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30 000 Asylbewerber verschwunden? “Bild” errechnet völligen Unsinn

Es ist noch gar nicht so lange her, da wollte sich die “Bild”-Redaktion als Speerspitze der deutschen Willkommenskultur inszenieren. Den Slogan “Wir helfen” ließ sie damals Politiker auf Pappschildern hochhalten und Fußballprofis auf deren Ärmeln tragen.

Es ist noch gar nicht so lange her, aber es hat sich seitdem viel geändert. Auch und vor allem ist die Berichterstattung von “Bild” und Bild.de über Flüchtlinge und Asylbewerber eine ganz andere geworden. Die “Bild”-Medien meinen, sie seien nur ehrlich, sprächen nur Wahrheiten aus und Probleme an. Aber das ist falsch. “Bild” und Bild.de bringen immer wieder auch völlig falsche Informationen und Zahlen in Umlauf. Heute etwa mit dieser Titelgeschichte:

Ausriss Bild-Zeitung - 30000 abgelehnte Asylbewerber spurlos verschwunden!

Schon im Anreißer auf Seite 1 klingt es dramatisch:

Neuer, unfassbarer Behördenskandal: Von gut 30 000 abgelehnten, sofort ausreisepflichtigen Asylbewerbern wissen die Behörden nicht, wo sie stecken. Zum Teil haben sie Deutschland wohl einfach verlassen — oder sind hier untergetaucht.

Auf Seite 2 breitet Autorin Larissa Krüger den “ABTAUCH-SKANDAL” dann so richtig aus:

Ausriss Bild-Zeitung - Der Abtauch-Skandal - 30000 abgelehnte Asylbewerber sind spurlos verschwunden

Das darf doch nicht wahr sein. BILD deckt die nächste Behörden-Panne im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise auf.

Regierung und Behörden wissen nicht, wo gut 30 000 abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber derzeit sind.

In Deutschland — warum auch immer — untergetaucht? Außer Landes? Keine Ahnung!

Nur: “Bild” deckt hier gar nichts auf. Außer die eigene Ahnungslosigkeit und die eigene Unfähigkeit, die richtigen Zahlen rauszusuchen.

Krüger schreibt:

Die Fakten: Laut Bundesregierung waren Ende Dezember 2016 genau 54 437 Personen vollziehbar ausreisepflichtig (inzwischen sind es rund 65 000). Aber laut Statistischem Bundesamt bezogen im Jahr 2016 nur 23 617 dieser Personen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Über den Verbleib des Restes von 30 820 Personen (Stichtag 31.12.2016) haben die Behörden und Statistiker KEINE Informationen.

Die zwei Zahlen von der Bundesregierung beziehungsweise dem Statistischen Bundesamt mögen stimmen. Aber sie passen nicht zueinander. Denn die 54.437 vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, die die Bundesregierung nennt, sind nicht nur Asylbewerber, sondern auch andere Ausländer, die ausreisepflichtig sind, zum Beispiel Urlauber mit abgelaufenen Visa. Diese Gruppe ist — Überraschung — gar nicht in der Lage, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu bekommen, und kann daher auch nicht in den Zahlen des Statistischen Bundesamts auftauchen (oder dort fehlen).

Und es sind nicht nur ein paar wenige visalose Urlauber, die Larissa Krüger in ihrer Apfel-Birnen-Rechnung übersieht. Das Bundesinnenministerium schreibt uns in einer Stellungnahme zum heutigen “Bild”-Bericht:

Die Differenz zwischen der Zahl der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und der Zahl der im Ausländerzentralregister (AZR) erfassten ausreisepflichtigen Ausländer ohne Duldung lässt nicht den Schluss zu, dass sich die genannte Personengruppe allein aus abgelehnten Asylbewerbern zusammensetzt.

So verkennt der Artikel schon grundsätzlich, dass es sich überhaupt nur bei etwa 49 % aller im AZR als ausreisepflichtig registrierten Ausländer um Personen handelt, zu denen auch die Ablehnung eines Asylantrages im AZR eingetragen ist.

51 Prozent der Personen, die Krüger in ihre Asylrechnung einbezieht, gehören dort überhaupt nicht rein, weil sie nicht abgelehnte Asylbewerber sind, sondern beispielsweise Urlauber ohne Visa. Das heißt: Statt mit 54.437 Personen müsste die “Bild”-Autorin mit 26.674 Personen rechnen. Diese Zahl passt auch viel besser zu der Statistik, die das Statistische Bundesamt heute rausgegeben hat und nach der 28.000 Schutzsuchende am Stichtag 31. Dezember 2016 vollziehbar ausreisepflichtig waren.

Statt um 30.820 geht es also lediglich um 3057* Personen. Und auch das dürfte noch nicht die endgültige Anzahl “spurlos verschwundener” abgelehnter Asylbewerber sein, wie “Bild” sie nennt. Denn nicht alle ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber beziehen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn der Betroffene etwa selbst über ein ausreichendes Vermögen verfügt, oder Angehörige zum Unterhalt verpflichtet sind, tauchen diese Personen nicht in der Statistik auf, die Larissa Krüger herangezogen hat.

Dazu kommt, dass auch die Verantwortlichen im Statistischen Bundesamt sagen, dass ihre Zahl, die Krüger für die Rechnung genutzt hat, dafür nicht taugt. Gudula Geuther vom “Deutschlandfunk” hat mit ihnen gesprochen (Audio, 2:57 Minuten). So notieren zum Beispiel die Kommunen, die die Gelder auch an die ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber auszahlen, nicht immer deren genauen aufenthaltsrechtlichen Status dazu. Die Zahl der 23.617 ausreisepflichtigen Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dürfte tatsächlich also noch mal etwas höher sein, was die Differenz noch mal etwas kleiner werden lassen dürfte als 3057.

Oder in Kurzform und ohne die vielen Zahlen und Rechnungen: Die heutige Schlagzeile von “Bild” ist kompletter Unsinn, auf wenn die Kollegen von Larissa Krüger das Zahlenwirrwarr für eine “tolle Recherche” halten.

Krügers Geschichte hat bereits eine ordentliche Populisten- und Hetzerrunde gedreht. Bei Bild.de ist sie hinter der Bezahlschranke gestartet

Screenshot Bild.de - Der Abtauch-Skandal - 30000 abgelehnte Asylbewerber sind spurlos verschwunden

… von dort aus in Facebook-Gruppen wie dem “Viktor Orban Fanclub Deutschland” gelandet …

Screenshot Facebook des Postings in der Gruppe Viktor Orban Fanclub Deutschland

… und bei faktenfeindlichen Anheizern wie Claus Strunz …

Screenshot Facebook des Postings von Claus Strunz

… und David Berger:

Screenshot Facebook des Postings von David Berger

“Wir helfen”, haben “Bild” und Bild.de mal behauptet. Heute helfen sie vor allem rechten und noch rechteren Gruppen mit Vorlagen für deren Stimmungsmache.

*Nachtrag, 18:46 Uhr: Durch einen Rechenfehler unsererseits war in einer früheren Version von 4146 Personen die Rede. Tatsächlich ist die Differenz zwischen der “Bild”-Zahl und der Zahl, die die Statistiken wirklich hergeben, noch größer.

Nachtrag, 22:14 Uhr: Die Geschichte geht weiter: Bild.de behauptet nun, Kanzleramtschef Peter Altmaier bestätige den “Bild”-Bericht. Dabei sagt Altmaier nur, dass niemand wisse, wie viele abgelehnte Asylbewerber verschwunden sind.

Nachtrag, 4. November: Inzwischen sieht auch die “Bild”-Redaktion ein, dass es nicht 30.000 verschwundene abgelehnte Asylbewerber sind.

Verantwortungsvoll rassistisch

Manchmal ist es ganz wesentlich, wer etwas in welcher Situation gesagt hat, wenn man den Inhalt einer Aussage bewerten will.

Am Bonner Landgericht läuft aktuell ein Prozess, in dem es um eine Vergewaltigung auf einem Campingplatz geht. Der Fall hatte vor einigen Monaten überregional für Aufsehen gesorgt. Und um es von Anfang an klar zu sagen: Sollte der Angeklagte aus Ghana — entgegen seiner Unschuldsbeteuerung — die Tat begangen haben, muss er dafür natürlich verurteilt werden.

Am Montag vergangener Woche sagte unter anderem die Kripobeamtin aus, die nach der Tat mit dem Vergewaltigungsopfer gesprochen hatte. Einen Tag später veröffentlichte das Kölner Boulevardblatt “Express” einen größeren Artikel, in dessen Überschrift die Redaktion auch ein Zitat eingebaut hatte:

Ausriss aus dem Express - Vergewaltigungsprozess: Polizisten als Zeugen - Opfer ergab sich schwarzem Monster

Im Text taucht das “schwarze Monster”-Zitat noch einmal auf. Und auch dort wird nicht eindeutig klar, von wem es stammt:

In Wahrheit habe sie [das Opfer] unter Schock gestanden. “Trotz Todesangst um sich und ihren Freund” habe die 23-Jährige geistesgegenwärtig reagiert, als sie sich entschied, sich nicht zu wehren. So ergab sie sich dem “schwarzen Monster”, ihren Freund beschwor sie noch beim Verlassen des Zeltes, das Schweizer Messer stecken zu lassen und die Polizei zu rufen.

Auf Nachfrage schreibt uns die Redaktion, dass das Zitat von der Polizistin stamme. Allerdings handele es sich dabei nicht um deren eigene Worte, sondern um “die Reaktion des Opfers”, die die Beamtin in ihrer Aussage lediglich wiedergegeben habe. Warum macht der “Express” in seinem Artikel nicht eindeutig klar, wer da redet? Und wer wen zitiert?

Der “Express” erklärt zur “schwarzen Monster”-Aussage an sich:

Wer derart Erschreckendes [wie das Opfer] erlebt hat, wird sich kaum in dieser Schocksituation auf politisch Korrektes besinnen. Wenn Sie sich in die Tiefen des Falles einarbeiten, können Sie sicherlich nachvollziehen, dass die Äußerung keineswegs in einem rassistischen Zusammenhang zu sehen ist, sondern aus dem Effekt heraus getan wurde.

D’accord.

Nur war schon die Aussage der Kripobeamtin vor Gericht nicht mehr “aus dem Effekt heraus”. Und der anonyme Autor des “Express”-Artikels hat seinen Text erst recht nicht mehr “aus dem Effekt heraus” aufgeschrieben. Und dennoch hat das Blatt das “schwarze Monster” sowohl in der Titelzeile als auch im Artikel einfach so übernommen. Keine Distanzierung, keine Bemerkung zur Wortwahl (und wäre es nur eine wie in der Stellungnahme uns gegenüber), als handele es sich um eine ganz normale Aussage. Dabei ist sie, wie sie im “Express” daherkommt, gleich doppelt problematisch. Schon das “Monster” entmenschlicht eine Person, die zweifelsohne etwas Schreckliches getan haben soll, aber noch immer ein Mensch ist. Das “schwarze Monster”, die Betonung der Hautfarbe des Angeklagten, ist Rassismus und ein rassistisches Klischee. Dass die Haut des mutmaßlichen Täters schwarz ist, hat nichts mit der ihm angelasteten Tat zu tun. Der “Express” hätte problemlos ohne das “schwarze Monster” auskommen können.

Das sieht die Redaktion anders:

Wie Sie wissen, steht der EXPRESS für unabhängige Berichterstattung, Toleranz, Vielfalt und soziale Verantwortung. Die Redaktion hält sich an den Pressekodex und achtet dessen Vorgaben. In diesem Fall sehen wir den Schockausruf des Opfers nicht als rassistisch an, sondern als Ausruf der Verzweiflung. Die Verbreitung des Zitats ist in diesem Fall aus unserer Sicht zulässig, um den kompletten Horror des Erlebten zu beschreiben. Aus unserer Sicht gibt es zwei Möglichkeiten: Sie berichten authentisch über diesen wohl in seiner Brutalität einzigartigen Fall, der ein hohes Interesse in der Bevölkerung hervorruft, oder sie vermelden kühl Anklage und Urteil. Sich auf diesem Weg von klaren Zitaten eines Dritten, die in einer Gerichtsverhandlung fallen, zu distanzieren, diese politisch korrekt zu biegen und zu verfälschen, würde die Glaubhaftigkeit der Presse eher untergraben.

Das “schwarze Monster” kann aus Sicht des “Express” also nicht nur in den Artikel, es muss hinein, wenn man verantwortungsvoll berichten will. Und augenscheinlich auch noch in die Überschrift. Um es noch mal klar zu sagen: Uns geht es nicht darum, etwas “politisch korrekt zu biegen und zu verfälschen”, sondern um einen bewussten Umgang mit Sprache und die fahrlässige Reproduktion rassistischer Äußerungen.

Der “Express”-Text landete mitsamt der “schwarzen Monster”-Aussage noch bei Express.de, auf der Internetseite der “Kölnischen Rundschau”, die ebenfalls zum “DuMont”-Verlag gehört, und durch eine Kooperation auch bei “Focus Online”.

Unter dem dazugehörigen Post auf der Facebook-Seite von “Focus Online” griffen mehrere Kommentatoren das Zitat der Polizistin auf:

“Schwarzes Monster“ (O-Ton). Merkel ich mir, wunderbar zutreffend und nicht zensierbar.

Soll sie sich doch bei merkel bedanken, dass schwarze Monster konnte nur durch merkels gechicke her kommen. Lasst euch trösten! Es kommt jeder mal dran, denn die Grenzen sind immer noch offen, und 200000 Menschen reisen nun legal ein Plus Familiennachzug.

Was ein Monster typisch mal wieder ein Ausländer die jagt auf unsere Frauen machen. Wer hat denn überhaupt rein gelassen 😠

Dieses Monster sollte man ohne Fallschirm über seiner Heimat abwerfen! Die Grenzen müssen endlich wieder gesichert werden, sonst bekommen wir noch mehr von diesen Monstern inns Land.

Aus Ghana. Gehört Ghana jetzt auch zum syrischen Kriegsgebiet, oder warum war dieses Monster überhaupt in Deutschland?

Warum wird denn hier der Täter noch in Schutz genommen. Zeigt uns dieses Monster

Was für ein Monster, und sowas sollen wir hier aufnehmen und beherbergen?! Dieser Mann ist eine tickende Zeitbombe!

Mit Dank an @pfuideifipegida für den Hinweis!

Extrem links und unglaublich weit weg von den Fakten

Nach dem Sittenwächter-Entsetzen über den “Tatort” im Pornomilieu und dem falschen Sadomaso-Unmut über die Serie “Babylon Berlin” ging es gestern weiter mit der “Bild”-Kritikreihe an der ARD. Und wieder traf es den “Tatort”:

Ausriss Bild-Zeitung - Baader-Meinhof-Experte Stefan Aust klagt an - RAF-Propaganda im Tatort

Es sei “gefährlicher Unsinn”, was Sonntagabend ab 20:15 Uhr für anderthalb Stunden im “Ersten” zu sehen war, sagt Stefan Aust im Interview mit “Bild”, weil bei den Zuschauern fälschlicherweise hängenbleiben werde, dass RAF-Mitglieder im Gefängnis Stammheim von einer geheimen Gruppe umgebracht worden seien.

Die Befürchtung kann man haben. Vielleicht bekommen die Zuschauer es aber auch hin, Fiktion als Fiktion zu erkennen.

Bei Bild.de legte gestern Mittag Redakteur Daniel Cremer mit einem Kommentar zum “Tatort” nach:

Screenshot Bild.de - Kommentar von Bild-Redakteur Daniel Cremer - Was den RAF-Tatort unerträglich machte

Der “Verschwörungs-Unsinn” in dem Fall aus Stuttgart sei schon “unsäglich” gewesen, schreibt Cremer.

Unerträglich fand ich aber noch eine ganz andere Szene.

Richy Müller erzählt in der Rolle als Kommissar Lannert von seiner Zeit als Student in Hamburg. Er habe damals in einer WG mit RAF-Sympathisanten gelebt. Ja, er habe sogar ein RAF-Mitglied getroffen. Sein Partner schaut irritiert. Darauf sagt Müller er sei ja keiner “von denen gewesen” — aber man war jung und wollte die Welt verändern. Ende der Szene.

“Die Verharmlosung von Terror und Gewalt” habe Deutschland mittlerweile gelernt, solange sie linksextrem sei, so Cremer. Dennoch könne er sich “nur schwer erklären, wie eine solche Szene von allen Instanzen der ARD durchgewunken wird.”

Man stelle sich (vielleicht in zehn Jahren) einen “Tatort” aus Leipzig vor. Der ältere Kommissar erzählt seinem jüngeren Kollegen, er habe als Student in einer WG mit PEDIGA- und NSU-Sympathisanten gelebt. Da habe er auch mal NSU-Mitglied Uwe Mundlos getroffen. Er sei aber keiner von denen gewesen. Er war nur jung und wollte die Welt verändern.

Man stelle sich vor, das würde gesendet. Und man stelle sich die Reaktionen darauf vor. Man braucht viel Vorstellungskraft. Denn (Gott sei Dank) würde niemand auf die Idee kommen, den Zuschauern so ein weichgespültes rechtsextremes Weltbild unterzujubeln.

Recht hat er, der Cremer.

Und doch liegt er, was die Fakten betrifft, ziemlich daneben. Denn in der Szene, die sich der “Bild”-Redakteur rausgesucht hat, gibt es recht deutliche Kritik an der RAF-Gewalt. Cremer verschweigt sie nur. Außerdem ist nichts an dem, was Richy Müller in seiner “Tatort”-Rolle sagt, linksextrem.

Hier das Transkript der entscheidenden Szene, in der die beiden Kommissare Thorsten Lannert und Sebastian Bootz auf einem Parkplatz im Auto sitzen (in der ARD-Mediathek ab Minute 55:28):

Lannert: Ich kann seit Wochen nicht mehr wirklich schlafen. Der Doc meint, ab einem bestimmten Alter kommt alles zurück.

Bootz: Du warst beim Arzt?

Lannert: Drehst ja durch, so ohne Schlaf. Und jetzt auch noch plötzlich die RAF wieder. Damals wollten alle wissen, was wirklich in Stammheim passiert ist. War es Selbstmord oder Mord? Immerhin war es der Kampf der Kinder gegen ihre Väter.

Bootz: Du klingst ja wie der letzte Radikale von damals.

Lannert: Wir haben den Hunger in Afrika gesehen, Sebastian. Und uns war sofort klar: So darf die Welt nicht sein, so kann sie nicht sein. Diese Ungerechtigkeit. Und dann überall diese alten Nazi-Köppe, Lehrer, Politiker, vor allem in der Justiz. Worum uns aber die RAF gebracht hat, war die Neugier und die Sehnsucht, die damals herrschte. Politisch und gesellschaftlich. Die haben sie weggebombt, die Sehnsucht. Die war danach nicht mehr da.

Bootz: Die Sehnsucht?

Lannert: Ja, wir waren jung. Wir wollten nicht werden wie unsere Eltern. Ich bin mit 16 von zu Hause abgehauen. Lange Haare, Parka. Hab’ in ‘ner WG gewohnt in Hamburg. Da bin ich der Ensslin mal begegnet, ’72. Das war kurz vor ihrer Verhaftung. Saß sie aufm Flur, hat mich angelächelt. Nur dieser kurze Moment, und ich war elektrisiert. Fünf Jahre später dann kamen die Fotos aus Stammheim, aufgenommen mit einer reingeschmuggelten “Minox”. Sie sah brutal aus. Damals haben wir geglaubt, der Staat hat sie einfach umgebracht.

Bootz: Moment mal, was war das eben? Du hast in ‘ner WG mit RAF-Sympathisanten gewohnt?

Lannert: Ja. Und dann wirst du Polizist. [Schaut in den Seitenspiegel] Ich glaub’, uns hängt schon wieder jemand hinten dran.

Bootz: Echt? [Jetzt am Telefon] Ja, Bootz hier, Mordkommission. Ich hätt’ ‘ne Halterabfrage. Stuttgart-OS-2016. Ja? Ja, macht nichts, danke. [Legt auf, wieder zu Lannert] ‘Ne Nullauskunft, Halter gesperrt. Also Verfassungsschutz, Staatsschutz, sowas.

Lannert: Hab’ ich dir ja gesagt.

Bootz: Wir müssen die irgendwie abschütteln.

Lannert: Gut. Hier, schau mich an. Ich war nicht dabei.

Bootz: Schon klar.

“Ende der Szene”, wie Daniel Cremer schreiben würde.

Kommissar Lannert spricht sich also gegen die Gewalt der RAF aus (“Worum uns aber die RAF gebracht hat, war die Neugier und die Sehnsucht, die damals herrschte. Politisch und gesellschaftlich. Die haben sie weggebombt, die Sehnsucht. Die war danach nicht mehr da.”). Die Ideale, die “Sehnsucht”, die er referiert, mögen links sein. Eine bessere Welt, mehr Gerechtigkeit. Aber linksextrem oder weichgespült linksextrem? Dann müsste der Song “Ich werd’ die Welt verändern” von der Band “Revolverheld” als linksextremes Kampflied gelten (Refrain: “Ich werd’ die Welt verändern, werd’ endlich alles besser machen”).

Durch die Milde des 16-jährigen Thorsten Lannert passt dann auch Daniel Cremers Parallele nicht mehr. Was würde Cremers fiktiver Bewohner einer NSU-Sympathisanten-WG mit seinem “weichgespülten rechtsextremen Weltbild” fordern? “Ausländer raus aus Deutschland, aber ohne Gewalt”? Und das ist laut Cremer dann das rechte Äquivalent zu Lannerts besserer Welt und dessen gewaltfreier Forderung nach mehr Gerechtigkeit?

Natürlich kann man der Meinung sein, dass der “Tatort” unerträglich war. Man kann sich wundern, was von “der ARD durchgewunken wird”. Und man kann das alles in einem Kommentar aufschreiben. Aber dann sollte man seinen Lesern keine Fakten vorenthalten, die nicht zur Kritik passen.

Die AfD-Gärtner der “Bild”-Zeitung wundern sich über die Frucht-Ernte

Liest man heute den Kommentar von Tanit Koch zur Bundestagswahl und den 12,6 Prozent, die die AfD bekommen hat, könnte man fast meinen, dass die “Bild”-Chefredakteurin in den vergangenen Monaten durchgehend im Urlaub war und nichts davon mitbekommen hat, was in ihrem Blatt so passiert ist.

Ausriss Bild-Zeitung - Überschrift des Koch-Kommentars - Die Früchte der Angst

Koch schreibt:

Für Anstand steht das A in AfD nicht. Dennoch wurde sie gewählt — weil die regierenden Parteien, weil die Kanzlerin Vertrauen verspielt haben. (…)

Angela Merkel ist es nicht gelungen, einer verunsicherten Bevölkerung die Sorge vor Kriminalität und Islamisierung zu nehmen.

Die Angst davor gab es lange vor der Flüchtlingskrise. Doch man war sich zu fein dafür, sie zu adressieren. Nun hat die AfD die Früchte dieser Angst geerntet.

Es mag stimmen, dass ein Grund für die AfD-Stärke die Schwäche der “regierenden Parteien” ist. Es mag stimmen, dass Angela Merkel Sorgen nicht schmälern konnte. Was aber auch stimmt, und was Tanit Koch nicht mit einer Silbe erwähnt: Die “Bild”-Zeitung hat “die Sorge vor Kriminalität und Islamisierung” stetig bedient. Um im Bilde zu bleiben: Die fauligen Bäume und dornigen Sträucher, von denen die AfD “die Früchte der Angst” ernten konnte, haben unter anderem Tanit Koch und ihr Team ausgesät, sie haben sie immer wieder gegossen und gepflegt.

Da war zum Beispiel das “Bild”-Wahlprogramm:

Ausriss Bild-Titelseite - Das große BILD-Wahlprogramm - Was sich endlich ändern muss - Rente! Steuern! Sicherheit!

Am 17. Juli, also gut zwei Monate vor der Bundestagswahl, veröffentlichte die Redaktion fast auf einer kompletten Doppelseite eine Sammlung aus 25 “ES KANN DOCH NICHT SEIN”-Punkten:

Ausriss Bild - Übersicht zur Doppelseite mit verschiedenen Wahlprogrammpunkten

Nur ein Beispiel:

Ausriss Bild-Zeitung - Forderung der Bild zu Asyl/Integration - Es kann doch nicht sein, dass Asylsuchende und Zuwanderer sich nicht nach unseren Regeln richten. Darum gilt in Deutschland ein Burka-Verbot. Frauen und deren Ehemänner, die sich dem Widersetzen, werden mit Bußgeld belegt. Handelt es sich um Touristen, müssen sie umgehend ausreisen. Ein umfassendes Ausweisungsgesetz regelt zudem, welche Straftaten zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen. Fortgesetzter Sozialbetrug führt zur Beendigung eines Asylverfahrens.

Schon die Entscheidung für diesen Wahlkampfpunkt hat nichts mit Aufklärung zu tun, nichts mit dem Nehmen von Sorgen, sondern ist das reine Bedienen von Sorgen durch ein Scheinproblem. Abgesehen von dem Detail, dass es in der Regel nicht um Burkas, sondern um Niqabs geht, betrifft dies wohl wie viele Menschen in Deutschland? Auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln sicher ein paar mehr. In der Fußgängerzone in Görlitz vermutlich deutlich weniger. Sind es insgesamt im ganzen Land überhaupt mehr als 1000 Niqab-Trägerinnen? Dank “Bild” sieht es für mehrere Millionen Menschen wenige Wochen vor der Wahl so aus, als gehöre das Thema Burka/Niqab zu den 25 dringendsten der Bundesrepublik.

Dass ein Teil dieser Leute dann an den Laternen AfD-Plakate hängen sieht, auf denen steht “‘Burkas?’ Wir steh’n auf Bikinis.”, und sich denkt “Och, joar, könnte man vielleicht wählen” — völlig abwegig ist das nicht.

Diese Burka-Forderung, dieses ganze “Bild”-Wahlprogramm voller AfD-Positionen war komplett unnötig. Ja, man kann das machen, wenn man ganz rechten Positionen eine Plattform geben, Ressentiment schüren und ein bisschen zündeln will. Aber man muss es nicht. Und vor allem muss man sich dann nicht einen Tag nach der Wahl verblüfft zeigen über 12,6 Prozent. Bei der AfD waren sie im Juli jedenfalls hellauf begeistert von der kostenlosen Wahlwerbung in der immer noch auflagenstärksten Tageszeitung Deutschlands:

Tweet der AfD Bund - Hallo Bild, nahezu alles hier findet sich im AfD-Wahlprogramm
Tweet der AfD Berlin - So schnell kann es gehen: Das Bild-Wahlprogramm liest wie das der AfD. Gut gemacht
Tweet von Uwe Junge - Endlich! Die BILD als Wahlkampfblatt für die AfD! Unser Programm in BILD veröffentlicht!

Das “Bild”-Wahlprogramm war nur ein kleiner Baustein der Berichterstattung, die Uwe Junge, Alexander Gauland, Alice Weidel und all den anderen in die Hände gespielt hat. Seit Jahren — auch schon lange vor Gründung der AfD — trägt die Redaktion dazu bei, dass Positionen wie die der rechtesten Partei im kommenden Bundestag millionenfach an Kiosken liegen. Und häufig basieren die empörten und empörenden Schlagzeilen auch noch auf falschen Fakten. Da war beispielsweise der von einem AfD-Sympathisanten erfundene falsche Flüchtlings-“Sex-Mob”, den “Bild” willfährig aufgriff. Die sechsfach falsche Meldung, dass in Deutschland “aus Rücksicht auf Muslime die christlichen Wurzeln des Weihnachtsfestes unterschlagen” würden. Die falsche Geschichte, dass Politiker forderten, dass Christen “im Weihnachts-Gottesdienst muslimische Lieder singen” sollen. Die falsche Information, dass Flüchtlinge in Hamburg problemlos schwarzfahren dürften. Oder das falsche Gerücht, dass Sanitäter des Roten Kreuzes wegen Asylbewerbern nun Schutzwesten anhätten. “Bild” schreibt gegen Muslime, gegen Roma, gegen Griechen, gegen Ausländer, noch mal gegen Muslime, ein weiteres Mal gegen Muslime, gegen Migranten, gegen Muslime. Es sei auch noch mal an den hasserfüllten Kommentar von Nicolaus Fest erinnert, der einst Kulturchef bei “Bild” und bis September 2014 stellvertretender Chefredakteur beim Schwesternblatt “Bild am Sonntag” war und der gestern als Direktkandidat der AfD im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf nicht den Einzug in den Bundestag schaffte.

Am 17. Juli dann also das “Bild”-Wahlprogramm. Und auch danach ging es weiter mit der AfD-Förderung durch das Boulevardblatt. Mats Schönauer hat sich bei “Übermedien” durch die vergangenen zwei “Bild”-Monate gewühlt. So sahen die Titelseiten und Überschriften aus:

Collage mit Bild-Schlagzeilen - Mitten in Deutschland Burka-Frau verprügelt Dessous-Verkäuferin - Krankenkassen machen Minus Flüchtlinge kosten 20 Millionen im Monat - Asylbetrug So leicht ist es in Deutschland abzukassieren - Die große Abschiebe-Lüge - 387 Abschiebungen in letzter Minute gestoppt - Das hat der Islam mit Terror zu tun - So viele Flüchtlinge haben keinen Schulabschluss - Und wieder ein Frauenmörder der längst abgeschoben sein müsste - Joggerin vergewaltigt Warum wurde der Täter nicht abgeschoben? - Die Strafakte der abgeschobenen Afghanen - So spaltet die Flüchtlingskrise unser Land

Ich glaube nicht, dass die “Bild”-Redaktion ein Haufen von AfD-Wählern ist. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Julian Reichelt und Tanit Koch und die meisten anderen “Bild”-Mitarbeiter in ihren Kommentaren öffentlich gegen diese Partei anschreiben und in der Wahlkabine heimlich Kreuze bei ihr machen. Und trotzdem ist die “Bild”-Zeitung ein AfD-Blatt. Mit ihren gewählten Schwerpunkten, mit den Zuspitzungen auf den Titelseiten, mit den verwendeten Begriffen in Überschriften haben Reichelt und Koch und viele ihrer Kollegen die Gesprächsthemen in Büromittagspausen, in Bauwägen und an analogen wie digitalen Stammtischen geprägt. Über die “Burka-Frau” wurde dort diskutiert. Man regte sich über die Bedrohung der Rot-Kreuz-Sanitäter auf. War wütend über schwarzfahrende Flüchtlinge. “Bild” hat nicht direkt für die AfD geworben. “Bild” hat aber den öffentlichen Diskurs im Sinne der AfD vorgegeben.

Tanit Koch und ihre Redaktion titeln heute:

Titelseite der Bild-Zeitung - Der Rechts-Rumms

“Bild” hat kräftig mitgerummst.

“Bild” lässt Angst wachsen

Die Menschen in Deutschland haben weniger Angst. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die die “R+V”-Versicherung jedes Jahr durchführen lässt und die den Namen “Die Ängste der Deutschen” trägt. Nach 20 Sorgen fragt die Studie regelmäßig — bei 18 von ihnen sind die aktuellen Werte niedriger als im vergangenen Jahr. Nur in den Kategorien “Schadstoffe in Nahrungsmitteln” und “Naturkatastrophen” gab es jeweils einen Zuwachs.

Ganz vorne liegen die Ängste vor Terrorismus (71 Prozent), politischem Extremismus (62), Spannungen durch Zuzug von Ausländern (61), finanziellen Folgen der EU-Schuldenkrise für die Steuerzahler (58) und den bereits erwähnten Schadstoffen in Nahrungsmitteln (58). Der Durchschnittswert aller Ängste beträgt 46 Prozent und damit sechs Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr.

Die “Bild”-Zeitung, die seit jeher Angst verkauft, hat die Ergebnisse der Ängste-Umfrage genommen und heute eine Extra-Seite zum Thema veröffentlicht:

Übersicht über Bild-Seite mit sechs Artikel - BILD-Report - Innere (Un-)Sicherheit

Im Teaser steht:

Anschläge, Wohnungseinbrüche, rechtsfreie Räume — die innere Un-Sicherheit in Deutschland wächst! Erst gestern wurde bekannt: Vor nichts haben die Bürger mehr Angst als vor Terrorismus! BILD sagt, welche Missstände es gibt.

Egal, dass in der “R+V”-Studie vornehmlich sinkende Werte zu finden sind — “Bild” lässt “die innere Un-Sicherheit” und die Angst der Menschen wachsen.

Die Redaktion nennt in den einzelnen Artikeln auf der Seite Personen, die für die angebliche “Un-Sicherheit” verantwortlich seien: neben Ausländern, Linksautonomen und Drogendealern auch Richter:

Ausriss Bild-Zeitung - Gerichte denken zuerst an Täter

Unter dieser Populismus-Überschrift geht es ähnlich weiter:

Beide Fälle erschütterten Deutschland: Frank S. (46) stach Kölns heutiger Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Messer in den Hals. Hussein K. (laut Gutachten älter als 22) ermordete die Studentin Maria L.

Trotz des breiten öffentlichen Interesses ordneten Strafgerichte an: Medien müssen auf Fotos der Angeklagten “die Gesichtszüge unkenntlich” machen. Aus Sorge um die Prangerwirkung, um die Persönlichkeitsrechte …

Die Informationsfreiheit der Bürger? Kommt erst an zweiter Stelle …

In “Die Ängste der Deutschen” wurde nicht nach der Angst vor in Boulevardzeitungen unkenntlich gemachten Angeklagten gefragt. Daher gibt es auch keine Zahlen, wie viele Menschen in Deutschland eine “innere Un-Sicherheit” verspüren, weil Redaktionen von Richtern dazu aufgefordert werden, einer bisher nicht verurteilte Person Persönlichkeitsrechte zuzugestehen. Die Verpixelung von Gesichtern dürfte jedenfalls nicht zu den Ur-Ängsten zählen.

Was die “Bild”-Redaktion in ihrem Ärger über richterliche Anordnungen zur Unkenntlichmachung der “Gesichtszüge” ständig vergisst: Das Zeigen eines Angeklagten, der ganze mediale Rummel rund um einen Prozess kann zu milderen Urteilen führen, weil Richter die Verletzungen von Persönlichkeitsrechten und die Vorverurteilungen bei der Wahl des Strafmaßes manchmal einberechnen. Sie könnten die Anordnungen in den beiden genannten Fällen also auch im Interesse der Prozesse und angemessener Strafen erlassen haben.

Doch mit solchen Überlegungen beschäftigen sich die “Bild”-Mitarbeiter gar nicht erst, schließlich haben sie ein Zitat vom Bundesverfassungsgericht gefunden, das ihre Position vermeintlich stärkt:

Dabei entschied das Bundesverfassungsgericht: “Bei schweren Gewaltverbrechen ist ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Informationsinteresse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters (…) anzuerkennen.”

Nun steht dort erstmal nichts über Fotos von Angeklagten. Und auch sonst passt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aus dem die Aussage stammt, sensationell schlecht in die “Bild”-Argumentation. Denn in der Begründung, die die Redaktion zitiert, steht zwei Absätze später:

Handelt es sich im Übrigen um ein noch laufendes Ermittlungsverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung auch die zugunsten des Betroffenen streitende, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (…). Bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch wird insoweit oftmals das Gewicht des Persönlichkeitsrechts gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen. Eine individualisierende Bildberichterstattung über den Angeklagten eines Strafverfahrens kann allerdings dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Betreffende nicht beziehungsweise nicht mehr mit Gewicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen kann, etwa wenn er sich in eigenverantwortlicher Weise den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen in der medialen Öffentlichkeit auch im Wege der individualisierenden Berichterstattung gestellt hat (…).

… was weder der eine Angeklagte noch der andere Angeklagte, die “Bild” als Beispiele nennt, getan hat.

“Bild” wählt ein Zitat aus einem Urteil, um Richtern zu zeigen, dass das Bundesverfassungsgericht etwas ganz anderes sagt als diese, dabei sagt das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil das, was die Richter sagen.

#FreeMesale, Mindestlohn, Weißgewaschenes Fernsehen

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1b. Unklare Zahlen, vorschnelle Schlüsse
(swr.de, Katharina Thoms)
Vergangene Woche sorgte eine Meldung für deutschlandweite Schlagzeilen und Empörung: Angeblich würden asylsuchende Flüchtlinge aus Baden-Württemberg in ihren Heimatländern Urlaub machen. Der SWR hat stichprobenartig bei 19 Städten und Kreisen sowie drei Regierungspräsidien im Land nachgefragt. Die Geflüchteten hatten entweder einen wichtigen Grund für ihre Reise (Todesfall in der Familie, Hausverkauf), oder es handelte sich schlicht um Rückkehrer. „Urlauber“ waren keine dabei.

2. Politische Geiselhaft für Mesale Tolu beenden
(reporter-ohne-grenzen.de)
„Reporter ohne Grenzen“ protestiert gegen die Entscheidung eines türkischen Gerichts, die deutsche Journalistin Mesale Tolu bis zum angekündigten Prozess im Oktober in Untersuchungshaft zu belassen: „Die Staatsanwaltschaft hat in dreieinhalb Monaten Untersuchungshaft keinen glaubhaften Beleg präsentiert, um die absurden Anschuldigungen gegen Mesale Tolu zu stützen. Die Entscheidung, ihre Haft zu verlängern, zeigt erneut, dass von einer unabhängigen Justiz in der Türkei keine Rede sein kann. Die Türkei muss Mesale Tolus unwürdige politische Geiselhaft endlich beenden. Die Bundesregierung sollte dies mit allem politischen und wirtschaftlichen Nachdruck einfordern.“

3. Zeitungszusteller kämpfen um den Mindestlohn
(ndr.de, Timo Robben)
Seit nunmehr zwei Jahren existiert in Deutschland der flächendeckende Mindestlohn, doch bei der Bezahlung ihrer Zeitungszusteller drücken sich viele Verleger trickreich um die eigentlich geltenden 8,50 Euro. Das Medienmagazin „Zapp“ hat eine Zeitungszustellerin aus Niedersachsen bei ihrer frühmorgendlichen Auslieferungstour begleitet.

4. “Der öffentliche Raum wird abgeschafft”
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz)
Der „Deutschlandfunk“ hat sich mit dem ARD-Korrespondent Jürgen Stryjak über den Umgang Ägyptens mit Medien unterhalten. Seit Mai dieses Jahres seien nach Auskunft der „Gesellschaft für Gedanken- und Meinungsfreiheit“ 138 Webseiten in Ägypten gesperrt worden. Auch deutsche Online-Angebote seien betroffen: Neben dem Kulturportal der Deutschen Welle ist auch die Webseite der Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ nicht mehr zugänglich. VPN-Anbieter würden blockiert werden, so dass anonymes Surfen nicht möglich sei.

5. Warum ist das deutsche Fernsehen so weiß?
(sueddeutsche.de, Joshua Beer)
Filme und Serien haben oft den Anspruch, eine fiktive Handlung ins „wahre Leben“ einzubetten. Doch in den abgefilmten Lebenswelten tummeln sich, von Ausnahmen abgesehen, überwiegend weiße Schauspieler und Darsteller. „Flüchtling, Drogendealer, Shisha-Bar-Besitzer. Ausländer in Filmen und Serien landen noch oft in Klischee- oder Nebenrollen, weniger auf dem Traumschiff.“ Joshua Beer hat sich auf die Suche nach den Gründen gemacht. Einer davon: Das „Zirkelproblem“…

6. Einfach die Kontrolle verloren: Wie Unternehmen eigene Verantwortung an Google auslagern
(medium.com, Gerald Hensel)
Gerald Hensel hat auf der umstrittenen Rechtsausleger-Plattform „Breitbart“ Werbung eines deutschen Unternehmens (ein Anbieter von Teesorten) entdeckt. Daraufhin hat er die Firma kontaktiert und sie gefragt, ob ihr bekannt sei, dass ihre Werbung dort erscheine und nach den Beweggründen für die Werbeschaltung erkundigt. Sein Ansprechpartner reagierte überrascht und bestürzt. Google hätte die Anzeige ohne sein Wissen und Zutun dort ausgespielt. Hensel lässt dies Argument nicht gelten: „Googles AdSense Tool gibt den Unternehmen alle Freiheiten, selbst zu entscheiden, ob und wo sie NICHT schalten wollen. Das zentrale Problem ist: Man muss sich eben mit der Frage beschäftigen, wo man nicht schalten will.“

“Bild” korrigiert AfD-Unsinn, den AfD in “Bild am Sonntag” verbreiten darf

Bei der “Bild am Sonntag” hatten sie eine Idee für ein neues Interview-Format:

Ausriss Bild am Sonntag - Neue Serie - Stars treffen Spitzenpolitiker - Es geht im Wahlkampf nicht nur um Parteiprogramme. Denn Politik wird von Menschen gemacht. In dieser neuen BamS-Serie stellen Stars die Fragen, die ihnen persönlich wichtig sind

Für Teil 2 “dieser neuen BamS-Serie” (in Runde 1 befragte Schlagersängerin Andrea Berg CSU-Chef Horst Seehofer) wählte die Redaktion als Politiker Alexander Gauland von der AfD aus und als Star Entertainerin Désirée Nick:

Ausriss Titelseite Bild am Sonntag - Désirée Nick fragt Gauland von der AfD

Und welche Fragen an Gauland sind Nick nun “persönlich wichtig”? Solche hier:

Warum sind Sie immer so britisch gekleidet?

Ich dachte, Sie sind Single!!!

Haben Sie einen Künstlernamen? “Gauland” ist ja kein französischer Name.

Haben Sie Frau Merkels Mobilnummer? Für Notfälle?

Wollen Sie meine Telefonnummer haben?

Wir könnten dann auch über Rotwein reden …

Ihre Krawatte mit den Hunden habe ich schon oft im Fernsehen gesehen. Das ist Ihre Lieblingskrawatte, oder?

Wobei diese Zusammenstellung nicht ganz fair ist, weil das Debakel am Ende gar nicht so groß ist, wie man es erstmal befürchten könnte. Désirée Nick hakt hier und da nach, sie hat sich vor dem Gespräch immerhin die AfD-Wahlplakate angeschaut und bei einzelnen Themen auch eine klare eigene Meinung.

Trotzdem finden wir es fatal, einem erfahrenen, gewieften Politiker wie Alexander Gauland nicht einen mindestens genauso erfahrenen Interviewer gegenüberzustellen; einen, der im politischen Diskurs steckt, der fundiert widersprechen kann, der nicht auf Parolen reinfällt. Stattdessen lässt “Bild am Sonntag” den AfD-Spitzenkandidaten auf zwei kompletten Seiten (plus eine Seite Aufmacher-Foto und Überschrift) gegen Ausländer, gegen den Islam, gegen alles Fremde reden, ohne dass er dabei allzu viel Gegenwind bekommt.

An einer Stelle im Interview wird dieses Problem ganz deutlich. Désirée Nick sagt zu Alexander Gauland:

Sie sagen: Unsere Deutschen machen wir uns selber!

Gauland antwortet:

Na, klar. Wir brauchen keine ausländischen Arbeitskräfte.

Jemand, der es gewohnt ist, in Interviews gut aufzupassen und kritisch nachzufragen, würde diesem Unsinn sicher widersprechen. Man könnte den Fachkräftemangel anführen, man könnte die Situation in der Pflege, im Handwerk ansprechen, man könnte Gauland fragen, wie er sich Deutschland ohne ausländische Arbeitskräfte vorstellt. Désirée Nick macht nichts davon. Sie lässt Gaulands Aussage einfach so stehen, als wäre faktisch daran nichts auszusetzen. Nick will lieber übers Kindermachen sprechen:

Ich spreche von Zeugung.

In der “Bild”-Zeitung erschien gestern dieser kleine “Wahlkampf-Fakten-Check”:

Ausriss Bild-Zeitung - BILD Wahlkampf-Fakten-Check - Aussage: AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland (76) sagte der Bild am Sonntag: Wir brauchen keine ausländischen Arbeitskräfte. Antwort: Falsch! Die Bundesagentur für Arbeit ermittelte in ihrer neuen Engpassanalyse im Juni 2017 zwar, dass es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel in Deutschland gibt, wohl aber in einzelnen Branchen! Dazu zählen Bauberufe, technische Berufe und der Pflege- und Gesundheitsbereich. Stellen in der Altenpflege sind aktuell im Schnitt 167 Tage vakant, auf dem Bau (Meister) 130 Tage. Die Mangelberufe stehen auf einer offiziellen Positivliste: Ausländer, die diese erlernt haben, können zum Arbeiten nach Deutschland zuwandern.

Dass “Bild” etwas korrigiert, was in “Bild am Sonntag” steht, ist gut, auch wenn die “Bild”-Redaktion so tut, als würde das Problem einzig bei Alexander Gaulands Aussage liegen. Es ist aber ebenfalls problematisch, dass der “BILD Wahlkampf-Fakten-Check” überhaupt erst nötig ist, weil “Bild am Sonntag” Micky Maus Désirée Nick zum Interview mit Alexander Gauland geschickt hat und nicht jemanden, der dem AfD-Politiker hätte Paroli bieten können.

Angstfigur Einwanderer, Puff-Gutscheine, Makaken-Selfie

1. „Medien haben gewalttätige Einwanderer als Angstfigur entdeckt“
(welt.de)
Für eine Studie zur Berichterstattung über Geflüchtete und Zuwanderer haben Wissenschaftler zwischen Januar und April dieses Jahres Artikel in überregionalen Zeitungen und TV-Beiträge aus den Hauptnachrichten analysiert. Die deutschen Medien hätten den gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur neu entdeckt, so das Fazit des Studienleiters. Deutsche Fernsehsender hätten im Vergleich zu 2014 viermal so häufig über Gewalt nichtdeutscher Tatverdächtiger berichtet, obwohl deren Anteil in der Kriminalstatistik in diesem Zeitraum lediglich um ein Drittel angestiegen sei. „Das führt zu einem verzerrten Bild und kann Vorurteile in der Bevölkerung anheizen“, warnt der leitende Medienwissenschaftler. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Vor allem die „Bild“-Zeitung berichte über Ausländer zumeist im Zusammenhang mit Kriminalität.

2. Wir haben das Skandalbuch ‘Finis Germania’ gelesen, damit ihr es nicht müsst
(vice.com, Niclas Seydack)
Niclas Seydack hat sich für “Vice” das umstrittene Buch “Finis Germania” angeschaut, das in eine Bestenliste rein- und eine Bestsellerliste rausgetrickst wurde. “Der Unterschied zu einer Landser-CD liegt weniger darin, was gesagt wird, als wie es gesagt wird. Sieferle nutzt eine wissenschaftlich-anmutende Sprache für sein unwissenschaftliches Gedresche vom “Mythos Vergangenheitsbewältigung”. Das macht Bücher wie Finis Germania so gefährlich – und für viele so faszinierend. Wer das Buch derzeit in Berliner Buchhandlungen kaufen will, wird vertröstet. Nicht, weil es die Geschäfte aus dem Sortiment genommen hätten – sondern, weil es ausverkauft ist.”

3. Puff-Gutscheine aus dem Elfenbeinturm: Medienforscher blamiert sich in der ARD beim Thema Fake-News
(meedia.de, Hendrik Steinkuhl)
Hendrik Steinkuhl kann der ARD-Doku „Im Netz der Lügen – Der Kampf gegen Fake News“ wenig Gutes abgewinnen. Der Film sei schlecht und liefere keine einzige originelle Erkenntnis zum Thema. Einen erheblichen Anteil daran habe der Medienforscher und Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger mit seinem Experiment, kontrolliert und geplant Fake-News in die Welt zu setzen. “Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schweiger lässt seine Mitarbeiterinnen im Dienst der Wissenschaft gegen Minderheiten hetzen, sagt aber vorher, dass sie genau das natürlich auf keinen Fall tun dürften. Er holt den Puff-Gutschein aus der digitalen Mottenkiste und entdeckt, oh Wunder, dass die Leute darauf hereinfallen. Und er sieht seine These von einer ungenügenden Quellenprüfung im Netz als bestätigt an, weil in seinem Experiment die Nähe zwischen Volksbeobachter und Völkischem Beobachter ja jedem hätte ins Auge springen müssen.”

4. Entenfleisch mit frischem Blut
(taz.de, Marina Mai)
Der deutschvietnamesische Journalist Trung Khoa Le betreibt seit neuneinhalb Jahren die zweisprachige Onlinezeitung “Thoibao.de” (Die Zeit), das größte vietnamesisch-sprachige Medienangebot aus Deutschland. Neun Jahre hätte er “schön” über Vietnam berichtet, seit ein paar Monaten schreibe er “die Wahrheit”. Nun fühlt er sich von Offiziellen in Vietnam und von einer Privatperson aus München bedroht und hat Strafanzeige bei der Berliner Polizei gestellt. „Iss zur Entspannung doch mal etwas Entenfleisch mit frischem Blut“, habe in einer an ihn gerichteten SMS gestanden, was in Vietnam als Todesdrohung gelte.

5. Kampf gegen deutsche Dominanz
(de.ejo-online.eu, Sebastian Bolsinger)
Die Medienlandschaft in Polen sieht sich weitreichenden Veränderungen ausgesetzt: Nach einigen Umstrukturierungen und Entlassungen im öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen, soll nun der vermeintliche Einfluss deutscher Verlage auf die polnische Politik bekämpft werden. Die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ habe eine Gesetzesinitiative angekündigt. Details seien derzeit jedoch noch nicht bekannt. Wie sich die Bemühungen der polnischen Regierung, die Printmedien zu repolonisieren, insgesamt weiter entwickeln werden, sei im Moment schwer zu beurteilen.

6. “Ich wünschte, ich hätte die verdammten Fotos nie gemacht”
(sueddeutsche.de, Laura Hertreiter)
Vielleicht sind Sie im Netz schon mal dem Bild eines freundlich in die Kamera lächelnden Affen begegnet. Ein indonesischer Schopfmakake hatte einen Fotoapparat in die Hand bekommen, den Auslöser gedrückt und das wohl berühmteste Selfie der Welt geschossen. Für den Fotografen David Slater, der das Bild von einer seiner Reisen mitgebracht hat, könnte das erhebliche Lizenzeinnahmen bedeuten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die für ihre rabiaten Methoden bekannte Tierrechtsorganisation Peta zog 2015 vor Gericht und will sich im Namen des Affen die Erlöse aus der Verwertung des Fotos erstreiten. Eine letztgültige Entscheidung steht noch aus. Der Fotograf sei inzwischen offenbar pleite und müsse sich mit Aushilfsjobs über Wasser halten.

ZDF-Doku-Voyeurismus, News-Hacker, Berichterstattung über Kriminalität

1. Bitte weinen für die Kamera
(taz.de, Jens Müller)
In wenigen Wochen jährt sich zum ersten Mal der Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München. Ein naheliegender Zeitpunkt für einen Rückblick wird sich das ZDF gedacht und die Dokumentation “Schatten des Verbrechens” in Auftrag gegeben haben. Jens Müller findet in der “taz” kritische Worte für den seiner Ansicht nach misslungenen Film. Die Doku sei nicht einfach nur schlecht, sondern ein Ärgernis wegen seines reißerischen Voyeurismus. Auch die “FAZ” urteilt: “Diese Doku ist ein Lehrstück, weil sie so gut wie alles falsch macht.”

2. Kriminelle Ausländer in den Medien
(de.ejo-online.eu, Anna Carina Zappe)
Die Ereignisse in der Silvesternacht 2015/16 in Köln hatten Auswirkungen über die spätere Kriminalitätsberichterstattung. Aus einer Untersuchung der Universität München geht hervor, dass nach den Ereignissen in Köln vermehrt die Attribute “Ausländer”, “Migrationshintergrund”, “Asylbewerber” und “Nordafrikaner” vorkamen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass über Sextaten berichtet wurde, sei erheblich gestiegen. Warum die Journalisten ihr Selektionsverhalten geändert haben, bliebe jedoch im Bereich der Spekulation und könne verschiedene Gründe haben.

3. Zeitungsverleger: „Das wollen wir uns nicht vorschreiben lassen“
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Warum lässt der “Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV) seinen Platz auch ein Jahr nach Neubesetzung des ZDF-Fernsehrats leer, obwohl er laut Staatsvertrag einen Vertreter entsenden könnte? Nun, das hat mit einem Passus des ZDF-Staatsvertrags zu tun, an dem sich der BDZV stört. Boris Rosenkranz erklärt auf “Übermedien” die Hintergründe des medienpolitischen Tauziehens.

4. Was tut das ZDF gegen “Hate speech”?
(mediendienst-integration.de, Yvette Gerner)
In einem Gastbeitrag erklärt Chefin vom Dienst in der “ZD”F-Chefredaktion Yvette Gerner wie der Sender mit Hasskommentaren umgeht und welche Strategien sich bewährt haben. Bei aller Ernsthaftigkeit helfe manchmal auch eine Portion Humor: “Ein besonders effektives Mittel, Hass und Häme den Stachel zu nehmen, sind eine gewisse Leichtigkeit und Humor beim Umgang mit den Kommentaren. Eine kluge, witzige Antwort hilft oft mehr als eine reine Auseinandersetzung auf der Sachebene — denn Hatern geht es nur zum Teil um die Sache.”

5. Wenn Hacker die Headlines bestimmen
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Hacker sich Zugang zu Nachrichtenseiten verschafften und erfundene Meldungen absetzten. So 2013 als Cyberkriminelle über das Twitter-Konto der Nachrichtenagentur “AP” meldeten, es hätte angeblich eine Explosion im Weißen Haus gegeben. Die Medienhäuser müssen sich besser schützen, doch das kostet Geld: “An der Integrität der Informationssysteme hängt auch die Integrität des Journalismus und damit einer demokratischen Gesellschaft. Allein, nicht jedes Medienhaus hat die finanziellen Mittel für eine robuste IT-Sicherheit. Wenn Pressefreiheit immer zu einer Frage der Technik wird, ist das eine Gefahr für die Demokratie.”

6. CNN steht nach Trumps Video-Attacke nun selbst in der Kritik
(sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel)
Unlängst postete Donald Trump ein älteres Video, in dem er, geschauspielert, einen Wrestlingmanager vermöbelt. Der Unterschied zum Originalfilm von damals: Der Kopf seines Opfers war durch das Logo des Nachrichtensenders “CNN” ersetzt worden. CNN gelang es, den Mann ausfindig zu machen, der das Video manipuliert hatte. Seinen Klarnamen wolle man nicht nennen, mache dies jedoch davon abhängig, ob er sich daran halte, sein “hässliches Verhalten” nicht zu wiederholen. Eine Formulierung, die auf Kritik stößt.

Hans Meiser, VG Wort, Kuschelreise

1. Die bizarre Nebentätigkeit des Moderators Hans Meiser
(vice.com, Matern Boeselager)
Hans Meiser mimt in Jan Böhmermanns “Neo Magazin Royale” gelegentlich einen Rechtspopulisten, wie er im Buche steht. Nun stellt sich heraus, dass Meiser mehr Gemeinsamkeiten mit seiner Rolle haben könnte, als bisher angenommen: Meiser ist laut “Vice” das Aushängeschild einer dubiosen Seite namens Watergate.tv, die voller Verschwörungstheorien und Angstmache ist. Die “Bildundtonfrabrik”, die das “Neo Magazin Royale” produziert, hat inzwischen bei Facebook geschrieben, dass man erstmal nicht mehr mit Hans Meiser zusammenarbeiten werde. Warnung von uns: Nicht vergessen, dass es sich hier um eine Person aus dem Umfeld von Jan Böhmermann handelt — durchaus denkbar, dass eine neue Aktion des Moderators hinter dem merkwürdigen “Watergate”-Engagement von Hans Meiser steckt.

2. Streit um VG-Wort-Ausschüttungen: Mitgliederversammlung wirft Schatten voraus
(irights.info, Henry Steinhau)
Der Streit um die VG-Wort-Ausschüttungen könnte in die nächste Runde gehen. Der Autor und Urheberrechtler Martin Vogel, der schon einmal erfolgreich gegen die VG Wort klagte, hält es für möglich, dass der für die nächste Mitgliederversammlung zur Abstimmung stehende Verteilungsplan teilweise rechtswidrig ist.

3. Baden, wo Schweizer besonders zählen
(infosperber.ch, Christian Müller)
In einem Bericht einer Schweizer Zeitung über einen eskalierten Streit wird mehrmals darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Verletzten um einen Schweizer handelt. Christian Müller fragt, ob diese Erwähnung notwendig sei: “Was soll in dieser brandaktuellen Sonntagsgeschichte die mehrmalige Erwähnung, dass es ein Schweizer war, der mitten in Baden verletzt wurde? Will damit gesagt sein, dass es nur halb so schlimm und natürlich keine Meldung in der Schweiz am Wochenende wert gewesen wäre, wenn ein Deutscher oder ein Italiener zu Schaden gekommen wären? Oder suggeriert man den Leserinnen und Lesern, dass der Verletzte ein Schweizer, der Verletzende aber wohl ein Ausländer war, so wie man beim Vierfach-Mord in Rupperswil auch bereits mutmasste, dass da Ausländer am Werk waren?”

4. «Es läuft so gut, ich kehre noch lange nicht zurück»
(medienwoche.ch, Matthias von Wartburg)
Die Schweizer Journalistin Eva Hirschi reist seit einem Jahr um die Welt und verdient ihr Geld mit Journalismus — unter anderem betreut sie den Nachtdienst von “Watson”. Der Job sei nicht einfach, aber möglich. Deshalb soll die Weltreise weitergehen, demnächst nach Japan, Neuseeland und Australien.

5. Von der Leyens Kuschelreise mit dem Fake-Journalismus
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Am 70. Geburtstag des “Spiegel” hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrer Laudatio noch über die Verantwortung von Journalisten, über Sorgfalt, Wahrhaftigkeit und den Kampf gegen “Fake News” gesprochen. Zwei Monate später darf die Fake-News-Postille “Das neue Blatt” die Ministerin auf einer Reise begleiten. Mats Schönauer hat den Sprecher des Verteidigungsministeriums um eine Stellungnahme gebeten, der in der Kooperation mit dem Lügenheft kein Problem sieht. Für Schönauer steht fest: “Wem ihre Kuschelei mit der Regenbogenpresse nützt, ist klar. Dem Kampf gegen Fake-Journalismus auf jeden Fall nicht.”

6. Kuschelig ins Glück: G+J startet “Hygge”
(wuv.de, Anja Janotta)
Die “G+J”-Tochter “Deutsche Medien-Manufaktur” (DMM) startet im Juni eine neue Zeitschrift. “Hygge — Einfach glücklich sein” heißt das Magazin, das sechsmal jährlich erscheinen soll. Das Wort “Hygge” kommt aus dem Dänischen, wo es für eine Mischung aus Glück, Geborgenheit, Gemütlichkeit und Ruhe steht. Der Verlag will das Glück anscheinend erzwingen und geht mit einer Auflage von 250.000 Stück an den Start.

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