Fällt Ihnen an diesem Foto aus einer Bildergalerie bei Merian.de etwas auf?
Richtig: Auf dem Holzschild am Kap der Guten Hoffnung stehen in der Mitte normalerweise die Koordinaten des Ortes, wie dieses Urlaubsfoto unseres Lesers Raimo W. beweist:
Na ja, und natürlich stehen da sonst eher selten halbe Menschen oder alleinstehende Unterarme rum:
Die eine Frage, die sich da stellt, kann man leicht selbst beantworten: “Guckt bei Merian.de keiner drauf, was da veröffentlicht wird?”
Die andere Frage ist etwas schwieriger zu beantworten: “Warum?”
Laut Merian.de sind alle Fotos der Bildergalerie von Gerald Hänel. Auf der Website seiner Agentur Garp findet sich ein Hinweis, warum auf dem Bild Menschen wegretuschiert wurden:
Beim Fotografen sieht man nur den linken Teil des Bildes — und damit am Rand nicht ein Tourist nur halb zu sehen ist, wurde er durch eine Welle ersetzt. Offenbar hat Merian.de die ganze Version eines Fotos verwendet, das so retouchiert worden war, dass es als halbes Foto gut aussieht.
Wir haben heute Nacht bei der Fotoagentur Garp angefragt, ob man sich (und uns) erklären könne, warum Merian.de das Bild in dieser Form verwende. Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten, aber heute Morgen war das Foto aus der Bildergalerie bei Merian.de verschwunden.
Mit Dank an Raimo W. und Tim S.
Nachtrag, 20. Oktober: Inzwischen ergab sich die Möglichkeit, mit dem Fotografen Gerald Hänel zu sprechen. Er erklärte, das Foto sei in einer Hochkantversion im Heft 12/2006 abgedruckt worden, die “Merian” selbst entsprechend bearbeitet habe. Die entsprechend retouchierte Version sei jetzt offenbar in der Online-Bildergalerie versehentlich ganz gezeigt worden.
Merian.de selbst hat übrigens seinen Artikel mit einem Hinweis versehen:
Anmerkung der MERIAN.de-Redaktion: In die Bildergalerie zu diesem Artikel ist uns ein fehlerhaftes Motiv geraten, das so nicht hätte veröffentlicht werden dürfen. Wir haben dieses Motiv entfernt. Für den Fehler möchten wir uns entschuldigen.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Copy-Paste” (medienspiegel.ch, Martin Hitz)
Onlinejournalismus 2009: Tagesanzeiger.ch reichert eine Meldung der Nachrichtenagentur sda mit aus der Wikipedia kopierten Sätzen an.
2. “Falsche Fälscher” (blogs.sueddeutsche.de, Johannes Boie)
Johannes Boie hält das blinde Vertrauen, das Journalisten in Wikipedia haben, für nicht so schlimm: “Sie haben sich lediglich beim Fact-Checking einer Nebensache auf eine der besten Seiten im Netz verlassen. Das ist kein Beweis fehlender Qualität, sondern höchstens dafür, dass Journalisten bereit sind, sich dem Netz zu öffnen, es zu verwenden und als Recherchequelle zu gebrauchen. Viel mehr, als feixende Fälscher dies vielleicht wahr haben möchten.”
3. “Die wundersame Welt der Suchmaschinenoptimierung” (medienjunkieblog.wordpress.com)
Der “Medienjunkie” befasst sich mit 1-Cent-SEO-Aufträgen: “Anscheinend gibt es ein ganzes Texter-Prekariat, das hauptsächlich aus Studenten, Hausfrauen u.ä. besteht, die, teilweise, um sich ein paar Euro dazu zu verdienen, teilweise auch als Hobby, ganze Webseiten zutexten, mit oberflächlichen, schnell zusammen gezimmerten Texten, die nur einen Zweck haben: ahnungslose Leute auf die Seiten von irgendwelchen Unternehmen zu locken.”
4. “Wütende Männer” (berlinonline.de, Nina Rehfeld)
“Barack Obama erklärt den Sender Fox News zu seinem Gegner.”
5. “Projekt Neustart” (sz-magazin.sueddeutsche.de, Meike Winnemuth)
Die Journalistin Meike Winnemuth hat “zwanzig beglückende, bereichernde, berauschende Berufsjahre” hinter sich und steht nun vor einem grossen Fragezeichen: “Die Statistik sagt: Vor zwanzig Jahren gab es in Deutschland dreißig Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs. Inzwischen sind es drei Millionen weniger. Und wer heute als Journalist arbeitet, bekommt leicht den Eindruck, dass allein zwei Millionen davon in der Medienbranche weggefallen sind.”
6. “Interview Project” (interviewproject.davidlynch.com, Videos, englisch)
Ein Filmteam zieht durch die USA und macht Interviews mit Menschen. Bisher sind bereits 47 Folgen erschienen. Das Projekt läuft auf der Website des Filmregisseurs David Lynch.
Das Medienmagazin “Meedia” hat die Besucherzahlen der Homepages deutscher Profifußballclubs verglichen und daraus “die deutschen Fußballmeister des Internets” ermittelt.
“Tolle Sache!”, scheint man sich bei Bild.de gedacht zu haben und hat die Geschichte gleich aufgegriffen.
Es gab nur ein Problem: In der “Meedia”-Statistik, die auf dem Google-Werkzeug “Ad Planner” beruhen, fehlt der FC Bayern München. Dessen Homepage ist eine Unterseite von t-home.de, weshalb sich aus öffentlich einsehbaren Quellen keine eindeutigen Besucherzahlen (“Unique Visitors”) ermitteln lassen.
“Meedia”-Autor Jens Schröder schrieb aber:
Dem Vernehmen nach dürften aber mindestens 30-40% der 1,60 Mio. Unique Visitors auf t-home.de wegen der FCB-Website zustande gekommen sein. Damit läge der FC Bayern an der Spitze der Clubs.
Also: Die Bayern werden offiziell nicht gewertet, wären aber Schätzungen zufolge deutlicher Spitzenreiter bei den Besucherzahlen.
Das war zu kompliziert für Bild.de, wo man deshalb in einer ersten Version die Bayern der Einfachheit halber zu Siegern erklärte und titelte:
Tabelle nach Homepage-Visits:
Bayern München ist Online-Meister vor Borussia Dortmund
Kurz darauf änderte Bild.de seine Meinung und den Artikel und titelte nun überraschend:
Als Quelle angegeben war nun: “meedia.de und FC Bayern”. Es schien, als hätte Bild.de beim FC Bayern selbst nachgefragt — jedenfalls hantierte die Redaktion plötzlich mit der Zahl “260.000” und erstellte daraufhin ein eigenes Ranking.
Nun könnte man sagen: “Immerhin hat Bild.de sich die Mühe gemacht und selbst noch ein wenig recherchiert. Warum sie das nicht vor der Veröffentlichung des Artikels in der ersten Form (mit Bayern als Spitzenreiter) getan haben weiß man nicht, aber immerhin …”
Doch selbst wenn man annähme, dass die 260.000 stimmten, wäre die folgende Behauptung immer noch Quatsch:
Und auch im Internet reicht es für Deutschlands Vorzeigeklub nur zur Vize-Meisterschaft
Das hat das Mediadaten-Portal meedia.de herausgefunden. Dort werden alle Homepages der Bundesliga-Klubs nach den regelmäßigen Nutzern (“Unique Visitors”) aufgelistet — und da liegt der Rekordmeister hinter Borussia Dortmund.
— denn bei “Meedia” hat der FC Bayern ja gar keinen Platz in der Auflistung.
Das wiederum war den Kollegen vom Sportinformationsdienst sid offenbar völlig entgangen, als sie folgende Meldung tickerten:
Dortmund hat die beliebteste Internet-Homepage
Dortmund (SID) In der Tabelle der beliebtesten Internet-Homepages ist Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund die Nummer eins. Das ist nach Informationen von bild.de das Ergebnis einer Untersuchung des Mediadaten-Portals media.de [sic!]. Aufgelistet wurden die Klubs nach der Anzahl der regelmäßigen Nutzer ihrer Internetseiten pro Monat. Hinter dem BVB (290.000 Nutzer im Monat September) liegt Bayern München (260.000) vor dem Hamburger SV und Schalke 04 (jeweils 240.000) sowie Werder Bremen (220.000).
“Nach Informationen von bild.de das Ergebnis einer Untersuchung des Mediadaten-Portals media.de” — Toll, was? Anstatt einfach mal auf den Artikel bei “Meedia” (mit zwei E) zu schauen, der sogar bei Bild.de direkt verlinkt ist, schreibt der sid, was Bild.de schreibt, was ein “Mediadaten-Portal” (was auch immer das sein soll) schreibt. So funktioniert Journalismus im 21. Jahrhundert.
In der Tabelle der beliebtesten Internet-Homepages ist Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund die Nummer eins. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Mediadaten-Portals media.de. Aufgelistet wurden die Klubs nach der Anzahl der regelmäßigen Nutzer ihrer Internetseiten pro Monat. Hinter dem BVB (290.000 Nutzer im Monat September) liegt Bayern München (260.000) vor dem Hamburger SV und Schalke 04 (jeweils 240.000) sowie Werder Bremen (220.000).
Indem man “nach Informationen von bild.de” aus der sid-Meldung rausgenommen hat, ist jetzt natürlich alles falsch, denn weder bei “Meedia” und schon gar nicht bei media.de stehen die Bayern auf Platz zwei.
Kaum hatte sich die Meldung mit Dortmund als Nummer 1 halbwegs verbreitet, schmiss Bild.de irgendwann am Abend den kompletten Artikel erneut um und krampfte sich in Richtung der ersten Version zurück:
Tabelle der Bundesliga-Klubs nach Homepage-Visits: Bayern München vor Borussia Dortmund und dem HSV
(…) Nur zu Bayern München konnte die Medienseite keine genauen Angaben machen — die hat der Verein jetzt nachgeliefert. Das Ergebnis: Deutschlands Klub der Superlative liegt mit klarem Vorsprung an der Spitze, “Vize-Meister” ist Borussia Dortmund vor dem HSV und Schalke.
Doch der Versuch der Eigen-Recherche ist gründlich in die Hose gegangen:
Wir erinnern uns: t-home.de hat insgesamt 1,6 Millionen Unique Visitors (verschiedene Besucher), da kann die Subdomain bayern.t-home.de schlecht mehr als doppelt so viele haben. Der FC Bayern hat Bild.de anscheinend die Zahl der visits (Besuche) genannt — eine ganz andere Messgröße, die sich mit den anderen nicht vergleichen lässt.
Und vermutlich für immer ein Geheimnis wird bleiben, wo die Zahl 260.000 herkame, die Bild.de vorher genannt und die der sid treudoof weiterverbreitet hatte.
Mit Dank auch an Manuel H.
Nachtrag, 17. Oktober, 00:17 Uhr: Anders als Bild.de schreibt (und wir leider auch), lautet die Adresse der Bayern-Seite übrigens www.fcbayern.t-home.de.
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1. “Blogs sind im Journalismus immer noch nicht anerkannt” (beim-wort-genommen.de, Jonas Schaible)
Jonas Schaible schildert die harte Realität, die junge Menschen erwartet, die gerne in den Journalismus einsteigen möchten: “Ohne Praktikum bekommt man kein Praktikum, bekommt man kein Praktikum, bekommt man kein Praktikum.” Ein Blog als Arbeitsprobe interessiere die Verlage nicht, obwohl man dort täglich tun könne, was “genuin journalistisch” sei: “sich durch Informationen wühlen, interessante Themen suchen, uninteressante Themen herausfiltern, Themen setzen, Zusammenhänge erklären ohne Grenzen in Zeit und Zeile.”
2. “Nachrichten.de wird kein Google-Killer” (horizont.net, Jessica Mulch)
Horizont.net fragt mehrere “Internetexperten”, was vom Tomorrow-Focus-Portal nachrichten.de zu halten ist. FAZ-Redakteurin Monika Ganster sagt: “Für den Leser ist es wohl eher erschütternd als erhellend zu sehen, dass die Ursprungsquelle vieler Nachrichtenseiten eben die gleiche Agenturmeldung ist.”
3. “Neues aus dem journalistischen Neandertal” (blog.dummy-magazin.de, Oliver Gehrs)
Nicht nur Thomas Knüwer hat sich “Business Punk” angesehen, auch Oliver Gehrs wirft einen Blick auf die neuen Gruner+Jahr-Zeitschriften: “Was man dem Verlag wirklich von ganzem Herzen wünschen würde, ist ein Soziologe, der den Managern und Journalisten in ihrem Schnellkochtopf am Hamburger Baumwall ab und zu erzählt wie es draußen vor der Tür aussieht.”
4. “Video-Interviews via Skype” (training.dw-world.de, Marcus Bösch)
Marcus Bösch testet Video-Interviews per Skype, und zwar mit Gesprächspartnern in Deutschland, Vietnam, Ghana und Georgien. Sein Fazit: “Die Möglichkeiten von Skype sind beachtlich. Nur die Bandbreite macht einem im Moment meistens noch einen Strich durch die Rechnung.”
5. “Richtig? – Juste? – Giusto?” (vtg.admin.ch)
Auf der Website der Schweizer Armee werden Aussagen öffentlicher Personen sowie Medienberichte korrigiert (unter anderem der Zeitungen “Blick”, “Mittelland Zeitung” oder “Berner Zeitung”): “Diese Seite soll als Orientierungshilfe dienen. Sie soll wichtige Sachverhalte des Bereichs Verteidigung richtig stellen.” Die offenbar seit 2005 existierende Rubrik stelle “Journalisten im Internet an den Pranger”, schreibt das Boulevardportal tagesanzeiger.ch.
6. “In fremder Haut” (zeit.de, Günter Wallraff)
Günter Wallraff war innerhalb eines Jahres immer wieder als Schwarzer unterwegs. In Berlin Marzahn, in einer Kneipe in Rosenheim oder in Cottbus.
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1. “Nirgends dumme Nutzer, kein Artenschutz” (carta.info, Gisela Schmalz)
Gisela Schmalz glaubt, dass sich die Printverlage grundlegend verändern müssen, um im Internet Erfolg zu haben. “Sie stellen freud- und phantasielose Dubletten von Printprodukten ins Netz, rufen nach Webwerbekunden und folgen ansonsten ihrem Trott, darauf hoffend, in der digitalen Welt gehe alles so weiter wie in der analogen. Doch jedes surfende Kind weiß, dass das Netz ganz anders aussieht und weder starr ist, noch Starre zulässt. Die Technologien verändern sich permanent und mit ihnen die Aktivitäten der Nutzer.”
2. “Die Not der freien Journalisten” (ndr.de, Video, 8:08 Minuten)
“Zapp” schildert die zunehmenden Mühen von drei freien Journalisten, mit ihrem Beruf ein Einkommen zu erwirtschaften, von dem sie leben können.
3. Interview mit Michael Schmidt (utopia.de, Sabine Letz)
Michael Schmidt ist Mitherausgeber des Magazins “Froh!”, ein “Gesellschaftsmagazin”: “Wir wünschen uns, das ganze Leben ehrlich und in seiner Fülle abzubilden. Und dass Menschen, die ‘Froh!’ lesen, denken: So bin ich auch. Das kann ich auch! Und nicht: Das habe ich nicht. So werde ich nie sein.”
4. Drei G+J-Titel im Kurztest (dwdl.de, Thomas Lückerath)
Kurz getestet: die neuen Magazine “Beef”, “Gala Men” und “Business Punk” aus dem Verlag Gruner+Jahr.
5. “How The Huffington Post uses real-time testing to write better headlines” (niemanlab.org, Zachary M. Seward, englisch)
Die “Huffington Post” testet wahlweise Artikelüberschriften. Verwendet wird nach fünf Minuten die besser geklickte Version: “Readers are randomly shown one of two headlines for the same story. After five minutes, which is enough time for such a high-traffic site, the version with the most clicks becomes the wood that everyone sees.”
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2. Interview mit Karl Lüönd (tagesanzeiger.ch, Erwin Haas und Maurice Thiriet)
Heute feiert die Schweizer Boulevardzeitung “Blick” ihren 50. Geburtstag mit einem Relaunch. Publizist Karl Lüönd antwortet auf die Frage “Kann man denn als Boulevardblatt anständig bleiben?”: “Ja. Qualität und Integrität sind auf jedem Niveau möglich.”
3. Interview mit Timm Klotzek und Michael Ebert (tagesspiegel.de, Sonja Pohlmann, Dominik Bardow und Johannes Gernert)
Timm Klotzek vom Elternmagazin “Nido” erklärt seine Themenauswahl gleich drei Journalisten: “Themen, über die man sich privat länger unterhält, die wandern eher auf den Zettel.” – Doch es gibt Grenzen: “Blöd wäre da: ‘Bundestagswahl? Habe ich gar nicht mitgekriegt. Die kleine Leonie schläft so unruhig in letzter Zeit …’“
4. “Ätzt bloß nicht gegen das Netz, sonst droht der Aufstand im Kindergarten!” (falter.at, Susanne Gaschke)
“Zeit”-Journalistin Susanne Gaschke glaubt, dass durch die Individualisierung “ein riesengroßes Kommunikationsdefizit entstanden” ist. Sie fürchtet, dass alle durch den “Spätkapitalismus” zu “Kind-Erwachsenen” verzwergen: “Das Netz verheißt solchen in Frustrationstoleranz und Bedürfnisaufschub wenig geschulten Kind-Erwachsenen die tröstliche Stillung ihres Kommunikationshungers, überall, zu jeder Zeit. Wenn jemand droht, ihnen dieses herrliche Spielzeug, dieses beruhigende Milchfläschchen wegzunehmen – ja, dann gibt’s halt Aufstand im Kindergarten.”
5. “Panne: Nachtmagazin auf Drogen” (youtube.com, Video, 1:14 Minuten)
Grafiken verschiedener Koalitionsmöglichkeiten übernehmen das ARD-Nachtmagazin.
Vor etwa zwei Monaten hatte das Bundeskriminalamt in einer bis dato einzigartigen Aktion in verschiedenen Medien nach einem Mann gefahndet, dem mehrfacher schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wurde. Als sich der mutmaßliche Täter aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nach einem Tag stellte, bat das BKA, die zur Fahndung veröffentlichten Fotos nicht weiter zu verwenden und aus dem Internet zu entfernen. Dieser Bitte kamen die deutschen Medien mit unterschiedlichem Eifer nach (BILDblog berichtete).
Heute nun hat die Staatsanwaltschaft Trier Anklage gegen den Tatverdächtigen erhoben — eine Nachricht, die Bild.de natürlich gerne aufgreift.
Zum Beispiel so:
Die jeweils amtierenden “schlimmsten Kinderschänder Deutschlands” von “Bild” und “BamS”:
“Schlimmster Kinderschänder frei!” (Gestand Missbrauch von 150 Mädchen)
(16.11.1997)
“Der Ehrendoktor der Universität […] ist Deutschlands schlimmster Kinderschänder.” (Vergewaltigte mehrere Mädchen auf den Philippinen.)
(12.12.1999)
“Das Rekord-Schwein: Deutschlands schlimmster Kinderschänder.” (Missbrauchte seine Stieftochter in 3586 Fällen.)
(7.5.2004)
“Deutschlands schlimmster Kinderschänder sitzt im Knast und jammert!” (Hatte eine 13-Jährige 36 Tage lang eingesperrt und 100 Mal vergewaltigt und missbraucht.)
(7.8.2007)
“Grinst hier Deutschlands schlimmster Kinderschänder?” (Soll in 20 Jahren 28 Jungen und Mädchen missbraucht haben.)
(3.3.2008)
“Mittwochabend zeigte ‘Aktenzeichen XY”‘ (ZDF) die Bilder des schlimmsten Kinderschänder Deutschlands.” (Der aktuelle Fall.)
(7.8.2009)
(Wie genau Bild.de auf den Superlativ “Deutschlands schlimmster Kinderschänder” kommt, ist nicht ganz klar — von der Staatsanwaltschaft Trier stammt er jedenfalls nicht.)
Im Artikel selbst werden munter alte und neue Bildergalerien verlinkt, in denen der Mann, den Bild.de konsequent als “Kinderschänder” bezeichnet — ganz so, als sei er schon verurteilt worden –, immer gut zu erkennen ist. Ganz zu oberst: Ein Clip, in dem die Videosequenzen zu sehen sind, deren weitere Veröffentlichung das BKA sich ebenfalls verbeten hatte.
Aber selbst für den (eher unwahrscheinlichen) Fall, dass das BKA die Bild.de-Redakteure mit vorgehaltenen Waffen zur Löschung der ehemaligen Fahndungsfotos zwingt, hätte die Seite noch was in petto: zum Beispiel ein Foto, das die “Sex-Bestie” bei einem Turnfest “mit seinen jungen Schützlingen” zeigt. Die Kinder auf dem Bild sind anonymisiert, der Angeklagte natürlich nicht. Darunter steht der Hinweis “Foto: Alexander Blum”, was zumindest einige Mutmaßungen darüber zulässt, wie “Bild” diesmal an das Foto gekommen sein könnte.
Aber all das ist wie gesagt nichts Neues für Bild.de. Auch die Bildunterschrift “Mit diesem Bild fahndete das BKA nach dem Dreckschwein” (“Dreckschwein” ist in diesem Fall keine vom BKA verwendete Formulierung) gab es in ähnlicher Form schon in der gedruckten “Bild”. Es ist nur erstaunlich, mit welcher Vehemenz die Redaktion Bitten des Bundeskriminalamts und Missbilligungen des Deutschen Presserats ignorieren zu können meint.
Nachtrag, 14. Oktober: Und so behandelt die gedruckte “Bild” heute das Thema (alle gelben Flächen von uns):
Bei der Quellenangabe der Fotos war “Bild” übrigens besonders zynischdreist genau: “Fotos: BKA” steht dort.
Jetzt wissen es alle: Heidi Klums viertes Kind hat die Welt erblickt — und das bereits am vergangenen Freitag, wie das Model auf seiner Homepage bekannt gibt. Drei Tage mussten sich die Medien in Ungewissheit wiegen, drei Tage gab es keinen Kommentar von der Familie, drei Tage schwankte die Promi-Presse zwischen Euphorie und Selbstzweifeln.
Schon am Freitag hatte das Celebrity Paparazzi-Magazin radaronline.com die Geburt gemeldet. In zwölf kurzen Zeilen verriet der Dienst Zeitpunkt der Geburt und den Namen des Babys. Quelle: unbekannt. Verlässlichkeit: gering.
Doch ein Internet-Gerücht ist ein Internet-Gerücht — also muss man die Leser schnell informieren. So sieht das zumindest die Redaktion von “Bild am Sonntag” und schickte prompt die ersten Geburtstagsglückwünsche:
Da nun ein deutsches Medium mit Millionenauflage berichtet hatte, durfte das Gerücht natürlich in die vermeintlich seriöseren Medien vordringen. So fand sich in der “Welt am Sonntag” diese Meldung:
“Unter Berufung auf amerikanische Internetseiten” kann man offenbar jedes Gerücht ins Blatt heben — vorausgesetzt, jemand anderes hat es vor einem getan.
Doch Heidi Klum ließ sich von dieser Eile nicht beeindrucken: Sie gab weder eine Bestätigung, noch ein Dementi heraus. Gleichzeitig widersprach zum Beispiel das Klatschblatt Usmagazine.com dem Bericht von radaronline, was die Redakteure von Bild.de in eine Sinnkrise stürzte. Wenn zwei unterschiedliche Meldungen im Internet kursieren, welcher soll man glauben?
Offiziell bestätigt hat das Topmodel das aber noch nicht. Mit Gerüchten auf Internetseiten “habe ich nichts zu tun”, steht auf Heidis Homepage. “Meine Anmerkungen finden ausschließlich hier statt und nirgendwo sonst.”
Dass die Autoren dieser Meldung nach anderthalb Tagen auf die Idee gekommen sind, auf Heidi Klums Homepage nachzusehen, ist zwar schon ein Fortschritt — mit dem Lesen haperte es aber etwas. Denn das zitierte Dementi hat mit der Geburt von Heidi Klums Tochter nichts zu tun. Wie man der Überschrift des Statements entnehmen kann, ging es nicht um die Geburt, sondern um Nachrichten auf Twitter, MySpace und Co. Dort hatte ein Virus Nachrichten mit angeblichen Videos von Heidi Klum verbreitet.
Ein Gerücht, ein gegenteiliges Gerücht und ein Dementi zu einer völlig anderen Geschichte. Wer denkt, daraus sei keine journalistische Meldung zu machen, arbeitet offenbar nicht für den ORF, die Münchner “Abendzeitung”, gala.de oder Focus.de, die sich (häufig über den Umweg der Nachrichtenagentur ddp) alle der Baby-Spekulationen von Bild.de und “Bild am Sonntag” anschlossen.
Doch bisher ist die Ankunft des Kindes offiziell nicht bestätigt. Auf ihrer eigenen Homepage dementiert Heidi Klum die Gerüchte um die Geburt und erklärt, sie habe keinen dieser Berichte bisher bestätigt. Alle aktuellen Informationen liefen ausschließlich über ihre offizielle Homepage.
Doch hatten die Redakteure des “Abendblatts” offenbar Hemmungen, bei Bild.de etwas abzupinnen, was alleine auf den Angaben eines US-Klatschmagazins beruhte. Also recherchierten sie nach googelten sie flüchtig und fanden tatsächlich eine Bestätigung für die Geburtsmeldung:
Der amerikanische Internetdienst RadarOnline.com berichtete exklusiv über die angebliche Geburt des vierten Klum-Sprösslings und auch Indien gratulierte via oneindia.in dem Model zur Geburt ihrer zweiten Tochter.
Supermodel Heidi Klum has become a proud mum for the fourth time, giving birth to her first daughter with husband Seal, according to reports. The supermodel welcomed baby Lou Samuel on Friday morning, according to RadarOnline.com.
(Supermodel Heidi Klum ist zum vierten Mal stolze Mutter geworden und hat nach Berichten ihre erste Tochter mit Ehemann Seal bekommen. Das Supermodel begrüßte Baby Lou Samuel am Freitagmorgen, berichtete RadarOnline.com)
Als Beleg für das Gerücht verwendet das “Abendblatt” die Wiedergabe des gleichen Gerüchts. Wie soll man das nennen? Möbius’sche Quellenvermehrung?
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1. “Präsentation: gewaltig. Beweislage: lausig” (faz.net, Michael Eder)
Die ARD-Sportschau stellt Radprofi Linus Gerdemann aufgrund von Schwankungen bei den Hämoglobinwerten unter Dopingverdacht. Anti-Doping-Experte Klaus Pöttgen hält das für “absolut unseriös”: “Zwei solche Werte einfach in die Öffentlichkeit knallen, das geht nicht, das ist eine Katastrophe für den betreffenden Sportler.”
2. “Times Metro Desk Cancels All Newspaper, Magazine Subscriptions” (observer.com, John Koblin, englisch)
Die Stadtredaktion der “New York Times” muss sich die Konkurrenzblätter auf Papier zukünftig selbst kaufen. Das eingesparte Geld soll für die Bezahlung von freien Journalisten verwendet werden.
3. “Tipps für Journalisten” (stigma-videospiele.de)
Ein Dossier über “Killerspiele” für Journalisten, das “Autoren ein bisschen Recherchearbeit abnehmen und einige allgemeine Schwachstellen bei Artikeln” aufzeigen soll. “Ich hoffe, dass diese Ratschläge für den einen oder anderen eine Hilfe darstellen und vielleicht zu einer sachlicheren Berichterstattung über gewaltdarstellende Videospiele führen.”
4. “Perfide Aktion” (epd.de, Katrin Schuster)
Katrin Schuster nennt die Aktion “Ohne Models” der Zeitschrift “Brigitte” eine perfide PR-Aktion, die “schon wieder die (und nur die)” treffe, “die in dieser Branche ohnehin keine Stimme haben, weil sie tatsächlich die seelenlosen, rechtlosen und charakterlosen Geschöpfe sind, die die Designer und Produzenten sich heranziehen”. Frauenzeitschriften wie die “Brigitte” seien jahrelang darum bemüht gewesen, “Frauen auf Stromlinienform zu trimmen – und dann werfen sie ihnen genau das vor.”
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1. Interview mit Wolfgang Blau (carta.info, Doris Raßhofer)
Lesenswertes Gespräch mit dem Chefredakteur von zeit.de, Wolfgang Blau: “Die Leser lernen gerade, zu unterscheiden, welche Redaktion sauber zwischen Werbung und Journalismus trennt, wer am saubersten recherchiert, wer integer ist und wer nicht.”
2. “Reporter meldete Obama-Ehrung vorab” (taz.de, Reinhard Wolff)
Peter Lindholm vermeldete die Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama schon am Freitagmorgen, Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe, in der Gratiszeitung “Metro”. “Er hatte es mit Hilfe der Liste der Gäste der Nobelgala, die am Tag nach der Preisverleihung stattfindet und zur persönlichen Huldigung des Preisträgers gedacht ist, selbst herausgefunden.”
3. “Irans Präsident ein jüdischer Konvertit?” (nzz.ch, Kristina Bergmann)
Kristina Bergmann arbeitet die von “Daily Telegraph” ausgelöste Story, der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad “stamme aus einer jüdischen Familie”, auf. Ein Artikel, der auf bild.de unter dem Titel “Hat der Irre von Teheran jüdische Vorfahren?” stand, wurde wieder zurückgezogen.
4. “Offener Brief der User von torwart.de im Fall Burchert” (torwart.de)
Fußball: Der von “Bild” als “Kopfball-Torwart-Trottel” bezeichnete Torhüter Sascha Burchert wird von Nutzern des Forums der Website torwart.de in Schutz genommen: “Sascha Burchert hat nach unserer Auffassung in den jeweiligen Spielsituationen alles getan, um die Gegentreffer zu verhindern und mit seinen beiden Flugkopfbällen nicht nur sein torhüterisches Können bewiesen, sondern auch vorbildlichen Einsatz für seine Mannschaft gezeigt.”
5. “tz: die nachrichtenfreie Zeitung” (dirkvongehlen.de)
Dirk von Gehlen zeigt mit einem Bild eines Zeitungsaushangs der Münchner Boulevardzeitung “tz” den Trend auf, nicht mehr mit Nachrichten, sondern mit Ratgeber- und Servicethemen aufzumachen.
6. “Höchstrichterlicher Schutz für den Gastro-Journalismus” (presseverein.ch/blog)
Ein Journalist, der 2001 am Weltwirtschaftsforum WEF “von der Polizei weggewiesen, und somit an der Ausübung seines Berufs gehindert” wurde, klagte dagegen und erhält nun Recht: “Die Strassburger Richter argumentierten, das Polizeigesetz erlaube Einschränkungen der Grundrechte nur für potenzielle Unruhestifter. Der Journalist habe nicht zu dieser Kategorie gehört. Die Schweiz muss dem Kläger nun gut 1500 Franken Schmerzensgeld zahlen.”