmsten Fall mit Haft bedroht. Lukas Podolski ist nicht vorbestraft.

    Ein kleines Detail über den Tatbestand der Körperverletzung ließ er bei all dem juristischen Wortgeklingel weg. In den Worten des Düsseldorfer Strafverteidigers Udo Vetter:

    Körperverletzung wird lediglich auf Antrag verfolgt. Diesen Antrag kann nur der Verletzte stellen. Stellt er ihn nicht, wird die Staatsanwaltschaft nicht tätig. Es sei denn, sie bejaht ein besonderes öffentliches Interesse. Nach den bisher bekannten Umständen ist aber kaum damit zu rechnen, dass Michael Ballack einen Strafantrag stellt. Und noch weniger, dass irgendein Staatsanwalt sich zur Lachnummer machen möchte.

    Wenn man das weiß, ist die Meldung von der Strafanzeige gegen Poldi natürlich keine Meldung. Aber das wäre doch schade.

    Und so griffen die Nachrichtenagenturen dpa und sid die Sache auf — und deshalb steht die Geschichte vom “Nachspiel” und dem “Ärger” für Podolski heute u.a. in der “Welt”, in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, in der “Süddeutschen Zeitung”, in der “Frankfurter Rundschau”, bei “Spiegel Online” und in “Bild”.

    Es ist aber auch zu interessant, was mit so einer Anzeige passiert. Von Köln ist sie gerade auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft München II, die für das Umland zuständig ist, in dem Podolski lebt. Dort ist sie aber noch nicht angekommen!

    Die “Süddeutsche Zeitung” erklärt:

    “Fristen von bis zu einer Woche sind bei einer Weiterleitung aber durchaus normal”, sagte der Münchner Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Hödl der SZ. “Wir bearbeiten ja hier 45 000 Fälle, das dauert alles seine Zeit.”

    Und der “Express” weiß:

    Da die Strafanzeige aus dem Kölner Justizpalast per Post nach München verschickt wurde, kann Anton Winkler, der dortige Sprecher der Staatsanwaltschaft, noch keinen Eingang bestätigen.

    Ob sich schon Teams von N24 und “RTL aktuell” bereithalten, um in Breaking News live von der Ankunft des Dokuments in der Poststelle in München zu berichten, ist nicht bekannt.

    “Bild” druckt “rätselhafte” Rüge ab

    Anfang Dezember vergangenen Jahres wurde die “Bild”-Zeitung mal wieder vom Presserat gerügt. Die Rüge bezog sich auf die “Bild”-Berichterstattung über einen Flugzeugabsturz in Nepal, bei dem 18 Passagiere ums Leben kamen. “Bild” hatte auf der Titelseite unter der Schlagzeile “12 Deutsche im Flugzeug verbrannt!” ein Foto abgedruckt, auf dem “die verkohlten Leichen” geborgen wurden. Im Innenteil hatte “Bild” zudem mehrere unverfremdete Fotos von insgesamt sechs der zwölf deutschen Opfer gezeigt (siehe Ausriss).

    “Bild” hatte die Rüge nicht verstanden, und “Bild”-Chef Kai Diekmann bezeichnete sie in einer Pressemitteilung als “rätselhaft”. Die “Bild”-Berichterstattung hätte “nach allen vom Presserat zu vergleichbaren Fällen kommunizierten Kriterien (…), die BILD vorab sorgfältig bedacht hat”, so Diekmann, “ethisch für unbedenklich gehalten werden müssen” (wir berichteten).

    Das war Unsinn. Die Kriterien, die der Presserat bei der Rüge gegen die “Bild”-Zeitung kommuniziert hatte, entsprachen ziemlich exakt denen, die der Presserat zu den vergleichbaren Fällen kommuniziert hatte, auf die Diekmann sich in der Pressemitteilung bezog (wir berichteten).

    Gestern druckte “Bild” die “rätselhafte” Rüge ab, wie es ihre Pflicht ist. Sie ist, wie üblich, nicht besonders prominent platziert (siehe Ausriss), aber der Text ist vergleichsweise lang – was daran liegt, dass “Bild” eine “Anmerkung d. Red.” hinzugefügt hat. Wie schon in der Pressemitteilung vom Dezember wird darin der DeutschlandRadio-Intendant Ernst Elitz zitiert. Der fand die “Bild”-Berichterstattung am Erscheinungstag in der öffentlichen Blattkritik nämlich völlig in Ordnung, denn “die Welt ist nun mal so wie sie ist”.

    “Bild” hat indes immer noch nicht begriffen, dass sie für die Gesamtberichterstattung über den Flugzeug-Absturz gerügt wurde, weil dadurch laut Presserat “die Gefühle der trauernden Angehörigen verletzt” wurden. “Bild” habe einen “assoziativen Zusammenhang zwischen den Abgelichteten im Innenteil und den anonymen Leichen auf der Vorderseite” hergestellt.

    “Bild” behauptet heute beim Abdruck der Rüge unbeirrt etwas anderes:

    "Rüge für BILD: Der Deutsche Presserat hat die Veröffentlichung eines Titelfotos in BILD gerügt, das die Bergung von verkohlten Leichen nach dem Flugzeugunglück im Himalaja am 8.10.2008 zeigt."

    Nö.

    Mit Dank an den Hinweisgeber (wir hätten es sonst übersehen).

    Wilhelm II.

    Mal abgesehen davon, dass die “Bild”-Zeitung Karl-Theodor zu Guttenberg heute in goldenen Lettern feiert, als wäre er Bundespräsident geworden (siehe Ausriss), korrigiert sie auch noch ihre peinliche Namens-Schlagzeile von gestern, in der sie Guttenberg einen falschen zusätzlichen Vornamen gab, der aus einem manipulierten Wikipedia-Eintrag stammte (wir berichteten).

    Wie es so die Art der “Bild”-Zeitung ist, korrigiert sie das heute ganz nebenbei und so, dass nicht unbedingt alle es verstehen. Unter der Überschrift “Minister Guttenberg erklärt seine vielen Vornamen” heißt es:

    "7./8. Philipp Franz:

    Ach. Uns fielen da ja spontan noch viele weitere Vornamen ein, die Guttenberg in Wirklichkeit auch gar nicht hat – aber die standen nicht auf der “Bild”-Titelseite von gestern. Dass der “Wilhelm” dort stand, verschweigt “Bild”.

    Andere Medien, die den “Wilhelm” (wie “Bild”) aus dem manipulierten Wikipedia-Eintrag übernommen hatten, sind selbstkritischer. Manche aber auch nicht, und einige haben den falschen “Wilhelm” offenbar noch immer nicht bemerkt:

    Mehr zu den merkwürdigen Reaktionen von “Spiegel Online” und “taz” nebenan beim Niggemeier.

    Nachtrag, 12.2.2009: Heute berichtet auch “Bild” über die “Wilhelm”-Posse und schreibt:

    Der neue Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (…) wurde Opfer einer Fälschung.

    Im Online-Lexikon Wikipedia dichtete der anonyme Fälscher dem Minister den Namen “Wilhelm” an – und viele Medien (auch BILD) fielen darauf herein.

    Als, äh, Quelle nennt “Bild”:

    "jetzt wurde bekannt:"

    Wikipedia-Recherchen, dpa, Brüste

    1. Quelle: Wikipedia
    (bildblog.de, Anonym*)
    “*Name ist der Redaktion bekannt” berichtet darüber, wie er in den Wikipedia-Artikel über Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg ein “Wilhelm” in den langen Vornamen hineingeschmuggelt hatte. Hier der Beweis, die Änderung geschah am 8. Februar 2009, um 21:40 Uhr. Wo und wie deutsche Redaktionen recherchieren, ist nun für alle auf der Titelseite der Bild-Zeitung ersichtlich. Oder bei Spiegel Online, wo es inzwischen eine ausführliche Erklärung gibt.

    2. Interview mit Wilm Herlyn
    (sueddeutsche.de, C. Keil u. H. W. Kilz)
    Der Chefredakteur der dpa zur Kündigung seines Dienstes von der WAZ: “Wir lesen die WAZ sehr genau und erkennen, wenn Zitate aus einem Exklusivinterview, das jemand nur mit uns geführt hat, plötzlich in einem Blatt der Gruppe auftauchen. Wir haben das auch gesehen, als wir die Schließung von Hertie-Kaufhäusern im Ruhrgebiet gemeldet haben. Die WAZ-Gruppe hatte erhebliche Mühe, diese Informationen ins Blatt und in ihren Online-Auftritt derwesten.de einfließen zu lassen.”

    3. “Was nicht passt, wird passend gemacht”
    (spiegelfechter.com, Jens Berger)
    Der “Europa-Korrespondent für ITN, einen der größten Nachrichtenanbieter der Welt”, Robert Moore, drehte einen “herzzerreißenden Filmbeitrag über frierende Bulgaren”. Doch diese frieren nicht, wie im Beitrag angegeben, wegen dem Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland, sondern weil sie gar nie “an das zentrale Fernwärme- oder Gasnetz angeschlossen” waren. “Die Bewohner dort heizen stattdessen mit Holz und Kohle”.

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    Wie ich Freiherr von Guttenberg zu Wilhelm machte

    — Ein Gastbeitrag von Anonym* —

    "Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Müssen wir uns diesen Namen merken?"

    “Müssen wir uns diesen Namen merken”, fragt die “Bild”-Zeitung heute auf ihrer Titelseite. Die Antwort lautet: Nein, müssen wir nicht! Denn der Minister heißt in Wirklichkeit anders. Zumindest einer seiner vielen Vornamen ist frei erfunden: von mir.

    Zugegeben, der Scherz war anfangs nicht gerade originell. Innerhalb weniger Stunden bekam er aber eine höchst interessante Eigendynamik, die mich an den Recherche-Methoden vieler Journalisten erheblich zweifeln ließ.

    Es war Sonntag, kurz nach 21 Uhr – der Abend bevor Karl-Theodor zu Guttenberg von CSU-Chef Horst Seehofer als neuer Bundeswirtschaftsminister vorgestellt wurde. In zu-Guttenbergs-Wikipedia-Eintrag fielen mir die zahlreichen Vornamen des adeligen Politikers auf. Ich fragte mich, ob es jemand merken würde, wenn ich zu der langen Namensliste einfach einen weiteren hinzufügen würde. Es stellte sich heraus: Niemand merkte es – und etliche Online-Medien, Zeitungen und Fernsehsender schrieben meine Erfindung ungeprüft ab.

    Der Minister heißt:

    Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg.

    Quelle: Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 110, Freiherrliche Häuser XIX

    “Wilhelm” ist der Name, den ich in die Minister-Biografie reinmogelte – und der sich innerhalb von 24 Stunden rasant quer durch die deutsche Medienlandschaft verbreitete. Am Morgen nach meiner Wikipedia-Änderung war er überall zu lesen: Bei Handelsblatt.com zum Beispiel, bei heute.de und rp-online.

    “Spiegel Online” schrieb sogar, der neue Minister würde sich selbst mit dem Namen vorstellen, den ich ihm wenige Stunden zuvor gegeben hatte: “Eine beliebte Journalistenfrage an ihn ist jene nach seinem kompletten Namen. Ob er den bitte einmal aufsagen möge. Manchmal macht er das dann auch. Und los geht’s: ‘Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg.’ Er sei aber so erzogen worden, dass nicht der Name, sondern die Leistung zähle, fügt er dann regelmäßig an.”

    Skeptische Wikipedia-Autoren hatten in der Zwischenzeit Verdacht geschöpft: “Die Namen glaube ich erst mit dezidiertem Einzelnachweis”, schrieb einer von ihnen. Doch der falsche Vorname verschwand nur kurzzeitig aus der Online-Enzyklopädie. Denn der Einzelnachweis war schnell gefunden: Schließlich konnte man ja bei “Spiegel Online” nachlesen, dass sich der Minister selbst so nennt. Weil Journalisten ungeprüft von Wikipedia abschreiben und Wikipedia journalistische Texte als glaubwürdige Quelle betrachtet, wurde der erfundene Vorname schnell zur medialen Wirklichkeit.

    Der Minister und sein neuer Name kamen unter anderem ins “RTL-Nachtjournal”, in die “taz”, die “Rheinische Post” und die “Süddeutsche Zeitung” (und andere). Und eben auch auf die Titelseite der “Bild”.

    Ich fürchte, der junge Minister wird diesen Namen wohl nicht so leicht wieder los. Das hat er nicht verdient, finde ich. Also bitte: Merken Sie sich diesen Namen nicht!

    *) Name ist der Redaktion bekannt

    Erdogans “Hassrede gegen Israel”

    In den Unternehmensgrundsätzen von Axel Springer ist die “Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes” ein zentraler Punkt. Die “Bild”-Zeitung interpretiert ihn regelmäßig als Auftrag, Nachrichten über Israel zu manipulieren (siehe Kasten). Für Kritik am Handeln der israelischen Regierung gibt es in “Bild” nie einen Anlass; wer es dennoch tut, muss folglich Antisemit sein.

    Wie routiniert “Bild” das macht, zeigt der heutige Seite-1-Bericht über den Eklat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Der israelische Präsident Shimon Peres hatte zum Teil lautstark ein langes, flammendes Plädoyer für den Gaza-Krieg gehalten und den neben ihm sitzenden türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan direkt angesprochen. Als Erdogan antworten wollte, brach der Moderator das Gespräch aus Zeitgründen ab. Erdogan verurteilte noch Israels Vorgehen in Gaza und die vielen unschuldigen Opfer (“Wenn es ums Töten geht, mit dem Töten kennt ihr euch sehr gut aus. Wir wissen, wie ihr Kinder am Strand getötet und erschossen habt” – Wortlaut in der dpa-Übersetzung) und verließ dann wutentbrannt das Podium (ausführliche Schilderung bei Spiegel Online).

    Es gibt natürlich viele Möglichkeiten, diesen Eklat zu bewerten. Aber “Bild”-Leser sind heute vermutlich die einzigen, die glauben, dass Erdogan eine “Hassrede gegen Israel” gehalten hat. “Bild” verschweigt seinen Lesern nicht nur den Kontext, sondern erweckt auch den falschen Eindruck, der Moderator habe Erdogan deshalb am Reden gehindert, weil es sich um eine “Hassrede” handelte.

    [Ausriss Seite-1-Artikel] "Hassrede gegen Israel in Davos: Eklat um Türkei-Premier"

    Den Platz, den “Bild” durch das Weglassen wesentlicher Fakten gewann, nutzt die Zeitung für ein anonymes Zitat:

    Ein Besucher schockiert: “Mit seinem Antisemitismus stellt sich Erdogan in eine Reihe mit den Israel-Hassern im Iran.”

    Um wen es sich handelte, scheint für “Bild” dabei ebenso irrelevant zu sein wie die Tatsache, dass es sich um eine extreme Minderheitenmeinung handeln muss. Erdogan hatte in einer Pressekonferenz im Anschluss erklärt, “in keinster Weise die israelische Bevölkerung, Präsident Peres oder das jüdische Volk angegriffen” zu haben, und Antisemitismus als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet. Peres sagte, er habe Erdogan angerufen “und ihm gesagt, dass ich die Sache nicht persönlich nehme”. Sein Respekt vor ihm habe sich nicht geändert.

    Mit Dank an Katrin G., Bernhard W., Attila S., Daniela F. und Christopher I.

    Polylux, Hoesli, Korrekturen

    1. “Opium fürs Volch”
    (medienspiegel.ch, Fred David)
    Fred David äussert sich zu den schweizer Medien: “Unsere Medien vertreten die Macht. Sie kontrollieren sie nicht, wie sie vorgeben. Dazu sind sie nicht mehr in der Lage. Diese Funktion passt nicht in ihre Marketing-, Gratis- und Sonstwiestrategien. Dass da ein wichtiges Element der Demokratie nicht mehr richtig funktioniert, scheint niemanden zu sorgen. Ausser vielleicht einen Spekulanten wie Tito Tettamanti.” Ebenfalls sehr lesenswert sind die Kommentare. Der anonyme “Skepdicker”, ganz offenbar ein Kenner der schweizer Medienszene, schreibt: “Die Inlandredaktionen schreiben seit Jahren an einer oberflächlichen Soap-Opera über den Kampf der Zwerge gegen den bösen Giganten B. Während ein Markus Schneider Bücher über die Flat Tax oder soziale Mobilität schreibt, befassen sich die Journalisten-Zwerge damit, ob Doktor B., Frau B., Bruder B., Schwester G.-B., Tochter M.-B…”

    2. Interview mit Wolfgang von Mecklenburg
    (weltwoche.ch, Roger Köppel)
    Roger Köppel, der im Editorial mitteilt, er habe nun die Zeitschrift zu 100% übernommen, im Gespräch mit Wolfgang von Mecklenburg von der M&M Media-Agentur. Der empfiehlt dem Blick, zum alten Format zurückzukehren, vom aktuellen Zustand der Zeitungen ist er nicht gerade begeistert: “Die heutige Medienszene tendiert Richtung Massenprodukt. Wir haben zu viele graue Mäuse.”

    3. “‘Polylux’ ist tot”
    (taz.de, Peer Schader)
    “Menschen mit kuriosen Hobbys oder außergewöhnlichen Eigenschaften konnten sich darauf verlassen, ab dem Moment, in dem das ‘Polylux’-Kamerateam bei ihnen im Hausflur stand, zum Mainstream zu gehören. Wahrscheinlich hat die Redaktion viel Zeit damit verbracht, darauf zu warten, dass andere Medien was aufschreiben, das sie dann nachdrehen kann.”

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    Minerva, Gesinnungsterror, Porno

    1. “Wenn der Wind über die Türschwelle streicht”
    (nzz.ch, Hoo Nam Seelmann)
    Ein spannender Bericht aus Südkorea, wo ein anonymer Wirtschaftsblogger die Gesellschaft, die Medien und die Regierung beschäftigt. Lustigerweise ist der anonyme Blogger bereits verlegt, “die gesammelten Beiträge des unbekannten Autors” liegen in “drei kleinen Bänden als Bücher vor”. – “Zur Prominenz gelangte ‘Minerva’, weil er bereits im Juli das Überschwappen der amerikanischen Subprime-Kreditkrise auf die koreanische Wirtschaft verkündet, den Untergang von Lehman Brothers und den tiefen Fall der koreanischen Währung Won vorausgesagt hatte”.

    2. “Oh, da protestieren ja Journalisten gegen das BKA-Gesetz”
    (jensscholz.com)
    Jens Scholz schreibt über den Artikel “Anschlag auf die Pressefreiheit” auf spiegel.de. “Ihr kommt damit doch viel zu spät, ihr Schnarchnasen. Wo waren denn die Leitartikel der aufgebrachten Chefredakteure, wo die Kampagnen, die die Ausmaße des BKA-Gesetzes auseinanderpflückten und die Überwachungswut unseres Innenministers anprangerten als noch was zu reißen war?”

    3. “Porno, na und?”
    (zeit.de, Martin Gantner)
    Martin Gantner beschäftigt sich mit der Porno-Hysterie einiger Medien: “Immer wieder wird der Eindruck vermittelt, Pornografie funktionierte im Netz wie eine Droge. Einmaliger Konsum könne genügen, um in Abhängigkeit zu geraten und um auf eigene perverse Neigungen aufmerksam zu werden, von denen man zuvor nichts wusste. Die Zeitschrift ‘Emma’ hat in einer ihrer Ausgaben gar einen direkten Zusammenhang zwischen Online-Sexsucht und Pädophilie hergestellt. ‘Das Pornoangebot kann ‘normale’ Nutzer zu Pädophilen machen’, heißt es in dem Artikel.”

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