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Symbolfoto VI: “Bild” verleugnet Jesus

Es hätte alles so schön gepasst. Der schillernde Rudolph Moshammer (über den Roberto Blanco in “Bild” sagte, “Rudolph war ein Show-Mann, ein Exzentriker. Ich glaube, er würde auch diesen letzten ‘Auftritt’ in einem gläsernen Sarg sehr lieben.”) im “Schneewittchensarg”. Und das kann man sich gut vorstellen, noch dazu, wenn es sich bei dem gläsernen Sarg um ein so prunkvolles Stück wie jenes handelte, das “Bild” heute auf der Titelseite und noch einmal weiter hinten abbildet:

Auf der Titelseite steht übrigens neben dem Foto des “Sargs”:

Der gläserne Sarg, in dem Moshammer seine letzte Ruhe finden soll

Das allerdings stimmt nicht. Nicht nur, weil, wie auch “Bild” seit heute weiß, Moshammer in einem Mahagoni-Sarg beerdigt werden wird.

Nein, der von “Bild” abgebildete Glassarg ist außerdem schon belegt, wie man auf diesem Foto (siehe Ausriss) sehen kann. Es liegt eine Jesus-Statue darin, die man in der gedruckten “Bild” allerdings kurzerhand wegretuschiert hat, wohl um Platz für Moshammer zu schaffen. Mithilfe des Originalfotos bewarben Karl und Leo Rechsteiner anlässlich des Todes von Rudolph Moshammer ihr Patent für einen Vakuum-Glassarg. Und fragt man bei Karl Rechsteiner nach, erfährt man, dass das Foto einen Schrein in Costa Rica zeigt, der dort während der “Semana Santa” (Karwoche) bei Prozessionen durch die Straßen getragen wird. Das Foto solle nur illustrieren, was für Möglichkeiten es hinsichtlich der Gestaltung von Glassärgen gibt.

“Bild” dagegen demonstriert mal wieder eindrucksvoll, welche Möglichkeiten es hinsichtlich der Gestaltung und Verwendung von Fotos gibt.

Mit Dank für den inspirierenden Hinweis an Joerg S. und Patrick G.

Nachtrag in eigener Sache:
Nachdem um obigen Eintrag offenbar Verwirrung entstanden ist, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Joerg S. und Patrick G., (Betreiber der Website minga.de) uns und andere Medien per Mail auf die zu Grunde liegende “Bild”-Meldung aufmerksam gemacht haben (siehe “Dank an…”). Thema unseres Eintrags ist jedoch die Manipulation eines Fotos in der “Bild”-Zeitung (siehe auch Pressekodex, Ziffer 2 und Richtlinie 2.2), von der auf der Website der Hinweisgeber nicht die Rede war.

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Auszüge aus dem “Medien-Pranger”

Aus gegebenem Anlass soll hier doch einmal in aller Deutlichkeit auf Ziffer 13 des Presskodexes hingewiesen werden und insbesondere auf die Richtlinien dazu:

Bis zu einer gerichtlichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung, auch im Falle eines Geständnisses. Auch wenn eine Täterschaft für die Öffentlichkeit offenkundig ist, darf der Betroffene bis zu einem Gerichtsurteil nicht als Schuldiger im Sinne eines Urteilsspruchs hingestellt werden. (…)Vorverurteilende Darstellungen und Behauptungen verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Menschenwürde, der uneingeschränkt auch für Straftäter gilt. Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines “Medien-Prangers” sein. Daher ist zwischen Verdacht und erwiesener Schuld in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.

Hier einige Zitate aus Artikeln, die seit der Festnahme des mutmaßlichen Mörders von Levke und Felix, Marc H., in “Bild” und/oder auf Bild.de erschienen sind:

31 Wochen nach dem brutalen Mord an der 8jährigen Levke ist der Täter endlich gefaßt: Es ist Marc H. (31) (…)
Bild.de vom 9.12.04

Unfaßbar: Der Killer hat selbst zwei kleine Töchter!
Bild.de vom 9.12.04

Wer ist dieses Monster?
Bild.de vom 9.12.04

Levkes Mörder – Seine geschockte Ex-Frau: Er war so ein lieber Vater…
Bild.de vom 10.12.04

Der Mann, den sie liebte, ist der Mörder der kleinen Levke.
Bild.de vom 10.12.04

Der Killer machte eine Lehre zum Installateur (…)
Bild.de vom 10.12.04

Vor zwei Jahren bekam der Killer mit Ehefrau Anja Töchterchen Sophie-Andrea.
Bild.de vom 10.12.04

Hat der Killer auch Tochter Laura mißbraucht?
Bild.de vom 10.12.04

Levkes Mörder: Schon als Junge haßte er Mädchen
Bild.de vom 12.12.04

Der Junge heißt Marc. 25 Jahre später wird er zum Mörder der kleinen Levke († 8).
Bild.de vom 12.12.04

Sein letztes Opfer wurde Levke.
Bild.de vom 12.12.04

Jetzt spricht die Mutter des Levke-Killers
Bild.de vom 13.12.04

Ihr Sohn hat ein 8jähriges Mädchen bestialisch getötet.
Bild.de vom 13.12.04

Fünf Tage nach der Festnahme und dem Geständnis des Mädchenmörders Marc H. (…)
Bild.de vom 13.12.04

Bei der Suche nach möglichen weiteren Opfern des Doppelmörders (…)
Bild.de vom 8.1.05

Aber der Mann hat Levke ermordet und jetzt den kleinen Felix.
“Bild” vom 10.1.05

(…) Marc Hoffmann (31), der Mörder von Levke (8) und Felix (8) (…)
“Bild” vom 11.1.05

Ist Doppelmörder Marc Hoffmann etwa auch der „schwarze Mann“ (…)
“Bild” vom 11.1.05

Zweifacher Kindermörder Marc Hoffmann – Wieso bekam die Bestie das Sorgerecht für die kleine Tochter?
“Bild”vom 12.1.05

Der Killer hatte ausgesagt, das Rad dort ins Wasser geworfen zu haben.
“Bild” vom 12.1.05

Hier versteckte er nach dem Mord an Levke auch die Habseligkeiten des Mädchens.
“Bild” vom 12.1.05

Zärtlich umarmt die Tochter (10) ihren Vater Marc Hoffmann, den Kinderkiller.
Bild.de in einer Fotogalerie

Kindermörder Marc Hoffmann
Fotounterzeile auf Bild.de in diversen Artikeln über Marc H.

Kindermörder Hoffmann nach Bedrohung durch Häftlinge verlegt
Bild.de vom 12.1.05

Diese Zusammenstellung ist nicht vollständig.

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“Bild” glaubt: “Bestie hat sich auch Adelina geholt”


Wir sehen Marc H., den mutmaßlichen Mörder des achtjährigen Felix und der achtjährigen Levke. Rechts sehen wir Levke, links Adelina. Auch Adelina wurde getötet, von wem ist bislang unklar. Lassen Sie sich also nicht davon irritieren, dass es in der “Bild”-Überschrift heißt, “Die Bestie hat sich auch Adelina geholt” – das lässt sich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand definitiv nicht sagen, und es würde sicher, gemäß Pressekodex, eine unzulässige Vorverurteilung darstellen.

Und bei genauem Hinsehen stellt man auch fest, dass “Bild” gar nicht behauptet, Marc H. habe Adelina getötet, denn über der ca. drei Zentimeter hohen Schlagzeile steht ja in ca. ein Zentimeter hohen Buchstaben, “Polizei glaubt”. Die Titel-Schlagzeile in der Bremer “Bild”-Ausgabe sieht sogar so aus:

Nur: Beides ist falsch. Fragt man nämlich bei der Soko Levke und Felix nach, wie es Radio Bremen getan hat, kommt dies dabei heraus:

Ein Sprecher der Soko Levke und Felix hat einen Bericht der “Bild”-Zeitung dementiert, wonach es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Morden an Felix und Levke sowie an Adelina aus Bremen gibt. Der Polizeisprecher bezeichnet diesen Artikel als falsch. Er warf der Zeitung vor, die Arbeit der Polizei mit solchen Artikeln zu behindern.

Und wie kommt “Bild” darauf, dass die Polizei “glaubt” oder sich gar “sicher” sei, dass Marc H. auch Adelina ermordet habe? Nun, in der “Bild” Berlin/Brandenburg und online zitiert sie einen “Sprecher” der Kripo Bremen mit den Worten: “Vieles spricht dafür”. Und in der “Bild” Bremen zitiert sie einen “Ermittler” mit den Worten: “Vieles spricht dafür”.

Fragt man beim Pressesprecher der Bremer Polizei nach, erfährt man, dass es kein derartiges Statement der Bremer Polizei gebe und, dass derzeit lediglich ermittelt werde, ob es Parallelen zwischen den Morden an Levke und Adelina gibt. Und mehr hätte es dazu eigentlich nicht zu sagen gegeben.

Mit Dank für die sachdienlichen Hinweise an Tobias M. und Frauke M.

Unbezahlbare Berichterstattung

Artikel zu produzieren, die kommerzielle und journalistische Interessen vermischen, inaktuell sind oder fehlerhaft, das gehört bei “Bild” zum täglichen Alltag. Manchmal aber packt auch die “Bild”-Redakteure der Ehrgeiz. Dann strengen sie sich richtig doll an und produzieren ein Stück, das alles gleichzeitig enthält. Ein inaktuelles, fehlerhaftes Stück Schleichwerbung quasi.

Und das in einem Artikel, das weniger als 50 Wörter lang ist. Es geht um den heutigen “Gewinner des Tages”:

Er macht das Fernsehen in Deutschland wieder spannend: Manuel Cubero (41), Vizepräsident Digital TV bei Kabel Deutschland, bringt 30 neue Sender auf unsere Bildschirme! Für nur 9 Euro/Monat können Kabelnutzer die neuesten Hollywood- und Disney-Streifen sehen. Dazu Doku-Filme, “Playboy-TV” und “BibelTV”.

BILD meint: Besser als ständige Wiederholungen!

Erstens. Sinn des Textes ist es offensichtlich, freundlich darauf hinzuweisen, dass ein kommerzielles Unternehmen ein bestimmtes Produkt zum Kauf anbietet. Solche Texte nennt man gemeinhin nicht “Artikel”, sondern “Anzeigen” und nicht “Journalismus”, sondern “Werbung”. Zeitungen haben nach dem Pressekodex dafür Rechnung zu tragen, dass man das eine vom anderen unterscheiden kann. Das gilt auch für “Bild”.

Zweitens. Das Angebot “Kabel Digital HOME”, das in “Bild” beschrieben wird, ist kein neues Angebot, sondern besteht seit fast einem Vierteljahr. Am 27.09.2004 hatte Kabel Deutschland seine Einführung bekannt gegeben. Mitte November bereits hatte (wie berichtet) bild.de in einer Anzeige in einem Artikel darüber berichtet dafür geworben.

Drittens. Kabel Deutschland bringt keineswegs “30 neue Sender” auf unsere Bildschirme. Bei den Sendern handelt es sich zum Teil um längst bestehende Programme wie 13th Street, Sci Fi, Planet und Bibel-TV. Kabel Deutschland selbst wirbt aus guten Grund nicht mit 30 “neuen”, sondern “zusätzlichen” Kanälen.

Viertens. Im 9-Euro-Paket von Kabel Deutschland laufen keineswegs die “neuesten Hollywood- und Disney-Streifen”. Als seine Weihnachtshighlights bezeichnet Kabel Deutschland selbst die Filme Jurassic Park I bis III (1998 bis 2001) und “Der letzte Kaiser” (1987).

Fünftens. “Bild” schreibt, das Programm sei “besser als ständige Wiederholungen”. Tatsächlich besteht es im Wesentlichen aus ständigen Wiederholungen. Der Kanal “Kinowelt TV” z.B. zeigt “legendäre Hollywoodstreifen”, “Klassiker” und “Spielfilmhighlights aus einer der größten Filmbibliotheken Deutschlands”. “BBC Prime” wiederholt beliebte BBC-Programme. Der Sci-Fi-Kanal wiederholt im Dezember 6 “Star Trek”-Filme. Kein Kanal im Paket zeigt auch nur annähernd so wenige Wiederholungen wie ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und Pro Sieben.

Fazit: Da muss aber richtig was schief gelaufen sein bei “Bild”. Denn es wäre ja undenkbar, dass man sich als Unternehmen die anlasslose Erklärung zum “Gewinner des Tages” in “Bild” einfach erkaufen kann. Und dass man die Fehler quasi gleich mitkauft, durch die das Angebot in einem noch besseren Licht als in der eigenen Werbung dasteht. Und dass man sich sogar den Zeitpunkt der Erwähnung noch aussuchen kann: aus journalistischer Sicht verspätet, aber gerade noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest.

“Bild” entwürdigt und verletzt

Aus einer heute veröffentlichten Pressemitteilung des Deutschen Presserats (Hervorhebungen von uns):

“(…) Öffentlich gerügt wurde die Berichterstattung der ‘Bild’-Zeitung über die Schauspielerin Sibel Kekilli. Die Zeitung hatte nach der Verleihung des Goldenen Bären mehrfach über die Vergangenheit der Schauspielerin berichtet, die vor ihrer Rolle in dem ausgezeichneten Film ‘Gegen Die Wand’ in Pornofilmen mitgespielt hat. Natürlich kann über die Vergangenheit einer Schauspielerin berichtet werden. Dabei ist aber zu beachten, dass in der Berichterstattung die Persönlichkeit der Betroffenen nicht mit den Rollen, die sie gespielt hat, identifiziert wird. Der Beschwerdeausschuss ist der Überzeugung, dass die Berichterstattung über Sibel Kekilli insbesondere durch die Kombination von Text und Bild diese Grenze deutlich überschreitet. Solche Berichterstattung entwürdigt nach Meinung des Ausschusses die Betroffene und verletzt damit die in Ziffer 1 des Pressekodex geforderte Wahrung der Menschenwürde:

Ziffer 1:
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Das öffentliche Interesse deckt eine Form der Berichterstattung nicht, in der die Persönlichkeit der Betroffenen auf das reduziert wird, was man über diese in den Klappentexten von Pornofilmkassetten lesen kann.”

PS: Laut Pressekodex (Ziffer 16) entspricht es ” fairer Berichterstattung, vom Deutschen Presserat öffentlich ausgesprochene Rügen abzudrucken, insbesondere in den betroffenen Publikationsorganen.” In der Richtlinie zu Ziffer 16 heißt es außerem: “Für das betroffene Publikationsorgan gilt: Der Leser muss erfahren, welcher Sachverhalt der gerügten Veröffentlichung zugrunde lag und welcher publizistische Grundsatz dadurch verletzt wurde.”

(Weitere Texte zum Thema: “Bild” verletzt Menschenwürde, “Bild” versteht Rüge nicht, Sensation: “Bild” druckt Kekilli-Rüge, Presserat: Mehr Rüge muss nicht sein.)

“Super unterhaltsam”

Eine durchschnittliche Schlagzeile bei Bild.de, mit der “die multimedialen Erweiterung der Marke BILD” auf einen der stets unabhängigen und überparteilichen Artikel in “Bild” oder “BamS” hinweisen will, sieht so aus:

Oder so:

Vielleicht auch so:

Oder beispielsweise so:

Oder etwa so?

Nein! Denn hinter dieser Ankündigung finden sich bloß allerhand Texte über ein Kabelfernsehangebot namens “Kabel Digital”, die sich optisch und inhaltlich kaum von den Promo-Texten auf der “Kabel Digital”-Website unterscheiden. Vor allem aber, dass dann auch noch “Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler” ins Spiel kommt (“Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler hat einen Tag lang getestet, wie gut das Angebot wirklich ist”), der das alles “super unterhaltsam” findet, hat mit der im Pressekodex (Ziffer 7) festgeschriebenen “Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken” endgültig nur noch wenig zu tun. Und vielleicht sogar gar nichts.

Nachtrag, 10:54: Naja, die augenscheinliche Vermischung von Inhalt und Werbung bei Bild.de hat sogar noch weniger mit dem Pressekodex zu tun als behauptet, sorry. Denn für Diensteanbieter wie Bild.de gilt ja der Mediendienstestaatsvertrag, in dessen Paragraph  13 es allerdings ebenfalls ausdrücklich heißt: “Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein.”

Outing

Dass “Bild” in ihrer “In & Out”-Liste gelegentlich den Eindruck erwecken kann, es werde dort die Grenze zur Schleichwerbung überschritten, ist journalistisch gesehen bedenklich, aber bekannt. Am gestrigen Donnerstag zum Beispiel war für “Bild” die am Montag erscheinende “‘BILD-Volksbibel’ zum Supergünstigpreis von 9,95 Euro” ganz doll “in”.

Aber dass gestern in der (derzeit von Kai Diekmann geleiteten) “Bild” als erstes “Der gegelte Wet-Fett-Look auf dem Kopf” auf der “out”-Seite steht, gibt einem dann doch zu denken

Mit Dank an Gunther S. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” veröffentlicht Schockfoto

Yoko Ono hat kürzlich eine neue DVD-Sammlung herausgebracht, auf der auch das Video zum Lied “Woman” zu finden ist. Es ist u.a. mit einem Foto ihres toten Mannes, John Lennon, das im Leichenschauhaus aufgenommen wurde, bebildert. “Bild” schreibt:

Hier liegt John Lennon auf dem Totenbett – Seine Witwe Yoko Ono veröffentlicht Schockfoto

“Bild” fragt:

Findet der berühmte “Beatle” John Lennon (ermordet 1980) nie seinen Frieden?

Und weiter:

Der tote Lennon auf DVD – Trauerarbeit oder geschmacklose PR?

Im Anschluss an die Frage berichtet “Bild”:

Yoko Ono (…) schockte vor Jahren mit dem Foto der blutbespritzten, später versteigerten Brillengläser, die Lennon bei seiner Ermordung (…) trug.

“Bild” bebildert die Geschichte mit dem Foto Lennons, das im Leichenschauhaus aufgenommen wurde. Es ist in “Bild” etwa neun mal dreizehn Zentimeter groß. Und mit einem kleineren Foto der blutverschmierten Brille.

Das Boulevardblatt “Bild” schreibt nicht, dass das Foto aus dem Leichenschauhaus bereits direkt nach Lennons Tod von dem Boulevardblatt “New York Post” und vom Boulevardblatt “National Enquirer” auf deren Titelseiten veröffentlicht wurde.

Wahrscheinlich war man bei “Bild” einfach zu geschockt darüber, wie unsensibel Ono im Umgang mit Fotos von Toten ist.

(Mit Dank für die sachdienlichen Hinweise an Alexander S., Thomas J. und Jeffrey W.)

Ich brauche mehr Details!

Wir waren zwar nicht dabei, können uns aber lebhaft vorstellen, wie bei “Bild” hektische Betriebsamkeit ausbrach, als am Sonntag die folgende Meldung der Nachrichtenagentur dpa einging:

Ein 26 Jahre alter Mann hat vermutlich aus Eifersucht (…) seine 23-jährige Freundin (…) getötet. Er soll in der Nacht zu Sonntag seine Lebensgefährtin geschlagen, gewürgt und mit einem Messer auf sie eingestochen haben. (…) Nachdem die Frau eine Kurznachricht über Handy erhalten hatte, kam es zu der Auseinandersetzung. Der 26-Jährige vermutete als Absender einen heimlichen Liebhaber.

Bis in den Wortlaut hinein können wir uns ausmalen, wie bei “Bild” Aufträge erteilt werden, wie jemand beispielsweise ruft, “Besorgt das Handy!”

Na, egal. “Bild” kann heute jedenfalls mit Einzelheiten aufwarten, die sich nicht mal eben problemlos in einer Agenturmeldung nachlesen lassen. Zum Beispiel kennt man bei “Bild” den Text der Kurzmitteilung (“Schlaf gut. Träum von mir (Scherz). Bussi, hab’ dich lieb!”) und den Zeitpunkt (“Es war 0.01 Uhr”), die Print-Ausgabe kennt außerdem das SMS-Signal (“Viermal piepste es”), während online wiederum aufgeschrieben steht, wie es genau weiter ging (“Daniel K. (26) griff nach dem Handy, las den Text und tobte vor Eifersucht”). Und nachdem “Bild” am Montag schon nacherzählen konnte, was die Frau kurz vor ihrem Tod gesagt hatte (“Bianca verteidigte sich, sagte, sie habe sich nur austoben wollen”), kennt Bild.de mittlerweile sogar den Wortlaut (“Stell dich nicht so an. Ich will mich einfach ein bißchen austoben”).

Dumm nur, dass trotz so viel Detailwissen lediglich in einem der drei Artikel die Todesursache stimmt. So hieß es gestern, der Mann “erwürgte” seine Freundin. In dem Artikel auf “Bild”-Online mit heutigem Datum steht, sie sei “erschlagen” worden und in der heutigen Druckausgabe endlich, dass sie “erstochen” wurde.

Mehr als dumm, dass der Beschuldigte in der Online-Ausgabe kurzerhand als “Mörder” vorverurteilt wird, (“Während Bianca M. starb, verging sich ihr Mörder noch an ihr”), obwohl doch, wie sich auch in der gedruckten “Bild” nachlesen lässt, bislang lediglich Haftbefehl wegen Totschlags erlassen wurde.

Aber wen interessieren schon solche Details?

Nachtrag, 27.10., 0.30 Uhr: Obiger Satz, der besagt, dass “in der heutigen Druckausgabe endlich” stünde, die junge Frau sei “erstochen” worden, stimmt so nicht. Tatsächlich hat die wahre Todesursache, die seit Montagnachmittag bekannt ist, es nämlich nur in die Dienstags-Ausgabe von “Bild” Berlin/Brandenburg geschafft. In der überregionalen Ausgabe hieß es, genau wie auf Bild.de, die Frau sei “erschlagen” worden.

“Bild” berichtet über Lidl

Ach ja, und dann ist da ja noch dieser Artikel auf Seite 8 der “Bild” (Berlin-Ausgabe), den man auch online nachlesen kann. “Bild” berichtet darin über die Billigsupermarkt-Kette Lidl, deren Filialen neuerdings auch eine Tageszeitung im Sortiment haben. Den beispielhaften Kundenreaktionen zufolge, anhand derer “Bild” seine Berichterstattung veranschaulicht, handelt es sich dabei um “eine Supersache”. Ja, man kann sagen: “Bild” zufolge sind die drei befragten Frauen ausnahmslos begeistert. Und “Bild” ist’s auch, was wenig verwundert, weil es sich bei der bei Lidl verkauften Tageszeitung, über die “Bild” berichtet, selbstverständlich um “Bild” selbst handelt, wie sich bei der “Bild”-Lektüre schnell herausstellt, weil “Bild” in dem “Bild”-Artikel sieben Mal erwähnt und drei Mal abgebildet wird.

Und weil das, wie gesagt, so eine “Supersache” ist, so “klasse” und, laut “Bild”, so eine “große Freude an den Kassen des Lebensmitteldiscounters LIDL”, zitieren wir zum Schluss auch nur ganz kurz aus dem Pressekodex:

“Verleger und Redakteure (…) achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.”

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