1. Olympische Spiele in Peking: Zu Gast im Überwachungsstaat (derstandard.at, Lukas Zahrer)
Lukas Zahrer ist für den österreichischen “Standard” in Sachen Olympiaberichterstattung in China. Er erzählt von seinen Lebens- und Arbeitsbedingungen im “Closed Loop System”, wo ihm jeder Kontakt mit der Außenwelt verboten ist. Seinen Kollegen und Kolleginnen vor Ort gehe es nicht anders: “Andere Journalisten wohnen so nahe beim Pressezentrum, sie können es vom Hoteleingang aus sehen. Trotzdem dürfen sie nicht die 200 Meter zu Fuß gehen, sondern müssen den Bus nehmen. Darin befinden sich vier Überwachungskameras, die Fahrerkabine ist mit einer transparenten Wand aus Plastik vom Gästebereich abgetrennt. Kommunikation mit dem Fahrer ist nicht erwünscht.”
2. “Welt” entschuldigt sich für “schlimmen Fehler” (sueddeutsche.de)
In einem Kommentar von Chefredakteur Ulf Poschardt stand in einer früheren Version bei Welt.de: “unbescholtene Bundeswehr-Offiziere wie Marcel Bohnert” müssten sich “von super Holocaust-Überlebenden und deren PR-Abteilungen” in die braune Ecke treiben lassen. Als sich gegen diese Formulierung Protest erhob, erklärte die “Welt”-Redaktion, es habe “von superlinken Aktivistinnen und deren PR-Abteilungen” heißen sollen, und erklärte das Ganze mit Fehlern bei der digitalen Produktion.
3. Australiens “best beaches” und der Sinn und Unsinn von Top-10-Listen (riffreporter.de, Julica Jungehülsing)
Julica Jungehülsing arbeitet als freie Journalistin in Australien und erlebt dort eine besondere Begeisterung von Medien für Top-10-Listen. Am Beispiel einer Aufzählung von tollen Stränden macht sie deutlich, wie zweifelhaft das Genre ist und welche fatalen Folgen daraus erwachsen können, zum Beispiel für den kleinen Küstenort Hyams in New South Wales und die 100 Menschen, die dort leben: “Täglich (wenigstens in Zeiten, in denen Grenzen offen sind) ergießen sich Busladungen von Touristen an ihrem kleinen Strand, um per Instagram oder sonstigem Foto vom ‘Weißesten Strand der Welt’ zu grüßen. Besonders clever ist das nicht, gut für die Umwelt auch nicht.”
4. Joe Rogan erneut in der Kritik (taz.de)
Der bei Spotify für eine Rekordsumme von 100 Millionen US-Dollar unter Vertrag stehende Podcaster Joe Rogan war in den vergangenen Tagen wegen der Verbreitung von Falschinformationen zur Corona-Pandemie in die Kritik geraten. Nun hat er für die Verwendung rassistischer Äußerungen in seinen Sendungen um Entschuldigung gebeten. Das Spotify-Team soll laut einem Bericht der “New York Times” mehr als 70 Folgen seines Podcast-Superstars entfernt haben.
5. Praxisbeispiel: Wie die New York Times die digitale Transformation meistert (konradweber.ch)
Die “New York Times” investiert bereits seit Längerem in Onlinegames, zuletzt durch die Übernahme des beliebten Ratespiels “Wordle”, das sich binnen kurzer Zeit zum viralen Hit entwickelt hat. Konrad Weber wirft einen Blick auf die digitale Strategie und den Transformationsprozess des altehrwürdigen Blatts: “Wie ist es gelungen, dass das Medienhaus in vergleichsweise kurzer Zeit einen solch fundamentalen Wandel realisieren konnte?”
6. 8 Dinge, die sich bei “Wer stiehlt mir die Show?” abgucken lassen (dwdl.de, Peer Schader)
“Was genau macht die Sendung eigentlich zu so einer Ausnahme?” TV-Experte Peer Schader analysiert in seiner Kolumne den Erfolg von Joko Winterscheidts Sendung “Wer stiehlt mir die Show?” Dabei hat Schader acht Dinge festgestellt, die sich andere von der Show abgucken können, “und eins, das lieber nicht.”
1. Faeser will Telegram aus den App-Stores werfen lassen (spiegel.de)
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will Apple und Google auffordern, die umstrittene Messenger-App Telegram wegen nicht gelöschter Gewaltaufrufe und Hetze aus den jeweiligen App-Stores zu verbannen. Sie wolle die dominierenden Anbieter an ihre “gesellschaftliche Verantwortung” erinnern. Der “Spiegel” kommentiert: “Ein Rauswurf aus den App-Stores wäre keineswegs das Ende für die App: Bestehende Nutzerinnen und Nutzer könnten die App weiterhin nutzen, allenfalls an Updates zu kommen, könnte für sie schwierig werden.” Dennoch könne eine Sperrung das Wachstum der App bremsen.
2. “Wir müssen immer die Guten sein!” (journalist.de, Jan Freitag)
“Katapult” ist in vielfacher Hinsicht ein Phänomen: Das Magazin hat sich mit seinen Karten und Datenvisualisierungen mehr oder weniger aus dem Nichts eine große Fangemeinde aufgebaut, hat mittlerweile fast 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und will nach dem Einstieg in den Lokaljournalismus eine Journalistenschule gründen. Jan Freitag hat sich mit dem umtriebigen Firmenchef unterhalten. Dabei geht es auch um die Frage, was das Unternehmen anders als die Mitbewerber macht.
3. Ein Querfront-Magazin? (belltower.news, Vinzenz Waldmüller)
Das Onlinemagazin “Rubikon News” wurde von politisch eher links stehenden Personen gegründet, wird aber wegen der Vermischung linker und rechter Positionen oft als “Querfront-Magazin” bezeichnet. Ist diese Zuschreibung zutreffend? Vinzenz Waldmüller hat sich “Rubikon News” näher angeschaut und kommt zu lesenswerten Erkenntnissen.
4. Unter den Opfern waren Deutsche (kontextwochenzeitung.de, Minh Schredle)
Der Historiker und Germanist Ladislaus Ludescher hat sich im Rahmen einer Langzeitstudie mehr als 5.000 Folgen “Tagesschau” angeguckt und ausgewertet (PDF). Die Ergebnisse würden deutlich zeigen, “dass sich die Berichterstattung stark auf den sogenannten Westen konzentriert, während die Länder des Globalen Südens (die sogenannte Dritte Welt beziehungsweise die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer) in der Berichterstattung massiv und konstant vernachlässigt werden”. Minh Schredle hat mit Ludescher über die Ergebnisse der Studie gesprochen, über “vergessene Welten und doppelte Standards”.
5. Lkw-Unfall auf der A 2: Die Klarstellung (eurotransport.de, Jan Bergrath)
“Dies ist die Geschichte eines furchtbaren falschen Verdachts, den deutsche Medien gegenüber einem Lkw-Fahrer Ende Juni 2021 veröffentlichen. ‘Zwei Tote bei Horror-Unfall auf der A2. Handy beschlagnahmt! War der Lkw-Fahrer abgelenkt?’ So titelte etwa die BILD-Zeitung.” Jan Bergrath klamüsert in seinem Blogbeitrag detailliert auseinander, was in dem Fall medial alles schiefgelaufen ist, und zeigt, wie wichtig gründliche Recherche und verantwortungsvolle Berichterstattung sind.
6. #trending Weekly: The Beginning (meedia.de, Jens Schröder)
Nachdem sich Jens Schröder Mitte Dezember nach mehr als 1.000 Ausgaben von seinem verdienstvollen, täglichen #trending-Newsletter verabschiedet hat, kommt er nun mit einem wöchentlichen Format zurück. In den Augen des “6-vor-9”-Kurators eine ausgesprochen gute Nachricht, denn die gänzliche Einstellung hätte eine große Lücke hinterlassen. Die aktuelle Ausgabe bietet direkt jede Menge interessanten Lesestoff.
Nordkorea, einst von vielen gefürchtet, taucht in der Berichterstattung heutzutage vor allem in einer Rolle auf: als Lachnummer.
Womit wir auch gleich beim “Stern” wären.
Der macht nicht nur eine ähnliche Entwicklung durch, sondern trägt auch immer wieder dazu bei, dass das niederträchtige Regime Nordkoreas eben nicht gefürchtet oder verachtet wird, sondern belächelt. Mit Geschichten wie dieser:
So steht es seit gut einer Woche bei Stern.de*. Im Artikel feixt die Autorin:
Neues aus Pjöngjang: Nach sagenumwobenen Einhörnern, die man in einer Höhle gefunden haben will, der Erzählung, dass Kim Jong-il niemals auf Toilette musste und ein perfekter Golfspieler gewesen sein soll (gleich bei seinem ersten Versuch sollen ihm elf “Hole in One” gelungen sein), hat die Propagandamaschine nun eine neue Geschichte in Petto. Der Vater von Nordkoreas Oberstem Führer Kim Jong-un soll eine Leckerei erfunden haben, deren Ursprung eigentlich in der mexikanischen Küche liegt und liebend gerne von den feindlichen US-Amerikanern verspeist wird – den Burrito.
Denn die nordkoreanische Propagandazeitung “Rodong Sinmun” habe laut Stern.de behauptet, der Burrito sei ursprünglich im Jahr 2011 von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-il erfunden worden. Auch dessen Sohn, der amtierende Diktator Kim Jong-un, habe ein ausgeprägtes Interesse an der Spezialität.
Als Quellen für die Story gibt Stern.de die Boulevardblätter “New York Post” und “The Sun” an.
Tatsächlich wareneszunächstenglischsprachigeMedien, die behaupteten, nordkoreanische Medien hätten behauptet, der Burrito sei eine Erfindung ihres geliebten Führers:
Sie alle berufen sich auf das Propagandablatt “Rodong Sinmun”:
The Rodong Sinmun newspaper, seen as a government mouthpiece, reported that the burrito was thought up in 2011 by Kim Jong-il – the father of current supreme leader Kim Jong-un.
Die Geschichte zog sofort große Kreise und landete schnell auch in deutschen Medien, etwa bei Stern.de oder News.de. Die “Südwest Presse” und ihre regionalen Ableger widmeten ihr sogar einen Platz auf der Titelseite:
Aber was ist dran an der Sache? Nun, auf der Internetseite von “Rodong Sinmun” findet man schnell den Originalartikel, auf den sich alle beziehen. Dort abgebildet: Ein nordkoreanischer Burrito-Stand im Winter, vor dem mehrere Menschen stehen (alle tragen eine Maske und scheinen darunter zu lächeln). Dazu heißt es:
An einem Stand kann man Menschen sehen, die mit Fleisch gefüllte Weizenkuchen essen, und Verkäuferinnen, die die Kunden freundlich über den Nährwert aufklären.
Diese harmonische Szene fügt ihrer Popularität Glanz hinzu.
Wann immer wir Zeuge solcher Szenen werden, erinnern wir uns mit tiefer Ergriffenheit an das Bild des Vorsitzenden Kim Jong Il, der sich bei seiner Führung durch die neu errichtete Werkstatt der Kumsong-Lebensmittelfabrik freute.
Als der Vorsitzende an einem mobilen Servicestand vorbeikam, wies er an, dass die Leute die gefüllten Weizenkuchen aufgewärmt servieren sollten.
Wir erinnern uns noch gut an seine Worte, dass es für unser Volk angenehmer wäre, im Sommer Mineralwasser und im Winter heißen Tee mit Weizenkuchen an den Ständen zu bekommen.
Der verehrte Generalsekretär Kim Jong Un, der die Geschichte der edlen Liebe des Vorsitzenden zum Volk weiterführt, hat ein ausgeprägtes Interesse für die Weizenkuchen, von der Herstellung bis zum Service, und ergriff entsprechende Maßnahmen.
In der Tat: Ein kleiner Stand für gefüllte Weizenkuchen ist mit der mütterlichen Liebe unserer Partei verbunden.
Allem Geschwurbel zum Trotz: Das Blatt behauptet nicht, dass Kim Jong-il 2011 den Burrito erfunden hat. Sondern dass er beim Besuch einer Lebensmittelfabrik (der 2011 stattfand) anwies, den Weizenkuchen lieber aufgewärmt zu servieren, vor allem im Winter.
Dass die amerikanischen und englischen Journalisten daraus etwas völlig anderes machen, und dass deutsche Journalisten den Quatsch einfach abschreiben und sogar auf die Titelseite packen, statt zwei Minuten zu recherchieren, ist aber keine Ausnahme, sondern eine liebgewonnene Tradition. Schauen wir nochmal in den einleitenden Absatz bei Stern.de:
Neues aus Pjöngjang: Nach sagenumwobenen Einhörnern, die man in einer Höhle gefunden haben will, der Erzählung, dass Kim Jong-il niemals auf Toilette musste und ein perfekter Golfspieler gewesen sein soll (gleich bei seinem ersten Versuch sollen ihm elf “Hole in One” gelungen sein), hat die Propagandamaschine nun eine neue Geschichte in Petto. (…)
Nehmen wir die Einhörner, die das Regime laut Stern.de gefunden haben wolle. Eine Geschichte, die seit zehn Jahren immer wieder höhnisch erzählt wird. Dabei steckt dahinter, wie das Wissenschaftsblog “io9” bereits vor zehn Jahren berichtete, wohl schlicht ein Übersetzungsfehler:
Nein, die nordkoreanische Regierung hat nicht behauptet, Beweise für das Einhorn gefunden zu haben. (…) Die Behauptung bezieht sich stattdessen auf einen Ort namens Kiringul [der in Nordkoreas Mythologie eine bedeutende Rolle spielt]. Nordkorea hatte die Entdeckung bereits 2011 verkündet, aber erst vor Kurzem eine Meldung auf Englisch veröffentlicht. In dieser englischen Version wurde der Name des historischen Ortes, Kiringul, irrtümlich als “Einhorn-Höhle” übersetzt – ein sehr anregender Name für Leute aus dem Westen.
Ebenso anregend wie die “Erzählung, dass Kim Jong-il niemals auf Toilette musste”, die es bei News.de aktuell auch wieder in die Überschrift geschafft hat:
Im Artikel heißt es:
Bei seiner ersten Golfrunde soll Kim Jong-il, der verstorbene Vater des amtierenden Herrschers, gleich elf Hole-in-ones geschlagen haben. Eine wirklich besch***ene Idee war es wohl, zu behaupten, die Führer des Landes hätten keinen Stuhlgang. Dagegen ist die angebliche Entdeckung von Einhörnern doch direkt süß.
Ok. Also.
Zunächst der (Nicht-)Stuhlgang. Auch diese Behauptung hält sich seit vielen Jahren (nicht erst seit dem Film “The Interview”) hartnäckig in den Medien. Der älteste Artikel, den wir dazu finden konnten, erschien 2008 auf einer amerikanischen Listicle-Website, die sich auf Kim Jong-ils Wikipedia-Artikel berief. Dort fand sich tatsächlich mal eine (mittlerweile gelöschte) Passage, die lautete:
Überläufer werden mit der Aussage zitiert, dass nordkoreanische Schulen sowohl Vater als auch Sohn vergöttern, und lehren, dass sie nicht wie sterbliche Menschen urinieren oder defäkieren.
Als Quelle dafür wurde wiederum ein Buch angegeben, “The Aquariums of Pyongyang: Ten Years in the North Korean Gulag”, in dem ein nordkoreanischer Journalist sein Leben in einem Internierungslager beschreibt. Wirft man einen Blick in das Buch, stellt sich die Sache aber schnell ganz anders dar. Denn der Autor schreibt:
In meinen kindlichen Augen und denen aller meiner Freunde waren Kim Il-sung und Kim Jong-il perfekte Wesen, unbefleckt von jeder niederen menschlichen Funktion. Ich war wie wir alle davon überzeugt, dass keiner von ihnen urinierte oder defäkierte. Wer könnte sich so etwas bei Göttern vorstellen?
Das mit dem Stuhlgang ist also nicht wörtlich zu verstehen, sondern als Umschreibung dafür, wie der Autor die scheinbare Göttlichkeit der Machthaber als Kind empfunden hat.
Dann die Geschichte mit dem perfekten Golfspiel, die Journalisten seit nunmehr fast 30 Jahren supergern erzählen, aber superungern überprüfen. Zurückzuführen ist sie auf einen 1994 im “International Herald Tribune” veröffentlichten Artikel. Dort schrieb der australische Reporter Eric Ellis über seine Reise nach Nordkorea und berichtete unter anderem von seiner (eigentlich eher nebensächlichen) Begegnung mit einem nordkoreanischen Golfer:
Mr. Park, der zugab, noch nie etwas von Arnold Palmer gehört zu haben, erklärte, dass der “Geliebte Führer” über 18 Löcher eine 34 spielte, darunter fünf Hole-in-Ones. “Er ist ein hervorragender Golfer”, sagte Mr. Park.
Im Laufe der Jahre wurde dieser Nebensatz von Journalisten immer weiter aufgeblasen – aus den fünf Hole-in-Ones wurden elf, irgendwann kamen noch 17 Bodyguards dazu, die dabeigewesen seien und alles bezeugen könnten, und vor allem wurden diese Aussagen nicht mehr irgendeinem Golfer zugeschrieben, sondern zu einer offiziellen Verlautbarung der nordkoreanischen Regierung erklärt.
“Ich bin verwirrt darüber, wie sich diese Geschichte verselbstständigt hat”, sagte Eric Ellis, der australische Reporter, im vergangenen Jahr in einem Interview. Eigentlich sei es ein “völlig unschuldiger, entwaffnender Moment” gewesen: Der nordkoreanische Golfer habe einfach Angst gehabt, etwas Falsches zu sagen, darum habe er sich die absurde Geschichte mit den Hole-in-Ones ausgedacht.
Und knapp drei Jahrzehnte später wird sie immer noch erzählt – von kichernden Journalisten, die glauben, sie würden damit die Lachhaftigkeit der Nordkoreaner belegen, ohne zu merken, wen sie damit eigentlich entlarven.
Insbesondere bei Stern.de erscheinen immer wieder solche Geschichten. So behauptete das Portal 2014 zum Beispiel (neben vielen anderen Medien), dass männliche Studenten in Nordkorea laut staatlicher Verordnung nur noch eine einzige Frisur tragen dürften: die von Kim Jong-un (BILDblog berichtete). 2017 reisten zwei australische Studenten nach Nordkorea, um die Geschichte zu überprüfen. Sie kamen zum gleichen Ergebnis wie wir: völliger Quatsch. Doch bei Stern.de steht die Behauptung bis heute unverändert online.
Im Jahr darauf behauptete Stern.de, Nordkorea wolle den USA den Krieg erklären, sobald Windows 10 auf den Markt komme. Als wir die Redaktion fragten, ob es dafür irgendwelche Belege gebe, antwortete sie nicht. Aus gutem Grund: es gab keine. Denn auch diese Geschichte war völliger Quatsch.
Bei einer Sache hat der “Stern” aber Recht: Tatsächlich wird die Propagandamaschine weiterhin fleißig von Medien betrieben. Allerdings nicht nur von nordkoreanischen.
*Nachtrag, 20. Januar: Stern.de hat auf unsere Kritik reagiert und den Burrito-Artikel gestern offline genommen. Außerdem schrieb uns jemand aus der Redaktion, dass man “auch die älteren verlinkten Artikel noch einmal ansehen und in den nächsten Tagen offline nehmen” werde.
Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!
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1. Hinter den Kulissen von “Slahi” (viertausendhertz.de, Maren Fußwinkel , Audio: 37:15 Minuten)
Im investigativen Dokumentarfilm “Slahi und seine Folterer” (ARD) geht es um Mohamedou Slahi, der 14 Jahre lang im Gefangenenlager Guantanamo saß und dort schwer gefoltert, aber schließlich von einem US-Gericht freigesprochen wurde. Der Film handelt von Slahis Suche nach den Personen, die an seiner Folter beteiligt waren, und bringt ihn mit seinen einstigen Peinigern zusammen. Zu dieser Geschichte gibt es auch einen zwölfteiligen Podcast von Bastian Berbner. Im oben verlinkten Interview spricht Maren Fußwinkel mit ihm über die Entstehung von “Slahi”, über Überraschungsmomente in Interviews und über die redaktionelle Arbeit beim US-Podcast “This American Life”.
2. Ballaballa-Balkan spricht….mit Sebastian Leber (Tagesspiegel) (ballaballa-balkan.de, Danijel Majić, Audio: 31:55 Minuten)
Ende November wurde der “Tagesspiegel”-Reporter Sebastian Leber bei Recherchen zu illegalen Push-Backs an der bosnisch-kroatischen Grenze von der kroatischen Polizei festgenommen. “Ballaballa-Balkan”-Podcaster Danijel Majić hat sich mit Leber über die Festnahme, die gegen ihn erhobenen, absurden Vorwürfe, seine Recherchen und über die Hintergründe der Push-Backs unterhalten.
3. Der Berliner Verlag mit der Berliner Zeitung: Holger Friedrich zwei Jahre nach dem Besitzerwechsel (radioeins.de, Daniel Bouhs & Jörg Wagner, Audio: 1:28:36 Stunden)
Vor zwei Jahren übernahm das Unternehmerpaar Silke und Holger Friedrich den Berliner Verlag mitsamt der “Berliner Zeitung”. Diese Übernahme sorgte damals für viel Aufsehen in der Medienbranche, weil das Ehepaar Friedrich branchenfremd war und damit aus dem üblichen Schema herausfiel. Wie ist es seitdem weitergegangen, und wie sehen die nächsten Schritte aus? Darüber haben sich Daniel Bouhs und Jörg Wagner mit Holger Friedrich unterhalten. Ein, trotz einiger Tonprobleme, hörenswertes Gespräch.
4. Shanghai (China) (ardaudiothek.de, Holger Klein, Audio: 42:07 Minuten)
Einmal im Monat bittet radioeins-Moderator Holger Klein Auslandskorrespondenten oder -korrespondentinnen aus aller Welt zum Gespräch. In der aktuellen Folge ist Steffen Wurzel zu Gast, der seit fast sechs Jahren aus Shanghai über China berichtete. Hörenswert, weil es einen Einblick in den Alltag eines Journalisten im totalüberwachten China bietet.
5. Fritz Pleitgen – sein Leben (ardaudiothek.de, Jochen Rausch, Audio: 7 Episoden)
Fritz Pleitgen war in den 1970er- und 1980er-Jahren Fernsehjournalist. Er berichtete als ARD-Korrespondent aus Moskau, Ost-Berlin, Washington und New York. Beim WDR wurde er später Chefredakteur, Hörfunkdirektor und Intendant. In einer siebenteiligen Podcastreihe erinnert sich Pleitgen an die wichtigsten Stationen seines beruflichen Lebens, ein halbes Jahrhundert Rundfunkgeschichte.
6. Wie die Literatur bei Fake News helfen kann (deutschlandfunknova.de, Sibylle Salewski, Audio: 47:52 Minuten)
Bei Deutschlandfunk Nova geht es um die “Kunst des Erzählens”. Der Literaturwissenschaftler Thomas Strässle von der Hochschule der Künste Bern erklärt, welche Stilmittel in falschen Geschichten und “Fake News” zum Tragen kommen, und wie wir sie erkennen können. Sein Vortrag hat den Titel “Faketionales Erzählen. Über die Erfindung von Wahrheit”. Strässle ist der Überzeugung, “dass die Literaturwissenschaft eine politische Funktion bekommen kann, weil sich an der Literatur ein unendliches Reservoir an Strategien, Techniken, Verfahren aufzeigen lässt, wie man so erzählen kann, dass es einem jemand glaubt.”
1. AfD nicht mehr im MDR-Rundfunkrat (deutschlandfunk.de, Alexander Moritz)
Die AfD sehe sich als Opfer einer “Intrige”, die anderen Parteien sprächen von einer Stärkung der Opposition: Am Freitag hat der sächsische Landtag drei Mitglieder des neuen MDR-Rundfunkrats gewählt. Entsandt werden je ein Abgeordneter der Regierungsparteien CDU und SPD sowie eine Vertreterin der Linken. Die AfD als zahlenmäßig größte Oppositionskraft ging leer aus und wittert finstere Absichten – man prüfe eine Klage.
2. Warum wir unser Corona-Dashboard überarbeitet haben (blog.zeit.de, Christian Endt)
“Zeit Online” bietet bereits seit Längerem eine umfangreiche Coronavirus-Karte für Deutschland mit vielen Zusatzinformationen an, die auf den Daten von 400 Kreisen basiert und täglich aktualisiert wird. Nun haben die Macherinnen und Macher des komplexen Datenwerks einige Änderungen vorgenommen und unter anderem einen neuen Wert hinzugefügt: die Hospitalisierungsinzidenz. In einem Blogbeitrag erklärt “Senior Data Analyst” Christian Endt, welche Änderungen sonst noch vorgenommen wurden, und schreibt über die Beweggründe dahinter.
3. Geschlechtsspezifische Gewalt im TV: Betroffene kommen selten zu Wort (dwdl.de, Timo Niemeier)
Eine Studie der Hochschule Wismar und der Universität Rostock, initiiert und gefördert durch die MaLisa Stiftung sowie die UFA, (PDF), hat die Darstellung von geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen Fernsehen untersucht. In 34 Prozent der betrachteten Sendungen habe es diese Form von Gewalt gegeben, dabei handele es sich vor allem um schwere Gewalt gegen Frauen und Kinder. Studienleiterin Christine Linke kommentiert: “Geschlechtsspezifische Gewalt ist vielfach im deutschen Fernsehen sichtbar, die Perspektive von Betroffenen steht aber nur selten im Zentrum. Besonders ernüchternd ist, dass Möglichkeiten der Prävention und Hilfsangebote kaum vermittelt werden. Die Studie zeigt klar: Es besteht Handlungsbedarf. Über geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen müssen wir diskutieren.”
4. Transparenz gefordert (djv.de, Hendrik Zörner)
Nachdem bekannt geworden ist, dass Google mehreren großen Verlagen, darunter “Zeit” und “Spiegel”, Zahlungen in bislang unbekannter Höhe gemäß dem neuen Urheberrecht hat zukommen lassen, fordert der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Transparenz: “Es ist das gute Recht der Autorinnen und Autoren”, so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall, “dass sie die Summen kennen, an denen sie partizipieren.” Es sei befremdlich, dass es bisher kein Übereinkommen zwischen Google und der zuständigen Verwertungsgesellschaft Corint Media gebe. Corint fordere 420 Millionen Euro, Google halte diese Summe für überzogen.
5. Taliban verbieten Serien mit Frauen (taz.de)
In Afghanistan haben die regierenden, militant-islamistischen Taliban weitreichende Einschränkungen für Fernsehinhalte verhängt: TV-Sender sollen keine Filme oder Serien mehr zeigen dürfen, in denen Frauen eine Rolle spielen oder die der islamischen Scharia widersprechen, heiße es in einer Anweisung des Ministeriums “für die Förderung der Tugend und Verhütung des Lasters”, die am Sonntag an Fernsehsender ausgegeben worden sei.
6. Welche Talkshows lassen Publikum ins Studio? (tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Ein Sender, zwei Produktionen und offenbar zwei verschiedene Ansichten: Während das “ZDF Magazin Royale” mit Jan Böhmermann am vergangenen Freitag auf Publikum im Studio verzichtete, gab es bei der “heute show” mit Oliver Welke volle Zuschauerränge. Auch das Vorgehen der anderen Talk- und Show-Produktionen sei höchst uneinheitlich, so Markus Ehrenberg in seiner kleinen Bestandsaufnahme.
1. “Berliner Runde”: ZDF erwirkt einstweilige Verfügung gegen “Bild” (dwdl.de, Alexander Krei)
“Bild TV” strahlte am Abend der Bundestagswahl über 13 Minuten lang den Beginn der “Berliner Runde” von ARD und ZDF aus. Eine derartig lange Passage hätte der Springer-Kanal laut einer Entscheidung des Kölner Landgerichts jedoch nicht übernehmen dürfen. Die einstweilige Verfügung gegen “Bild” geht auf eine Klage des ZDF zurück, das Verfahren der ARD gegen Springer läuft derzeit noch.
2. Eine Journalistenschule für jede und jeden (tagesspiegel.de, Anne Klesse)
Der langjährige “Spiegel”-Reporter Cordt Schnibben hat 2007 mit seinen Kollegen Stephan Lebert von der “Zeit” und Ariel Hauptmeier das “Reporter-Forum” gegründet, eine jährliche Fortbildungs- und Netzwerkveranstaltung für den journalistischen Nachwuchs. 2017 startete Schnibben mit der “Reporterfabrik” das nächste Fortbildungsprojekt, eine Webakademie für jedermann. Anne Klesse hat bei Schnibben nachgefragt, wie sich die Fabrik in den zurückliegenden Jahren entwickelt hat.
3. Irre Geschichte über “irres Gesetz”, das Klauen in Kalifornien erlaubt (uebermedien.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris ist sich nicht sicher, was “Focus Online” mit einem Artikel über angeblich legalen Diebstahl in Kalifornien bezweckt: “Es könnte ein Experiment sein, und ich bin der, der gerade darauf reinfällt, aber ich bin mir fast sicher, bei ‘Focus Online’ meinen sie den Artikel ‘Irres Gesetz ist schuld: In Kalifornien schieben Tausende Diebe Beute seelenruhig aus Läden’ ernst. Was erstaunlich ist, denn ihn zu lesen, ist so faszinierend und kopfschmerzhaft zugleich, wie jemandem dabei zuzusehen, wie er ein fünf Meter langes Auto in eine vier Meter lange Parklücke bugsiert, indem er vorne und hinten so lange andengelt, bis das Auto kurz genug ist.”
Update: “Focus Online” hat den Artikel (hier archiviert) anscheinend gelöscht. Ein Klick auf den Link führt zu einer entsprechenden Fehlermeldung.
4. Nach Patt bei der Intendantenwahl: HR-Mitarbeiter wünschen sich Doppelspitze (rnd.de, Imre Grimm)
Beim Hessischen Rundfunk steht die Neubesetzung der Intendanz an, doch bei der Wahl Ende Oktober stand es nach drei Wahlgängen 16 zu 16 zwischen dem Bewerber und der Bewerberin – also eine klassische Pattsituation. Am 3. Dezember werde nun erneut gewählt. Einige Beteiligte plädieren für eine Doppelspitze, was einer kleinen Revolution gleichkäme. Imre Grimm erklärt die schwierige, aber auch chancenreiche Situation.
5. Digitale Gewalt – nicht mit uns (freischreiber.de)
Freischreiber, der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten unterstützt die “Meldestelle Misogynie”. Die Initiative kritisiert das “Zögern der Social-Media-Plattformen, entschiedene Maßnahmen zur Verringerung geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt zu ergreifen”. Das habe “nicht nur reale Auswirkungen auf die Opfer selbst, sondern auch auf die Demokratie, die Meinungsfreiheit und die Gleichstellung der Geschlechter”.
6. A–Z: Fremdscham (freitag.de)
“Was haben Philister mit dem Jugendwort des Jahres zu tun? Warum sollten Mütter nicht auf Snapchat gehen – und erinnert sich überhaupt noch jemand an Trumps Gesichtsfarbe?” Der “Freitag” hat verschiedene Autorinnen und Autoren gebeten, kurze Erklärschnipsel für ein “Fremdscham-Lexikon” zu liefern.
Ende vergangener Woche konnte die “Bild”-Redaktion einen alten Bekannten präsentieren, ein “Schreckgespenst”, immer gut für große Aufregung und Blutdruckerhöhung bei den Leserinnen und Lesern:
Er war DAS Schreckgespenst der Griechenland-Krise, Frauenschwarm (polierte Glatze, muskulös, enge Hemden, dickes Motorrad) und Finanzminister der radikal-linken Syriza-Regierung auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise im Jahr 2015.
Gemeint ist: Yanis Varoufakis. Und der jagt den deutschen Steuerzahlern laut “Bild” gleich wieder einen Riesenschreck ein:
Buh!
Dieses Zitat, das Bild.de am Donnerstagabend auf der Startseite veröffentlichte, und die “Bild”-Zeitung in leicht abgeänderter Form …
… am Freitag im Blatt druckte, steht höchstens noch im losen Zusammenhang mit dem, was Varoufakis tatsächlich gesagt hat. Die linke Bewegung DiEM25, deren Gründer Varoufakis ist, hat auf ihrer Website die drei Fragen, die “Bild” geschickt hatte, und Varoufakis’ Antworten darauf in voller Länge veröffentlicht. Dort liest sich das alles etwas anders:
BILD: Will we ever get our money back?
Yanis Varoufakis: If you are one of the German or Greek oligarchs who benefitted immensely from the Greek state’s bailout, you have already received gargantuan returns – and you will receive even more in the future. Alas, if you a German or a Greek worker or middleclass person, you will be paying, and paying and paying…
(Hervorhebungen im Original, hier auch als deutsche Übersetzung lesbar.)
Anders als die “Bild”-Redaktion es darstellt, geht es Yanis Varoufakis offensichtlich nicht um einen vermeintlichen Konflikt zwischen den zahlenden Deutschen und den kassierenden Griechen, sondern, plakativ gesagt, um Oben gegen Unten – die deutschen oder griechischen Oligarchen, die Profiteure, auf der einen Seite und die deutschen oder griechischen Arbeiter und Mitglieder der Mittelschicht, die Zahlenden, auf der anderen.
Die Griechen, die laut Varoufakis ebenfalls “zahlen und zahlen und zahlen” werden, hat “Bild” einfach rausgestrichen. Das wörtliche Zitat, wie es auf der Bild.de-Startseite erschienen ist, ist eine Erfindung der “Bild”-Redaktion.
Im Text zitieren Peter Tiede und Liana Spyropoulou zwar etwas originalgetreuer, aber auch dort fehlten die zahlenden Griechen gänzlich:
Und heute?
Rechnet er knallhart ab und prophezeit den “deutschen Arbeitern und Mittelständlern” gegenüber BILD in Athen: “Sie werden leider zahlen und zahlen und zahlen …”
Profiteure der Krise: “Deutsche oder griechische Oligarche”, die laut Varoufakis “immens vom Rettungspaket des griechischen Staates profitiert haben” – und in Zukunft noch weiter profitieren werden.
Wir haben bei “Bild” nachgefragt, warum das Varoufakis-Zitat derart verfälscht wiedergegeben wird. Ein Sprecher antwortete uns:
Wir haben bei BILD nicht das vollständige Wortlautinterview mit Herrn Varoufakis veröffentlicht, sondern aus diesem insbesondere seine konkrete Antwort auf die Frage, ob wir (Deutsche) unser Geld wiederbekommen werden, in den Mittelpunkt des Beitrages gestellt.
Dabei wurde in der ursprünglichen Fassung des Artikels ein Zitat von Herrn Varoufakis nicht vollständig wiedergegeben. Er sprach nicht nur von deutschen Arbeitern und Mittelschichtlern, die “leider zahlen und zahlen und zahlen”, sondern von deutschen und griechischen. Wir haben dies inzwischen für unsere Leser transparent präzisiert.
Inzwischen befindet sich unter dem Bild.de-Artikel eine entsprechende “Anmerkung der Redaktion”. Die Überschrift lautet nun nicht mehr “‘Die Deutschen werden leider zahlen und zahlen und zahlen …'”, sondern “Deutsche Arbeiter werden ‘leider zahlen und zahlen und zahlen …'”. Und im Text steht jetzt:
Und heute?
Rechnet er knallhart ab und prophezeit: “Wenn Sie ein deutscher oder griechischer Arbeiter oder Mittelschichtler sind, werden Sie leider zahlen und zahlen und zahlen …”
Dass die “Bild”-Redaktion reagiert und transparent korrigiert, ist gut, dürfte aber herzlich wenig bringen. Zahlreiche Medien haben das falsche Varoufakis-Zitat längst abgeschrieben: n-tv.de, “Focus Online”, Merkur.de, das Mitglieder-Magazin der AfD, das Rechtsaußen-Verschwörungsblatt “Compact”. Und auch in den Sozialen Medien wurde der Bild.de-Artikel mit der falschen Überschrift kräftig rumgereicht, unter anderem vom Werteunion-Vorsitzenden Max Otte, von AfD-Politiker Stefan Wirtz und in der Facebook-Gruppe “Dr Hans-Georg Maaßen für Kanzler”.
Unser Buch ist überall erhältlich, zum Beispiel bei euren lokalen Buchhändlern, bei GeniaLokal, bei Amazon, bei Thalia, bei Hugendubel, bei buch7, bei Osiander oder bei Apple Books. Es ist auch als eBook und Hörbuch erschienen.
In unserem Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste” schreiben wir in einem Kapitel über die Feindbilder, die “Bild” seit Jahrzehnten kreiert und bedient – von den 68er-Studenten über die Wölfe bis zu den Geflüchteten. Und es geht auch um die Griechen und deren früheren Finanzminister Yanis Varoufakis. Hier ein Auszug:
“EURE neue griechische Regierung ist dreist, unverschämt und tritt auf wie eine Horde von ungehobelten und manierlosen Pennern. Dieses Pack repräsentiert Griechenland, weil die Mehrheit Eures Volkes diese Leute gewählt hat !” So beginnt ein Brief, der im März 2015 ohne Absender, aber ordentlich frankiert mit 62 Cent, im Briefkasten eines griechischen Restaurants in Düsseldorf landet:
In der Sonne liegen ist doch viel bequemer, insbesondere wenn andere dafür aufkommen … So geht es nicht !! Wir werden, solange diese Regierung derart schäbig, insbesondere fleißige und sparsame Europäer und Deutsche verunglimpft und beleidigt, ganz sicher keine griechischen Waren mehr kaufen, sondern auch Euren Laden ab sofort nicht mehr betreten !! Verkauft doch Eure Waren besser nicht mehr an die “Scheißdeutschen”, sondern macht Euch auf zurück in Euer korruptes, stinkendfaules und total unfähiges Drecksgriechenland
Und als letzten, fett gedruckten Satz: “Griechenland NEIN DANKE !!!!!!!!!”
Als sie den Brief gelesen habe, sei sie geschockt und verängstigt gewesen, erzählt die Restaurantbetreiberin später “Spiegel Online”: Sie habe sich gefragt, was als Nächstes komme. Stehe bald jemand vor der Tür und bedrohe sie, wenn sie abends das Lokal verlasse?
In seinem Brief greift der anonyme Verfasser jene Vorwürfe auf, die von den “Bild”-Medien in den Wochen zuvor nahezu täglich wiederholt wurden. Am 26. Februar 2015 etwa druckt “Bild” das Wort “NEIN” – quer über die gesamte Breite der Seite 2 der Bundesausgabe.1 Darunter die Forderung oder vielmehr der Befehl: “Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!” In einem Kommentar daneben schreibt Julian Reichelt, seinerzeit Chef von Bild.de, zu der Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland:
Was am Freitag im Deutschen Bundestag geschehen wird, mag man eigentlich keinem vernünftigen Menschen mehr erklären. Zusammengefasst: Wir überweisen weiter Milliarden nach Griechenland dafür, dass man uns ALLE bisher gebrochenen Versprechen (z. B. Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung) NOCH MAL verspricht.
Wir kaufen Griechenland also im wahrsten Sinne des Wortes seine alten Reformlügen mit neuem Geld ab. Und das, obwohl inzwischen JEDER weiß, dass wir unser Geld niemals wiedersehen werden.
Sind wenigstens die griechischen Politiker, die uns ihr Versprechen geben, glaubwürdiger als ihre Vorgänger?
NEIN!
Dazu startet “Bild” eine “große Mitmach-Aktion”: Man solle die “NEIN”-Seite hochhalten, ein Selfie damit machen und an die Redaktion schicken. So könne und solle man zeigen, dass man “auch gegen weitere Milliarden-Hilfen für die Griechen” sei.
Solche Lesermobilisierungsaktionen setzt die “Bild”-Zeitung schon seit ihren frühen Jahren immer wieder ein, vor allem gegen ihre Gegner. “Durch Appelle an die Lesermeinung fordert die Redaktion politische Willensbekundungen ihrer Leser heraus, die – obwohl demokratisch verbrämt – bisweilen undemokratische Formen annehmen”, schreibt Peter Jordan 1970. So startet “Bild” etwa nach dem Mauerbau 1961 eine Leserbrief-Aktion gegen jene westdeutschen Theaterintendanten, die weiterhin Stücke des bekennenden Marxisten Bertolt Brecht spielten (“Millionen verfluchen diesen Mann”2). “Diese zur Volksabstimmung erhobene Aktion” sei “in wüste Beschimpfungen” ausgeartet, schreibt Jordan. “Bild” sei eben sehr bemüht gewesen, “die ohnehin bewegte deutsche Öffentlichkeit weiter aufzustacheln”.3
Um die bewegte deutsche Öffentlichkeit des Jahres 2015 aufzustacheln, beginnt “Bild” im Frühjahr damit, die Griechen – die währenddessen durch die Sparvorgaben massenhaft in die Armut getrieben werden – als “Raffke-Griechen” und “Griechen-Raffkes” zu bezeichnen. Damit wird der von “Bild” in den Jahren zuvor eifrig verwendete Begriff der “Pleite-Griechen” abgelöst, denn jetzt haben sie ja Geld: “unser Geld”! Die neu gewählte griechische Regierung nennt “Bild” “Radikalos-Regierung” oder “Griechos Radikalos”, aus Finanzminister Varoufakis machen sie wahlweise Finanzminister “Varoutricksis”, den “Krawall-Griechen” oder “Griechenlands Radikalo-Naked-Bike-Rider”. (Ein “Naked Bike” ist einfach ein Motorrad ohne Verkleidung, für “Bild” weckt es aber offenbar aufregend-düstere Assoziationen.) Der damalige Politik-Chef Béla Anda etwa schreibt in seinem “Politik-Briefng”:
Wie lederbejackte Rüpel-Rocker röhren Griechenlands Neo-Premier und sein Posterboy-Finanzminister seit ihrem mit platten Parolen erzielten Wahlsieg durch Brüssel. Ihr Gesetz ist die Straße. Hier sind sie (politisch) groß geworden. Hier ist ihre Hood. Deren Unterstützung wollen die Kawa-Naked-Biker (zumindest Varoufakis hat eine) nicht verlieren.
Vor allem auf Varoufakis, den neuen, linken Finanzminister, schießen sich die “Bild”-Medien ein. Sie engagieren beispielsweise eine Grafologin, die seine Handschrift untersucht und darin “Pathos und Geltungsbedürfnis” feststellt; die Schrift wirke “selbstgefällig” und gehe merkwürdigerweise im “Schlusszug wieder scharf nach links”, das wirke, “als würde er sich selbst wieder durchstreichen, als würde er unbewusst das zuerst Gesagte wieder zurücknehmen”.
Wenig später ist “Bild” maßgeblich an einer bizarren Mittelfinger-Diskussion beteiligt, die sich tagelang hinzieht und weltweit für verwundertes Kopfschütteln sorgt. Im Kern geht es um ein Video, in dem Varoufakis, wie “Bild” entrüstet schreibt, “uns den Mittelfinger” zeige. Tatsächlich muss man die Geste im Kontext sehen: Das Video ist mehrere Jahre alt, Varoufakis zu dieser Zeit noch gar kein Minister und die Geste zur Illustration eines hypothetischen Szenarios gedacht, in dem Varoufakis den deutschen Banken den Finger gezeigt hätte. Eine ebenso komplizierte wie belanglose Geschichte, die in den “Bild”-Medien auf die Nachricht reduziert wird, Varoufakis habe den Mittelfinger “gen Deutschland” gereckt:
Keine Krawatte, der Kragen seines Sakkos hochgestellt, Hände in den Hosentaschen: So zeigen die meisten Fotos Yanis Varoufakis. […] Mit einer drastischen Geste – dem gestreckten Mittelfinger – zeigte er in der Vergangenheit auf Deutschland!
Die Diffamierungskampagne – die bis heute immer mal wieder aufflammt – beschränkt sich aber nicht bloß auf die Politiker Griechenlands, sondern trifft immer wieder auch die Griechen als gesamtes Volk. Seit Beginn der “Pleite-Griechen”-Berichterstattung werden “Bild”-Attacken häufig so formuliert, dass sie sich auf alle Griechen beziehen: “So verbrennen die Griechen die schönen Euros!”4“Wer soll den Griechen noch glauben?”“Keine Gnade mit den Griechen!” Michalis Pantelouris, Journalist und Sohn eines Griechen, schreibt schon 2010:
Es wird das Bild gemalt von einer Nation, die in fauler Gier anstatt zu arbeiten lieber die EU ausgenommen hat und jetzt überversorgt und fett am Strand liegt, während in Deutschland hart gearbeitet wird, um ihnen das Geld hinterher zu werfen. Natürlich braucht man keinen Nobelpreis, um zu erkennen, dass es so nicht stimmt. Man braucht gerade mal ein Gehirn.
Aber auch: ein Mindestmaß an Informationen, um sich ein realistisches Bild machen zu können. Doch wie bei den Studenten der 68er, den Wölfen und anderen Feinden ersetzt “Bild” bei den Griechen Fakten durch Gefühle. In einer Untersuchung der Griechenland-Berichterstattung deutscher Medien kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung 2016 zu dem Ergebnis:
“Bild” berichtete in 81,6 Prozent der Artikel und damit am stärksten negativ über die griechische Regierung, setzte am intensivsten auf Negativismus, war im geringsten Umfang ausgleichend zwischen verschiedenen Positionen, setzte gezielt Akteure mit negativen Positionen gegenüber der Regierung Griechenlands als Zitatgeber ein und stimmte dann in Artikeln am stärksten mit diesen überein. Die Reformagenda wurde zudem bei der Boulevardzeitung “Bild” im geringsten Umfang thematisiert. Es wurde sich nur auf sehr wenige Reformziele konzentriert, wie z. B. die Einführung einer Großvermögenssteuer, die Reform des Rentensystems oder eine Mehrwertsteuerreform. 73 spezifische Reformen wurden hingegen komplett ausgelassen, soviel wie bei keinem anderen Medium.
Ende Februar 2015 ist die Berichterstattung auch im Bundestag ein Thema. Axel Schäfer, damals stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, hält die (von ihm durchgestrichene) “NEIN”-Seite aus der “Bild”-Zeitung zu Beginn seiner Rede hoch und sagt unter Applaus:
Wir sind hier sicherlich in einer Reihe von Punkten unterschiedlicher Auffassung. Das ist auch gut so, dass wir das diskutieren. Aber in einem Punkt sollten wir uns hier alle […] einig sein: Wir unterstützen keine Kampagnen gegen andere Länder. Wir unterstützen das nicht!
“Die ‘Bild’ spricht von den gierigen Griechen”, fügt er später in einem Interview hinzu, “aber wir beleidigen niemals ein Land. Wir gegen die – das gibt es nur im Fußball …”
1. Presseverlage wollen Privileg für ihre Inhalte (netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Derzeit können Facebook und Youtube journalistische Inhalte noch ohne Begründung löschen, doch die Verlagslobby will dies nicht hinnehmen und drängt bei der EU auf ein Verbot derartiger Löschungen. Ein solches Presseprivileg könne jedoch nach Ansicht von Expertinnen und Experten den Kampf gegen Desinformation erschweren. Auch die EU-Kommissionsvizepräsidentin habe sich skeptisch gegenüber den Wünschen der Verlage geäußert.
2. Tribunal zu Morden an Journalisten (reporter-ohne-grenzen.de)
Drei Organisationen, die sich für die Pressefreiheit einsetzen, haben ein sogenanntes Völkertribunal ins Leben gerufen, das sich dem Kampf gegen Straflosigkeit nach Morden an Medienschaffenden widmen soll. Die zivilgesellschaftliche Initiative von Reporter ohne Grenzen, dem Committee to Protect Journalists und Free Press Unlimited habe zum Ziel, mit Hilfe von Recherchen und juristischer Expertise Staatsregierungen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn Verbrechen an Journalistinnen und Journalisten nicht aufgearbeitet und geahndet werden.
4. Liebesgrüße aus Peking (sueddeutsche.de, Lea Sahay) Erneut muss eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt einen Beitrag über China löschen, der zum Teil auf Material der Staatspropaganda zurückgreift oder von staatlichen Produktionsfirmen produziert wurde. Lea Sahay kommentiert: “Während die Debatte über den Einfluss der Kommunistischen Partei auf offene Gesellschaften im vollen Gange ist, scheinen die Verantwortlichen in den Sendern weder in der Lage zu sein, die Angriffe abzuwehren, noch überhaupt das Problem wirklich zu erkennen.”
5. Konservative Kampagnen im Mediengewand (deutschlandfunk.de, Michael Meyer, Audio: 5:44 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat sich mit dem Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger über die unionsnahe Kampagnenplattform “The Republic” unterhalten, von der nicht ganz klar sei, wer sie unterstützt: “Es trägt halt weiter zu dieser Verwirrung im Netz und in den Sozialen Medien bei, dass keiner mehr so genau weiß, was noch journalistische Medien sind, und was eigentlich Angebote von interessensgeleiteten Akteuren, in diesem Fall Parteien, sind.”
Inzwischen haben sie das Foto an der entsprechenden Stelle verpixelt. Aber am Samstag war auf der Startseite von Bild.de, an oberster Stelle, das blutüberströmte Gesicht eines zuvor getöteten 9-Jährigen zu sehen:
Alle Unkenntlichmachungen in diesem Screenshot stammen von uns: beim Namen des verurteilten Täters, bei dessen Alter, bei dessen Gesicht, bei dessen blutverschmierter Hand. Und auch die Verpixelung am linken Bildrand, wo sonst das Gesicht eines der Opfer, des bereits erwähnten 9-jährigen Kindes, zu erkennen wäre, ist von uns. Bei Bild.de war all das zu sehen. Nach Beschwerden hat die Redaktion zumindest das Gesicht des getöteten Kindes verpixelt.
Im Artikel schreibt “Bild”-Reporter Frank Schneider zu diesem Foto:
Die Morde von Herne schockierten auch deshalb, weil [H.] während und nach seinen Bluttaten Sprachnachrichten postete, sich in Chaträumen mit Fotos brüstete, die ihn an den Tatorten zeigten. Die blutgetränkten Hände, sein diabolisches Grinsen – ein einziger Albtraum.
Das, was der Mann im März 2017 noch selbst erledigen musste, übernahmen am Samstag Schneider und dessen “Bild”-Redaktion: Sie verbreiteten diesen “einzigen Albtraum”, sie zeigten einen Mörder in der von ihm gewählten triumphierenden Pose, sie halfen ihm dabei, sich viereinhalb Jahre später noch einmal mit der Tat zu brüsten.
Auch der Text bietet H. die große Bühne. “Aber wie begegnet man einem Menschen, den wohl kein Mensch je wieder sehen möchte?”, fragt sich “Bild”-Autor Schneider zu Beginn seines Artikels. Die Antwort der “Bild”-Medien lautet offenbar: Indem man diesem Menschen und seinen Gedanken, Rechfertigungen, abstrusen Aussagen möglichst viel Sichtbarkeit verschafft.
Der Doppelmörder bedauert sich selbst:
… schreibt Schneider zum Beispiel. Und lässt den Doppelmörder dann in einem Zitat sich selbst bedauern.
[H.] versucht zu dozieren, seine Sätze elegant zu formulieren – und bemerkt nicht, was für einen kranken Unsinn er redet.
… schreibt Schneider. Und zitiert H. im Anschluss mit krankem Unsinn.
Dann gibt er seinem Opfer eine Mitschuld:
… schreibt Schneider. Und lässt den Täter in einem Zitat dem 9-jährigen Opfer eine Mitschuld geben.
An einer anderen Stelle des langen Artikels darf H. damit angeben, dass er als Kampfsportler viele Messerstriche in einer Minute schaffe. “Offenbar registriert [H.] meine Fassungslosigkeit”, schreibt Frank Schneider dazu, was ihn aber nicht davon abhält, diese unsägliche Prahlerei zu verbreiten. Und so geht es bis zum Schluss weiter:
Die Gesprächszeit geht zu Ende, eine Botschaft will mir der Kindermörder noch mit auf den Weg geben:
… und natürlich verbreiten Schneider, Bild.de und Bild am Sonntag, wo der Artikel ebenfalls erschienen ist, auch noch diese letzte Botschaft.
Eigentlich, so scheint es, sind H. und dessen Opfer aber nur Mittel zum Zweck – für Werbung in eigener “Bild”-Sache. Über weite Strecken stehen gar nicht der “Herne-Killer” oder die zwei von ihm getöteten Menschen im Mittelpunkt, sondern der “Bild”-Reporter:
Es ist ein beklemmendes Gefühl, als ich entlang der hohen Mauer mit Überwachungskameras und Natodraht zum Gefängnis-Eingang gehe. Ein Kindermörder hat mich zum Gespräch gebeten.
… heißt es ganz am Anfang des Textes. Und weiter:
Gleich treffe ich also den Doppelmörder von Herne.
Ich war als Reporter dabei, als SEK-Polizisten den Killer tagelang im Ruhrgebiet jagten. Ich traf die Mütter der Opfer – und die fassungslose Mutter des Täters.
Ich betrete den modernen Gefängnis-Komplex durch eine Panzerglas-Tür, dann muss ich alles abgeben, nur Stift und Schreibblock darf ich behalten.
In einem Info-Kasten etwas weiter hinten im Artikel gibt es die Auflösung – es handelt sich um Reklame für den “Bild”-Fernsehsender:
Sehen Sie die Doku “Mein größter Fall”: “Die Bestie von Herne” am […] bei BILD im TV
Mit Dank an die Hinweisgeber!
Nachtrag, 28. Oktober: In der “Süddeutschen Zeitung” ist heute ein Interview mit dem neuen “Bild”-Chefredakteur Johannes Boie erschienen (online nur mit Abo lesbar). Darin geht es unter anderem auch um die Kritik, die wir in diesem Beitrag geäußert haben (auch wenn das BILDblog nicht explizit erwähnt wird). Auf die Frage …
In der Kritik steht Bild auch immer wieder wegen sensationslüsterner und grenzwertiger Berichterstattung, Rügen des Presserats werden nicht veröffentlicht. Erst diese Woche zeigte Bild das unverpixelte Bild eines ermordeten Neunjährigen. Bleibt das alles so?
… antwortet Boie:
Nein, das war ein schlimmer Fehler. Ich habe am selben Tag intern neue Regeln eingeführt, die die Berichterstattung bei schweren Kriminalfällen und Minderjährigen betrifft, unter anderem ein Sechs-Augen-Prinzip und eine technische Änderung in der Fotodatenbank. Der Fall zeigt allerdings zu einem kleinen bisschen auch, wie wir kritisiert werden: im Netz verbreiten unsere Kritiker nun die Grafik von Bild, auf der sie eine große Fläche gekennzeichnet haben. Da denkt jeder: Bild hat das Mordopfer groß und deutlich erkennbar gezeigt. Tatsächlich ging es um eine winzige schemenhafte Fläche im Hintergrund, die mit bloßem Auge kaum zu sehen war. Trotzdem war es ein schwerer Fehler, deshalb die klaren Maßnahmen.
Das klingt erstmal nicht schlecht.
Zwei Anmerkungen hätten wir allerdings zu Johannes Boies Aussage: Auch sein Vorgänger Julian Reichelt versprach in der Vergangenheit, “neue Kontrollmechanismen dazwischenschalten” zu wollen, nachdem “Bild” kräftig danebengelangt hatte. Man muss aus unserer Sicht also erstmal schauen, inwieweit Boies Maßnahmen wirklich etwas bringen. Und zu Boies Vorwurf der unfairen Kritik: Sowohl hier im Beitrag als auch bei Twitter schreiben wir, dass die von uns verpixelte Fläche nicht nur das 9-jährige Mordopfer verdeckt (dazu schreiben wir extra: “am linken Bildrand”), sondern auch das Gesicht des Täters und dessen blutverschmierte Hand.
Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!
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1. Die Jagd auf Julian Assange (zeit.de, Sabine Rückert & Andreas Sentker & Holger Stark, Audio: 1:04:20 Stunden)
In der aktuellen Folge von “Zeit Verbrechen” ist Holger Stark aus dem Investigativressort der “Zeit” zu Gast. Es geht um den WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der lange Zeit als Freiheitskämpfer und extravaganter Journalist behandelt wurde, von den USA und Großbritannien jedoch mittlerweile wie ein Schwerverbrecher betrachtet wird. Stark ist ein profunder Experte bei dem Thema, war während seiner Zeit beim “Spiegel” an der Veröffentlichung von Wikileaks-Enthüllungen beteiligt und kennt Assange aus einigen Gesprächen.
Wer sich ausführlicher mit dem Thema beschäftigen will: In unserer Ausgabe vom 14. August haben wir das sehr informative Gespräch mit dem Schweizer Rechtswissenschaftler und UN-Sonderberichterstatter über Folter Nils Melzer verlinkt.
2. Die Wahrheit über das System Julian Reichelt (youtube.com, Markus Lanz, Video: 27:22 Minuten)
In der ZDF-Sendung “Markus Lanz” versucht Gastgeber Lanz mit den anwesenden Journalistinnen und Journalisten, dem “System Julian Reichelt” näherzukommen. Es diskutieren Daniel Drepper vom Ippen-Investigativ-Team, Melanie Amann vom “Spiegel”, die Journalistin Caroline Rosales, die selbst vier Jahre beim Axel-Springer-Verlag gearbeitet hat, und Hajo Schumacher. Neben “Bild”-Chef Julian Reichelt geht es in dem Talk auch um die Rolle des Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner.
3. Warum Rezo bei seinen “Zerstörungs-Videos” auf sechsstellige Umsätze verzichtet hat (omr.com, Martin Gardt, Audio: 1:20:05 Stunden)
Im “OMR”-Podcast verrät der Youtube-Star Rezo, warum er bei seinen “Zerstörungs”-Videos auf sechsstellige Umsätze verzichtet hat. Außerdem spricht er über seine neu entdeckte Twitch-Liebe sowie die entscheidenden Youtube-Strategien und erzählt von seinem Social-Analytics-Tool Nindo.
4. Wie steht es um den Buchmarkt? Carolin Amlinger im Gespräch (wohlstandfueralle.podigee.io, Ole Nymoen, Wolfgang M. Schmitt , Audio: 56:08 Minuten)
Wie hat sich der Buchmarkt entwickelt? Wie prekär ist die Lage der Autorinnen und Autoren? Darüber sprechen Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt mit der Soziologin Carolin Amlinger, die in einer Studie das literarische Feld und den Literaturbetrieb von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart untersucht hat.
5. Im Radio lernen, Für Podcasts bezahlen, Alte Sagen hören (viertausendhertz.de, Hendrik Efert & Nicolas Semak & Christian Conradi, Audio: 1:05:39 Stunden)
Im Audio- und Podcastmagazin von “Viertausendhertz” ist die Deutschlandradio–Volontärin Anastasija Roon zu Gast: “Wir sprechen über ihren Weg ins Radio und in unser Studio. Anastasija arbeitet nämlich für fünf Wochen bei uns im Rahmen ihrer Journalistinnenausbildung des Deutschlandradios. Außerdem geht’s um den Bezahlbereich für Podcasts, den Apple mit ‘Podcast Subscriptions’ gestartet hat. Wie funktioniert der Dienst und wo könnte die Reise hingehen? Werden Podcasts bald wie Kinofilme vermarktet?”
6. xHamster: Wer steckt hinter der Pornoplattform? (youtube.com, Strg_F, Yanna Alfering & Rafael Buschmann & Roman Höfner & Annette Kammerer & Sebastian Meineck & Nicola Naber & Anton Rainer & Patrizia Schlosser, Video: 34:13 Minuten)
In einer monatelangen Recherche haben sich “Spiegel” und “Strg_F” auf die gemeinsame Suche nach den Hintermännern von Deutschlands meist besuchter Pornoseite gemacht: “Viele Jahre wusste niemand, wer genau mit xHamster Geld verdient. Und niemand wusste, wer in oberster Instanz für die teils illegalen, missbräuchlichen Inhalte auf der Seite verantwortlich ist. Bis jetzt.”