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Wie “Bild” viel Wind produziert

Im Hintergrund ein Wirbelsturm, im Vordergrund ein lachender Umweltminister Sigmar Gabriel und darunter die gewaltige Schlagzeile: “Minister verhöhnt Hamburger Tornado-Opfer”. So machte die “Bild”-Zeitung gestern in Hamburg auf.

Und behauptete:

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in Berlin macht Späße über den Tornado! (…) In der gestrigen Haushaltsdebatte im Bundestag (es ging um den Klimawandel) witzelte er über den Tornado, der durch Hamburgs Süden fegte: “Das wird wohl eher etwas mit den Nachwirkungen der Ereignisse, in die der Justizsenator verwickelt war, zu tun gehabt haben.”

“Bild” nannte das im Stabreim eine “peinliche Politiker-Panne” — und hätte, wenn es so gewesen wäre, womöglich recht.

Heute greift “Bild” das Thema auch bundesweit auf und macht Gabriel zum “Verlierer des Tages”:

(…) Im Bundestag sagte er, die Katastrophe werde “wohl eher etwas mit den Nachwirkungen der Ereignisse, in die der Justizsenator verwickelt war, zu tun gehabt haben.”

BILD meint: Ganz schnell entschuldigen!

Und hätte, wenn es so gewesen wäre, womöglich recht.

Aber die Sache war ein bisschen anders. Gabriel hatte sehr ernsthaft über die Bedeutung des Klimaschutzes und die Gefahren des Klimawandels geredet und dann gesagt:

Letztens hatten wir in Hamburg einen Tornado. Ich weiß nicht, ob es so etwas schon einmal gab und ob das etwas mit dem Klimawandel zu tun hat.

An dieser Stelle wurde er von mehreren Zwischenrufen unterbrochen, die er nicht verstand. Er fragte nach, und der CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter machte eine vermutlich witzig gemeinte Bemerkung:

Die Frage ist, ob das etwas mit den Mehrheitsverhältnissen in Hamburg zu tun hat!

Auf diesen Zwischenruf hin antwortete Gabriel:

Das wird wohl eher etwas mit den Nachwirkungen der Ereignisse, in die der Justizsenator verwickelt war, zu tun gehabt haben.

Was genau Kampeter und Gabriel meinten, wie Kampeter vom Tornado auf die “Hamburger Mehrheitsverhältnisse” kam und Gabriel von den Hamburger Mehrheitsverhältnissen auf die Entlassung des Justizsenators am Montag, bleibt auch nach Lektüre des stenografischen Berichts schleierhaft.

Aber die “Bild”-Zeitung verschweigt ihren Lesern den Zusammenhang: dass sich Gabriel nicht direkt auf den Tornado bezog, sondern auf eine Bemerkung über die “Hamburger Mehrheitsverhältnisse”. Dabei muss ihr der tatsächliche Ablauf bekannt gewesen sein. Denn Gabriels Satz lautete wörtlich (wie auf dem Video von der Sitzung zu sehen ist) etwas anders. “Bild” zitiert aus der redigierten Version im stenografischen Bundestags-Protokoll. Und in diesem Protokoll ist auch der vorhergehende Zwischenruf dokumentiert.

“Viel zuviel Kohlendioxid”

Wegen eines Reports “des weltbekannten Max-Planck-Instituts für Meteorologie” sind wir heute mal nicht Papst, nein:

Die Ergebnisse der Wissenschafler sind alarmierend. Und “Bild” ist alarmiert:

“Die Verbrennung von Holz, Kohle, Öl stößt viel zu viel Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre, heizt sie auf. (…) ‘Politiker müssen genau hinhören, was wir hier sagen”, warnt Professor Dr. Guy Brasseur, einer der Hauptautoren des Reports. ‘ Die Emissionsbelastung muss weltweit gesenkt werden. Auf jeden Fall werden wir uns an nicht mehr vermeidbare Ergebnisse anpassen müssen.”
(Hervorhebungen und Link von uns.)

Seltsam also, dass “Bild” daraufhin nicht fordert, ab und zu das Auto stehen zu lassen.

Eiskalt erwischt (Symbolfoto XI)

“Bild” schafft es doch immer wieder, uns zu verblüffen. Zum Beispiel mit einer Geschichte wie dieser hier:

Unser Erstaunen hat verschiedene Gründe.

Grund 1: Der “Bild”-Text beginnt folgendermaßen:

Dino-Forscher sind verblüfft, aber die Beweise sind eindeutig: Dinosaurier beherrschten einst auch die Arktis.

Nur ist es ganz und gar unwahrscheinlich, dass “Dino-Forscher” ob der gefundenen Beweise “verblüfft” waren. Schließlich wissen sie schon seit mindestens 20 Jahren, dass es in der Arktis Dinosaurier gab, wie sich beispielsweise hier nachlesen lässt. Aber nicht nur dort. In dem Artikel in “Spektrum der Wissenschaft”, auf den “Bild” sich bezieht (und der leider nur gegen Bezahlung online zu lesen ist), heißt es nämlich:

Erst seit zwanzig Jahren wissen Paläontologen, dass Dinosaurier auch im Norden Alaskas beheimatet waren.

Grund 2: “Bild” nennt die gefundenen Dinosaurier “Eis-Dinos”. Und in der Bildunterzeile steht dies:

“Eis-Dino”: Dieser monströse Albertosaurus jagte vor 75 Millionen Jahren bei eisigen Temperaturen

Auch das ist ganz und gar unwahrscheinlich. Tatsächlich lag die Jahresdurchschnittstemperatur vor 75 Millionen Jahren in Nordalaska zwischen zwei bis drei und dreizehn Grad Celsius. Das lässt sich ebenfalls hier nachlesen, oder aber in “Spektrum der Wissenschaft”:

Welches Klima herrschte in Alaska überhaupt vor 75 oder 70 Millionen Jahren? Allgemein war die Welt damals wärmer. (…) In Nordalaska wuchs ein Nadelmischwald mit sommergrünen Nadelhölzern und einem Unterwuchs von Blütenpflanzen, Farnen und Palmfarnen. Heutige Nadelwälder gedeihen (…) bei einer Jahresdurchschnittstemperatur zwischen drei und dreizehn Grad Celsius. In Nordalaska dürften demnach in der Kreidezeit etwa diese mittleren Temperaturen geherrscht haben.

Und, ohne allzu sehr ins Detail gehen zu wollen: Die Theorien dazu, wie die dort lebenden Dinosaurier den Winter überstanden (in dem die Temperaturen durchaus mal unter Null Grad fallen konnten), laufen darauf hinaus, dass sie entweder eine Art Winterschlaf machten, oder aber nach Süden wanderten. Kurz gesagt: Die “Dino-Forscher” sind sich ziemlich sicher, dass kein Dino bei “eisigen Temperaturen” jagte.

Grund 3: Richtig erstaunt waren wir aber, als wir das Bild sahen, mit dem “Spektrum der Wissenschaft” die Geschichte illustriert, auf die “Bild” sich bezieht. Es stammt von Karen Carr und sieht im Original so aus:

Das ist ja nun unverkennbar derselbe Dinosaurier, den auch “Bild” (mit dem Hinweis “Illustration, Foto: Karen Carr/Scientific, Corbis) zeigt — nur, dass er sich in einer völlig anderen Umgebung aufzuhalten scheint.

In Anbetracht der Tatsache also, dass es sich hier um eine poplige vergleichsweise unwichtige Geschichte über Dinosaurierfunde handelt, die in erster Linie für Paläontologen interessant sein dürfte, sind wir in der Tat sehr verblüfft.

Mit Dank an Kai B. für die Anregung.

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Schreck lass nach!

Die Pointe kommt am Schluss.

Die Feuerameise hingegen kommt aus den Feuchtgebieten des brasilianischen Pantanal …

… und ist in den USA ein Problem. Vor ungefähr einem Jahr stand in der NZZ mal ein interessanter Artikel, der sich mit dem Schaden und Nutzen (!) der Solenopsis invicta (engl.: fire ant) befasste, die “Zeit” weiß momentan auch Aufschlussreiches zu berichten. Außerdem haben sich internationale Wissenschaftler ausführlich mit der möglichen Verbreitung der Ameisenart befasst, die nur unter bestimmten klimatischen Bedingungen überleben kann, und u.a. herausgefunden, dass die Tiere rein theoretisch auch rund ums Mittelmeer, in einigen Gebieten nahe des Schwarzen und des Kaspischen Meeres, entlang der Südwestküste Frankreichs sowie an manchen Stellen Südenglands überleben könnten. “Möglich, aber eher unwahrscheinlich” sei es zudem, dass sie in Städten oder an anderen künstlich beheizten Orten überleben und sich während ungewöhnlich warmer Jahre auch mal in die Umgebung ausbreiten. Insgesamt aber sei es in Europa schlicht zu kalt für die Feuerameise.
(Soweit der aktuelle Forschungsstand.)

“Bild” allerdings hält das nicht davon ab, in ihrer Dienstagsausgabe groß, sehr groß (und online) folgende Überschrift zu dichten:
Feuerameisen überfallen Europa
Weiter heißt es in “Bild” recht vage und pauschal:

“Jetzt schlagen Forscher Alarm: Die winzigen Killer (1–6 mm) sind auf dem Sprung nach Europa.”

Und nachdem “Bild” sogar einen “Grund” für ihre Schreckensmeldung gefunden hat (O-Ton: “die globale Klimaerwärmung”), wird noch ein Satz aus einem Aufsatz des Zoologen Michael Kaspari von der University of Oklahoma herbeizitiert, der mit den Worten “Wo sie eingeschleppt werden…” beginnt und entsprechend allgemein gehalten ist. Gleichwohl ist der Feuerameisen-Experte Kaspari für “Bild” eine gute Wahl, denn er ist wirklich einer.

Befragt man jedoch Michael Kaspari von der University of Oklahoma persönlich, ist er verblüfft über die “Bild”-Feuerameisenberichterstattung und seine Rolle als “Bild”-Kronzeuge. Er sagt:

Ich weiß von keiner Erhebung, wonach Feuerameisen Europa überfallen. Unsere Studien legen zwar nahe, dass eine massive globale Klimaerwärmung im Laufe der Zeit – durch die daraus resultierende Abnahme der Ameisengröße und Zunahme der Ameisenzahl einer Kolonie – ihre Verbreitung begünstigen könnte. Aber es gibt meines Wissens keinerlei unmittelbare Gefahr für Europa.

Schluss.

Vermischtes II

“BILD sorgt für Klarheit”, schrieb “Bild” (anlässlich der Nebentätigkeiten von Politikern). Aber als wäre die Welt nicht schon kompliziert genug, stehen woanders andauernd irgendwelche Sachen, die mit dem, was in “Bild” steht, nicht übereinstimmen. Was soll man also glauben? War es nun, wie “Bild” behauptete, eine “elektronische Anti-Terror-Datenbank”, die das FBI zum “Gewinner” des Tages “Verlierer” des Tages machte, oder (nur) ein Internet-Überwachungssystem? Entging Shermine Sharivar, wie in “Bild” stand, “nur knapp dem Tod” und “hatte schreckliche Schmerzen” oder vielleicht doch “keinen Kratzer abbekommen”? Wie kommt es, dass es laut “Bild” auf dem Saturnmond Titan “stinkt wie auf einem Misthaufen”, obwohl das für den Gestank angeblich verantwortliche Methan ein geruchloses Gas ist? Wieso heißt es wiederum bei Bild.de, dass “britische Forscher” irgendwas über Liebeskummer und Frauengehirne herausgefunden hätten, wo doch in der von Bild.de zitierten Quelle ausdrücklich von “American scientists” der Medical University of South Carolina die Rede ist? Warum wird in demselben Text die Empfehlung der britischen Therapeutin Christine Northam zu einem “Rat der Forscher”? Anders gefragt: Trug Rudolph Moshammer nun, wie wiederholt in “Bild” stand, eine Perücke oder, wie mittlerweile ebenfalls in “Bild” stand, keine Perücke?

Und wie verhält es sich mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Prof. Gert Weisskirchen, der sich (anlässlich der Nebentätigkeiten von Politikern) “zu Unrecht von der BILD-Zeitung in ein falsches Licht gerückt” sieht? Weisskirchen jedenfalls ist der Ansicht, dass die “Bild”-Berichterstattung “verwirrt”.

Aber weshalb sollte man ihm schon glauben?

Mit Dank an die diversen Hinweisgeber.

Springer-Journalist stört Trauerfeier

Wenn Sie in der Zeitung lesen würden:

Hemden-König beschimpft
Familien-Streit bei der Kern-Beerdigung

— wie würden Sie sich dann die Beerdigung vorstellen? Lautstark, oder? Mit einem Ausraster, Eklat, Skandal, sowas. Keine Frage.

Wenn aber in “Bild” steht:

— klar, dann ahnen sie: Es war alles andere als lautstark, und niemand ist ausgerastet. Und richtig: Die Berichte von der Beerdigung von Daniela Kern stimmen zwar darin überein, dass das Klima zwischen den beiden Familien eisig war. Aber alle schreiben auch, dass sich beide Parteien konsequent aus dem Weg gingen. Selbst “Bild”:

Während der ganzen Trauerfeier sprach Danas Familie kein Wort mit Otto Kern. Nur eisiges Schweigen.

Gleichzeitig schweigen und einander beschimpfen, das können die Menschen nur in “Bild”. Möglicherweise bezieht sich die Überschrift auf einen Satz von Danielas Vater, den “Bild” mit den Worten zitiert:

“Was soll ich noch mit einem Mann reden, der in der Kapelle keine Träne für meine Tochter vergießt.”

Wann und wem er das sagte, verrät “Bild” nicht, aber es ist aber — anders als “Bild” im Teaser und in der Überschrift suggeriert — offensichtlich nicht bei der Trauerfeier geschehen.

Viel spannender als all das ist übrigens diese kleine Notiz im Bericht der “Heilbronner Stimme” von der Beerdigung:

Die Kommunalverwaltung versuchte mit einem absoluten Fotografier- und Filmverbot auf dem Friedhofsgelände das Informationsbedürfnis auf ein pietätvolles Maß zu kürzen. (…) Doch schon am Abend des Tages vor der Beerdigung ignorierten einige Reporter das Fotografierverbot und sind kaum im Zaum zu halten. Unmittelbar vor der Trauerfeier führte die Polizei sogar einen Journalisten der Springer-Presse ab, der für sich Sonderrechte in Anspruch nahm.

Allgemein  

Nichts Welt bewegendes passiert II

Vor kippenden Erdachsen, den Flegeljahren der Sonne und Killerkeimen aus dem Weltall müssen wir uns also, wie gesagt, trotz Riesenschlagzeilen in “Bild” womöglich nicht akut fürchten. Aber diese Achs-Kippung klingt ja doch irgendwie beunruhigend. Von was für Zeiträumen reden wir da eigentlich, bis der “Äquator kocht”? Kann ich vorher noch die Wäsche reinholen?

“Bild” beantwortet diese Frage erstaunlich widersprüchlich. Online heißt es: “in Millionen Jahren”. In “Bild” Berlin-Brandenburg lautet die Angabe “in Million Jahren”, als hätte da jemand hastig noch etwas korrigiert. Und “Bild” München warnt: “in den nächsten zehn Jahren”.

Huch!

Wie kommen die darauf? Durch die “Süddeutsche Zeitung”. Dort stand am Mittwoch ein Artikel im Ressort “Wissen” mit der Überschrift “Die Erdachse kippt”. Im ersten Satz hieß es, das Klima werde sich in den “kommenden zehn Jahren” ändern. Im weiteren Text stand zwar die korrekte Angabe: in den “kommenden zehn Millionen Jahren”, und am Donnerstag brachte die SZ auch eine Korrektur des Fehlers. Aber das bemerkte die “Bild”-Zeitung anscheinend erst, nachdem sie schon auf der ersten Seite reichlich Platz für das (scheinbar dringliche) Thema freigeräumt und die Münchner Ausgabe gedruckt hatte.

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