Suchergebnisse für ‘LINK’

Rechercheverbieter AfD, Epoch Times, Instagram-Narzissmus

1. AfD will Recherche-Netzwerke verbieten
(mdr.de)
Im Landtag von Sachsen-Anhalt ging es gestern um die Recherchenetzwerke “rechercheMD” und “Sachsen-Anhalt rechtsaußen”, die sich unter anderem mit rechtsextremen Verstrickungen der AfD in Sachsen-Anhalt befasst hatten. In den Augen der AfD-Fraktion handelt es sich um “kriminelle Vereinigungen” und einen zentralen Baustein des Linksextremismus im Land. Die AfD verlangte deshalb ein Verbot der Recherchenetzwerke durch die Landesregierung. Die anderen im Landtag vertretenen Parteien sahen die Sache anders und lehnten den AfD-Antrag ab.

2. Lebenslang Lebemann
(spiegel.de, Christoph Twickel)
Hugh Hefner ist der Gründer und Chefredakteur des US-amerikanischen Männermagazins “Playboy”. Vorgestern verstarb der exzentrische Lebemann im Alter von 91 Jahren. Im Nachruf auf “Spiegel Online” geht es um das Leben des von Feministinnen und Konservativen gleichermaßen angefeindeten Verlegers und die Höhen und Tiefen seines Bunny-Unternehmens.

3. Tadel verpflichtet
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Vor Jahrzehnten schlich sich Günter Wallraff als schneidiger Boulevardjournalist “Hans Esser” bei “Bild” ein, heutzutage ist sein Namen mit Enthüllungsfilmen bei RTL verbunden. Wallraff wird am ersten Oktober 75 Jahre alt, eine Woche später strahlt RTL das Filmporträt mit dem Titel “Wallraff war hier” aus. Hans Hoff berichtet über einen hyperaktiven ewig Junggebliebenen, der sich engagiert wie eh und je.

4. Wie Journalisten mit dem Vorwurf „Lügenpresse“ umgehen
(de.ejo-online.eu, Kathrin Wesolowski)
Woher kommt der Begriff „Lügenpresse“ und müssen Medienmacher sich eigentlich ständig gegen diesen Vorwurf verteidigen? Das Medienrechercheinstitut “EJO-Online” hat eine Spurensuche in der Geschichte deutscher Medien unternommen und aktuelle Reaktionen von Wissenschaftlern und Journalisten zusammengestellt.

5. Pädophilie-Verschwörung und Panikmache: Wie die ‘Epoch Times’ auf Facebook um Klicks bettelt
(motherboard.vice.com, Theresa Locker)
Unter den Verschwörungs- und Wutmedien nimmt die “Epoch Times” alleine schon wegen ihres skurrilen Hintergrunds eine Sonderstellung ein: Die Lieblingslektüre vieler AfD-Anhänger steht der chinesischen religiösen Bewegung Falun Gong nahe. “Motherboard” hat untersucht, wie das Desinformationsmedium mit Fake News und Panikmache auf Facebook um Klicks bettelt.

6. I-Telkeit
(zeit.de, Sascha Chaimowicz)
Sascha Chaimowicz ist fasziniert von einem Instagram-Phänomen: Fotos von Menschen, die sich augenscheinlich für ganz bezaubernd halten, ihre Selbstverliebtheit jedoch hinter Ironie verstecken.

Social Polizei Media, 280 Zeichen, #IndieFresse

1. Hier spricht die @Polizei
(sueddeutsche.de, Jana Anzlinger)
Vor einem Jahr war es noch ungewöhnlich, dass die Polizei für ihre Kommunikation mit dem Bürger Social-Media-Kanäle nutzte, doch das hat sich gewaltig geändert: Heute verwalten BKA, Bundespolizei, Präsidien und Dienststellen mehr als 200 Accounts auf Twitter und Facebook. Es geht um Fahndungsaufrufe, Krisenkommunikation, Tierfotos und Witze. Jana Anzlinger hat sich angeschaut. wie die Staatsgewalt in der neuen Öffentlichkeit agiert – und wie ernst sie den Auftritt nimmt. Weiterer Lesetipp inklusive Datenvisualisierungen: Markus Reuter auf netzpolitik.org: Polizei hat mehr als 200 Accounts auf Twitter und Facebook

2. Wie Google nicht-identifizierende Berichterstattung identifizierbar macht
(weicher-tobak.de, Frederic Servatius)
Aus guten Gründen anonymisieren Medien bei bestimmten Meldungen die Namen von Menschen, meist zum Schutz der Betroffenen. Vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch Opfer von Verbrechen, ja auch die Täter oder mutmaßlichen Täter sollen laut Pressekodex anonymisiert werden. Dafür reiche es meist aus, hinter den Vornamen, den ersten Buchstaben des Nachnamens zu setzen. Frederic Servatius erklärt, worin bei diesem Verfahren die Schwierigkeit liegt und warum dieses Verfahren nicht ausreicht.

3. Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch erklärt die Zeitungskrise bei der “taz” für beendet.
(turi2.de, Jens Twiehaus, Video, 5 Minuten)
Karl-Heinz Ruch ist seit mehreren Jahrzehnten krisenerprobter Geschäftsführer der “taz”. Jens Twiehaus hat mit ihm vor der Baustelle des neuen “taz”-Domizils über Auswege aus der Transformation und Diversifikation gesprochen und warum es der “taz” derzeit vergleichsweise gut geht.

4. Twitter testet Erweiterung auf 280 Zeichen
(zeit.de)
Immer wieder gibt es Gerüchte, der Kurznachrichtendienst Twitter wolle an der magischen 140-Zeichen rühren. Nun ist es anscheinend soweit: Man testet international die Ausweitung eines Tweets auf eine Länge von 280 Zeichen. Die Nutzer nehmen das Vorhaben mit gemischten Gefühlen auf. Weiterer Lesetipp: Der “Wired”-Beitrag: Diese sieben Dinge sollten Twitter wichtiger sein als das Zeichenlimit

5. Schelte von oben
(taz.de, Marco Carini)
Das Kölner Verlagshaus DuMont will elf der 65 Hamburger “Mopo”-MitarbeiterInnen kündigen, angeblich um ein “neues publizistisches Konzept” für das Blatt durchzusetzen. Dieses Konzept erfordere jedoch mehr als weniger Mitarbeiter. Es ginge wohl eher um Gewinne für die Verlagsmutter. Die “Mopo” schreibe trotz Auflagenrückgangs immer noch eine schwarze Null. Nun erhebt sich auch Widerstand aus dem Hamburger Rathaus: Die Fraktionschefs von SPD, CDU, Grünen, Linken und FDP appellierten an das Kölner Verlagshaus DuMont, die angedrohte Entlassungen zurückzunehmen und von den Kürzungsplänen abzusehen.

6. #IndieFresse: SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sagt der CDU den Kampf an – und Twitter diskutiert, ob der Spruch zu weit geht
(meedia.de, Nils Jacobsen)
“Ab morgen kriegen sie in die Fresse.” prollte die neu gewählte SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles und meinte damit vor allem den ehemaligen Regierungspartner CDU. Nils Jacobsen hat auf “meedia.de” die Reaktionen der Twitter-Gemeinde ausgewertet.

6 vor 9: Sonderausgabe zur Bundestagswahl 2017

1. Wie der Rechtsruck herbeigetalkt wurde
(spiegel.de, Georg Diez)
Die Erfolge der AfD haben auch die Plasbergs dieser Welt mitzuverantworten, findet Georg Diez in seiner Kolumne auf “SPON”. Die öffentlich-rechtlichen Talker hätten den reaktionären Kräften schon früh und dann immer wieder eine Bühne geboten. “Es war falsch verstandene Demokratie: Indem sie eine dissidente Stimme, die extremen Rechten, anderen dissidenten Stimmen vorgezogen haben, haben die Fernsehsender eine Stimmung erzeugt, in der es normal erschien, dass der Stumpfsinn und der Hass eine Stimme im Bundestag werden. Man kann und darf am Tag nach der Wahl nicht einfach zum Alltag übergehen.”

2. Die Stimmungskanone der AfD
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer bezeichnet die “Bild”-Zeitung als “die Stimmungskanone der AfD” und liefert viele Beispiele, die seine Aussage auf erschreckende Weise untermauern. Schönauers Fazit: “Es ist eine Spaltung, an der „Bild“ fleißig mitgearbeitet hat. Mit den Themen, die sie setzte, mit der Schärfe, die sie immer wieder in die Debatte brachte, mit der Stimmung, die sie schürte, mit den Übertreibungen, den falschen Behauptungen, der Hysterie. Vor allem im Endspurt des Wahlkampfes hat sie alles getan, um Wut und Angst in einer Weise zu befördern, die der AfD in die Karten spielt.”

3. Das Panik-Orchester
(zeit.de, Christian Bangel)
Auf “Zeit Online” beschäftigt sich Christian Bangel mit dem zurückliegenden Wahlkampf und dem Zustandekommen des Wahlergebnisses: “Aus Angst vor dem Rechtspopulismus ist in Deutschland inzwischen ein Journalistenpopulismus entstanden. Wo immer er Ressentiments der Bevölkerung gegen “den Islam” und “die Flüchtlinge” vermutet, ist er zur Stelle, um sie hinauszuposaunen und doppelt zu unterstreichen. Darin duldet er keine Widerrede– er verweist dabei immer auf die US-Wahl und die Unfähigkeit dortiger liberaler Eliten, das Lebensgefühl der Bevölkerung zu verstehen.”

4. Mission Stimmungsmache
(Patrick Gensing, faktenfinder.tagesschau.de)
Beim “Faktenfinder” der Tagesschau geht es um die vielen automatisierten Tweets, die in der heißen Phase des Wahlkampfs vor allem die AfD unterstützt hätten. Nach “Buzzfeed”-Informationen soll ein russischer Hacker verschiedene Bots eingesetzt haben. In wessen Auftrag ist nicht bewiesen: “Tatsächlich bleibt unklar, ob und wie die AfD dieses Netzwerk mitsteuert. Klar ist hingegen, dass die meisten Social Bots die Agenda der AfD unterstützen: Sie helfen, Begriffe zu etablieren, generieren Reichweite und simulieren Relevanz.”

5. Welche Rolle Falschmeldungen im Wahlkampf spielten
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Welche Rolle spielten Fake News im Wahlkampf? In Deutschland wohl eine kleinere als oft angenommen, wenn man Experten Glauben schenkt. Dazu käme, dass Deutschland im internationalen Vergleich Social-Media-Entwicklungsland sei. Ernüchternd: Oft sei schlampiger Journalismus von vermeintlich seriösen Medien der Ausgangspunkt für virale Fake News.

6. Basta: “FAZ”-Redakteure plaudern – und das Mikro ist schon an.
(turi2.de, Jens Twiehaus, Video, 1:26 Minuten)
Panne der “FAZ” am Wahlabend: Das Mikro des YouTube-Livestreams ist schon Minuten vorher offen und überträgt Redakteure, die über ihren dicken Bauch, dreckige Fingernägel und “die blöde Schwesig” plaudern.

Als “Bild” Putins Flüchtlings-Sex-Mobs auf die Bundestagswahl losließ

Jetzt also doch!

Screenshot von der Bild.de-Startseite - Jetzt gerade! Während Deutschland wählt! Riesiger Russen-Angriff auf unsere Wahl - Roboter verbreiten AfD-Gerüchte über Wahl-Fälschungen

“Bild”-Redakteur Julian Röpcke hat sich das Hashtag #Wahlbetrug mal genauer angeschaut, unter dem seit Samstag bei Twitter AfD-Inhalte verbreitet werden und das von vielen Bots “gepusht” werde:

BILD analysierte den Hashtag “Wahlbetrug”. Im Netz wird er am engsten im Zusammenhang mit den Begriffen “AfD”, “Islamisierung”, “Wahlbeobachter” und “btw17” verwendet. Außerhalb Deutschlands wird er vor allem von drei Ländern gepusht. Den USA auf Platz 1, Großbritannien auf Platz 2 und Russland auf Platz 3.

Röpcke und Bild.de hätten also genauso gut (und eigentlich noch besser) titeln können: “Ausgewachsener Ami-Angriff auf unsere Wahl”. Doch stattdessen:

Screenshot Bild.de - Während Deutschland wählt - Russen-Accounts pushen AfD-Kampagne

Für Röpcke und seine Kollegen steht schon seit vielen Monaten fest, dass die heutige Bundestagswahl von russischen Kräften, genauer: von Wladimir Putin und dem Kreml, massiv beeinflusst werde. Allerdings hatten sie ganz andere Kaliber vorausgesagt als nur einige Bots aus Russland, die nun kontinuierlich AfD-Hashtags retweeten. Zusammen mit seiner Kollegin Karina Mößbauer veröffentlichte Röpcke im Dezember vergangenen Jahres dieses Dossier zu Putins buntem Propaganda-Blumenstrauß:

Screenshot Bild.de - Kreml-Chef will Merkel loswerden und Extremisten stärken - Putins Geheim-Krieg gegen unsere Wahl - Was Sie wissen müssen, damit Sie nicht aus Versehen Putin wählen - Artikel 2: Propaganda-Feldzug mit Sexmobs - Artikel 3: Bewusst gestreute Fake-News - Artikel 4: Cyber-, Web- und Social-Media-Manipulation

Das Autoren-Duo schreibt:

Attacke auf unsere Bundestagswahl! Es ist ein hybrider Großangriff auf die Wahrnehmung der Deutschen. Und er hat mehrere konkrete Ziele.

Experten sind sich einig: Mit seinen Kampagnen will Russen-Präsident Wladimir Putin (64) das Vertrauen der Bevölkerung in den deutschen Staat, die Behörden und insbesondere Angela Merkel (62, CDU) erschüttern und die Menschen in die Hände von linken und rechten Extremisten treiben.

Manche Punkte dieses “Geheim-Krieg”-Dossiers sind ein bisschen lustig, zum Beispiel jener mit den “bewusst gestreuten Fake-News”. Die einzige uns bekannte richtige “Fake News”, die es in diesem Jahr in ein großes deutsches Medium geschafft hat, wurde von der “Bild”-Zeitung verbreitet und betraf einen vermeintlichen Flüchtlings-“Sex-Mob”, der an Silvester durch Frankfurt am Main “getobt” sein soll. Die Frankfurter “Bild”-Redaktion war dabei auf eine Lüge eines AfD-Sympathisanten reingefallen.

Gar nicht lustig, sondern ziemlich irre ist die Ankündigung eines “Propaganda-Feldzugs mit Sexmobs”:

Screenshot Bild.de - Putins hybrider Großangriff zur Bundestagswahl 2017 - Propaganda-Feldzug sogar mit Sexmobs

Der Artikel von Mößbauer und Röpcke hat wirklich alle Zutaten, die auch ein Neuntklässler wählen würde, wenn er in einer Hausaufgabe eine kreative Verschwörungstheorie erfinden soll: Putin, Flüchtlinge, syrischer Geheimdienst, irakischer Geheimdienst, Mafia, Tote, Sex-Mob. Denn “jenseits von Desinformation”, so Mößbauer und Röpcke, “könnte es noch schlimmer kommen!”

In Sicherheitskreisen wird bereits diskutiert, wie Russland versuchen könnte, mit Störaktionen ein radikales Umdenken in der Bevölkerung zu erzwingen — womöglich sogar mit tödlicher Gewalt. (…)

Eine bislang unbekannte Komponente ergebe sich aus der engen Zusammenarbeit von russischen, syrischen und anderen Geheimdiensten sowie russischer Mafia, sagt Russland-Experte Gustav Gressel (European Council on Foreign Relations).

“Ein Teil der Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien, wenn auch nur ein sehr kleiner Teil, hatte Verbindungen zu Assads oder Saddam Husseins Geheimdiensten.”

Diese Menschen könnten gezielt von Geheimdienstagenten oder aus Mafiakreisen angesprochen und für Störaktionen instrumentalisiert werden, warnt Gressel.

“Was würde zum Beispiel passieren, wenn sich auf einem Sommerfestival vor der Wahl etwas ähnliches wiederholt wie in Köln zur Silvesternacht? Wie würde Merkel dann da stehen? Was wäre die Konsequenz für die Bundestagswahl? Natürlich ist das ein extremes Beispiel, aber es ist im Bereich des Möglichen”, sagt Gressel weiter.

Wir haben nun bis kurz vor Ende der Bundestagswahl gewartet. Nirgends trat ein Putin-Assad-Saddam-Mafia-Flüchtlings-Sex-Mob auf. Auf keinem “Sommerfestival” und auch sonst nirgendwo in Deutschland. Schon bei der Veröffentlichung im Dezember 2016 klangen die Aussagen von Gustav Gressel abwegig genug, um sie für höchst fragwürdig zu halten. Doch statt sie zu hinterfragen, adoptieren Röpcke, Mößbauer und “Bild” die Verschwörungstheorie ihres Experten bereits in der Überschrift.

Julian Röpcke schreibt heute zu den retweetenden Twitter-Accounts aus Russland:

Unklar ist, ob es sich bei der Kampagne um mehr als bloße Propaganda handelt.

Das fragen wir uns manchmal auch.

Gehaltvolle Intendanten, Online-Ruppigkeit, Angstmacher Hahne

1. Schutz erlaubt
(sueddeutsche.de, Wolfgang Janisch)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass deutsche Richter über die Verpixelung von Angeklagtenfotos in Mordprozessen entscheiden dürfen. Damit wurden Beschwerden des “Axel-Springer-Verlags” und von RTL abgewiesen. Es gelte der Schutz der Unschuldsvermutung, selbst wenn der Angeklagte, wie im konkreten Fall, ein Geständnis abgelegt habe. Dieses müsse immer erst auf seine Tragfähigkeit überprüft werden.

2. Fake-News von Tom Buhrow?
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Auf der ARD-Pressekonferenz in Köln ging es um Transparenz, “Fake News”, Anne Wills Einzelgast Angela Merkel, Dokumentarfilme, den Anteil von Wissenschaft im Programm und die Frage, an welchen Managern sich die ARD-Verantwortlichen gerne beim Gehalt orientieren. Jakob Buhre hat sich die Mühe gemacht und ein Transkript der Veranstaltung angefertigt, dem er die wichtigsten Kernpunkte voranstellt. Zum Beispiel die Behauptung von WDR-Intendanten Tom Buhrow, dass kein einziger Direktor in der ARD mehr als die Bundeskanzlerin verdiene. Eine Aussage, die nicht haltbar sei, wenn man in die Geschäftsberichte der verschiedenen Anstalten schaue.

3. “Online sind die Menschen ruppiger”
(journalist-magazin.de, Monika Lungmus)
Das Medienmagazin “journalist” hat mit der Autorin Ingrid Brodnig (2016: “Hass im Netz”, 2017: “Lügen im Netz”) über die digitale Gesellschaft und die negativen Auswüchse der Digitalisierung gesprochen. Unter anderem geht es um die Frage, ob die klassischen Medien “Schreihälsen” zu viel Aufmerksamkeit schenkten. Brodnig bejaht dies: “Das Problem ist die menschliche Natur. Es ist so, dass Menschen eher hinschauen, wenn etwas brisant und emotionalisierend ist. Das nennt man auch den “negativity bias”. Aggression ist gerade im Internet eine wunderbare Strategie, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Postings mit Schimpfworten bekommen zum Beispiel mehr Likes. Wut auslösende Kommentare erhalten sehr gutes Feedback.”

4. Moralisch gewinnen? Nö!
(taz.de, Jürn Kruse)
“Springer”-Vorstandschef Mathias Döpfner hat in einem Brief an die Chefs der 30 DAX-Unternehmen für eine Anzeige geworben, die er gemeinsam mit ihnen in türkischen Medien schalten wollte: für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und die Freilassung der zu Unrecht Inhaftierten. Die DAX-Unternehmer wollten dabei jedoch nicht mitmachen. Auch die Bundesregierung, die weiter Hermesbürgschaften für Geschäfte mit der Türkei gibt, agiere wenig überzeugend, wie Jürn Kruse in der “taz” schreibt: “Dass die Bundesregierung übrigens — wie es in Döpfners Brief stehen soll — die Initiative des Springerchefs unterstützte, lässt auch ihre Bigotterie erkennen: Ein paar Anzeigen? Ja, bitte. Ernsthafte Konsequenzen und eigenes Handeln? Nein, danke.”

5. Suchmaschinen werden privilegiert
(lto.de)
Es ist gemeinhin bekannt, dass kommerzielle Betreiber einer Internetseite für Links haften, die zu rechtswidrig veröffentlichten Werken führen. Für Suchmaschinen gilt dies nicht, so der BGH in einem neuen Urteil. Die Suchmaschinenbetreiber würden generell nicht für die Anzeige illegal ins Netz gestellter Inhalte haften. Etwas anderes gelte nur, wenn sie wissen oder wissen mussten, dass etwas rechtswidrig veröffentlicht worden sei.

6. Angst essen Hahne auf
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video 5:27 Minuten)
ANGST! ANGST! ANGST! Moderator Peter Hahne beschwört in seiner ZDF-Sendung die ganz große Angst und erledige damit das Geschäft der AfD, wie Boris Rosenkranz auf “Übermedien” findet. Rosenkranz hat sich Angstmacher Hahne und seine beiden Angst-Assistenten in einem Videokommentar vorgeknöpft.

7. Die vergangenen 30 Tage in 26 Minuten
(steadyhq.com, Sebastian Esser & Moritz Tschermak, Audio, 26:12 Minuten)
Ein zusätzlicher Link in eigener Sache: Morgen ist es genau einen Monat her, dass wir bei Steady um Eure Unterstützung gebeten haben. Über all das Großartige, was danach kam, hat Moritz Tschermak in 26 Minuten mit Sebastian Esser von Steady gesprochen.

Frisierte Abgeordnete, Zielgruppe Judenhasser, Homophobie bei der FAZ

1. Wikipedia-Artikel über Abgeordnete vom Bundestag aus geschönt
(br.de, Christine Auerbach & Maximilian Zierer)
Eine Analyse der Datenjournalisten des Bayerischen Rundfunks zeigt, dass viele Wikipedia-Artikel über Bundestagsabgeordnete umgeschrieben beziehungsweise geschönt und frisiert werden. Das Bemerkenswerte dabei: Die Analyse hat ergeben, dass in dieser Legislaturperiode die Wikipedia-Seiten von einem Drittel aller Abgeordneten von Bundestags-PCs aus verändert wurden. Über einen anonymen Wikipedia-Account von einem Computer aus dem Deutschen Bundestag wurde beispielsweise ein vormals überzeugter Atomkraft-Anhänger durch Löschen der einschlägigen Passage („Joachim Pfeiffer gilt als Befürworter des Einsatzes von Atomkraftwerken.“) zum glühenden Energiewende-Fan: “Die Energiewende bezeichnet er als Umbau der Energieversorgung und drängt in diesem Zusammenhang auf eine schnelle Markteinführung der Erneuerbaren Energien.”

2. Zielgruppe “Judenhasser”
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Immer wieder gerät Facebook wegen seiner fragwürdigen Werbemöglichkeiten in die Kritik. So ließen sich im Werbetool bis letzten Donnerstag gezielt Antisemiten (Interesse: “Wie verbrennt man Juden”), Islamhasser (“Muslime töten”), Frauenfeinde (“Bitches umbringen”) oder Rassisten (“Ku-Klux-Klan”) ansprechen. Nachdem ein Recherche-Kollektiv Facebook damit konfrontierte, reagierte Facebook und deaktivierte die entsprechenden Werbemöglichkeiten. Doch Simon Hurtz von der „SZ“ musste bei seiner Recherche feststellen, dass dies vom Social-Media-Riesen nur unzureichend umgesetzt wurde: Zumindest Freitagmittag sei es nach wie vor möglich gewesen, in Facebooks Anzeigenmanager Interessen wie “Heil Hitler!”, “Juden raus!” oder “German Schutzstaffel” auszuwählen.

3. Homophober Text war homophob
(taz.de)
Der Presserat rügt einen FAZ-Beitrag aus dem Sommer, in dem ein anonymer Autor (Pseudonym: Johannes Gabriel) behauptete, dass adoptierte Kinder von homosexuellen Paaren einer besonders hohen Gefahr eines sexuellen Missbrauchs ausgesetzt seien. Diese Behauptung stelle einen schweren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex dar, so der Presserat.

4. Rechts vor links
(daily.spiegel.de, Ulrike Simon)
Ulrike Simon schreibt in ihrer Medienkolumne bei „Spiegel Daily“ über einen Konflikt in der Madsack Mediengruppe. In den Stadtausgaben der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung” (HAZ) und “Neuen Presse” (NP) erschien eine mehrseitige Werbebeilagen der AfD. Eine Aktion, die auch beim größten Gesellschafter des Madsack-Konzerns nicht gut ankam: Der Medienholding der SPD… Kolumnistin Simon ordnet den Vorgang ein.

5. „Recht am geistigen Eigentum stärken“
(stuttgarter-zeitung.de, Markus Grabitz)
EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger spricht sich im Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ für ein von vielen Medienhäusern und Branchenverbänden gefordertes europäisches Verlegerrecht aus. Die Position der Verlage gegenüber Konzernen wie Google müsse gestärkt werden. Außerdem sei es überfällig, dass Gerichte den öffentlich-rechtlichen Sendern “ihre Grenzen aufzeigen”, so Oettinger: „Die Sender sorgen für ein kostenloses und umfassendes journalistisches Angebot im Netz, das für die privat finanzierten Verlagshäuser eine scharfe Konkurrenz darstellt. Die Öffentlich-Rechtlichen finanzieren dies auch aus Rundfunkbeiträgen. Dies ist unfair gegenüber den vollständig privat finanzierten Zeitungshäusern und stellt für sie eine Gefahr dar.“

6. Wonach User in Wahlprogrammen von CDU, SPD, Linke, Grüne, AfD googeln
(kosmos.welt.de, Kritsanarat Khunkham)
Die “Zeit” hat ausgerechnet, dass die Wahlprogramme der sechs größten Parteien rund 225.000 Wörter umfassen, was ungefähr 350 eng bedruckten DINA4-Seiten entspräche. “Welt”-Autor Kritsanarat Khunkham hat Google raussuchen lassen, welche Begriffe in den letzten sieben Tagen bei den jeweiligen Wahlprogrammen von Union, SPD; Linke, Grüne, AfD und FDP die häufigsten „Mitsuchworte“ waren.

Moderatoren-Pachtverträge, TV ist out, Ungeliebte Landliebe

1. Hushpuppie-Pathos und Dauergeplärre im Wahlkampf
(deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
Silke Burmester ist genervt vom Wahlkampf-Fernsehen mit immer denselben Politikmoderatoren der Riege Maischberger, Klöppel, Illner, Will und Plasberg: „Geht mit einem Moderationsposten für eine relevante politische Sendung ein 100-jähriger Pachtvertrag einher? Wie kommen Fernsehverantwortliche darauf, dass sich 30-jährige Vertriebsangestellte und 19-jährige Deutsch-Türken, die gerade ihr Abitur gemacht haben, durch ein homogenes Team bestens verdienender, sich in den Zirkeln der Elite bewegender Menschen Anfang/Mitte 50 vertreten fühlen könnten?“

2. Richtige Zahlen, voreilige Schlüsse
(correctiv.org, Inga Wonnemann)
In den vergangenen Tagen machten einige alarmistische Artikel zu Vergewaltigungen in Bayern die Runde. Inga Wonnemann hat sich die Zahlen näher angeschaut. Die Zahl der registrierten Sexualdelikte sei tatsächlich gestiegen. Man müsse die Daten allerdings einordnen und dürfe keine falschen Zusammenhänge herstellen.

3. Mit dem Zweiten sieht man rechter
(kreuzer-leipzig.de, Tobias Prüwer)
Im Leipziger Magazin „Kreuzer“ kritisiert Tobias Prüwer die ZDF-Doku „Radikale von Links“, bei der einiges durcheinander geraten sei. In der Leipzig-Berichterstattung seien ganze Stadtviertel verlegt und Straßenschlachten erfunden worden. Und als Stichwortgeber und Experte sei ausgerechnet ein AfD-Politiker aufgetreten, der im Film schlicht als „Politologe“ bezeichnet worden sei.

4. Die Qual vor der Wahl
(de.ejo-online.eu, Gerret von Nordheim)
In letzter Zeit gab es einige Fälle, in denen Meinungsforscher deutlich danebenlagen, ob beim Brexit, der Trump-Wahl oder einigen AfD-Landtagserfolgen. Die Meinungsforschungsinstitute verweisen auf die Unsicherheiten und Fehlertoleranzen, die von den Journalisten beim Weitertransport der Zahlen nicht angegeben worden seien. Nun haben Studierende der TU Dortmund untersucht, wie deutsche Printmedien mit Wahlumfragen umgehen. Wird Unsicherheit dort kommuniziert? Und wenn ja, wie? Und wird überhaupt die Quelle der Umfrage genannt?

5. „Fernsehen ist out. Die Schüler informieren sich über das Smartphone“
(journalist-magazin.de, Yvonne Zwirnmann)
Im neunten Teil der „journalist“-Interviewreihe zum Thema Fake News erzählt ein Gymnasiallehrer, welchen Einfluss Falschmeldungen im Klassenzimmer haben. Seine Resümee zum Thema Medienkonsum: „Fernsehen ist out. Die gesamte Informationsbeschaffung läuft über das Smartphone. Auch gedruckte Tageszeitungen werden immer weniger gelesen, das geht alles über Apps. Einige Schüler haben die Apps von Spiegel Online, „Tagesschau“ oder Süddeutscher Zeitung. Ganz gruselig wird es natürlich, wenn sie ihre Nachrichten nur auf Facebook beziehen, also nur das lesen, was andere Leute posten.“

6. kontertext: Ein bisschen Friede, ein bisschen sein
(infosperber.ch, Felix Schneider)
Nachdem das Magazin „Landlust“ in Deutschland ein großer Erfolg wurde, wollte man in der Schweiz nachziehen und warf die „Landliebe“ auf den Markt. Felix Schneider hat sich die aktuelle Ausgabe angeschaut und einige Sätze herausgepickt und kommentiert. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Es ist keine Liebesgeschichte geworden.

Hessische Depesche, Inszenierte Scheiße, “Bilds” Abschiebefeier

1. Netzwerk in Unruhe
(journalist-magazin.de, Lars Radau)
Im umstrittenen, rechtslastigen “Depeschen”-Netzwerk mit Ausgaben für Hessen, Sachsen, Bayern und das Gebiet um die Saar rumore es gewaltig: Zuständigkeiten würden wechseln, Fake-Autoren verschwinden, und eine dubiose Firma hätte die Mehrheit übernommen. Lars Radau hat näher hingeschaut.

2. Wirkt der Kampf gegen Fake News auf Facebook überhaupt?
(wired.de, Benedikt Plass-Fleßenkämper)
Im Kampf gegen die sogenannten “Fake News” hat Facebook externe Faktenprüfer mit der Begutachtung beauftragt. Falsche Inhalte sollen von den Prüfern mit Fake-News-Markierungen gekennzeichnet werden (in Deutschland erledigt dies das Portal “Correctiv”.) Nun hat eine neue Studie der Yale University ergeben, dass diese Markierungen praktisch keinen Einfluss hätten. Die Fake-News-Initiative habe ganz im Gegenteil eine negative Auswirkung, denn sie führe zu einem höheren Vertrauen der Nutzer in unmarkierte Inhalte.

3. Lokaljournalismus, diese inszenierte Scheiße
(der-freigeber.de, Jens Brehl)
Der freie Journalist Jens Brehl schreibt sich den Frust von der Seele. Während manche Journalisten sich die Mühe machen würden, Pressetermine von Unternehmen wahrzunehmen und danach aus eigener Perspektive zu berichten, würden sich einige Kollegen die Arbeit leicht machen und ungeprüft PR-Texte übernehmen: “Mich widert diese Praxis zunehmend an. Mit einher schwingt mein Groll, wenn ich bei einer Veranstaltung Stunden verbringe, Interviews führe, Vorträge komplett verfolge und hinterher andere Medien in ihrem Bericht nicht erwähnen, dass sie gerade einmal eine halbe Stunde oder eben gar nicht vor Ort waren.”

4. Auf welche Medien verlinken die Parteien?
(faktenfinder.tagesschau.de, Fiete Stegers)
Auf welche Medien verlinken die Parteien? Der “Faktenfinder” der “Tagesschau” hat die von den Facebook-Seiten der sieben Parteien AfD, CDU, CSU, FDP, Grüne, Linke und SPD veröffentlichten Einträge analysiert und sich die Posts von jeweils fünf Spitzenpolitikern je Partei angeschaut. Die Auswertung zeige, dass “Welt”, “Spiegel” und “Focus” bei den Parteien vorn liegen. Auch die “Junge Freiheit” sei unter den ersten zehn Medien — dank der AfD.

5. Hetze klickt sich gut
(taz.de, Anna Böcker)
Gestern gab es wieder Abschiebungen nach Afghanistan, acht Personen sind nach Kabul ausgeflogen worden. Bei “Bild” konnte man von einem “Abschiebe-Flieger voller Sex-Täter” lesen. Anna Böcker kommentiert in der “taz”: “Bei der Bild wird aus einer Handvoll Straftäter ein Flugzeug voller “Sex-Täter”. In den Kommentaren wird lamentiert, dass zu wenige Flüchtlinge abgeschoben würden. Das nennt man dann wohl gelungene Leser-Blatt-Bindung.”

6. Deutscher Yellowpress-Verlag muss Millionen an Rebel Wilson zahlen
(spiegel.de)
Der Medienkonzern “Bauer” wurde in Australien zu einer Entschädigungssumme von drei Millionen Euro verdonnert. Dies sei die größte Entschädigungszahlung, die in der Rechtsgeschichte Australiens jemals verfügt wurde. Der Hintergrund: Australische Yellow-Press-Gazetten aus dem Hause “Bauer” hatten verleumderische Artikel über die australische Schauspielerin, Drehbuchautorin und Filmproduzentin Rebel Wilson veröffentlicht.

“Bild” lässt Angst wachsen

Die Menschen in Deutschland haben weniger Angst. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die die “R+V”-Versicherung jedes Jahr durchführen lässt und die den Namen “Die Ängste der Deutschen” trägt. Nach 20 Sorgen fragt die Studie regelmäßig — bei 18 von ihnen sind die aktuellen Werte niedriger als im vergangenen Jahr. Nur in den Kategorien “Schadstoffe in Nahrungsmitteln” und “Naturkatastrophen” gab es jeweils einen Zuwachs.

Ganz vorne liegen die Ängste vor Terrorismus (71 Prozent), politischem Extremismus (62), Spannungen durch Zuzug von Ausländern (61), finanziellen Folgen der EU-Schuldenkrise für die Steuerzahler (58) und den bereits erwähnten Schadstoffen in Nahrungsmitteln (58). Der Durchschnittswert aller Ängste beträgt 46 Prozent und damit sechs Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr.

Die “Bild”-Zeitung, die seit jeher Angst verkauft, hat die Ergebnisse der Ängste-Umfrage genommen und heute eine Extra-Seite zum Thema veröffentlicht:

Übersicht über Bild-Seite mit sechs Artikel - BILD-Report - Innere (Un-)Sicherheit

Im Teaser steht:

Anschläge, Wohnungseinbrüche, rechtsfreie Räume — die innere Un-Sicherheit in Deutschland wächst! Erst gestern wurde bekannt: Vor nichts haben die Bürger mehr Angst als vor Terrorismus! BILD sagt, welche Missstände es gibt.

Egal, dass in der “R+V”-Studie vornehmlich sinkende Werte zu finden sind — “Bild” lässt “die innere Un-Sicherheit” und die Angst der Menschen wachsen.

Die Redaktion nennt in den einzelnen Artikeln auf der Seite Personen, die für die angebliche “Un-Sicherheit” verantwortlich seien: neben Ausländern, Linksautonomen und Drogendealern auch Richter:

Ausriss Bild-Zeitung - Gerichte denken zuerst an Täter

Unter dieser Populismus-Überschrift geht es ähnlich weiter:

Beide Fälle erschütterten Deutschland: Frank S. (46) stach Kölns heutiger Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Messer in den Hals. Hussein K. (laut Gutachten älter als 22) ermordete die Studentin Maria L.

Trotz des breiten öffentlichen Interesses ordneten Strafgerichte an: Medien müssen auf Fotos der Angeklagten “die Gesichtszüge unkenntlich” machen. Aus Sorge um die Prangerwirkung, um die Persönlichkeitsrechte …

Die Informationsfreiheit der Bürger? Kommt erst an zweiter Stelle …

In “Die Ängste der Deutschen” wurde nicht nach der Angst vor in Boulevardzeitungen unkenntlich gemachten Angeklagten gefragt. Daher gibt es auch keine Zahlen, wie viele Menschen in Deutschland eine “innere Un-Sicherheit” verspüren, weil Redaktionen von Richtern dazu aufgefordert werden, einer bisher nicht verurteilte Person Persönlichkeitsrechte zuzugestehen. Die Verpixelung von Gesichtern dürfte jedenfalls nicht zu den Ur-Ängsten zählen.

Was die “Bild”-Redaktion in ihrem Ärger über richterliche Anordnungen zur Unkenntlichmachung der “Gesichtszüge” ständig vergisst: Das Zeigen eines Angeklagten, der ganze mediale Rummel rund um einen Prozess kann zu milderen Urteilen führen, weil Richter die Verletzungen von Persönlichkeitsrechten und die Vorverurteilungen bei der Wahl des Strafmaßes manchmal einberechnen. Sie könnten die Anordnungen in den beiden genannten Fällen also auch im Interesse der Prozesse und angemessener Strafen erlassen haben.

Doch mit solchen Überlegungen beschäftigen sich die “Bild”-Mitarbeiter gar nicht erst, schließlich haben sie ein Zitat vom Bundesverfassungsgericht gefunden, das ihre Position vermeintlich stärkt:

Dabei entschied das Bundesverfassungsgericht: “Bei schweren Gewaltverbrechen ist ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Informationsinteresse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters (…) anzuerkennen.”

Nun steht dort erstmal nichts über Fotos von Angeklagten. Und auch sonst passt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aus dem die Aussage stammt, sensationell schlecht in die “Bild”-Argumentation. Denn in der Begründung, die die Redaktion zitiert, steht zwei Absätze später:

Handelt es sich im Übrigen um ein noch laufendes Ermittlungsverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung auch die zugunsten des Betroffenen streitende, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (…). Bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch wird insoweit oftmals das Gewicht des Persönlichkeitsrechts gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen. Eine individualisierende Bildberichterstattung über den Angeklagten eines Strafverfahrens kann allerdings dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Betreffende nicht beziehungsweise nicht mehr mit Gewicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen kann, etwa wenn er sich in eigenverantwortlicher Weise den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen in der medialen Öffentlichkeit auch im Wege der individualisierenden Berichterstattung gestellt hat (…).

… was weder der eine Angeklagte noch der andere Angeklagte, die “Bild” als Beispiele nennt, getan hat.

“Bild” wählt ein Zitat aus einem Urteil, um Richtern zu zeigen, dass das Bundesverfassungsgericht etwas ganz anderes sagt als diese, dabei sagt das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil das, was die Richter sagen.

Die große Auflagenlüge der “Lügenpresse”-Rufer

Auf ihrer Titelseite verkündete die “Bild”-Zeitung am 1. August empört:

Ausriss Bild-Titelseite - Die große Abschiebelüge! In Wahrheit sinken die Ausreisezahlen! Sogar kriminelle Afghanen bleiben bei uns!

Der dazugehörige Artikel beklagt unter anderem, ebenfalls sehr empört, dass von Januar bis Ende Juni 2017 weniger Menschen abgeschoben wurden als im Vorjahreszeitraum. Man kann das auch unaufgeregter aufschreiben. Hier soll es aber nicht um “Bild” gehen, sondern um eine typische Reaktion auf diese Art der Berichterstattung aus einer noch schlimmeren Ecke.

“Compact”-Chefredakteur Jürgen Elsässer griff die “Bild”-Schlagzeile auf und nutzte sie zur Eigenwerbung. Sein Magazin hätte all das schon im Frühjahr geschrieben. Wie er und sein Team bereits im Mai die genauen Abschiebezahlen bis Ende Juni kennen konnten, verrät Elsässer nicht. Das ist aber auch gar nicht die Frage:

Die Frage ist: Warum schreibt jetzt auch Bild endlich die Wahrheit, nachdem das Blatt bis vor kurzem den Offene-Grenzen-Wahnsinn mitgemacht hat?

Die Antwort kennt Elsässer auch schon:

Bild steht das Wasser bis zum Hals, Auflage nur noch 1,6 Millionen. Sie wollen ihren lausigen Ruf als Lügenpresse korrigieren…

Wobei er auch eine zweite Antwortmöglichkeit gelten lässt: Dass “Bild” auf Befehl von US-Präsident Donald Trump Angela Merkel im Wahlkampf schaden wolle.

Beschäftigen wir uns aber besser mit der etwas weniger kruden, ersten These. Die Behauptung, dass die veröffentlichte Meinung, insbesondere eine flüchtlingsfreundliche Berichterstattung, der Grund für die Auflagenverluste sei, wird von unterschiedlichen rechten Alternativmedien gerne verbreitet. Bei “Compact” etwa klingt das so:

Oberlehrerhafte Leserbevormundung hat eben seinen Preis. Wie bei allen Etablierten, befindet sich die Auflage des ehemaligen Hamburger Nachrichtenmagazins [“Der Spiegel”] im Sturzflug. […] Gegen den Strom wächst COMPACT in der Zwischenzeit immer mehr.

Oder so:

Vielleicht sollten die deutschen Blätter mal versuchen, Informationen statt Propaganda zu publizieren — vielleicht steigt dann die Auflage wieder.

“Compact” hat auch Peter Bartels, der um 1990 kurzzeitig “Bild”-Chefredakteur war, als Kolumnisten und Kronzeugen engagiert. Er ist der Autor einer als “Enthüllungsbuch” betitelten Krawallschrift gegen “Bild”. Die Zeitung ist ihm nämlich nicht mehr krawallig genug. Für “Compact” recycelt Bartels diese Meinung regelmäßig unter Hinweis auf die gefallene Auflage des Boulevardblatts. Und auch über die Auflagen anderer Tageszeitungen schreibt er, zum Beispiel in seiner Dezember-Kolumne:

Wohin man blickt im Blätterwald — Kahlschlag von der Alpen-Prawda SZ bis zur Antifa-Bibel Taz. Wer hoffte, Muttchen Merkels Schranzen würden nach der Dritten Quartals-Klatsche in Folge endlich begreifen, dass es nicht das Internet ist, das ihnen die Leser abspenstig macht, sondern ausschließlich ihre ignorante Sprach- und Denktyrannei, hoffte vergeblich.

“Compact” äußert die These zum Auflagenschrumpfen zwar besonders laut, ist aber keinesfalls ihr einziger Verfechter.

Bei der “Achse des Guten” erklärt Wolfgang Röhl einen möglichen Stellenabbau bei der “Hamburger Morgenpost” Ende 2016: Die Zeitung habe “besondere Maßstäbe in Sachen Leserfeindlichkeit gesetzt”, nämlich Linksextreme verharmlost und Polizeieinsätze kritisiert. Die angebliche Folge: “Die Auflage der einstmals stolzen SPD-Postille sinkt wie Blei im Hafenbecken.”

Auch der russische Staatssender “RT Deutsch” macht den stetigen Auflagenschwund deutscher Zeitungen immer mal wieder zum Thema, zuletzt etwa im Januar unter der Schlagzeile “Mainstream in Not: Erneut massiver Auflagenschwund bei den Etablierten”. An der Digitalisierung könne das nicht liegen, heißt es dort in Einklang mit “Compact”, schließlich setzten “Der Freitag” und “Junge Freiheit” zuletzt mehr Exemplare ihrer Wochenzeitungen ab.

Die “Junge Freiheit” selbst stellt ihre Auflagengewinne regelmäßig weitgehend unkommentiert den Verlusten der großen Medien entgegen. Einige Leser verstehen das als Wink mit dem Zaunpfahl und interpretieren die Zahlen in den Kommentaren:

Die IndoktrinationsPresse bricht ein! Die FaktenPresse gewinnt.

Oder:

Es erkennen offensichtlich immer mehr Bürger, dass sie von den Systemmedien über Jahrzehnte belogen und betrogen worden sind.

Eine weitere Seite aus der rechten Ecke, die sich um eine feinere Ausdrucksweise als das Hau-Drauf-Blatt “Compact” bemüht, macht bei der Auflagen-Erzählung ebenfalls mit. Roland Tichy schreibt auf seiner Website “Tichys Einblick”, die er selbst ein “liberal-konservatives Meinungsmagazin” nennt, Anfang Juli:

In der Flüchtlingskrise genannten Migrationskrise zerbracht der Nasenring, an dem die Bevölkerung in die Irre geführt wurde. Zu weit klafften Realität und mediale Wirklichkeit auseinander. Das böse Wort von der “Lügenpresse” entstand, der Auflagenschwund nimmt seither immer dramatischere Formen an.

Der Tenor ist, trotz unterschiedlicher Wortwahl, von Elsässer bis Tichy gleich: Die sinkenden Auflagenzahlen seien Folge von falscher Berichterstattung und Lügen. Die Medien schrieben am Leser vorbei. Abokündigungen seien folglich die Strafe für eine zu linke Haltung. Die Leser würden sich nun den rechten Medien zuwenden, da diese vermeintlich die Wahrheit schreiben.

Mal abgesehen davon, dass sich die Wahrheit nicht per Volks- oder Aboabstimmungen ermitteln lässt: Stimmt die These von der durch ideologische Dissonanz bedingten Auflagenkrise überhaupt?

Die wahren Fragmente, aus der sie geschmiedet ist: Die Auflagen der großen gedruckten Tageszeitungen sinken tatsächlich stetig, nicht zuletzt die von “Bild”. Neue Medien am rechten Rand wurde in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit zuteil. Und in den Kommentaren zu Onlineartikeln proklamieren regelmäßig angeblich jahrelange Abonnenten ihre Kündigung.

Doch gibt es zwischen diesen Beobachtungen auch einen Zusammenhang? Was sagen die Zahlen?

Zunächst misst die “Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern” (“IVW”) lediglich die Auflagenzahl ihrer Mitglieder — die Gründe für eine Änderung der Verkaufszahlen erforscht sie nicht. Allein aufgrund der “IVW”-Zahlen lässt sich nicht argumentieren, dass explizit die Berichterstattung zur Flüchtlingsbewegung ab 2015 zum Auflagenrückgang geführt hätte.

Die verkaufte Auflage aller Tageszeitungen zusammengerechnet hat sich seit 1995 beinahe halbiert:

Grafik, die die Auflagenentwicklung aller Tageszeitungen gesamt seit 1992 (29,4 Millionen verkaufte Exemplare) bis 2017 (16,7 Millionen verkaufte Exemplare) zeigt
(Draufklicken für größere Version.)

Vor dieser Zeit kann man die “IVW”-Zahlen nur bedingt vergleichen, da die Anmeldung von Zeitungen aus der ehemaligen DDR für einen großen Zuwachs der statistischen Auflage sorgte. Wie zu sehen ist, sinkt die Gesamtauflage deutscher Tageszeitungen bereits 20 Jahre vor 2015 ziemlich stetig. So auch etwa zwischen 2005 und 2010, einer Zeit mit sehr niedrigen Asylantragszahlen. Der Schwund nimmt auch nicht “immer dramatischere Formen” an, wie Roland Tichy meint, sondern ist recht konstant. Von dem Einbruch der Auflagen sind zudem beinahe alle Zeitungen, ungeachtet ihrer politischen Ausrichtungen, betroffen.

Und was hat es mit dem Erfolg neuer rechter Medien auf sich? Die “Junge Freiheit” etwa hat ihre wöchentliche Auflage seit 2008 auf rund 30.000 Exemplare verdoppelt. Anders als bei den Tageszeitungen ist der Auflagenverlust der Wochenzeitungen insgesamt weniger stark. “Die Zeit” etwa konnte ihre Printauflage bei ungefähr 500.000 Stück halten. Bis die “Junge Freiheit” der “Zeit” als führende Wochenzeitung den Rang abläuft, dürfte es noch eine Weile dauern:

Grafik, die die Auflagenentwicklung aller Wochenzeitungen gesamt seit 2008 (1,99 Millionen verkaufte Exemplare) bis 2017 (1,71 Millionen verkaufte Exemplare) zeigt, sowie die Auflagenentwicklung der Zeit (2008 485223 verkaufte Exemplare, 2017 504420 verkaufte Exemplare) und der Jungen Freiheit (2008 15705 verkaufte Exemplare, 2017 30316 verkaufte Exemplare)
(Draufklicken für größere Version.)

“Tichys Einblick” gibt es seit Oktober 2016 auch als gedrucktes Monatsmagazin. Im ersten Quartal 2017 brachte dieses es auf 13.978 Exemplare im Einzelverkauf und Abo, im zweiten Quartal auf 10.414. Da man für einen fairen Vergleich letztlich die gleichen Quartale aus einem anderen Jahr bräuchte, lässt sich hier noch keine Tendenz ablesen. Wirklich hoch sind die Verkaufszahlen allerdings nicht. Sollte Roland Tichys Behauptung stimmen, die Auflage sei an die Wahrheit des Inhalts gebunden, stünde es um sein eigenes Printprodukt nicht besonders gut.

Und “Compact”? Elsässers Magazin hat überhaupt keine “IVW”-Auflage. Die “IVW” zeichnet nämlich nur die Titel aus, die bei ihr Mitglied sind. Sie tut dies auch, damit Anzeigenkunden besser abschätzen können, ob ihr Geld gut investiert ist.

Niemand muss sein Magazin oder seine Zeitung bei der “IVW” anmelden. Dann gibt es allerdings auch niemanden, der unabhängig überprüft, ob die genannten Auflagenzahlen der Wahrheit entsprechen. “Compact” behauptet, eine gedruckte Auflage von etwa 80.000 Exemplaren zu haben, von der die Hälfte auch verkauft werde. Ob das grundsätzlich stimmt, wie viele der Magazine zum vollen Preis verkauft wurden oder — wie kürzlich geschehen — als “Pegida”-Aktionsabo verschenkt wurden: von außen ist das nicht zu beurteilen.

Wären da noch “RT Deutsch” und die “Achse des Guten”. Die haben ebenfalls keine “IVW”-Auflage, sie liefern schließlich kein Printprodukt. Das gilt natürlich ebenso für diverse Blogs, die sich der “Lügenpresse”-Schelte gerne anschließen.

Die Printauflage ist eben doch nicht alles — was die “Lügenpresse”-Rufer nicht daran hindert, ausschließlich mit dieser Zahl zu argumentieren. Verweisen die Verlage bei der Erklärung für ihren Auflagenverlust auf die Online-Konkurrenz, tun “Compact” und all die anderen das gerne als Gejammer ab. Das Argument passt nicht zu ihrer Erzählung, an der Printkrise sei alleine die inhaltliche Ausrichtung Schuld.

Im digitalen Bereich ergibt sich ein völlig anderes Bild. Dort wuchs beispielsweise Bild.de laut “IVW”-Messung von etwa 47,9 Millionen Visits im Juli 2007 auf 354,7 Millionen Visits zehn Jahre danach. Die “Junge Freiheit” lag bei dieser Kennzahl im Juli dieses Jahres bei rund 2,2 Millionen, “Tichys Einblick” bei 1,7 Millionen.

Visits sind einzelne Besuche innerhalb einer bestimmten Zeitspanne (bei der “IVW” 30 Minuten). Wer also mehrmals im Monat eine Seite aufruft, wird auch mehrmals gezählt. Mit Abonnentenzahlen oder einzelnen Lesern ist diese Größe daher nicht gleichzusetzen.

Eine andere wichtige Ziffer sind die Unique User, die einzelnen Nutzer, die jeweils mindestens einmal im Monat ein digitales Angebot besuchen. Bild.de hatte im Juli laut “Arbeitsgemeinschaft Online Forschung” (“AGOF”) 21,87 Millionen Unique User, die einzige gemessene Website der Ankläger, “Tichys Einblick”, 410.000.

Mit einem Blick auf die Online-Zahlen lässt sich nicht argumentieren, dass es den großen Medienmarken generell an Aufmerksamkeit mangele. Genauso sind die Publikationen vom rechten Rand zahlenmäßig noch lange keine große Konkurrenz für sie.

“Compact”, die “Achse des Guten” und “RT Deutsch” tauchen übrigens weder in der “IVW”-Ausweisung für digitale Medien noch bei den “AGOF”-Zahlen auf. Auch hier wird nur gezählt, wer sich anmeldet.

“Compact” behauptete in einer Broschüre aus dem Jahr 2014, “5.000 User vertrauen tagtäglich der unabhängige [sic] Berichterstattung” der Redaktion. Diese Zahl lässt sich nicht überprüfen. Genauso wenig kann man die Gedanken der angeblichen User lesen, um zu verifizieren, ob sie “Compact” tatsächlich “vertrauen” oder nur aus Versehen auf der Seite gelandet sind.

Die These, den etablierten Medien laufe das Publikum davon, weil es deren vermeintliche Lügen durchschaue, ist anhand von Auflagenzahlen und Reichweitenmessungen nicht belegbar. Sie ist eine PR-Behauptung der neuen rechten Medien, sicher auch an die eigene Leserschaft gerichtet, damit diese sich auf der Gewinnerseite wähnen darf. Wer diesen Parolen trotz widersprüchlicher Faktenlage glaubt, folgt Scheinriesen. Obwohl sie selbst so gerne mit den Zahlen argumentieren, nehmen die meisten dieser Blogs, Websites und Magazine nicht an den unabhängigen Erhebungen teil. Gerade denen, die häufig über die angebliche Unaufrichtigkeit der “Systempresse” poltern, mangelt es hier an Transparenz.

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