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Julian Reichelt sieht keine toten Menschen

Nach einem schweren Busunfall auf Madeira im April dieses Jahres, bei dem 29 Menschen starben, zeigte Bild.de viele Fotos, auf denen die Opfer des Unglücks zu sehen waren. Über diese Veröffentlichung beschwerten sich mehrere Personen beim Deutschen Presserat.

Zum Prozedere gehört es dann, dass auch die Redaktion, gegen die sich eine Beschwerde richtet, Stellung nehmen kann. Das hat in diesem Fall Julian Reichelt übernommen. Und der “Bild”-Chef entgegnete den Vorwürfen mit einer sehr eigenen Version der Vorgänge. Im Bericht des Presserats steht:

Der Vorsitzende der Chefredaktionen trägt vor, die Beschwerde sei erkennbar unbegründet, weshalb er sich kurzfassen wolle: An dem tragischen Busunglück in Madeira, von dem auch viele deutsche Urlauber betroffen waren, habe ein besonders großes öffentliches Informationsinteresse bestanden. Diesem Interesse habe man entsprochen, nicht mehr und nicht weniger — wie alle anderen Medien auch. Und unter Einhaltung sämtlicher presseethischer Grundsätze über ein Aufsehen erregendes zeitgeschichtliches Ereignis berichtet. Anders als die Beschwerdeführer behaupten, habe man insbesondere keine Fotos der getöteten oder lebensgefährlich verletzten Opfer gezeigt. Man habe aber — natürlich, weil man als Presse dazu verpflichtet sei — die Fotos der Unfallstelle gezeigt, an der eine Vielzahl von Helfern darum bemüht war, den Opfern zu helfen. Teilweise — mit “viel gutem Willem” — identifizierbar seien lediglich einige wenige leicht verletzte Opfer des Busunglücks. Dies jedoch sei im Rahmen des unstreitig gegebenen öffentlichen Interesses i.S.v. Ziffer 8 Pressekodex im Hinblick auf eine vollständige und umfassende Berichterstattung unvermeidbar und verletze weder Recht noch Presseethik.

Kurzum: Ihre Bild- und Textberichterstattung über den tragischen Unglücksfall auf Madeira sei absolut medienubiquitär und in keiner Weise zu beanstanden. Die Beschwerden seien allesamt zurückzuweisen.

Erstmal zur Frage der Identifizierbarkeit der von Bild.de gezeigten Personen. Zu dem Thema schreibt der Medienrechtler Udo Branahl in seinem Lehrbuch:

An die Erkennbarkeit des Betroffenen stellt die Rechtssprechung (…) nicht sehr hohe Anforderungen. Sie verlangt nicht etwa, dass ein erheblicher Teil des Publikums die gemeinte Person erkennen kann, sondern lässt es ausreichen, dass sie von Kollegen, Freunden, Bekannten oder Verwandten erkannt werden kann.

Wenn Reichelts Redaktion Aufnahmen veröffentlicht, die Personen in einer Totalen unverpixelt zeigen, ist also nicht “viel guter Wille” notwendig, um von einer identifizierenden Berichterstattung zu sprechen. Das dürfte auch für das Foto gelten, auf dem ein Verletzter deutlich größer, aber verpixelt zu sehen ist, da dieser für “Kollegen, Freunde, Bekannte oder Verwandte” etwa anhand seiner Kleidung immer noch zu erkennen sein dürfte.

Reichelts Argument, dass man insbesondere keine Fotos der getöteten oder lebensgefährlich verletzten Opfer gezeigt habe, ist schlicht falsch. Entweder weiß er nicht, was seine Redaktion so alles veröffentlicht hat, oder er lügt. Bild.de zeigte noch am Tag des Unfalls ein Foto, auf dem Leichen vor dem verunglückten Bus unvepixelt zu sehen waren:

Screenshot Bild.de - Ein Foto vom verunglückten Reisebus, davor liegen Menschen, die offenbar nicht mehr leben - Bild.de hat da Foto ohne jegliche Unkenntichmachung veröffentlicht
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag stammen von uns.)

Und als Bild.de die Aufnahme bereits nach und nach verpixelt hatte, druckte die “Bild”-Zeitung ein ähnliches Foto noch einmal komplett ohne Unkenntlichmachung:

Ausriss Bild-Zeitung - Foto des verunglückten Busses

Der Presserat sah es dann auch anders als Julian Reichelt und sprach eine Missbilligung aus:

Der Beschwerdeausschuss erkennt in der Berichterstattung unter der Überschrift “Reisebus mit 55 Menschen auf Madeira verunglückt” einen Verstoß gegen den in Ziffer 8 des Pressekodex festgeschriebenen Schutz der Persönlichkeit und die in Ziffer 11 des Pressekodex festgehaltene Sensationsberichterstattung.

Das Gremium sieht in der Veröffentlichung von Fotos, die Opfer des Unglücks unverfremdet und identifizierbar zeigen, einen Verstoß gegen deren Persönlichkeitsschutz gemäß Richtlinie 8.2 des Pressekodex. Der Umstand, dass jemand Opfer eines Busunglücks wird, macht denjenigen grundsätzlich nicht zu einem legitimen Objekt des öffentlichen Interesses. Das Wissen um die Identität der Betroffenen trägt vorliegend in keiner Weise zum besseren Verständnis vom Unfallhergang bei. Bloße Neugier der Leser rechtfertigt hingegen keine identifizierende Berichterstattung. Daher überwiegen die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Die Veröffentlichung von unverfremdeten Fotos der Opfer im Moment ihres Leids lässt diese in der Öffentlichkeit erneut zu Opfern werden und verstößt insofern auch gegen Richtlinie 11.3 des Pressekodex.

Mit Dank an André W. für den Hinweis!

Nachtrag, 17:12 Uhr: Drüben bei “Übermedien” berichtet Stefan Niggemeier über eine weitere Entscheidung des Presserats gegen “Bild”.

Nachtrag, 4. Juli: Zu dieser Aussage des pflichtbewussten Julian Reichelt: “Man habe aber — natürlich, weil man als Presse dazu verpflichtet sei — die Fotos der Unfallstelle gezeigt, an der eine Vielzahl von Helfern darum bemüht war, den Opfern zu helfen.” schickte uns ein Leser die Frage, wo und in welcher Form die Presse “dazu verpflichtet sei”, Fotos einer Unfallstelle zu zeigen. Darauf wissen wir leider auch keine Antwort. Von so einer Pflicht haben wir jedenfalls noch nie gehört. Und, das nur nebenbei: Es gab auch Fotos von der Unfallstelle, die etwas später aufgenommen wurden und bei denen die Leichen von den Helfern bereits abgedeckt waren.

Mit Dank an Martin für den Hinweis!

RWE und die Meinungsfreiheit, Phantom-Telefonat, Düstere Honorare

1. RWE fordert 50.000 Euro für Aufruf per Tweet
(deutschlandfunk.de, Henning Hübert)
Der Energieversorgungskonzern RWE verlangt vom 24-jährigen Pressesprecher des Aktionsbündnisses “Ende Gelände” die stolze Summe von 50.000 Euro. Der Sprecher habe auf Twitter und bei einer Veranstaltung zu “massenhaft zivilem Ungehorsam” aufgerufen. Der WDR-Journalist Jürgen Döschner sieht in der Forderung einen massiven Eingriff in die Meinungsfreiheit: “Man muss das ja nicht nur auf Pressesprecher beschränken. Ich bin öfter in der Gegend und berichte über Aktionen — wenn ich dann dort aufgegriffen werde, vielleicht von RWE auch eine solche Unterlassungserklärung zugeschickt bekomme, und dann äußere ich mich in einem Kommentar, wie ich das 2015 gemacht habe, mit Verständnis für Aktionen wie zum Beispiel eine Tagebaus — schon hätte ich potenziell auch eine Erklärung auf dem Tisch, eine solche Androhung von 50.000 Euro Strafe.”

2. Hanseat von Stil
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Der ehemalige “Tagesschau”-Sprecher Wilhelm Wieben ist gestern im Alter von 84 Jahren gestorben. Hans Hoff erinnert in seinem Nachruf an die Fernsehlegende.

3. Das Telefonat, das nie geführt wurde
(wienerzeitung.at, Heinz Fischer)
Als der ehemalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer im Rahmen der Regierungskrise gefragt wurde, ob er bereit wäre, vorübergehend das Amt des Bundeskanzlers zu übernehmen, verneinte er unter Hinweis auf sein Alter. Trotzdem machten einige Medien (unter anderem der “Spiegel”) mit der Behauptung auf, er würde sich um das Amt bemühen und verwiesen auf Telefonate und SMS-Nachrichten, die es laut Fischer jedoch nie gab. Seinen Gastbeitrag mit der Schilderung der Vorgänge will Fischer auch an den Presserat schicken. Ohne sich all zu viel davon zu versprechen: “Er wird voraussichtlich nichts tun, aber sich vielleicht wenigstens wundern, was in Qualitätsmedien alles möglich ist.”

4. Freischreiber-Report 2019: Wer verdient was?
(wasjournalistenverdienen.de, Katharina Jakob & Michel Penke)
Der Berufsverband Freischreiber hat bei freien Journalistinnen und Journalisten rumgefragt, wie hoch ihr Honorar bei verschiedenen Medien ist. Herausgekommen sind der Honorarreport 2019 und die Erkenntnis, dass “das gemittelte Zeichenhonorar aller Medien” derzeit “bei 40 Euro pro 1000 Zeichen” liege. Ein Fazit der Freischreiber: “Guter Journalismus sollte überall ähnlich viel wert sein. Ist er aber nicht. Und es ist vielerorts ziemlich düster.”

5. Jetzt ist Schluss!
(spiegel.de, Jan Fleischhauer)
“Spiegel”-Kolumnist Jan Fleischhauer verabschiedet sich mit seiner letzten Kolumne bei den “Spiegel”-Lesern. Auf stolze 438 Kolumnen hat er es insgesamt gebracht. “Haben mich alle im SPIEGEL geliebt? Ganz sicher nicht, aber darauf kommt es auch nicht an. Meine Chefs haben alles gedruckt, was ich am Kolumnentag an sie geliefert habe, selbst wenn ich damit quer zur Mehrheit der Redaktion lag. Mehr kann man als Journalist nicht erwarten.” Ab August wird man Fleischhauer beim “Focus” lesen können: “Solange sich Zweidrittel der in Deutschland tätigen Journalisten politisch links der Mitte verorten, bleibt für jemanden wie mich genug zu tun.”

6. 10 Tipps, wie du deine Podcast-Reichweite noch heute verbessern kannst
(podigee.com, Mati Sojka)
Als Podcast-Hoster kennt sich Mati Sojka von Podigee naturgemäß gut mit den technischen Aspekten von Podcasts aus. In seinem Beitrag verrät er Podcast-Anbietern zehn bewährte Methoden zur Reichweitensteigerung.

Fake on my dear, Rezo-Fallout, Facebook kennt keine Privatsphäre

1. Bloggerin soll Holocaust-Opfer erfunden haben
(tagesspiegel.de, Julia Prosinger)
Der Erfolg der promovierten Historikerin und Bloggerin (“Read on my dear, read on”) Marie Sophie Hingst beruht anscheinend auf weitgehend erfundenen Geschichten. So habe Hingst ihre jüdische Familiengeschichte erlogen. Auch sei fraglich, ob Hingst im Alter von 19 Jahren tatsächlich ein Slumkrankenhaus gegründet habe. “Zeit Online” rückt mittlerweile von einem Beitrag über eine angebliche Aufklärungs-Sprechstunde mit Geflüchteten ab. Die “FAZ” hat ein mit Hingst veröffentlichtes Interview offline genommen.
Weiterer Lesetipp: Anke Gröner kommentiert in ihrem Blog: “Holocaust-Opfer zu erfinden, ist nicht nur geschmacklos, es ist gefährlich. Es ist Wasser auf den Mühlen der Holocaust-Leugner, es ist Wasser auf den Mühlen derer, die Opfern eine Mitschuld unterstellen, ganz gleich, von was sie Opfer geworden sind, es ist Wasser auf den Mühlen der Geschichtsverfälscher und -umdeuter, die im Nachhinein besser wissen wollen, was passiert ist und wie wir damit umgehen sollten (“Schlusstrich”, “langt jetzt auch”, “DRESDEN!”).”
Und wer sich noch weiter einlesen will: Die Causa Hingst – Fragen und erste Antworten zu einem Skandal der Blogosphäre (archivalia.hypotheses.org, Klaus Graf).

2. Angaben zu Social-Media-Profilen sind jetzt Pflicht
(spiegel.de)
Antragsteller für ein US-Visum müssen zukünftig ihre Social-Media-Identitäten offenlegen und sowohl ihre aktuellen als auch ihre früheren Telefonnummern angeben. USA-Urlauber seien davon jedoch derzeit nicht betroffen. Für sie gilt das visumlose ESTA-Programm für Besuche mit befristeter Aufenthaltsdauer.

3. Lügen, Sex und YouTube
(gutjahr.biz)
Anlässlich der jüngsten Videoveröffentlichungen mit politischem Rückhall, kommentiert Richard Gutjahr: “Stellen wir uns vor, das Ibiza-Video wäre kein Video gewesen, sondern nur ein Audio-Mitschnitt. Oder ein verschriftetes Wortprotokoll. Ich gehe jede Wette ein, Kurz und Strache wären heute noch im Amt. Oder die “Zerstörung der CDU”. Nehmen wir mal an, Rezo hätte seinen Rant nicht als Video, sondern in Schriftform ins Netz gestellt. Wort für Wort. Mit allen Fußnoten und Quellenhinweisen. Rezo… wer?” Gutjahrs Prognose: “Die Bedeutung von Video wird in den kommenden Jahren nicht nur weiter linear wachsen, sondern geradezu explodieren.”

4. Nutzer können laut Facebook keine Privatsphäre erwarten
(golem.de, Friedhelm Greis)
In einem Prozess um den Cambridge-Analytica-Skandal verteidigt sich Facebook mit einer bemerkenswerten Argumentation: Das Unternehmen habe nicht gegen Datenschutzvorgaben verstoßen, da es bei Sozialen Medien “keine vernünftige Erwartung auf Datenschutz” gebe und weiter: “Es gibt keine Verletzung der Privatsphäre, da es überhaupt keine Privatsphäre gibt”.

5. Rezo-Fallout: “Wir brauchen Regeln gegen Desinformation”
(heise.de, Markus Kompa)
Markus Kompa kommentiert ein Interview, das Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, der “FAZ” zur Netzregulierung gegeben hat (Wir brauchen Regeln gegen Desinformation). “Landesmediendirektor Schmid behauptet im Interview allen Ernstes, die Einhaltung journalistischer Standards überwache bei der Presse der Presserat. Bei solch weltfremder Naivität möchte man in die Tischkante beißen. Der Presserat ist nichts weiter als eine Propaganda-Veranstaltung der Verlagsbranche, mit der man in den 1950er Jahren den Erlass eines lästigen Ehrenschutzgesetzes verhindern wollte. Das geplante Gesetz wurde aber überflüssig, weil die Rechtsprechung praktisch die gleichen Ergebnisse durch Entwicklung des aus der Verfassung hergeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts erzielt.”

6. Diese Instagram-Accounts gingen im Mai durch die Decke
(horizont.net, Giuseppe Rondinella)
“Horizont” hat die Wachstumsraten aller deutschsprachigen Instagram-Kanäle ab 100.000 Follower für den Monat Mai analysieren lassen. Die Top 10 werden von den Teilnehmerinnen von “Germany’s Next Topmodel” dominiert. Mit dabei sind aber auch ein Fußballer und ein PARTEI-Politiker.

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“Bild”, Kai Diekmann und der Wunder-Krebstest

Vor zwei Monaten verkündete die “Bild”-Zeitung eine “Weltsensation”, die jedoch gar keine war — und die sich zu einem wissenschaftlichen und journalistischen Skandal entwickelte, zu dem inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beteiligte, unter anderem: die Uniklinik Heidelberg und ein chinesisches Pharmaunternehmen. Auch Ex-“Bild”-Chef Kai Diekmann spielt bei der Geschichte eine Rolle.

Eine Chronik.

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21. Februar 2019: Exklusiv bejubelt die “Bild”-Zeitung auf der Titelseite eine “Weltsensation aus Deutschland”:

Es sei “ein echter Durchbruch”, heißt es da, eine “medizinische Sensation”:

Seit vielen Jahren wird daran geforscht, Krebs im Blut zu erkennen. Ärzte der Universitätsklinik Heidelberg erreichten jetzt revolutionäre Ergebnisse: Sie weisen mit einem Test Brustkrebs im Blut nach. Und zwar mit einer Treffsicherheit, die vergleichbar ist mit der einer Mammografie! Wie BILD exklusiv erfuhr, soll der Bluttest noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Im Innenteil: ein großes Interview mit Christof Sohn, dem Geschäftsführenden Ärztlichen Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.

Darin darf er den Bluttest ausführlich bewerben: viel sicherer als bisherige Tests, hohe Treffsicherheit, besonders gut für Risikopatientiennen, und so weiter und so fort.

Am selben Tag gibt die Uniklinik eine Pressemitteilung heraus, in der sie die “neue, revolutionäre Möglichkeit” des Bluttests noch einmal selbst feiert: “Dies ist ein Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik”, schreibt sie.

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21. bis 27. Februar 2019: Andere Medien greifen die Geschichte auf. Dabei melden einige schon Zweifel an, etwa “Spiegel Online” oder die “Zeit”. Viele aber, etwa “Focus Online” oder “DerWesten”, verlassen sich blind auf “Bild” und bezeichnen den Bluttest ihrerseits als “Sensation”, “Durchbruch” oder “Revolution”.


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27. Februar 2019: Sieben renommierte Verbände, von der Deutschen Krebsgesellschaft über die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bis zur Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, geben eine gemeinsame Stellungnahme heraus, in der sie die Berichterstattung kritisieren:

Eine Berichterstattung, die ohne Evidenzgrundlage Hoffnungen bei Betroffenen weckt, ist aus unserer Sicht kritisch zu bewerten und entspricht nicht den von uns vertretenen Grundsätzen medizin-ethischer Verantwortung.

Es sei einfach noch zu früh für Jubelstimmung, so die Experten: Die Studie sei “noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse sind nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert und der Test noch nicht zugelassen”. Daher “halten wir Schlussfolgerungen über die Validität und den klinischen Nutzen für verfrüht und raten ausdrücklich davon ab, diagnostische oder therapeutische Entscheidungen basierend auf Blutuntersuchungen zu treffen, die nicht von nationalen oder internationalen Leitlinien empfohlen werden.”

In den nächsten Tagen häuft sich die Kritik an der “Bild”-Berichterstattung, aber auch am Vorgehen der Heidelberger Forscher. So schreibt etwa Gerd Gigerenzer vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung:

Nach üblichen wissenschaftlichen Standards veröffentlichen Forscher zuerst eine Studie in einer Fachzeitschrift, die dort begutachtet wird, und gehen erst dann an die Presse. Beim Bluttest wurde dieser Standard nicht eingehalten. Die Heidelberger Forscher sind zuerst medienwirksam zur BILD-Zeitung gegangen. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung liegt nicht vor.

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8. März 2019: Der Journalist Jan-Martin Wiarda berichtet in seinem Blog und bei den “Riffreportern” ausführlich über den Fall und deckt weitere Merkwürdigkeiten auf. “Welche Rolle spielt das Joint Venture mit einem chinesischen Pharma-Unternehmen?”, fragt er unter anderem, denn: Partner der Uniklinik sei ein chinesisches Pharmaunternehmen, dessen Aktienkurs seit einigen Tagen, insbesondere seit der gehypten Berichterstattung über den Bluttest, einen steilen Anstieg zeige.

Erstmals äußert sich auch Christof Sohn, der Geschäftsführende Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik, der von “Bild” groß interviewt wurde, zur Formulierung “Weltsensation”: Diese Schlagzeile sei nicht angebracht gewesen, er habe sie vor Veröffentlichung auch nicht gekannt, und er und seine Kollegen hätten sie “in dieser Form” nicht mitgetragen.

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20. März 2019: Die “Rhein-Neckar-Zeitung” (“RNZ”) steigt in die Berichterstattung ein und leistet in den darauffolgenden Wochen ausgezeichnete journalistische Arbeit; ihre zahlreichen Artikel sind unter rnz.de/heiscreen nachzulesen.

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22. März 2019: Der Aktienkurs des chinesischen Pharmaunternehmens erreicht den höchsten Stand seit acht Monaten. Seit dem 21. Februar, dem Erscheinungstag des “Bild”-Artikels und der Pressemitteilung der Uniklinik, ist der Kurs um fast 60 Prozent gestiegen:

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23. bis 29. März 2019: Die Kritik reißt nicht ab. Das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg erklärt in der “RNZ”, dass die “verfrühte Kommunikation nicht den hohen Ansprüchen an eine verantwortungsvolle Wissenschaftskommunikation entspreche”. Gerade im medizinischen Bereich, “der für die Betroffenen mit so viel Ängsten und großer Hoffnung verbunden ist, darf es keine Effekthascherei geben”. Auch die Heidelberger Universität teilt mit, dass sie “eine umfassende Klärung der Vorgänge für zwingend erforderlich” halte.

Die Uniklinik ist derweil um Schadensbegrenzung bemüht. Sie “bedauert, dass es zu Irritationen gekommen ist” und verkündet die Gründung einer internen Arbeitsgruppe und einer externen Expertenkommission, die die Vorgänge aufarbeiten sollen.

Außerdem distanziert sie sich von der PR-Strategie zum Bluttest: Die Medienbegleitung habe die Heiscreen GmbH verantwortet, sagt die Kliniksprecherin der dpa. (Die Heiscreen GmbH wurde 2017 gegründet und soll den Bluttest in Deutschland vermarkten. Hauptanteilseigner ist eine Tochterfirma der Uniklinik, weitere Anteile hält über eine Beteiligungsgesellschaft der schillernde Unternehmer Jürgen Harder. Auch der von “Bild” interviewte Christof Sohn und eine weitere Ärztin der Uniklinik sind an der Heiscreen GmbH beteiligt.)

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30. März 2019: Der “Spiegel” berichtet über “Das Märchen vom Wundertest aus Heidelberg” und bringt einen alten Bekannten ins Spiel:

Wie die angebliche Weltsensation am Ende genau in der “Bild”-Zeitung landete, ist zwar nur schwer nachzuvollziehen. Fest steht aber: Ohne Zustimmung vonseiten des Universitätsklinikums ist dies nicht geschehen. Auch ein weiterer Bekannter Harders war daran offenbar beteiligt: Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, der sich dazu nicht äußern will. Aber was wäre der Mann für ein Journalist, wenn er sich nicht dafür einsetzen würde, dass ein Thema, das ihm am Herzen liegt, in seine alte Zeitung kommt?

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4. April 2019: Die Uniklinik erstattet Anzeige gegen Unbekannt — warum genau, wird allerdings nicht klar. In einer Pressemitteilung teilt sie lediglich mit, dass sie sich “aufgrund der Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung” des Bluttests zu diesem Schritt veranlasst sehe. Der Sprecher der Heidelberger Staatsanwaltschaft erklärt in der “RNZ”, in der eingegangenen Anzeige stünden “weder der vermutete Tatbestand, noch weitere Hintergründe zum Sachverhalt, noch Personen, gegen die sich die Strafanzeige richtet.” Das sei sehr ungewöhnlich. Sollte sich jedoch ein Anfangsverdacht ergeben, werde die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehmen.

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6. April 2019: Die “RNZ” berichtet, dass Vorstand und Pressestelle des Klinikums “sehr frühzeitig in die unseriöse PR-Kampagne eingeweiht” waren. So sei das “Bild”-Interview …

sowohl von der Pressestelle der Uniklinik als auch von zwei Vorständen gegengelesen worden. Achtete die Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich auf inhaltliche Korrekturen, so freute sich der Dekan der Medizinischen Fakultät, Andreas Draguhn, über die wissenschaftliche Korrektheit: “Präziser, als ich es ‘Bild’ zugetraut hätte”.

Auch die Pressemitteilung der Klinik sei “in großer Runde abgesprochen” worden. Der Entwurf sei unter anderem an Kai Diekmann geschickt worden.

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11. April 2019: Die “RNZ” geht genauer auf die Rolle Diekmanns ein:

Kai Diekmann war von 2001 bis 2015 Chefredakteur der “Bild”-Zeitung. 2018 startete er mit dem Investmentbanker Lenny Fischer den “Zukunftsfonds”. Die Markenstrategie für diesen Kapitalanlagefonds entwickelte die Digitalagentur “diesdas.digital” — die auch für die Heiscreen GmbH den Internetauftritt machte. Diekmann war “bei mehreren Treffen” in Sachen Brustkrebstest dabei, wie er der RNZ sagte, “aus Interesse”. Finanziell beteiligt sei er aber nicht. Jürgen Harder bezeichnet er gegenüber der RNZ als “persönlichen Freund”.

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11. April 2019: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen auf. Genauer: die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim. Die Anweisung dazu habe die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erteilt, schreibt die “RNZ”:

Hintergrund der Ermittlungen soll unter anderem der Verdacht auf Kursmanipulation und Insiderhandel mit Aktien sein. Die “Bild”-Schlagzeile “Weltsensation aus Heidelberg” könnte in diesem Szenario eine gewichtige Rolle spielen, weil sie womöglich den Kurs einer Aktie in China beflügelt hat. Zwar gibt man sich bei der Justiz bedeckt und verweist lediglich auf erste Erkenntnisse durch die Berichterstattung der RNZ — ermittelt wird schließlich “in allen rechtlichen Belangen”. Dennoch kam schnell der Verdacht auf, dass hinter dem “Bluttest-Skandal” im Grunde ein Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz stecken könnte.

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14. April 2019: In der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (“FAS”) kritisiert die Leitende Ärztliche Direktorin des Klinikums, Annette Grüters-Kieslich, die Wortwahl der “Bild”-Zeitung:

“Die Schlagzeile einer Boulevardzeitung, die von einer Weltsensation in diesem Zusammenhang sprach, hat mich betroffen gemacht. Als Ärztin und Wissenschaftlerin hätte ich niemals von einer Weltsensation gesprochen; ich habe eine solche Wertung stets als vollkommen irreführend angesehen.” Man sei damit befasst, die Verantwortlichkeiten zu klären und werde die Öffentlichkeit so schnell wie möglich informieren.

Zudem deckt die “FAS” neue Details auf. So sei für die PR-Kampagne unter anderem Christina Afting zuständig gewesen — die frühere Büroleiterin von Kai Diekmann bei “Bild”. Mit der “Bild”-Berichterstattung, so Afting, habe sie jedoch nichts zu tun gehabt. Laut “FAS” soll die PR-Kampagne etwa 80.000 Euro gekostet haben.

Neben den Staatsanwälten aus Mannheim würden sich demnächst auch Spezialermittler des Landeskriminalamtes mit dem Fall befassen, schreibt die “FAS”.

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Heute: Noch sind eine Menge Fragen offen. Fest steht aber: Viele Details wären ohne die hartnäckige Arbeit einiger Journalisten, vor allem von “Riffreporter” Jan-Martin Wiarda und den Journalisten der “Rhein-Neckar-Zeitung”, wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt. Und: Obwohl die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung, insbesondere die Bezeichnung als “Weltsensation”, von Experten als verantwortungslos und selbst von der Klinikleitung als “vollkommen irreführend” gewertet wird, steht sie auch heute noch unverändert online.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Nachtrag, 26. April: Wir haben die Überschrift und den ersten Absatz geändert, weil der Eindruck entstehen konnte, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache gegen Kai Diekmann ermittelt. Dem ist nicht so.

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Nachtrag 2, 26. April: Inzwischen liegt der “RNZ” die Rechnung für die PR-Kampagne vor, die die Düsseldorfer Beratungsagentur Deekeling Arndt Advisors an die Heiscreen GmbH geschickt hat:

79.420,78 Euro rechnen die Berater ab. Sie übernahmen das gesamte Projektmanagement rund um die PR-Kampagne: das Kommunikationskonzept, die Pressemitteilung, die Pressekonferenz am 21. Februar auf einem Kongress in Düsseldorf sowie die Beantwortung und Koordination von Medienanfragen.

Besonders intensiv abgestimmt wurde die Kampagne offenbar in den zehn Tagen vor dem großen Aufschlag am 21. Februar. “Tägliche Telefonkonferenzen zwischen dem 12. und 22. Februar 2019”, listet die Agentur auf. In Rechnung gestellt werden “enge telefonische Abstimmungen und Rücksprachen” unter anderen mit dem früheren “Bild”-Chef Kai Diekmann, Heiscreen-Geschäftsführer Dirk Hessel, den Bluttest-Erfindern Sarah Schott und Christof Sohn, Harders Anwalt Thomas Dörmer sowie Doris Rübsam-Brodkorb, der Pressesprecherin des Universitätsklinikums.

Bemerkenswert ist die enge Abstimmung mit Kai Diekmann, dem Ex-Chefredakteur der “Bild”-Zeitung und persönlichen Freund von Jürgen Harder. Dazu passt: Die Rechnung hat Christina Afting geschickt. Sie ist “Managing Director” bei der Agentur — und leitete früher das Büro Diekmann bei der “Bild”.

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23.Mai: Das Blog “Medwatch” berichtet, dass der Test “anders als bislang kommuniziert nicht nur nicht marktreif ist — sondern eigentlich wertlos.” Das gehe aus Unterlagen hervor, die “Medwatch” von der Pressestelle der Uniklinik erhielt.

Demnach erhält fast jede zweite gesunde Frau einen falsch positiven Befund — was bislang öffentlich nicht thematisiert wurde. Bei Frauen, die älter als 50 Jahre sind, ist der Wert etwas besser: Bei diesen erhält gut jede vierte gesunde Frau einen falschen Krebsbefund, doch übersieht der Test bei zwei von fünf Brustkrebspatientinnen über 50 den Tumor.

Als besonders vielversprechend bezeichnete die Uniklinik den Test für Frauen bis 50, sowie für Hochrisikopatientinnen mit genetischen Mutationen. Dabei schlägt der Test bei der jüngeren Gruppe von Brustkrebspatientinnen zwar in 86 Prozent aller Fälle korrekt an, doch liegt hier die Spezifität bei nur 45 Prozent: Der Test liefert also bei 55 Prozent der gesunden Frauen einen falsch positiven Befund. Bei Hochrisikopatientinnen liegt die Sensitivität bei 90 Prozent, doch wiederum erhält mehr als jede zweite gesunde Frau einen falschen Krebsbefund. Dies hieße, dass ein Großteil aller Frauen, die über den Bluttest einen Krebs-Befund erhalten, in Wahrheit gesund sind.

“Medwatch” kritisiert auch die Berichterstattung verschiedener Medien, etwa die des “Focus”, der auch noch einen Monat nach Lautwerden der Zweifel titelte: “Die Sensation aus Heidelberg: Mit Bluttest Brustkrebs erkennen”.

Focus-Titselseite: Wie wir den Krebs besiegen - Mediziner können immer mehr Krebsarten erfolgreich behandeln - kleiner Schlagzeile auf der Titelseite: Die Sensation aus Heidelberg - Mit Bluttest Brustkrebs erkennen

Die “Bild”-Zeitung habe ihre Leser “bislang noch nicht über die weiteren Entwicklungen” informiert, schreibt “Medwatch”. Auf “mehrere Fragen zur Berichterstattung über den Bluttest” habe der Axel-Springer-Verlag geantwortet: “Bitte haben Sie Verständnis, dass wir redaktionelle Prozesse und Entscheidungen grundsätzlich nicht kommentieren.”

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16. August: Der Deutsche Rat für Public Relations hat die “Täuschung der Öffentlichkeit im Fall HeiScreen” gerügt:

Nach intensiver Überprüfung und Anhörung aller beteiligten Parteien hat der Deutsche Rat für Public Relations dem Vorstand des Universitätsklinikums Heidelberg und der HeiScreen GmbH eine Rüge wegen bewusster Falschbehauptung und Täuschung der Öffentlichkeit ausgesprochen. (…)

Der Rat hatte sich zur Prüfung des Falles entschieden und sieht es als erwiesen an, dass beide Parteien bei der Vorstellung des „neuen“ Verfahrens zur Diagnose von Brustkrebs eine öffentliche Produktvorstellung zugelassen und begleitet haben, die weder in Wortwahl, Zeitpunkt und Format angemessen, noch im Hinblick auf abgeschlossene Studien und die angekündigte Marktreife der Wahrheit entsprochen hat.

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29. August: Nach mehrfacher Beschwerde beim “Ombudsmann” hat “Bild” nun eine Anmerkung unter den Artikeln veröffentlicht (Links im Original):

Aktualisierung – August 2019
Die Uniklinik Heidelberg hat mittlerweile zurückgenommen, dass der oben beschriebene Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs noch dieses Jahr auf den Markt kommen wird.

Eine unabhängige Prüfkommission hat als Zwischenergebnis unter anderem veröffentlicht, dass der Test zu früh der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, es „Führungsversagen“ und „Machtmissbrauch“ an der Universitätsklinik gab.

Inzwischen sind der Medizin-Dekan der Heidelberger Uniklinik sowie zwei Mitglieder des Vorstandes zurückgetreten. Außerdem wurde dem Direktor der Unifrauenklinik für drei Monate die Lehr- und Forschungserlaubnis entzogen.

BILD veröffentlichte am 21. Februar 2019 einen Artikel über den neuen Bluttest. Der Text basierte auf einer offiziellen Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg, in der der neue Test als „revolutionäre Möglichkeit“ und als „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ bezeichnet wurde, sowie auf einem autorisierten Interview. Der Test wurde am 21.2. außerdem auf dem Gynäkologen-Kongress in Düsseldorf vorgestellt.

Wie geht es mit dem Test nun weiter? Das ist im Moment unklar. Abzuwarten bleibt, was die angekündigten größeren Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des Tests ergeben. Dass diese noch ausstehen, hatte Bild direkt zu Anfang geschrieben (siehe hier). Die Ergebnisse lassen aber weiterhin auf sich warten.

BILD informiert, sobald es neue, fundierte Angaben zum Test gibt.

Sonst hat sich aber nichts geändert. Überschrift, weiterhin: “Warum dieser Test eine Weltsensation ist”.

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13. September: Nun wurde die Berichterstattung auch vom Deutschen Presserat gerügt:

Eine Rüge erhielt BILD.DE für die Veröffentlichung einer Exklusiv-Geschichte unter der Überschrift „Erster Blut-Test erkennt zuverlässig Brustkrebs“ über einen von Heidelberger Forschern entwickelten Brustkrebs-Test. Der Beschwerdeausschuss stellte Verstöße gegen die gebotene Sorgfalt in der Medizin-Berichterstattung (Ziffern 2 und 14 des Pressekodex) fest. Der Artikel über das als „medizinische Sensation“ beschriebene Testverfahren beruhte allein auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums und Aussagen der beteiligten Forscher und war geeignet, unberechtigte Hoffnungen bei Betroffenen zu wecken. Wie sich später herausstellte, hatten die Forscher den Stand des Testverfahrens positiver dargestellt, als es dem Forschungsstand entsprach. Die Redaktion hatte bei ihrer exklusiven Berichterstattung versäumt, die gemachten Angaben durch weitere Quellen zu überprüfen.

Braunes Geblubber, Head Full of Fördergeld, Leistungsschutzlügen

1. “Facebook-Pranger” von “Bild” bleibt unzulässig
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der sogenannte Facebook-Pranger, den die “Bild”-Zeitung 2015 aufgestellt hatte, bleibt unzulässig. Dies entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe und lehnte Springers Wunsch nach einer Revision ab. “Bild” hatte in Print und online fremdenfeindliche Facebook-Kommentare samt Nutzerfotos und Namen der Kommentierenden veröffentlicht und selbst von einem “Pranger” gesprochen. Während der Presserat diese Art der Berichterstattung 2015 noch für zulässig gehalten hatte, verurteilte das Oberlandesgericht München diese Praxis ohne Zulassung weiterer Rechtsmittel. Dies wurde nun vom BGH bestätigt.

2. Verständnis für Rechtsextreme
(taz.de, Ralf Leonhard)
Der österreichische Milliardär und Unternehmer Dietrich Mateschitz (Red Bull) sponsert nicht nur diverse Extremsportler wie den “Stratosphärenspringer” und politisch rechtsaußen stehenden Felix Baumgartner, sondern besitzt auch den Fernsehsender “Servus TV”. Damit fördere der Brauseabfüller auch die Verbreitung rechten Gedankenguts, so der Vorwurf von Kritikern.

3. Nur 155 Zuschauer: Til-Schweiger-Film scheitert spektakulär
(ostsee-zeitung.de)
Til Schweigers “Head Full of Honey” lockte am Wochenende gerade mal 155 Zuschauer in die Kinos — bei 86 im Umlauf befindlichen Kopien … klingt unwirtschaftlich, oder? Ist es aber nicht unbedingt, denn die 4,6 Millionen Euro deutsche Fördergelder sind an den deutschen Kinostart gekoppelt.

4. Das Lügen geht weiter
(golem.de, Friedhelm Greis)
Selbst nach der Abstimmung über die EU-Urheberrechtsreform würden die “Lügen für das Leistungsschutzrecht” weitergehen, konstatiert Friedhelm Greis in seiner Analyse. Besonderen Unmut ruft bei ihm ein Interview des Springer-Vorstands und BDZV-Chefs Mathias Döpfner hervor, das “so viele Falschbehauptungen und Verdrehungen enthält, dass man gar nicht weiß, wo man mit den Richtigstellungen anfangen soll.” Greis fordert: “Auf dieser Basis darf die Regierung nicht final den Plänen zum Leistungsschutzrecht zustimmen.”

5. Wa(h)re Verbrechen: Der True-Crime-Boom
(ndr.de, Christine Seidemann, Video: 5:48 Minuten)
Sogenannte True-Crime-Formate erfreuen sich großer Beliebtheit, ob im Print, Fernsehen oder als Podcast. Das Medienmagazin “Zapp” hat mit zwei hochkarätigen Experten über den Boom des Genres gesprochen: Mit Giuseppe Di Grazia (“Stern Crime”) und mit Sabine Rückert (“Zeit Verbrechen”). Eine derart breite mediale Beschäftigung mit besonders spektakulären Gewalttaten könne jedoch dazu beitragen, dass die Kriminalitätsfurcht steigt, warnt Bernd-Rüdiger Sonnen, Rechtswissenschaftler von der Uni Hamburg.

6. Was labert der? Die Sprache der Nummer-Eins-Hits in Deutschland
(einfacherdienst.de)
Von der Mitte der Neunzigerjahre bis in die jüngste Vergangenheit kritisierten viele Menschen die Übermacht englischsprachiger Musik im Radio. Und immer wieder gab es seine Diskussion um eine Quote für deutschsprachige Musik. Eine Debatte, die sich heutzutage nicht mehr stellt: Sämtliche Lieder der Top 10 der MTV-Single-Charts haben deutschsprachige Texte. (Wobei Bandnamen und Songtitel teilweise nicht ohne die englische Sprache auskommen. Aber “Kirsche Kirsche Dame” von “Hauptstadt Büstenhalter” beziehungsweise “Besitztumsbruder” klinge zugegebenermaßen auch etwas irritierend.)

Böhmermann verklagt Merkel, Polizei interviewt sich, Zitat ohne Verstand

1. Drohung wahr gemacht: Böhmermann klagt gegen Merkel
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Jan Böhmermann verklagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Durch ihre Äußerungen in Sachen Erdogan-Schmähgedicht (“bewusst verletzend”) habe die Kanzlerin eine “juristische Bewertung” vorgenommen, die ihr nicht zugestanden und für den Satiriker “erhebliche Folgen” gehabt habe. Mitte April soll das Berliner Verwaltungsgericht entscheiden, ob die Kanzlerin ihre Worte zurücknehmen muss.

2. Polizei interviewt sich selbst
(deutschlandfunk.de, Felicitas Boeselager, Audio: 4:07 Minuten)
Immer öfter nutzt die Polizei die sozialen Netzwerke als Verlautbarungs- und Informationskanal. Ob mit kurzen Tweets oder ganzen Videobeiträgen, wie in einem aktuellen Fall in Bremen. Dort hatte die Polizei ein professionell geschnittenes Video mit Informationen und Bildern von einer Razzia im Rahmen von Clan-Ermittlungen veröffentlicht. Der Deutsche Journalisten-Verband Bremen kritisiert, dass nicht zunächst Medienanfragen bearbeitet wurden: “Wenn es Anfragen gibt von Journalisten, dann müssen die zunächst beantwortet und bedient werden. Und erst danach kann ich als Pressestelle natürlich auch mein eigenes Material drehen, für die Verwendung auf Facebook. Oder ich kann eine Pressemitteilung schreiben, keine Frage. Aber zunächst muss ich die Journalisten bedienen und darf die nicht vertrösten und dann mit meinem eigenen Material auf den Markt kommen.”
Weiterer Lesehinweis: Polizei will “sensibler formulieren”: “Seit Jahren kritisieren schwul-lesbische Verbände den Begriff “Homosexuellen-Milieu”. Die Kölner Polizei will jetzt auf den Begriff verzichten.” (taz.de, Frederik Schindler).

3. Medien-Kolumne: Willkommen in der Lokalsport-Zentrale
(kress.de, Steffen Grimberg)
Der ehemalige “taz”-Medienjournalist und frühere “Zapp”-Redakteur Steffen Grimberg schreibt ab sofort regelmäßig eine Medien-Kolumne bei “kress”. In der ersten Ausgabe geht es um den Ab- und Umbau bei der Funke Mediengruppe.

4. Wie stark hängen Psychosen mit dem Cannabiskonsum zusammen? Kann uns eingefrorenes vorpubertäres Hodengewebe vor späterer Unfruchtbarkeit schützen? Science Media Newsreel No. 42
(meta-magazin.org)
Das “Science Media Newsreel” beschäftigt sich regelmäßig mit den wissenschaftlichen Themen bzw. Studien, die Einzug in die allgemeine Berichterstattung fanden. Diesmal dabei: Eine Studie aus “Lancet Psychiatry” zur Frage, wie stark Psychosen mit Cannabiskonsum zusammenhängen. Außerdem eine zunächst bei “Science” veröffentlichte Studie zur Frage, ob eingefrorenes vorpubertäres Hodengewebe vor späterer Unfruchtbarkeit schützen kann.

5. Schmerzfrei
(sueddeutsche.de, Werner Bartens)
Stolze 4,9 Millionen Exemplare beträgt die Auflage der “Apotheken Umschau”, die zweiwöchentlich kostenlos an Kunden abgegeben wird. Nun bringt Burda mit “My Life” ein konkurrierendes Gratisheft auf den Markt. Werner Bartens hat sich das Blatt angeschaut und allerlei Unausgewogenes sowie “Ankündigungs-Prosa” entdeckt.

6. Presserat erklärt “Focus Money” die Bedeutung von Anführungszeichen
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
“Wer Verstand hat, kauft Gold”: In großen Lettern titelte “Focus Money” dieses vermeintliche Zitat von Alan Greenspan. Das Problem: Sowas hat der frühere Notenbankchef weder wörtlich noch sinngemäß gesagt. Der Presserat hat dem wenig einsichtigen “Focus Money”-Chefredakteur Frank Pöpsel nun in aller Ruhe erklärt, was ein Zitat ist (Setzung in Anführungszeichen, “die gemeinhin als Konvention für wörtliche Zitate bekannt ist”) und eine Rüge ausgesprochen.

Bild.de macht Greta Thunberg zur Atomkraft-Aktivistin

Wie man aus der angeblich “ehrlichsten Antwort” die verlogenste Zusammenfassung macht, zeigt heute “Bild”-Autor Josef Nyary.

Nyary schaut sich regelmäßig Polit-Talkshow im Fernsehen an und fasst sie anschließend für “Bild” und Bild.de zusammen. Gestern lief im Ersten “Anne Will”, Thema: “Streiken statt Pauken — ändert die Generation Greta die Politik?” Mit der titelgebenden Greta Thunberg hatte Moderatorin Anne Will zuvor ein Interview geführt, von dem ein längerer Ausschnitt auch in der Sendung zu sehen war. Josef Nyary schreibt dazu:

Screenshot Bild.de - Ehrlichste Antwort - Sind Sie für Atomkraft?, fragt die Talkmasterin als nächstes. Die Zuschauer sind gespannt und Klima-Greta lässt sie nicht lange warten: Atomkraft ist nicht die Zukunft, meint sie. Aber die Atomkraft kann ein kleiner Teil einer Lösung ohne fossile Brennstoffe sein. Rumms! Was sagt Habeck dazu? Der Grünen-Chef macht keinen Mucks.

Das ist eine bemerkenswert freie Zusammenfassung von Thunbergs Antwort. Tatsächlich sagte die 16-Jährige (ab Minute 23:36):

Anne Will: Zuletzt hieß es, Sie seien für Atomkraft. Stimmt das?

Greta Thunberg: Persönlich: nein. Aber ich meine, Atomkraft ist nicht die Zukunft. Sie ist nicht erneuerbar. Aber nach Meinung des Weltklimarats, nicht meiner Meinung nach, nach Meinung des Weltklimarats kann Atomkraft ein kleiner Teil einer großen Lösung für Energie ohne fossile Brennstoffe sein in Ländern, in Regionen, in denen die Option 100 Prozent erneuerbarer Energie nicht besteht. Aber ich meine, Atomkraft ist sehr gefährlich, teuer und zeitaufwendig.

Sie zitiert also nur das häufig als “Weltklimarat” bezeichnete Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Und sie betont extra noch mal, dass das nicht ihre Meinung ist. Bei Bild.de machen sie daraus:

Screenshot Bild.de - Schulstreik-Zoff bei Anne Will - Klima-Greta - Atomkraft kann Teil der Lösung sein

In der längeren, englischen Originalversion des Interviews ist Thunbergs Antwort (ab Minute 18:50) noch etwas ausführlicher:

Anne Will: Recently, it has been said that you are in favor of nuclear power. Are you?

Greta Thunberg: Personally, no. I mean nuclear power is not the future. It’s not renewable. But according to the IPCC, not according to me, according to the IPCC nuclear power can be a small part of a very big new fossil free energy solution in countries, in areas that lack the possibility of 100 percent renewables. But I mean nuclear power is very dangerous, expensive and time consuming. I mean just ask a scientist if we were to replace fossil fuels with nuclear power: How many new nuclear power plants we will have to build each week within the time frame of the Paris Agreement to reach the Paris Agreement? And how much money that will cost? How much time it takes to build nuclear power? And how much it takes from our remaining carbon budgets? But if we should talk about these things, we should talk about energy efficiency and especially reducing our energy demand. But still we can’t keep focussing on these small things. We need to realize that there are no solutions within these current systems. And we need to see the whole picture and to have a holistic view on climate crisis.

Anne Will: Let me follow up. If one wants to stop the emissions — and that is what you want: not to lower them but to stop the emissions — is it then possible to avoid nuclear energy in your understanding?

Greta Thunberg: Ask scientists. That is something I can’t speak out on because I don’t have that scientific education. That is such a big decision that we need to have scientific evidence and scientific based recommendations on what we should do. So, I can’t say what we should do.

Diese komplette Verzerrung von Greta Thunbergs Aussage passt ganz gut zu Josef Nyarys gesamter “TALK KRITIK”: Höhnisch schreibt er, eine “Fridays for Future”-Aktivistin komme “aus der Schülervertretungsszene”, Thunberg sei “ein Milchgesicht aus Pipi-Langstrumpf-Land”, ZDF-Moderator Harald Lesch (den Nyary fälschlich bei der ARD einsortiert) sei ein “Angstmann”, und die Grünen seien die “erfolgreichste deutsche Bevormundungspartei”.

Interessant ist auch Nyarys Seitenhieb Richtung Grünen-Chef Robert Habeck (“Rumms! Was sagt Habeck dazu? Der Grünen-Chef macht keinen Mucks.”). Was Nyary nicht schreibt: Habeck konnte gar keinen “Mucks” machen, schließlich war das eingespielte Interview mit Thunberg aufgezeichnet und lief nach der Frage zur Atomenergie noch einige Zeit weiter. Aber wie soll man sowas als “Bild”-Talkshow-Kritiker auch mitbekommen, wenn man zu diesem Zeitpunkt schon damit beschäftigt ist, Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen?

Dazu auch:

Mit Dank an Andreas P., Farid A. und @EvaStegen für die Hinweise!

Nachtrag, 3. April: “Bild”-Polittalk-Kritiker Josef Nyary hat es schon häufiger auf Grünen-Chef Robert Habeck abgesehen. Bei einer früheren “TALK KRITIK” aus dem Juli 2018 etwa hieß es in der Dachzeile: “AUSRASTER BEI ‘ILLNER'”, in der Überschrift: “Grünen-Chef Habeck brüllt CSU-Staatssekretärin nieder” und in einer Zwischenüberschift: “Brüll-Attacke des Jahres”. Nyary schreibt:

Da ist der nette Herr Habeck auf einmal gar nicht mehr souverän. “Sie vergiften den Diskurs!”, donnert er die Staatsministerin an. (…) “Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!” brüllt er die CSU-Frau an.

Das ist alles ziemlicher Unsinn — von “niederbrüllen”, “anbrüllen” oder der “Brüll-Attacke des Jahres” findet man in der Sendung (ab Minute 59:00) nichts. Daher gab es wegen des Verstoßes gegen das Wahrhaftigkeitsgebot auch einen Hinweis vom Deutschen Presserat für Nyarys Text.

Mit Dank an Johannes K. für den Hinweis!

Lobbyismus und Dirty Campaigning, Axel V.s 500 Freunde, Inszenierungen

1. EU-Urheberrechtsreform: Zensur ist nicht der Zweck
(wolfgangmichal.de)
Als Musterbeispiel der Irreführung bezeichnet Wolfgang Michal den Streit um die europäische Urheberrechts-Reform: “Nicht die Zensur von Inhalten, sondern die Pflicht zur Lizenzierung ist der Kern der EU-Urheberrechtsreform: Handlungen sollen nicht verhindert, sondern zu Geld gemacht werden. Die entscheidenden Fragen sind also: Wohin fließt das Geld? Und: Wer macht durch fortschreitende Kommerzialisierung das “freie Internet” kaputt?”
Weiterer Tipp: Stefan Niggemeier hat sich im “Deutschlandfunk” zum Lobbyismus der Zeitungen in eigener Sache geäußert. Niggemeier kritisiert die einseitige und teilweise verzerrende Berichterstattung und nennt dafür auch Beispiele (deutschlandfunk.de, Audio: 5:44 Minuten).
Der Jurist Thomas Stadler kommentiert auf seinem Blog: “Das was wir hier beobachten können, ist nichts anderes als eine Form des Dirty Campaignings, bei dem die Grenzen zwischen politischem Lobbyismus und Journalismus verschwimmen. Diese Form der politischen und medialen Auseinandersetzung scheint endgültig auch hierzulande angekommen zu sein und sie benutzt dieselben Techniken, die einen Trump an die Macht gebracht und den Brexit ermöglicht hat.” (internet-law.de).
Und noch ein Lesetipp: Die “FAZ” konnte anscheinend Unterlagen einsehen, welche die Haltung der Bundesregierung in Sachen Urheberrechtsreform in ein neues Licht rücken würden: “Demnach soll Deutschland auch deshalb den Kompromiss mittragen, weil diese Haltung mit einem vollkommen anderen Projekt verknüpft wurde, nämlich mit einem Zugeständnis Frankreichs im Streit um die Nord-Stream-2-Gaspipeline. So schätzt es jedenfalls ein mit der Sache befasster Beamter ein.”

2. Das Axel-Voss-Interview von @frauhegemann, annotiert. Ein Drama in 13 Tweets.
(twitter.com/SimonHurtz)
Der Journalist Simon Hurtz nimmt auf Twitter das aktuelle “Zeit”-Interview mit Axel Voss (CDU), dem “Vater der Urheberrechtsreform”, auseinander. Die Lektüre des Gesprächs lohnt, wenngleich man im Verlauf immer fassungsloser wird. Zum Ende hin behauptet Voss nämlich, man könne für 500 Facebook-Freunde fremde Texte online stellen, weil dies ein “geschlossener Kreis” sei. Eine interessante rechtliche These und höchst fraglich, ob dies die Verleger ebenso sehen. Aber Voss hat ja eh interessante Internet- und Rechtsauffassungen. Siehe auch: Axel Voss will nicht sagen, ob er Fotos geklaut hat, und löscht stattdessen 12 der 17 fraglichen Facebook-Beiträge (buzzfeed.de, Karsten Schmehl & Marcus Engert).

3. “Wir bekommen wahnsinnig gute Kommentare auf Facebook und wahnsinnig beknackte”
(journalist-magazin.de, Leif Kramp & Stephan Weichert)
Das Medienmagazin “journalist” hat mit Torsten Beeck gesprochen, dem “Leiter Platform Partnerships & Engagement” bei “Spiegel Online”. Es geht um Nutzerbeteiligung und Partizipationskultur, vor allem auf den großen Plattformen wie Facebook. Beeck kritisiert den Umgang der deutschen Medien mit Kommentaren insgesamt: “Ich finde, dass es in Deutschland keiner schafft, Nutzern halbwegs auf Augenhöhe zu begegnen. Es geht oft nur um die Möglichkeit, Traffic zu generieren. Es ist nicht so, dass Redaktionen sich inhaltlich dafür interessieren, was ihre Nutzer da schreiben. Ich kenne keine.”

4. Angebliche Staatsgefährdung: Ministerien halten Namen von Lobbyisten unter Verschluss
(abgeordnetenwatch.de, Sabrina Winter)
Die Transparenz-Initiative abgeordnetenwatch.de hat bei den Ministerien nachgefragt, welche Lobbyisten dort ungehindert ein und aus gehen können, weil man ihnen einen sogenannten Hausausweis ausgestellt habe. Einige Bundesministerien würden ein großes Geheimnis daraus machen und brächten zweifelhafte Gründe dafür an. So antwortete das Verteidigungsministerium: “Das Bekanntwerden der Information [kann] nachteilige Auswirkungen auf militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr haben.”

5. taz durfte Namen nennen
(blogs.taz.de, Patricia Hecht)
Der Presserat hat entschieden: Die “taz” durfte den Namen des notorischen Ärzte-Anzeigers Yannic Hendricks nennen. Hendricks habe anonymisiert Interviews über seine Anzeigen gegeben “und damit eine breite öffentliche Diskussion zu diesem Thema befeuert”. Damit habe er sich zu einer Person des öffentlichen Interesses gemacht, so der Ausschuss.

6. Die Selbstinszenierung der Parteien
(zdf.de, Florian Neuhann, Video: 3:42 Minuten)
Die ZDF-Sendung “Berlin Direkt” berichtet über die Selbstinszenierung in der Politik: Immer mehr Parteien und Ministerien produzieren ihre Nachrichten selbst — teilweise in eigens dafür eingerichteten Studios unter professionellen Bedingungen. Die Absicht: Totale Kontrolle über Inhalte und Wirkung und das Vermeiden von lästigen Journalistenfragen.
Weiterer Lesetipp: Die Wissenschaftler Jan Rau (GESIS-Leibniz Institut für Sozialwissenschaften) und Felix M. Simon (Reuters Institute for the Study of Journalism) beschäftigen sich mit dem Thema Agenda Setting der Parteien im Internet, speziell mit der AfD, und den Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie: Agenda Setting im Internet: Rechts(außen) führt, der Rest folgt (hamburger-wahlbeobachter.de).

Wie “Bild” den Terroristen hilft

Alle Täter haben sich an anderen orientiert, besonders an den Amokläufern der Columbine Highschool. Die Tat war medial besonders inszeniert — einer der Täter hatte eine Homepage, über die er seinen Hass verbreitet hat. Außerdem ist ein Video eines Teils dieser Tat ins Internet gelangt. Das ist Nachahmungsmaterial für Pubertierende, die Vorbilder suchen: Sie sehen die Klamotten der Täter, sehen, wie sie herumstolzieren.

sagt die Kriminologin Britta Bannenberg auf die Frage, welche Rolle Vorbilder für Amoktäter spielen.

Schulamokläufer und Terroristen sichern sich durch das kalkulierte Ausüben von Gewalt einen Platz in den Schlagzeilen der Weltpresse. Sie folgen damit einer bewährten Kommunikationsstrategie, die ebenso menschenverachtend wie durchschaubar ist. Dieses Kalkül der Täter geht insbesondere dann auf, wenn Medien die destruktiven Botschaften der Täter ungefiltert weitertragen. Sie verbreiten auf diese Weise Angst in der Gesellschaft, belasten die Opfer und liefern im schlimmsten Fall eine Inspiration für Nachahmer.

schreiben die Wissenschaftler Frank J. Robertz und Robert Kahr zu ihrem Sammelband “Die mediale Inszenierung von Amok und Terrorismus”.

Die Identifikation mit früheren Tätern, die durch die extensive Berichterstattung berühmt geworden sind, einschließlich der Veröffentlichung ihrer Namen, Gesichter, Lebensgeschichten und Hintergründe, löst einen mächtigeren Schub in Richtung Gewalt aus als psychische Erkrankungen oder der Zugang zu Waffen.

schreiben Jennifer Johnston und Andrew Joy von der Western New Mexiko University in einer Studie.

Wie viel und vor allem welche Berichterstattung ist angemessen? Wo verläuft die Grenze zwischen richtiger und notwendiger Information der Öffentlichkeit und einer Berichterstattung, die den Terroristen in die Hände spielt?

Beim Terrorismus geht es nicht in erster Linie ums Töten. Es geht vielmehr um das “Terrorisieren”, es ist eine spezielle Form der Provokation. Eine Tat, die keine Verbreitung findet, ist daher nutzlos.

schreibt Wissenschaftler Peter R. Neumann zusammen mit Georg Mascolo.

Wir zeigen diese Bilder ganz bewusst. Wir glauben, dass wir diese Bilder zeigen müssen.

… schreibt “Bild”-Chef Julian Reichelt. Er meint damit die “Bilder und Sequenzen aus dem Video, das der rechtsextreme Terrorist von Christchurch während seiner abstoßenden Tat anfertigte.” Am vergangenen Freitag erschoss ein Mann in der neuseeländischen Stadt offenbar gezielt Muslime in zwei Moscheen. 50 Menschen starben.

Schon kurz nach den ersten Meldungen über Schüsse in Christchurch veröffentlichte Bild.de einen Zusammenschnitt der Aufnahmen des Attentäters, die dieser auf seiner Facebook-Seite live streamte. Die Redaktion warb auf ihrer Startseite mit dem Hinweis “MIT VIDEO” um Klicks:

Screenshot Bild.de - Terror-Angriff auf zwei Moscheen in Christchruch (Neuseeland) - 49 Menschen tot - 17 Minuten Mord-Feldzug - Killer filmte, wie er Männer, Frauen, Kinder erschießt. Lasst die Party beginnen, sagt er am Anfang der Aufzeichnung - Mit Video
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Zu dieser Zeit bat die neuseeländische Polizei bei Twitter darum, das Video nicht zu verbreiten. Bild.de zeigt es trotzdem. Die Redaktion hat jene Videosequenzen rausgeschnitten, in denen Menschen erschossen werden; sie zeigt stattdessen Standbilder daraus. Darauf sind Leichen und Blut zu sehen, auch ein Opfer, das direkt vor dem Täter steht, kurz bevor es erschossen wird. Schüsse sind zu hören.

Als gäbe es keine Abstufungen zwischen dem Zeigen dieses ganzen Materials auf der einen Seite des Spektrums und Trauer auf der anderen, schreibt “Bild”-Chef Reichelt:

Aber Trauer allein reicht im Journalismus nicht. Trauer ist keine journalistische Disziplin. Journalismus muss zeigen, was geschehen ist. Journalismus ist dazu da, Bilder der Propaganda und Selbstdarstellung zu entreißen und sie einzuordnen.

Nur findet man diese Einordnung im Zusammenschnitt von Bild.de nicht. Die Redaktion blendet ein paar Sätze ein, in denen steht, was man gerade sieht. Das war’s. Ansonsten ist es das bloße Abspulen der vom Täter erstellten und von Bild.de gekürzten Aufnahme. Reichelt und sein Team reichen die “Propaganda und Selbstdarstellung” lediglich weiter. Worin soll hier ein Informationswert stecken? Welche Erkenntnis liefern die Bilder, die man nicht durch das einfache Beschreiben erreichen könnte? Worin steckt der aufklärerische Wert? Bild.de verbreitet die Aufnahmen, die der Attentäter verbreiten wollte. Die Redaktion hilft ihm beim Versuch, Aufmerksamkeit zu generieren, Angst zu machen und sich zu inszenieren, wie sie es schon bei früheren Attentaten und Amokläufen getan hat. Reichelt schreibt in seinem Kommentar, durch Journalismus werde “aus einem Ego-Shooter-Video ein Dokument, das Hass demaskiert und aufzeigt, was der Terrorist von Christchurch ist: kein Kämpfer, kein Soldat.” Nein, bei Bild.de bleibt das Ego-Shooter-Video ein Ego-Shooter-Video. Auch wenn Reichelt die Entscheidung weiter rechtfertigt:

Das Video des Massakers ist online überall genauso verfügbar, wie der Täter es wollte. Journalismus darf solche Bilder aber nicht Social Media überlassen.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass es hauptsächlich darum geht, Social Media nicht die Klicks zu überlassen.

Schaut man sich die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung vom Samstag an, wird noch einmal klar, wie fadenscheinig Reichelts Argumentation mit dem Einordnen ist. “Bild” bietet dem Täter, seinem Anschlag und seinem Manifest die Öffentlichkeit, die er sich gewünscht haben dürfte: die Titel- und fast eine komplette Doppelseite (die Opfer bekommen nur die untere rechte Ecke ab):

Ausriss Bild-Zeitung - Massenmord live im Internet - Das Protokoll des 17-Minuten-Massakers

Die journalistische Einordnung, von der Julian Reichelt spricht, sieht dann etwa so aus: Ein eigener Artikel dazu, welche Waffen der Täter dabeihatte. Es ist ein bloßes Runterrattern: Der hatte das dabei und das und das und davon zwei. Am Ende noch ein Hinweis, dass das eine Gewehr auch schon mal von einem anderen Attentäter eingesetzt wurde. Das soll die Einordnung sein, die alles ändert? Und welche einordnende Wirkung soll ein “Protokoll”, versehen mit reichlich Standbildern aus dem Video des Terroristen, haben?

Ähnlich schlimm wie “Bild” macht es die “B.Z.”:

Ausriss BZ-Titelseite - Auf der Waffe des Massenmörders steht for Berlin - Er tötete Unschuldige aus Rache für den Terror am Breitscheidplatz

Diese Titelseite, vermutlich das Ergebnis eines hirnrissigen Zwangs, alles möglichst aufs Lokale runterzubrechen, ist das Gegenteil von Einordnung. Sie verklärt. Sie übernimmt die Erzählung des Attentäters, dass es sich um Rache handelt — als könnte das Morden an Muslimen in Neuseeland tatsächlich irgendwie das Morden eines Islamisten in Deutschland rächen. “B.Z.”-Chrefredakteurin Miriam Krekel stellt es so dar, als wäre der rechtsextreme Terror in Christchurch eine zu erwartene Reaktion auf den Anschlag am Breitscheidplatz, wenn sie schreibt:

“Auge um Auge, Zahn um Zahn.” Unschuldige Gläubige sollen sterben, weil ein krankhaft “Gläubiger” am Breitscheidplatz unschuldige Menschen tötete. Die Tat zeigt einmal mehr, dass Rache und Hass mehr Rache und Hass hervorrufen.

Die Kritik an der Berichterstattung von Bild.de, “Bild” und “B.Z.” bedeutet natürlich nicht, dass Redaktionen das Attentat in Christchurch verschweigen sollten, so, wie sie kein Attentat verschweigen sollten. Sie sollten aber auch nicht zum medialen Handlangern eines rechtsextremen Terroristen werden. Eigentlich hat “Bild”-Briefonkel Franz Josef Wagner, den man nun wahrlich nicht oft als Positivbeispiel anführen kann, bereits 2011 alles gesagt, als er zum rechtsextremen Terror in Norwegen schrieb:

Wie geht man mit so einem Massenmörder um?

Zigarette? Kaffee, Wasser?

Galgen, Todesspritze?

Ich glaube, die höchste Strafe für den Attentäter wäre die Bedeutungslosigkeit. Nicht mehr über ihn zu berichten, seine Fotos nicht mehr zu zeigen, seine wirren Ideen nicht mehr im Internet zu lesen.

Dieser Typ will ja, dass alle Welt über seine Morde berichtet. Die Höchststrafe für diesen Psycho ist, dass er ein kleines Arschloch ist.

Dazu auch:

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 17. Juni: Bild.de hat für die Veröffentlichung der Videosequenzen vom Deutschen Presserat eine Rüge bekommen. Die Redaktion habe “sich zum Werkzeug des Täters gemacht”:

Mit der Veröffentlichung seiner Video-Ausschnitte bot die Redaktion dem Täter genau die öffentliche Bühne, die er haben wollte. BILD.DE verstieß damit gegen Richtlinie 11.2 des Pressekodex, wonach die Presse sich nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen darf. Zwar veröffentlichte die Redaktion unter der Schlagzeile „17 Minuten Mordfeldzug“ nicht die Taten selbst, sondern zeigte den mutmaßlichen Mörder auf dem Weg zu den Moscheen und beim Laden seiner Waffen. Diese Bilder reichten jedoch, um Assoziationen zu erzeugen, die weit über das berechtigte öffentliche Interesse an dem Geschehen hinausgingen. Auch die detaillierte, dramatisierende Schilderung und drastische Bebilderung im Begleittext zum Video bedienten nach Ansicht des Beschwerdeausschusses überwiegend Sensationsinteressen.

Hollywood-Interviews, RWEs “Sorry”, VDS-Wutbürger und -Witzfiguren

1. Hollywood-Interviews aus der Kopierfabrik?
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mehr als 100 hochkarätige Hollywood-Stars will Edmund Brettschneider interviewt haben, viele davon sogar mehrfach wie Pierce Brosnan, George Clooney, Dustin Hoffmann, Jennifer Lopez, Brad Pitt usw. usf. Die meisten der Interviews erschienen in Regenbogen-Postillen des Bauer Verlags, in “Das neue Blatt”, in “Woche Heute”, “Alles für die Frau”, “Das Neue” und in der “TV Movie” und. Medienkritiker und Boulevardspezialist Mats Schönauer (“Topf voll Gold”) hat sich für eine überaus spannende Recherche die Gespräche näher angeschaut. Es drängt sich die Frage auf, ob die Interviews wie beschrieben stattgefunden beziehungsweise ob sie überhaupt stattgefunden haben.
Im Medienmagazin “journalist” äußert sich Bauer-Verlagsleiter Ingo Klinge zu umstrittenen Schlagzeilen, zum Beispiel über Michael Schumacher, und den teils erdichteten Bauer-Geschichten: “Bei uns wird nicht gelogen, sondern allenfalls emotionalisiert und überzeichnet”.
Anmerkung des “6 vor 9”-Kurators: Klinge hat übrigens in seinem Haus alle Spiegel abgehängt, weil er seinen eigenen Anblick nicht erträgt. (Nach Klinge keine Lüge, sondern “allenfalls emotionalisiert und überzeichnet”.)

2. Wie haben vom Presserat “verurteilte” Medien 2018 reagiert?
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Die “Presserat” genannte freiwillige Selbstkontrolle der österreichischen Printmedien stellt heute ihren Jahresrückblick vor. Für das Medienwatchblog “Kobuk” ein guter Anlass, nach den Auswirkungen der Presserat-Entscheidungen zu schauen. Sind die kritisierten Medien der Aufforderung des Presserats gefolgt? Gab es überhaupt eine Reaktion oder wurde der Presserat mehr oder weniger ignoriert?

3. Die Fotografen haben Grönemeyer in eine Falle gelockt
(faz.net)
Das Kölner Landgericht hat zwei Pressefotografen (passender wäre “Paparazzi”) zu einjährigen Bewährungsstrafen verurteilt. Die beiden Männer hatten den Sänger Herbert Grönemeyer bei einer Begegnung am Flughafen Köln/Bonn in eine Falle gelockt. “Es war von vornherein ihr Ziel, ihn zu provozieren und dann seine wütende Reaktion zu filmen”, so der Richter des LG Köln. Die Behauptung der Fotografen, von Grönemeyer verletzt worden zu sein, ließe sich nicht belegen. Schlimmer noch: “Die Angeklagten haben sich diese Verletzungen selbst zugefügt oder sich zufügen lassen.”

4. Rechercheanfrage veröffentlicht: RWE entschuldigt sich bei der “taz”
(handelsblatt.com)
Der Energiekonzern RWE hat eine Rechercheanfrage der “taz” veröffentlicht und ist dafür vielfach kritisiert worden. Nun hat sich die Pressestelle des Unternehmens bei der “taz” entschuldigt. “Es steht jedem Unternehmen völlig frei, sich jederzeit in eigener Sache zu äußern”, so die stellvertretende “taz”-Chefredakteurin Barbara Junge: “Dass RWE dazu Journalisten vorführt, E-Mail-Korrespondenz veröffentlicht und damit Rechercheprozesse unterminiert, ist ein Novum. Es ist schlechter Stil und offenbart ein fragwürdiges Verständnis der Rolle von Medien. RWE hat sich bei unserem Autoren mittlerweile entschuldigt. Das ist auch angemessen.”

5. Der Kampf der deutschen Verlage gegen die Presse- und Meinungsfreiheit im Wandel der Zeit
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Das Jammern der Verlage über den Medienwandel hat anscheinend eine lange historische Tradition: Bereits 1850 hätten deutsche Presseverleger ein Urheberrecht auf Nachrichten durchsetzen wollen, weil angeblich das Telegramm ihr Geschäftsmodell ruiniere. Die ehemalige isländische Parlamentsabgeordnete Asta Helgadottir hat in einem Twitter-Thread zusammengetragen, welche Argumente über die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte noch bemüht wurden. Medienexperte Thomas Knüwer empfiehlt: “Wenn also das nächste Mal ein Chefredakteur oder Verlagsgeschäftsführer vom bösen Internet jammert oder über Urheberrechtsverletzungen klagt (die im Fall von Nachrichten übrigens vor allem in der Fantasie dieser Personen vorkommen), dann zeigen Sie ihm diesen Thread.”

6. Oh, fuck off
(taz.de, Daniel Kretschmar)
Der Verein Deutsche Sprache hat einen teilweise hölzern klingenden, auf seltsamen Annahmen basierenden und populistischen Aufruf gegen gendergerechte Sprache veröffentlicht (“Schluss mit dem Gender-Unfug”). Unterzeichnet wurde er von “lauter Witzfiguren und Wutbürger”, wie “taz”-Chef-vom-Dienst Daniel Kretschmar es ausdrückt: “Zu den mutigen Mahner*innen zählen solche bezahlten Witzfiguren wie Nuhr und Hallervorden, deren Wutbürgertum aus offensichtlichen Gründen gerade noch vor Invektiven wie “Staatsfunk” haltmacht. Dazu so nervtötend besserwisserische Gestalten wie Bastian Sick, der sein Geld seit Jahren damit verdient, Sprache zum Regelvollzug zu machen: ewiger Linguaknast ohne Freigang, aber dafür mit Genitiv-S. Kai Diekmann und ein paar Profen obendrauf und fertig ist der ideelle Gesamtkartoffelauflauf.”

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