Suchergebnisse für ‘SChweden’

Diekmann, RAF, Alexanderplatz

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Diekmanns Telekom-Schulden”
(taz.de, Julia Niemann)
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann bloggt während seines Marokko-Urlaubs und verursacht Roaming-Kosten in der Höhe von 42’000 Euro. René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, lehnt eine von Diekmann gestellte Anfrage nach Unterstützung ab. Er beziehungsweise sein Arbeitgeber seien “ganz normale Beschwerdeführer” (Kurzinterview auf sueddeutsche.de).

2. “Unsere Königstochter”
(sueddeutsche.de, Evelyn Roll)
Evelyn Roll zählt 2315 Medienmenschen, die sich für die Hochzeit von Victoria und Daniel von Schweden akkreditiert haben. “711 Ausländer, 277 davon allein aus Deutschland, und davon mehr als 70 nur für das ZDF.”

3. “Wie die BILD mal wieder Angst vor einer neuen RAF macht”
(griess.wordpress.com, Andreas Grieß)
Andreas Grieß befasst sich mit einem Bild.de-Artikel zum Verfassungsschutzbericht 2009. “Vor einiger Zeit waren mir bereits Bild-Artikel aufgefallen, die meines Erachtens nach überzogen vor einer ‘drohenden Rückkehr des RAF-Terrors’ berichteten. Daher schaute ich mir den Artikel genauer an. Panikmache? Einseitige Betrachtung?”

4. “Welt des Journalismus (10)”
(zweitens-magazin.de, max)
Max lässt die Lektüre der “Neuen Zürcher Zeitung” ratlos zurück. Auf Seite 2 “bemerkt Martin Koelling aus Tokio, der Japaner an sich bremse nicht an Zebrastreifen”. Und auf Seite 15 “bemerkt Urs Schoettli aus Peking, der Japaner an sich bremse selbstverständlich an Zebrastreifen.”

5. Interview mit Dan Froomkin
(derstandard.at, Florian Niederndorfer)
Dan Froomkin von der “Huffington Post” glaubt, “dass die Zeitungen im Laufe der Jahre als Produkt einfach schlechter geworden sind. Viele sind nicht mehr dem Leben der Menschen, die sie lesen, angemessen, passen nicht mehr zu der Hightech-Welt, in denen die Leser teils leben.”

6. “Alex 1990”
(reifenwechsler.blogspot.com, Video, 9:19 Minuten)
1990 im Bahnhof Berlin Alexanderplatz. Ab 0:38 Minuten sieht man, wie gut damals Bezahlinhalte von Zeitungen funktionierten.

Pressefreiheit, Afrika, Sonneborn

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Rangliste der Pressefreiheit weltweit”
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die “Rangliste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit” der Reporter ohne Grenzen für 2009 ist da. Am besten schneiden Dänemark, Finnland, Irland, Norwegen und Schweden ab. Die Schweiz belegt Platz 7, Österreich Platz 13, Deutschland Platz 18. Am wenigsten Pressefreiheit gibt es in Myanmar, Iran, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.

2. “Afrikas Blogosphäre”
(blaetter.de, Geraldine de Bastion)
Ein langer Artikel über Internet-Publizisten auf dem afrikanischen Kontinent. Facebook und Twitter spielen eine wichtige Rolle, Blogbeiträge aber auch. In Krisensituationen während Nachrichtensperren werden diese via SMS weitergeleitet oder am Radio vorgelesen. Bisher verfügen nur 11 Prozent der Haushalte über einen Internetanschluss.

3. Interview mit Richard R. Ernst
(persoenlich.com, René Worni)
Chemiker und Nobelpreisträger Richard R. Ernst glaubt, dass Medien mehr sind als bloße Übermittler von Informationen: “Hinter Medien stecken Menschen, die selber eine Meinung haben. Und diese Meinungen sollten durchaus zum Ausdruck kommen.”

4. “Geschäftsprinzip: heiße Luft”
(sueddeutsche.de, Hans-Jürgen Jakobs)
Hans-Jürgen Jakobs über “Quatschgeschichten”, die von den Medien aufgenommen und verbreitet werden: “Offenbar finden Leute viel Spaß daran, mit journalistischer Mogelware Aufmerksamkeit zu erlangen, das wertvollste Gut der modernen Gesellschaft. Das falsche Spiel mit dem ‘hoax’, wie der Hokuspokus verkürzt im Englischen heißt, legt zugleich Schwächen im Journalismus bloß.”

5. “Koalition plant Leistungsschutzrecht für Verlage”
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Nach Informationen von carta.info soll im Entwurf des derzeit von CDU, CSU und FDP ausgehandelten Koalitionsvertrags folgende Passage drin stehen: “Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein als andere Werkmittler. Wir streben daher die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet an.”

6. “Martin Sonneborn zu Gast bei Zimmer Frei!”
(wdr.de, Video, 59:02 Minuten)
Zunächst wollte man die “sechzig langen Minuten, in denen” Martin Sonneborn “aus Sicht der Redaktion leider wenig zur Unterhaltung beizutragen wusste”, nicht ausstrahlen. Dann wurde die Ausgabe ins Nachtprogramm verbannt. Nun ist sie online.

Blumentopf, Journalistik, Flashmob

1. “Die nach unten offene Richterskala”

(kleinreport.ch)

Klare Worte des Branchendienstes Kleinreport an die Spitze der Schweizer Printbranche. Die “Verleger in vierter und fünfter Generation” würden sich ans Taschentuch klammern und in ihren Zeitungen vom Übel der Gratiskultur jammern: “Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sehen, dass die Schweizer Printbranche mit solch larmoyantem Personal an der Spitze nirgends mehr einen Blumentopf gewinnen wird.”

2. “Journalistik, ein Leerfach”

(sueddeutsche.de, Detlef Esslinger)

Detlef Esslinger rät Menschen, die Journalisten werden wollen, davon ab, irgendwas zu studieren, das “nach ihrem Traumberuf” benannt ist. Stattdessen schlägt er vor: Volkswirtschaft, Jura, Biologie, Orientalistik, Sinologie, Indologie.

3. “Meister der Enteignung”

(taz.de, Kai Schächtele)

Für den freien Journalisten sieht Kai Schächtele eigentlich nur zwei Auswege aus der finanziellen Misere: “Entweder passt er seinen Arbeitsaufwand dem Honorar an und steckt weniger Zeit in die Recherche. Oder er sucht nach besser bezahlten Alternativen: Die PR-Branche etwa spannt freie Journalisten dafür ein, ihre Botschaften in die Medien zu hieven.” Damit entsteht aber “ein irreparabler Schaden” an der Glaubwürdigkeit der Verlage.

4. “Wenn der Chef PR-Artikel schreibt…”

(buergler.net, Patrick Bürgler)

Patrik Müller, Chefredaktor des Sonntag (AZ Medien), schreibt unter dem Kürzel “pmü.” in seiner Zeitung einen Artikel darüber, dass Roger und Mirka Federer die Zeitschrift Wir Eltern (AZ Medien) abonnieren. Müller macht zwar transparent, dass die beiden Titel vom gleichen Verlag sind, doch als Leser fragt sich Patrick Bürgler nun bei jedem Text von Müller: “Wem könnte er damit einen Gefallen erweisen wollen?”

5. “Eine Woche ohne Google – ein Aufruf für mehr Vielfalt”

(eine-woche-ohne.de)

Der Journalist Albrecht Ude ruft in einem neuen Blog dazu auf, einfach mal eine Woche auf alle Dienste von Google zu verzichten. Damit könne man “die echte Vielfalt des Netzes” entdecken.

6. “BouncE Flash Mob @ Gröna Lund”

(youtube.com, Video, 1:53 Minuten)

Ein Flashmob im Vergnügungspark Gröna Lund in Stockholm.

Fleißig weglassen, bis wir fleißig sind

Immer dann, wenn wir in Deutschland mal was nicht so richtig gut können, verweisen wir gerne darauf: Vielleicht sind wir nicht die Ästheten des Planeten, aber immerhin voll fleißig. So gesehen waren das sehr beruhigte Schlagzeilen in den vergangenen Tagen:

Der angebliche “Fleiß” berechnet sich dabei danach, wie viele Stunden die deutschen Arbeitnehmer im Schnitt pro Woche leisten — und zwar nicht die tariflich vereinbarte Zeit (danach liegt Deutschland mit 37,6 Stunden relativ weit hinten im europäischen Vergleich), sondern die tatsächliche Zeit. Die liegt, weil häufig mehr als tariflich vereinbart gearbeitet wird (aus welchen Gründen auch immer), in Deutschland angeblich bei 41,2 Stunden pro Woche. Und das reicht immerhin zu einem siebten Platz unter den 27 EU-Ländern.

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die die Arbeitszeit nicht über die Woche, sondern über das ganze Jahr betrachtet. Weil die Deutschen mehr Urlaub und Feiertage haben als die meisten Länder, liegt Deutschland plötzlich weit hinten — weshalb die “FAZ” sogar titelte: “So fleißig sind die Deutschen doch nicht”. Nur Schweden, Dänen und Franzosen haben danach noch geringere Arbeitszeiten als die Deutschen. Diese Rechnung hat nur wieder den Haken, dass sie von den tariflichen und nicht den tatsächlichen Arbeitszeiten ausgeht.

Rechnet man die tatsächlichen Wochenarbeitszeiten aufs Jahr hoch und zieht die Urlaubs- und Feiertage ab, stellt man fest, dass der “Fleiß” der Deutschen fast exakt dem EU-Durchschnitt entspricht. Ein ziemlich unspektakuläres Ergebnis.

Und wie kommt es, dass trotzdem so viele Medien die Geschichte von den “fleißigen Deutschen” verbreiten? Die Studie der EU, die dem Ganzen zugrunde liegt, wurde weitgehend unbemerkt von der deutschen Presse schon am 24. Juli veröffentlicht. Sie enthält eine Vielzahl von Daten über Arbeitszeiten, auf Jahr und auf die Woche bezogen, tatsächlich und tariflich.

Und obwohl die Studie frei im Netz verfügbar ist, haben sich die meisten Agenturen, Zeitungen und Online-Medien die differenzierten Werte gar nicht angesehen, sondern stattdessen auf eine Vorabmeldung der “Welt” verlassen, die besonders die hohe Wochenarbeitszeit betonte. (Bild.de fantasierte sogar, der Bericht läge der “Welt” “exklusiv” vor.) Und so behaupteten die Agenturen noch in der Nacht unter Berufung auf die “Welt”:

Studie: Deutsche arbeiten länger (dpa)

Studie – Deutsche arbeiten im EU-Vergleich deutlich länger (Reuters)

Arbeitnehmer in Deutschland im EU-Vergleich mit langer Arbeitszeit (AP)

Deutsche arbeiten 41,2 Stunden – Mit an der Spitze im EU-Vergleich (epd)

Es dauerte bis zum Freitagmittag, bis die Agentur AFP die gute Idee hatte, sich nicht auf die “Welt” zu verlassen, sondern die Studie selbst auszuwerten, und entsprechend differenziert meldete: “Deutsche arbeiten viel – haben aber auch viel Urlaub”. Am Nachmittag zog endlich auch dpa nach mit einer Meldung, in der die Agentur erstmals die verhältnismäßig kurze Jahresarbeitszeit erwähnte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Mär vom Beweis für den Fleiß der Deutschen längst die Runde gemacht. Und was soll’s, dass die Geschichte nicht ganz stimmt: Sie liest sich doch viel knackiger.

Mit Dank an Steffen P.,  Gerrit L. und Ralf B.!

Wie ein Pirat dem anderen

Es könnte etwas anstrengend werden mit der deutschen Presse und der Piratenpartei: Spätestens seit die Partei bei den Europawahlen in Schweden einen Sitz errungen hat und der Ex-SPD-Abgeordnete Jörg Tauss jetzt als “Pirat” im deutschen Bundestag sitzt (wenn auch nur bis zur Wahl im September), ist die Partei ein Thema für die Medien. Nur die Bereitschaft, sich auch mit der Partei und ihren Zielen zu befassen, ist gering.

Bereits direkt nach der Europawahl war dpa bei dem Versuch gescheitert, die Piratenpartei zu erklären, und hatte ihr eine Verbindung zur Download-Suchmaschine Pirate Bay unterstellt, die es so nicht gibt (BILDblog berichtete).

Heute ist es Bernd Graff, stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Kulturredaktion von sueddeutsche.de, der die beiden Gruppierungen mit ähnlichen Namen nicht auseinander halten kann und deshalb in einem Artikel über Pirate Bay schreibt:

Pirate Bay ist längst mehr als eine obskure Downloadplattform. Sie ist, vor allem über ihre politische Vertretung, die Piratenpartei, so etwas wie das Zentralsekretariat einer Internationale, die sich der grenzenlosen Freiheit im Netz verschrieben hat.

Blöd für Graff, dass ihm das ausgerechnet in der gedruckten “Süddeutschen” passiert ist — hätte es nur bei sueddeutsche.de gestanden, hätte er sich ja damit rausreden können, dass man den “Idiotae” im Netz eh nichts glauben dürfe.

Mit Dank an Julian G.

dpa  etc.

Piratenpartei bringt Medien zum Kentern

In Schweden hat die Piratenpartei auf Anhieb einen Sitz im Europaparlament erobert. Auch in Deutschland stimmten gestern bemerkenswerte 0,9 Prozent für diese junge Partei, die von der “Bild”-Zeitung “Gaga-Verein” genannt wird.

Eigentlich war es also eine gute Idee von der deutschen Nachrichtenagentur dpa, kurz zu erklären, wer diese Piraten sind. Wenn sie es denn getan hätte. Stattdessen veröffentlichte sie gestern Abend um 21.22 Uhr und noch einmal um 22.50 Uhr folgenden Text:

Schwedische Internet-Piraten im EU-Parlament

Bei den Europawahlen in Schweden hat die für kostenlose Downloads aus dem Internet eintretende Piratenpartei aus dem Stand 7,4 Prozent der Stimmen geholt. (…) Hintergrund für die Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. Die Börse ermöglicht das kostenlose Herunterladen von Musik, Filmen und Computersoftware aller Art. (…)

Richtig ist, dass die Piratenpartei für eine radikale Änderung des Urheberrechts kämpft. Das auf “kostenlose Downloads aus dem Internet” zu reduzieren, ist schon gewagt. Eindeutig falsch ist aber die Behauptung, dass das Pirate-Bay-Urteil Hintergrund der Kandidatur war. Das ist schon zeitlich unmöglich, weil es erst am 17. April 2009 fiel. Die Piratenpartei wurde am 1. Januar 2006 gegründet und hatte noch im selben Jahr angekündigt, bei der Europawahl antreten zu wollen. Piratenpartei und Pirate Bay entstammen derselben Bewegung, sind aber nicht direkt miteinander verbunden.

Weil sich die professionellen deutschen Online-Medien auf die ungeprüfte Weitergabe solcher Meldungen spezialisiert haben, stehen die Fehler von dpa heute überall: Auf den Online-Seiten von “Focus Online”, der “Frankfurter Neuen Presse”, der “Kieler Nachrichten”, der “Gießener Allgemeine”, der “Leipziger Volkszeitung”, der “Welt”, der “Süddeutschen Zeitung” und vielen anderen.

Die meisten haben auch gleich Foto und Bildtext von dpa übernommen, in dem es schlicht und falsch heißt:

Nachtrag, 15 Uhr. Um 13:21 Uhr hat dpa die Meldung teilweise korrigiert. In einer Berichtigung heißt es nun: “Hintergrund für den Erfolg der Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. ”

Eine halbe Stunde später veröffentlichte die Nachrichtenagentur eine neue, differenziertere Meldung “Schwedische Piratenpartei auf Erfolgswelle”, mit der die meisten der oben genannten Online-Medien die alte Meldung ersetzt haben. “Focus Online” hat stattdessen eine etwas kryptische Korrektur veröffentlicht.

Die Online-Redaktion der “Frankfurter Neuen Presse” reagiert angesäuert auf die Kritik an der falschen Meldung:

Als ob wir diese Meldung wider besseres Wissen veröffentlicht hätten. Wie sollen Kunden von Nachrichtenagenturen, also Zeitungen, jede einzelne Meldung überprüfen? Hunderte, tausende täglich. Die Agenturen sind dazu da, dass sie uns korrekt recherchierte Meldungen und Artikel zukommen lassen. (…)

Mit Dank an David K. und Michi!

AFP, heise.de  etc.

Schüler entdeckt Formel für Welt-Schlagzeilen

Versuchen wir lieber gar nicht erst zu erklären, was die Bernoulli-Zahlen sind. Belassen wir es bei dem Satz: Sie sind der Stoff, aus dem Märchen sind.

Diese Geschichte beginnt in der Kleinstadt Falun in Mittelschweden. Ein 16-jähriger Einwanderer aus dem Irak schaffte es dort anscheinend auf eigene Faust, eine Formel für die Bernoulli-Zahlen zu finden — eine Aufgabe, die sonst eine Herausforderung für gestandene Mathematiker ist. Es war kein Durchbruch für die Mathematik, aber für den jungen Mann. Ein Mathematikprofessor der Universität Uppsala sagte der schwedischen Nachrichtenagentur TT, der 16-Jährige habe nichts herausgefunden, was bislang unbekannt war. Aber wenn er allein auf die Lösung gekommen sei, wofür vieles spräche, sei das eine erstaunliche Leistung für einen Oberschüler — und man würde sich freuen, wenn er einmal bei ihnen an der Uni studieren würde.

Eine kleine, regionale Geschichte aus dem Vermischten.

Allerdings machte die örtliche Zeitung “Falu Kuriren” aus der Entdeckung eines möglichen Mathe-Genies eine naturwissenschaftliche Sensation und behauptete, dass zuvor niemand eine entsprechende Formel gefunden habe. Und so ging die Meldung auf Weltreise. Die Nachrichtenagentur AFP meldete am Donnerstag:

Junger Iraker knackt Jahrhunderte altes Mathe-Rätsel

Wie die schwedische Zeitung “Dagens Nyheter” am Donnerstag berichtete, entwickelte der 16-jährige Mohamed Altoumaimi in nur vier Monaten eine Formel, um die sogenannten Bernoulli-Zahlen zu erklären und zu vereinfachen — Zahlenreihen, die nach dem Schweizer Mathematiker Jacob Bernoulli benannt sind und über die Mathematiker sich seit über dreihundert Jahren die Köpfe zerbrechen. (…)

(Ursprünglich hatte die Agentur den Mann noch “Bernouilli” genannt.)

Nun war die Geschichte also im Kern falsch, aber interessant. Die “taz” brachte sie am Freitag unter der Überschrift “Jahrhunderträtsel gelöst”; “Berliner Zeitung”, “B.Z.”, DiePresse.com, n-tv.de und viele andere übernahmen die AFP-Meldung. “Welt Online” fabulierte noch hinzu, dass für die “Bernolli-Zahlen” [sic] “bisher keine Formal [sic] existierte”.

Bereits am Freitag veröffentlichte die Universität Uppsala eine Pressemitteilung, in der sie den Meldungen und der Behauptung, man habe dem jungen Mann gleich einen Studienplatz gegeben, widersprach. Erstaunlicherweise weiß der englische Dienst von AFP von dem Dementi seit drei Tagen — und der deutsche bis heute nicht.

Über das Dementi berichtet heute auch der Nachrichtendienst “heise online”. Der Artikel beginnt mit dem Satz:

Im Internet kursieren derzeit Meldungen über einen spannenden Fall von mathematischer Frühbegabung.

“Im Internet”, soso. “heise online” selbst hatte die Falschmeldung mit Tagen Verspätung heute noch veröffentlicht, Überschrift: “16-Jähriger entwickelt Formel für Bernoulli-Zahlen”. Nach Leserhinweisen wurde die Aussage des Artikels klammheimlich ins Gegenteil verkehrt. Jeden Hinweis, dass man auch selbst der Ente aufgesessen war, ließ “heise online” weg. Bestimmt nur, um den eigenen Ruf nicht unnötig zu ruinieren.

Hat ja super geklappt.

Nachtrag, 1. Juni. “heise online” hat die Korrektur jetzt im Artikel transparent gemacht. (Und wir hatten den Schüler in der Überschrift ursprünglich einen Studenten genannt.)

Mit Dank an Mathias S. und Kai B.!

Wenn HSV-Fans über Werder berichten

“The winner takes it all”, sagen die Amerikaner (und Schweden) gerne, wenn es darum geht, den schmalen Grat zwischen Sieg und Niederlage zu beschreiben. Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass dem Verlierer nichts, aber auch gar nichts bleibt. Im Sport dürfte diese Haltung ganz besonders ausgeprägt sein, weswegen es auf den ersten Blick auch nicht verwundert, dass nach Meinung der Sportredaktion der “Welt” Werder Bremen am Mittwoch im Finale des Uefa-Pokals nicht einfach nur ein Fußballspiel verloren hat, sondern weitaus mehr:

Werder Bremen hat alle Sympathien verspielt

Klingt auf den ersten Blick nach verschmähter Liebe, oder, noch viel schlimmer — nach enttäuschter Liebe. Von Liebe oder auch nur dem Ansatz von Zuneigung kann bei der “Welt” allerdings nicht ganz die Rede sein. Eher vom Gegenteil, wenn man so nachliest, was die Redaktion von “Welt kompakt” vor und während des Finales so alles twitterte. Generell, so viel Patriotismus muss ja im Finale einer deutschen gegen eine ukrainische Mannschaft schon sein, finde man ja Werder nicht sooooo schlimm, aber ein Spieler ganz speziell hat anscheinend die geballte Antipathie auf sich gezogen, zu der die “Welt” fähig ist:

Stramme Leistung der Kollegen: In nur elf Minuten wird Werder-Torwart Tim Wiese erst zum Grund dafür gemacht, sich nicht für Werder erwärmen zu können. Danach jubelt man ihm einen Fehler unter, den man “unfassbar” nennt (eine sehr exklusive Meinung; einen “unfassbaren Fehler” Wieses hat ungefähr niemand während des Spiels gesehen), garniert das dann mit ein wenig Häme (“zu viel Sonnenbank” — und lässt schließlich mal eben alle Hemmungen fahren: “Und wer ist der peinliche Typ im Tor?”

Und überhaupt, wenn man schon mal dabei ist, journalistische Maßstäbe über den Haufen zu werfen, kann man ja auch mal ganz offen sagen, was man von diesem Verein hält:

Kein Wunder also, dass man die 1:2-Niederlage Werders gegen Donezk nicht so richtig bedauert, im Gegenteil:

Das wird dann einem “Follower”  doch ein wenig zuviel, weswegen er folgenden kleinen Hinweis wagt:

@weltkompakt: Peinlich eigentlich nur, dass sich eine redaktion öffentlich derart äußert.

Aber bitte sehr, denkt man sich bei den “Welt”-Twitterern, die es inzwischen vollends aus der Kurve getragen hat, wer wird denn kleinlich sein — wir und peinlich?

(Mit der “Treue” meint die “Welt” übrigens den HSV, den man eindeutig zum Verein des Herzens erkoren hat und daraus ebenso wenig einen Hehl macht wie aus der Abneigung gegen Werder.)

So, und nun kommen wir dann doch nochmal zurück zum wohlüberlegten und sicher von keinerlei persönlichen Animositäten getrübten Kommentar in der “Welt”, der zu folgendem — man könnte sagen: beinahe zwingenden — Fazit kommt:

Viele Peinlichkeiten garnieren den Sympathieverlust beim Absteiger der Herzen: Dass der Klub seiner Fürsorgepflicht nachkommt, indem er Ärzte gegen den eigenen Stürmer Ivan Klasnic stützt, der Behandlungsfehler beklagt. Dass der früher wegen seiner Sachlichkeit beliebte Klubchef Jürgen Born wegen ungeklärter Transferseltsamkeiten zurücktrat. Dass der nicht nur zu Sonnenbank-Exzessen neigende Torwart Tim Wiese Gegner öffentlich via Megaphon beleidigt. Alles hat dazu geführt, dass wohl viele Fans beim Siegtor von Donezk nicht bar jeder Schadenfreude dachten: Ein Weltklassetorhüter hätte das verhindert.

Mit Dank an das Worum-Blog!

6 vor 9

Fußball-Mobiliserung in Schweizer Medien
(Eurospuk 08, Ballerina)
“Was machen eigentlich die grossen Schweizer Medienportale in Sachen Euro? Wenig bis gar nix, viel PR und weitgehend infantile Wettbewerbli – zeigt ein kleiner Rundgang. “

Korrespondenten fehlt Zuwendung
(taz, Steffen Grimberg)
“Viele Korrespondenten von ARD und ZDF sind genervt: Berichte seien oft einseitig – und manche Redaktionen so ahnungslos, dass man ihnen ‘Afghanistan’ buchstabieren müsse.”

Kritik an “Geheimprojekt Traumhochzeit”
(medienpiraten.tv, Peer Schader)
“Ist das wirklich so eine gute Idee? Oder hat RTL 2 vielleicht endgültig jeglichen Respekt vor der Würde der Protagonisten verloren, die der Sender durch seine miesen kleinen Dokusoaps schleust, um zwischendurch ein paar Werbespots verkaufen zu können?” Es ist halt Privatfernsehen.

Schwedische Gratiszeitung eingestellt
(NZZ, Ingrid Meissl Årebo)
“Der norwegische Medienkonzern Schibsted kauft 35% der Aktien von Metro Schweden, welche die Gratiszeitung ‘Metro’ herausgibt. Gleichzeitig stellt Schibsted das eigene, verlustbringende Pendlerblatt ‘Punkt SE’ per sofort ein”

“Zeitungen und Zeitschriften haben Zukunft”
(Tages-Anzeiger, Judith Wittwer)
Springer-Chef Mathias Döpfner im Interview. Frage: “Wie bei praktisch allen Tageszeitungen bröckelt aber auch bei Ihrer ‘Bild’ die Auflage.” Döpfner: “Und die Rendite steigt Jahr für Jahr, nun schon zum fünften Mal auf einen historischen Höchststand. Hinzu kommt: Wir verdienen mit Bild.de seit vier Jahren gutes Geld.”

Medienstunt für 40 Euro
(medienrauschen.de, Jörg-Olaf Schäfers)
“Sie sind Neonazi und wollen für kleines Geld maximale Aufmerksamkeit? Kein Problem, mit weniger als 40 Euro können Sie einen PR-Stunt in führenden deutschen Medien platzieren.”

6 vor 9

“Datenschutz ist antiquiert”
(zeit.de, Kai Biermann)
Daten werden zwangsläufig überall gesammelt, sagt der Zukunftsforscher Bernd Flessner. Wir sollten deswegen nicht aufhören, gegen die “Observosphäre” zu kämpfen – aber auch lernen, mit ihr zu leben.

“Es ist immer anstrengend, Neues auf die Beine zu stellen”
(persoenlich.com, David Vonplon)
Im November hat die Senderfamilie von Radio DRS mit dem Nonstop-Nachrichtenkanal DRS 4 News Zuwachs erhalten. Laut Medienberichten sorgt das jüngste Kind redaktionsintern für Unruhe: Von Überlastung, Missstimmung und Kündigungen ist die Rede. Im Interview mit “persoenlich.com” räumt Chefredaktor Rudolf Matter strukturelle Probleme in der Abteilung Information ein, spricht aber trotzdem von einem gelungenen Start von DRS 4 News.

Kein Werbeverbot im Kinderprogramm
(taz.de, Reinhard Wolff)
In Schweden darf sich Fernsehwerbung nicht an Konsumenten unter zwölf Jahren richten. Die EU will das ändern. Ein Rechtsstreit ist programmiert.

Comeback eines Moguls
(sueddeutsche.de, Rupert Murdoch)
Rupert Murdoch kauft und kauft. Nach dem Wall Street Journal tätigt er eine Akquisition in Deutschland. Der amerikanische Medienherrscher wird Großgesellschafter im deutschen Fernsehen – bei Premiere.

?Ich glaube noch an Aliens?
(tagesspiegel.de, Torben Waleczek)
Mitte der 1970er Jahre begeisterte er das deutsche Publikum mit Löffel verbiegen durch angeblich übersinnliche Kräfte. Mit dem Tagesspiegel spricht Uri Geller über Wunder, Kritiker, Reichtum und sein Comeback im Fernsehen.

Gute Vorsätze
(moritzleuenberger.blueblog.ch)
“Die anonyme Verfasserin des gestrigen Seitenhiebes in der NZZ am Sonntag (ich ‘missbrauche den Bundescomputer für einen privaten Blog’) sieht korrekte bundesrätliche Arbeit offenbar einzig im Dossierwühlen, jedenfalls nicht in öffentlicher Kommunikation (ausser natürlich wenn es um ein Interview im eigenen Blatt geht).”

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