1. G20-Akkreditierungen: Stellungnahmen von BKA und Bundespresseamt sind unzureichend und stigmatisierend (netzwerkrecherche.org)
“Netzwerk Recherche” hat einen Übersichtsartikel zum Thema der entzogenen G20-Akkreditierungen verfasst: “Mehrere Tage haben das Bundespresseamt und das Bundeskriminalamt nun gebraucht, um sich zum Entzug von Akkreditierungen während des G20-Gipfels zu erklären. Doch die beiden Stellungnahmen werfen erst recht Fragen auf. Denn sie beantworten nicht, warum einigen Kolleginnen und Kollegen plötzlich ihre Akkreditierungen entzogen wurden. Viel schlimmer: Sie stigmatisieren die Journalistinnen und Journalisten pauschal als Sicherheitsrisiko.” Julia Stein, die erste Vorsitzende des “Netzwerk Recherche”, kritisiert insbesondere das Verhalten des Regierungssprechers: „Seiberts Stellungnahme enthält nicht den Hauch des Bedauerns zu diesem rücksichtslosen Vorgehen, das ist sehr enttäuschend“
PS: Tilo Jung hat einen Video-Zusammenschnitt (3:50 Min.) mit den “glasklaren Wahrheiten” von Regierungssprecher Seibert veröffentlicht.
2. Hämisches Gelächter (correctiv.org, Rupp Doinet)
Immer mehr Online-Medien schränken die freie Kommentarfunktion ein, weil sie sich eine personalintensive Moderation nicht leisten können. Als der „Münchner Merkur“ online vom Tod eines Asylbewerbers berichtete, der im Freibad ertrunken war, gingen innerhalb von 24 Stunden an die 200 Hasskommentare oder rassistische Postings ein. Der “Münchner Merkur” kapitulierte und schloss den freien Kommentarbereich unter dem Bericht. Andere Medien reagieren ähnlich und bieten nur unter ausgewählten Artikeln die Möglichkeit zum Kommentieren an.
3. Mein wenig ruhmreicher Auftritt bei Böhmermann (jetzt.de, Johanna Maria Knothe)
Fernsehmacherin Johanna Maria Knothe erzählt von ihrem Besuch bei Jan Böhmermanns Sendung “Neo Magazin Royale”. Ihr Auftritt verlief nicht so “ruhmreich” wie sie es sich selbst gewünscht hätte. In einem Artikel des Frauen-Onlineportals “Edition F” sei das Ganze hinterher sogar als enttäuschend und sexistisch beschrieben worden. Johanna Maria Knothe rekapituliert das Geschehen und kommt bald zur Frage, warum deutlich weniger Frauen als Männer im Fernsehen präsent sind.
4. Der Mr Snapchat des 20-fachen Schweizer Meisters (20min.ch, Adrian Hunziker)
Simon Walter ist der Social-Media-Manager des FC Basel 1893 und betreut alle Kanäle des 20-fachen Schweizer Meisters. Zusammen mit seinem Kollegen versorgt er die mehr als zwei Millionen Fans des Vereins mit Infos, Bildern und Videos. “20 Minuten” hat dem Social-Media-Mann an einem Spieltag der vergangenen Spielzeit über die Schultern geschaut.
5. Grundlos gelöscht – und dann? (taz.de, Christian Rath)
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) sorgt weiter für Diskussionen. Selbst die Union fordere einen Anspruch auf Wiederherstellung zu Unrecht gelöschter Äußerungen auf Facebook. “Ein funktionierendes ‚put back-Verfahren‘ ist ein wirksames Mittel gegen ‚Overblocking‘, also gegen eine übermäßige Löschpraxis von Internetplattformen. Es dient damit der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit im Netz und wirkt unberechtigten oder gar missbräuchlichen Beschwerden entgegen.” Das Justizministerium will sich des Themas aber anscheinend nicht annehmen. Zumindest in dieser Legislaturperiode nicht.
6. Twitter-Nutzer verklagen Trump (faz.net)
Der US-amerikanische Präsident Donald Trump ist bekanntermaßen ein leidenschaftlicher Twitterer. Doch so gerne und brachial er dort austeilt, so sensibel reagiert er mitunter, wenn es Gegenwind gibt. Nun haben sieben von ihm blockierte Twitter-Nutzer den amerikanischen Präsidenten verklagt. Ihr Ausschluss aus einem „öffentlichen Forum“ verstoße gegen das in der Verfassung verankerte Grundrecht auf Meinungsfreiheit.
1. Bitte weinen für die Kamera (taz.de, Jens Müller)
In wenigen Wochen jährt sich zum ersten Mal der Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München. Ein naheliegender Zeitpunkt für einen Rückblick wird sich das ZDF gedacht und die Dokumentation “Schatten des Verbrechens” in Auftrag gegeben haben. Jens Müller findet in der “taz” kritische Worte für den seiner Ansicht nach misslungenen Film. Die Doku sei nicht einfach nur schlecht, sondern ein Ärgernis wegen seines reißerischen Voyeurismus. Auch die “FAZ” urteilt: “Diese Doku ist ein Lehrstück, weil sie so gut wie alles falsch macht.”
2. Kriminelle Ausländer in den Medien (de.ejo-online.eu, Anna Carina Zappe)
Die Ereignisse in der Silvesternacht 2015/16 in Köln hatten Auswirkungen über die spätere Kriminalitätsberichterstattung. Aus einer Untersuchung der Universität München geht hervor, dass nach den Ereignissen in Köln vermehrt die Attribute “Ausländer”, “Migrationshintergrund”, “Asylbewerber” und “Nordafrikaner” vorkamen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass über Sextaten berichtet wurde, sei erheblich gestiegen. Warum die Journalisten ihr Selektionsverhalten geändert haben, bliebe jedoch im Bereich der Spekulation und könne verschiedene Gründe haben.
3. Zeitungsverleger: „Das wollen wir uns nicht vorschreiben lassen“ (uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Warum lässt der “Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV) seinen Platz auch ein Jahr nach Neubesetzung des ZDF-Fernsehrats leer, obwohl er laut Staatsvertrag einen Vertreter entsenden könnte? Nun, das hat mit einem Passus des ZDF-Staatsvertrags zu tun, an dem sich der BDZV stört. Boris Rosenkranz erklärt auf “Übermedien” die Hintergründe des medienpolitischen Tauziehens.
4. Was tut das ZDF gegen “Hate speech”? (mediendienst-integration.de, Yvette Gerner)
In einem Gastbeitrag erklärt Chefin vom Dienst in der “ZD”F-Chefredaktion Yvette Gerner wie der Sender mit Hasskommentaren umgeht und welche Strategien sich bewährt haben. Bei aller Ernsthaftigkeit helfe manchmal auch eine Portion Humor: “Ein besonders effektives Mittel, Hass und Häme den Stachel zu nehmen, sind eine gewisse Leichtigkeit und Humor beim Umgang mit den Kommentaren. Eine kluge, witzige Antwort hilft oft mehr als eine reine Auseinandersetzung auf der Sachebene — denn Hatern geht es nur zum Teil um die Sache.”
5. Wenn Hacker die Headlines bestimmen (medienwoche.ch, Adrian Lobe)
In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Hacker sich Zugang zu Nachrichtenseiten verschafften und erfundene Meldungen absetzten. So 2013 als Cyberkriminelle über das Twitter-Konto der Nachrichtenagentur “AP” meldeten, es hätte angeblich eine Explosion im Weißen Haus gegeben. Die Medienhäuser müssen sich besser schützen, doch das kostet Geld: “An der Integrität der Informationssysteme hängt auch die Integrität des Journalismus und damit einer demokratischen Gesellschaft. Allein, nicht jedes Medienhaus hat die finanziellen Mittel für eine robuste IT-Sicherheit. Wenn Pressefreiheit immer zu einer Frage der Technik wird, ist das eine Gefahr für die Demokratie.”
6. CNN steht nach Trumps Video-Attacke nun selbst in der Kritik (sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel)
Unlängst postete Donald Trump ein älteres Video, in dem er, geschauspielert, einen Wrestlingmanager vermöbelt. Der Unterschied zum Originalfilm von damals: Der Kopf seines Opfers war durch das Logo des Nachrichtensenders “CNN” ersetzt worden. CNN gelang es, den Mann ausfindig zu machen, der das Video manipuliert hatte. Seinen Klarnamen wolle man nicht nennen, mache dies jedoch davon abhängig, ob er sich daran halte, sein “hässliches Verhalten” nicht zu wiederholen. Eine Formulierung, die auf Kritik stößt.
128.141 Straftaten hat die Polizei München im vergangenen Jahr registriert. Das seien zwölf Prozent weniger als ein Jahr zuvor, sagte Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä gestern bei seiner Präsentation der neuesten Kriminalstatistik. München sei damit zum 41. Mal die sicherste Millionenstadt Deutschlands.
Die “Süddeutsche Zeitung” macht ihren München-Teil heute so auf:
Die Münchner Boulevardzeitung “tz” berichtet auf ihrer Titelseite heute ebenfalls über die neue Kriminalstatistik, setzt dabei aber einen etwas anderen Schwerpunkt:
Beide Schlagzeilen — mit ihrem jeweils gewählten Ausschnitt der Statistik — stimmen. Denn tatsächlich nimmt nicht in jedem Bereich die Zahl der Delikte ab. 2016 gab es in der Stadt und dem Landkreis München mehr Sexual- und Gewaltverbrechen und mehr Einbrüche als ein Jahr zuvor. Diesen Aspekt hat sich die “tz” für ihre Titelschlagzeile gegriffen.
Bei der “Süddeutsche Zeitung” gibt es diese Infos auch bereits in der Unterzeile:
Im Text jubelt die “SZ”-Redaktion nicht nur über die Sicherheitsspitzenposition in Deutschland. Sie schreibt auch, dass aus dem Zwölf-Prozent-Rückgang schnell ein Sechs-Prozent-Zuwachs im Vergleich zu 2015 wird, wenn man bei beiden Jahren die illegalen Einreisen von Asylbewerbern herausrechnet:
Jede illegale Einreise schlägt sich in der Statistik als Straftat nieder. Inzwischen kommen nur noch etwa fünf Asylbewerber pro Tag neu in der Stadt an, es waren mal Tausende.
Rechnet man die Einreiseverstöße heraus, landet man bei 110 399 Straftaten. Das sind zwar immerhin sechs Prozent mehr als im Vorjahr, im langjährigen Vergleich ist es aber dennoch ein guter Wert. 2007 waren es rund 121 000 Straftaten, 1997 sogar 125 000. Obwohl die Bevölkerungszahl seitdem stark zugenommen hat, ist die Zahl der Delikte kontinuierlich gesunken.
Diese differenzierte Betrachtung der Zahlen, für die auf einer Boulevard-Titelseite natürlich kein Platz ist, widerspricht dann doch der Angst-und-Panik-Schlagzeile der “tz”.
Der “Wochenblick” hat mal wieder was rausgefunden. Es gebe “ein geheimes Papier der deutschen Bundesregierung”, berichtet die wöchentlich erscheinende Zeitung aus Oberösterreich, “welches die Masseneinwanderung nach Deutschland feiert.” Die Redaktion zitiert anonyme “Kritiker”, die sagen sollen, “dass dieses Strategiepapier ‘den Volks-Austausch in Deutschland dokumentieren’ würde”. Schlagzeile bei wochenblick.at:
Man muss es heute schon aus britischen Medien erfahren
“Die Medien hierzulande” hätten schließlich noch gar nicht …
Die Medien hierzulande haben noch gar nicht über das Strategiepapier berichtet, welches Anfang Februar zur internen Verwendung verbreitet worden sein dürfte. Im Dokument heißt es gar wörtlich: “Aus bevölkerungswissenschaftlicher Sicht erscheint auch eine höhere dauerhafte Zuwanderung von 300 000 möglich.”
Was haben wir hier also? “Ein geheimes Papier” der Bundesregierung, das den “‘Volks-Austausch in Deutschland dokumentieren'” soll, und alle deutschsprachigen Medien würden mal wieder beim Schweigekartell mitmachen.
So viel schon mal jetzt: Das ist gleich mehrfacher Blödsinn.
Dennoch — oder gerade deswegen — drehte der “Wochenblick”-Artikel in den vergangenen Tagen eine ordentliche Online-Runde: Die rechten Blogger von “Politically Incorrect” übernahmen die Geschichte eins zu eins, allein auf der Facebook-Seite des “Wochenblicks” wurde der Text über 1600 Mal geteilt:
Viele Anti-Asyl-Gegen-Merkel-Hier-kein-Flüchtlingsheim-Seiten verbreiteten den Beitrag ebenfalls bei Facebook:
Den “Wochenblick” gibt es noch gar nicht so lange, vor knapp einem Jahr wurde die Zeitung gegründet. Seitdem hat die Redaktion, die “Berichterstattung ohne Scheuklappen” verspricht, es aber locker geschafft, richtig Mist zu bauen. Sie war zum Beispiel eine der treibenden Kräfte bei der Verbreitung über Falschmeldungen zur Silvesternacht in Dortmund.
Beim aktuellen Artikel über die Zuwanderungspolitik der Bundesregierung sind gleich mehrere Punkte falsch. So handelt es sich ganz gewiss nicht um “ein geheimes Papier”, auch wenn die “Wochenblick”-Redaktion sich große Mühe gibt, ihrer Geschichte Exklusivität zu verleihen:
Die sogenannte “Demografiebilanz” des Bundesinnenministeriums, auf die sich der “Wochenblick” bezieht, ist seit Februar für jeden im Internet abrufbar (PDF). Darin auch der zitierte Satz: “Aus bevölkerungswissenschaftlicher Sicht erscheint auch eine höhere dauerhafte Zuwanderung von 300 000 möglich.”
Der Vorwurf, dass die Medien in Deutschland und/oder Österreich “gar nicht über das Strategiepapier berichtet” hätten, den ja auch einige Facebook-Seiten übernommen haben, ist Lüge Nummer zwei. Sie haben über die “Demografiebilanz” berichtet. Viele sogar. “RP Online” zum Beispiel:
Und alle bereits am 1. Februar. Der “Wochenblick” liegt mit seinem Artikel also nicht nur doppelt daneben, sondern ist mit seinem Märchen auch ziemlich spät dran.
1. Sexmob in “Bild”: Die Entstehung einer Ente (ndr.de, Caronline Schmidt & Aimen Abdulaziz-Said, Video, 6:04 Minuten)
“Sex-Mob tobte in der Freßgass'”, schlagzeilte die Frankfurter “Bild”-Ausgabe. In der Silvesternacht sollte es angeblich zu Übergriffen und Diebstählen durch Nordafrikaner und Flüchtlinge gekommen sein, schrieb man 37 Tage später. Andere Journalisten bezweifelten die Horrorstory. Die Polizei sprach nach Ermittlungen von “haltlosen Vorwürfen”, so dass “Bild”-Chef Julian Reichelt nichts anderes übrig blieb, als sich zu entschuldigen. “Zapp” ist der Sache nachgegangen und hat recherchiert, wie es zu dieser Ente kommen konnte. Und jetzt kommen ein umtriebiger US-Amerikaner und Trump-Unterstützer, ein dubioser Szene-Gastronom, eine falsche Kronzeugin und ein AfD-Politiker ins Spiel …
2. Flüchtlinge im Deutschen Paradies (taz.de, Ewa Wanat)
Die “taz” beschäftigt sich mit einem Beitrag einer polnischen Zeitung, der ein wahres Katastrophenbild von der deutschen Flüchtlingspolitik zeichnet. In einem Aufsehen erregenden Interview mit der Warschauer Tageszeitung “Gazeta Prawna” hätte eine Polin Erschütterndes berichtet: “Ich kehrte Deutschland den Rücken, weil in meinem Dorf Flüchtlinge alles verdreckten, weil sie stahlen und die Touristen verschreckten. Deutsche hingegen zündeten ihre Asylbewerberheime an”. Die Journalistin Ewa Wanat ist dem nachgegangen. Am Ende ihrer Recherche bleibt nicht viel mehr, als dass eine Polin Deutschland verlassen hat.
3. 100 days of Trump claims (washingtonpost.com)
Die Factchecker der “Washington Post” ziehen eine Zwischenbilanz: In den letzten 35 Tagen hat man 133 falsche oder irreführende Behauptungen gezählt. In einer übersichtlichen Liste zeigt man die Trump-Aussagen nebst Factchecking-Überprüfung und Pinocchio-Rating.
4. Abschreckung per Fernsehserie (taz.de, Katrin Gänsler)
In Nigeria herrscht eine große Filmbegeisterung. Die Filme haben meist unterhaltenden, aber oft auch erzieherischen Charakter. Dies will sich jetzt die Schweiz zu Nutze machen und produziert eine TV-Serie für Nigeria. Ziel der 13-teilige Reihe: Migranten und Flüchtlinge sollen von der Reise nach Europa abgehalten werden…
5. Interessen schlagen Fakten (faz.net, Renate Köcher)
Renate Köcher ist Geschäftsführerin des “Instituts für Demoskopie Allensbach” und hat im Auftrag der “FAZ” eine Umfrage zu Trump und den Umgang mit Fakten durchgeführt. Ein Ergebnis: “Auch wenn die überwältigende Mehrheit der Deutschen diesen Präsidenten kritisch sieht, imponiert immerhin jedem Dritten sein radikaler Kollisionskurs. Besonders AfD-Anhänger finden es faszinierend, wie Trump sich durchsetzt. In den Vereinigten Staaten spricht wenig dafür, dass sein Rückhalt bröckelt. Die letzten veröffentlichten Umfragen zeigen Zustimmungsraten zwischen 41 und 45 Prozent der amerikanischen Bevölkerung – dies sind weitaus mehr, als ihn gewählt haben.”
6. Copyright-Streit: Bulgarischer Radiosender spielt nur Musik von vor 1946 (heise.de, Martin Holland)
Nach einer deftigen Preiserhöhung stand das öffentlich-rechtliche Radio Bulgariens vor der Wahl, den vierfachen Preis zu zahlen oder nur noch Musik von vor 1946 abzuspielen. Man entschied sich für Letzteres und fährt überraschenderweise gut damit: Obwohl viele einen Einbruch befürchtet hatten, seien die Zuhörerzahlen im Januar um 20 Prozent gestiegen.
In den vergangenen Tagen muss es dramatische Umwälzungen bei den Anhängern der politischen Parteien hier in Deutschland gegeben haben. Und fast kein Medium hat es gemerkt. Einzig das “ZDF” hat ordentlich aufgepasst und die neue politische Landschaft publik gemacht.
Im “Politbarometer” von heute zeigt der Sender unter anderem, welcher Anteil der jeweiligen Parteianhänger für beziehungsweise gegen die “vermehrte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber auch in unsichere Länder” ist. Es geht dabei zum Beispiel um die aktuelle Abschiebung von Afghanen. Die große Überraschung: Die Anhänger der Grünen sollen neuerdings die stärksten Abschiebeunterstützer sein. Dahinter gleichauf die Anhänger der SPD und die der Linken. AfD-Anhänger sollen hingegen die stärksten Abschiebegegner sein:
Diese Werte hätten wir bei diesem Thema nun nicht unbedingt erwartet. In der zum “Politbarometer” stets veröffentlichten Pressemitteilung schreibt das “ZDF”:
Aktuell wird darüber gestritten, ob abgelehnte Asylbewerber unter anderem nach Afghanistan abgeschoben werden sollen. Eine knappe Mehrheit von 49 Prozent ist dagegen, dass ausreisepflichtige Asylbewerber vermehrt auch in ihre Heimatländer abgeschoben werden, wenn es umstritten ist, dass sie dort sicher sind, 44 Prozent sprechen sich dafür aus. Eine so verschärfte Abschiebepraxis wird von Mehrheiten der SPD-, Linken- und Grünen-Anhänger abgelehnt, die Anhänger der CDU/CSU und der FDP sind eher geteilter Auffassung und nur die der AfD sprechen sich mit deutlicher Mehrheit dafür aus.
Dass Text und Grafik nicht so recht zusammenpassen, hat im Laufe des Tages wohl auch jemand beim “ZDF” gemerkt. Einmal kurz das “gut” durch ein “nein” ersetzt — und schon befinden sich alle Anhänger der politischen Parteien wieder auf ihren angestammten Positionen:
Aktuell verspricht ein Medium nach dem anderen, etwas gegen “Fake News” machen zu wollen, erst gestern kündigte das “ZDF” den Start eines “crossmedialen Faktencheck-Projekts” an. Und tatsächlich könnten Medien eine wichtige Rolle spielen beim Versuch, rumgereichte Falschmeldungen in den Griff zu bekommen. Sie können bei dem Thema aber auch eine schreckliche Rolle spielen, so wie “Bild” vor etwas mehr als einer Woche:
So viel schon mal an dieser Stelle: Diesen “Sex-Mob” dürfte es, so der aktuelle Kenntnisstand, nie gegeben haben. Er könnte die Erfindung einer einzelnen Person oder einer kleinen Gruppe sein, gut möglich, dass sie damit Stimmung gegen Flüchtlinge machen wollte. Die “Bild”-Medien haben die Geschichte jedenfalls dankbar aufgegriffen, haben sie verbreitet, ohne sie ausreichend zu überprüfen, haben sie selber sogar noch zugespitzt und sie haben mit ihrer Reichweite aus ihr eine Story gemacht, die von Rechten und Nochrechteren in Sozialen Netzwerken rumgereicht wurde, die von anderen Medien aufgegriffen wurde, die es sogar bis nach Großbritannien und zu “Breitbart” schaffte.
Doch dazu später mehr. Fangen wir vorne an.
Am 6. Februar schreibt die Frankfurt-Ausgabe der “Bild”-Zeitung riesengroß:
Eines der “OPFER”, das “IHR SCHWEIGEN” bricht, ist die 27-jährige Irina A. Sie erzählt “Bild”-Reporter Stefan Schlagenhaufer von ihren angeblichen Erlebnissen an Silvester:
Sie schwiegen einen Monat lang, wollten die Vorfälle vergessen — doch jetzt platzt es aus den Opfern heraus: In der Silvesternacht kam es in der Frankfurter Restaurant- und Delikatess-Meile “Freßgass'” zu massiven sexuellen Übergriffen.
“Ich kann froh sein, dass ich eine Strumpfhose anhatte”, erzählt Irina A. (27), die Silvester in der City feierte. “Sie fassten mir unter den Rock, zwischen die Beine, an meine Brüste, überall hin. Mir und meinen Freundinnen. Immer mehr dieser Typen kamen. Ihre Hände waren überall.”
“Diese Typen” seien Araber gewesen, so Jan Mai, ein bekannter Frankfurter Gastronom, der auch die Bar betreibt, in der Irina A. Silvester gefeiert haben soll, und der nach eigener Angabe gegen 1 Uhr in seinen Laden kam:
“First-In”-Chef Jan Mai (49): “Als ich rein kam, war der ganze Laden voll mit einer Gruppe von rund 50 Arabern. Sie sprachen kein Deutsch, tranken den Gästen die Getränke weg, tanzten sie an. Die Frauen baten mich um Hilfe, weil sie angegrabscht werden. Die Stimmung kippte komplett.”
Einen Absatz später wird “Bild” noch konkreter — Nordafrikaner seien es gewesen:
Mai holt Personal aus seinem Restaurant um die Ecke. Ein marokkanischer Angestellter versucht, mit den Nordafrikanern zu sprechen: “Die waren hochaggressiv, es gab Geschrei, Handgemenge.”
Um 3 Uhr sei es dann noch einmal richtig losgegangen, erzählt Jan Mai “Bild”-Reporter Schlagenhaufer. Und der erzählt es seinen Lesern weiter:
Um 3 Uhr der nächste Höhepunkt. Mai: “Zwischenzeitlich drangen die Männer ins ‘Garibaldi’ und andere Läden ein — mit Pyrotechnik. Ich war gerade im ‘Gibson’, als ich angerufen wurde: ‘Wir haben wieder Probleme mit Massen an Flüchtlingen’. Ich rannte mit drei Türstehern auf die Freßgass’.”
Inzwischen also schon “Massen an Flüchtlingen.”
Irgendwann war die Silvesternacht auch rum. Und es passierte einige Wochen erstmal nichts, weil keiner der Beteiligten sich zu den vermeintlichen Vorfällen äußerte. Dann meldeten sich aber Jan Mai und Irina A., die Hauptzeugen in Stefan Schlagenhaufers Text. Dazu kommen zwei Angestellte von Mai. Und es gebe laut “Bild” noch “Informationen”, die alles unterstützen:
Nach BILD-Informationen waren 900 größtenteils betrunkene Flüchtlinge mit dem Zug aus Mittelhessen nach Frankfurt gekommen. Als sie nicht in die Sicherheitszone am Mainufer kamen, zogen sie weiter — in die Freßgass’.
“900 größtenteils betrunkene Flüchtlinge”. Meldungen von “massiven sexuellen Übergriffen”. Fertig ist für “Bild” die “Sex-Mob”-Geschichte. Auf seiner Facebook-Seite hatte Mai recht früh nach Erscheinen der Schlagzeile geschrieben: “Ich habe selbst nie von einem Sex Mob auf der gesamten Fressgass berichtet, sondern von sexuellen Belästigungen, Schlägereien und Diebstahl in meinem Lokal gesprochen.”
Dann ging es allerdings erst richtig los. Andere Medien berichteten. Das “Sat.1 Frühstücksfernsehen” griff das Thema einen Tag später auf und besuchte Irina A. und Jan Mai in Frankfurt. Titel des Beitrags: “Wieder sexuelle Übergriffe an Silvester!”
Mai erzählt in dem Video, es seinen “massiv Syrer hier drin” gewesen, die “Mädels belästigt haben, angefasst haben, sich an die Tische gesetzt haben, einfach mitgetrunken haben, sind ohne Jacke reingekommen, mit Jacke rausgelaufen, Jacken dann draußen versteckt, wieder reingekommen, haben wieder Jacken mitgenommen.”
Irina A. sagt, sie könne aus Angst abends immer noch nicht nach Hause laufen.
In den Sozialen Netzwerken haben rechte Gruppierungen und Hetzer die “Bild”-Geschichte zigmal geteilt. Bei Facebook beispielsweise einzelne “AfD”-Verbände, die “Junge Alternative”, Bürgerprotest-Gruppen, “Einzelfall”-Sammler, das ganze Spektrum:
Und auch bei Twitter drehte der Artikel dank Rechtspopulisten und eines “Bild”-Redakteurs eine ordentliche Runde:
In der Zwischenzeit legte die Frankfurter “Bild”-Redaktion noch einmal mit einem Artikel nach: “ein Sex-Mob tobte Silvester in der Freßgass’. Opfer schilderten exklusiv in BILD FRANKFURT die traumatisierende Nacht.” Das Blatt lässt einige Lokalpolitiker Stellung beziehen:
Zum Beispiel Christoph Schmitt, den sicherheitspolitischen Sprecher der CDU:
“Es darf nicht sein, dass Frauen sich so was gefallen lassen müssen. Wenn Schattenseiten der Flüchtlingspolitik Männer-Massen sind, die die Stadt unsicher machen, dann brauchen wir mehr Polizei auf den Straßen, mobile Videoüberwachung.”
Oder den unabhängigen Oberbürgermeisterkandidaten, Volker Stein:
“Während man um den Eisernen Steg ein hohes Aufgebot von Polizei verzeichnen konnte, wurde der Rest der Innenstadt den randalierenden Halbstarken überlassen. Wer sich in seinem Gastland so verhält, wie es die Berichte belegen, hat keinen Anspruch auf unsere Gastfreundschaft und sein Asylrecht verwirkt!”
“Männer-Massen”, “die die Stadt unsicher machen”. “Randalierende Halbstarke”. “Asylrecht verwirkt”. Und das alles, als noch überhaupt nichts belegt oder geklärt war, und die Polizei noch ermittelte.
Erste Zweifel, ob sich die Silvesternacht in der “Freßgass'” tatsächlich so abgespielt hat, wie von Irina A. und Jan Mai geschildert, kamen bereits am 7. Februar auf. Sebastian Eder schrieb bei FAZ.net über den “Sex-Mob, den keiner gesehen hat”. Eder hatte bei der Polizei angerufen und gefragt, ob Anzeigen zu der Nacht vorliegen, doch da gab es keine. Er wunderte sich, dass keine Videos oder Fotos von den Vorfällen in den Sozialen Netzwerken zu finden waren. Und er fragte bei anderen Gastronomen nach, ob sie an Silvester ähnliches beobachtet haben, wie ihr Kollege Jan Mai in seinem “First In”. Hat aber keiner.
Außerdem hat sich Sebastian Eder mal das Facebook-Profil von Mai angeschaut:
Weil das Thema so brisant ist, muss man auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen der “Bild”-Zeitung hinterfragen. Auf seiner privaten Facebook-Seite zeigte der “First In”-Chef bereits Sympathien für die AfD und schrieb zu Bildern “Herrenrunde und die Deutschen in Überzahl”. Außerdem teilte er im Dezember ein Video unter der Überschrift: “Merkel muss weg”. In dem Film marschiert der “Nationale Widerstand” durch Berlin, ruft “Lügenpresse” und “Hurensöhne”. In den Kommentaren steht auch mal “Deutschland, Deutschland über alles”. Veröffentlicht hat den Film Ignaz Bearth, ein Schweizer Politiker, der mal Mitglied einer rechtsextremen Partei und Sprecher von Pegida-Schweiz war.
Auf Eders Anfrage, ob er Sympathien für Rechte habe, antwortete Mai, dass das Unsinn sei, “aber ich bin mit der Einwanderungspolitik von Merkel nicht einverstanden und hoffe, dass der Erfolg der AfD dazu führt, dass die CDU das merkt.”
Einen weiteren Zeugen, den Jan Mai ihm nannte, rief Eder ebenfalls an. Der Mann, genauso wie Mai Gastronom auf der “Freßgass'”, berichtete von einer Massenschlägerei, er selbst habe eine Flasche über den Kopf bekommen. “Die Polizei hat die Identität eines Verdächtigen mittlerweile ermittelt: Es ist ein Georgier. Der andere Verdächtige, gegen den wegen einer Gewalttat auf der Freßgass an Silvester ermittelt wird, ist laut Polizei ein Deutscher”, schreibt Sebastian Eder.
Und auch die “Frankfurter Neue Presse” war recht schnell misstrauisch. Boris Tomic kommentierte dort, auch bereits am 7. Februar:
Die Berichte eines stadtbekannten Restaurantbetreibers über marodierende Banden arabischer Herkunft auf der Freßgass’ entbehren der Glaubwürdigkeit.
Der Titel vom Tomic’ Kommentar: “Fake-News gibt es wohl nicht nur im Internet”.
In “Bild” oder bei Bild.de ist von all diesen Zweifel in den vergangenen Tagen nichts zu lesen.
Am vergangenen Donnerstag fragten wir beim Polizeipräsidium Frankfurt nach, ob inzwischen Anzeigen eingetroffen sind. Ein Sprecher sagte uns, dass nichts vorliege. “FAZ”-Redakteur Sebastian Eder fragte gestern auch noch mal nach — noch immer lag keine einzige Anzeige vor.
Die Frankfurt-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichtet heute ebenfalls, allerdings bedeutend kleiner als noch bei der Ursprungsgeschichte:
Das Blatt fragt, ob Jan Mai “alle belogen” habe. Zeugen seien im Verhör zurückgerudert — “es habe sich um eine normale Schlägerei gehandelt und nicht um sexuelle Übergriffe.” Die Polizei ermittle nun “wegen Vortäuschung einer Straftat” gegen den “Promi-Wirt”, so die “Bild”-Medien. Lediglich in einem Absatz schreiben sie, dass Mai den ganzen Mist bei ihnen behauptet hat. Ihre eigene Rolle — das Übernehmen eines Gerüchts, die “Sex-Mob”-Zuspitzung, das Nachlegen mit den Politiker-Statements — erwähnen sie nicht.
Nach Informationen, die unserer Zeitung am Montagabend per Mail zugespielt wurden, konnten die Behauptungen von Mai und seiner Kollegin “nicht mal im Ansatz” verifiziert werden. Irina A., die behauptete, man habe ihr unter den Rock, zwischen die Beine und an die Brüste gefasst, soll über Silvester nicht einmal in Frankfurt, sondern in Belgrad gewesen sein. Die Polizei habe ihre Flugtickets sichergestellt und suche seit Tagen nach ihr, um sie zu vernehmen, heißt es in der Mail an unsere Zeitung. Auch zu all diesen Ausführungen sagte der Polizeisprecher auf Nachfrage, dass er “nicht widersprechen” könne.
Vermutlich werden die Versuche, das wirkliche Geschehen in der “Freßgass'” nachzuzeichnen, nicht annähernd so viele Leute erreichen wie die hysterischen “Sex-Mob”-Schlagzeilen von “Bild” und Bild.de.
Hätten die “Bild”-Medien von Anfang an sauberer recherchiert, nicht direkt alles geglaubt und verbreitet, was ihnen erzählt wird, hätte das alles vermieden werden können. So, mit all der Folgeberichterstattung und den geteilten Artikeln und Kommentaren in den Sozialen Netzwerken, ist die falsche Nachricht vom “Sex-Mob” in der Frankfurter Silvesternacht kaum noch einzufangen.
Mit Dank an Stefan K., Andreas L., Andrea, @BKD_Schu und @zukunftsheld für die Hinweise!
Nachtrag, 14:13 Uhr: Bild.de entschuldigt sich auf der Startseite für die falsche Berichterstattung:
Die BILD-Redaktion entschuldigt sich ausdrücklich für die nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung und die erhobenen Anschuldigungen gegen die Betroffenen. Diese Berichterstattung entspricht in keiner Weise den journalistischen Standards von BILD.
BILD wird intern klären, wie es dazu kommen konnte.
Wenn die Redaktion es mit dieser Ankündigung ernst meint, sollte sie auch klären, wie die “Sex-Mob”-Überschrift entstand. Denn der inzwischen beschuldigte Gastronom Jan Mai bestritt sehr früh, je von einem “Sex-Mob” gesprochen zu haben. In der gerade veröffentlichten Entschuldigung von Bild.de steht allerdings:
Die Zeugen (u.a. eine Kellnerin, ein Frankfurter Gastronom und zwei seiner Angestellten) berichteten gegenüber BILD von massiven mobartigen Übergriffen durch angetrunkene Ausländer.
Mit Dank an Mind und Mario für die Hinweise!
Nachtrag, 16. Februar: Bereits gestern veröffentlichte auch die Frankfurt-Redaktion der “Bild”-Zeitung eine “Entschuldigung in eigener Sache”:
1. Wird Satire kopflos? (tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Nach dem “Spiegel” macht nun auch das Satireblatt “Charlie Hebdo” mit einem Kopf-ab-Cover auf. Angeblich aus Solidarität. “Tagesspiegel”-Autor Joachim Huber findet, die Kopf-ab-Solidaritäts-Satire sollte keine Schule machen. Weil es die Satiriker schwach zeige und schwach mache. “Ein zwei Mal erzählter Witz ist einmal zu viel erzählt.”
2. Ein Abschied (twitter.com, Ismail Küpeli)
Das neue türkische Exil-Medium „Özgürüz“ sieht sich als Plattform für ungefilterte Nachrichten und investigative Berichte aus der Türkei. Das Online-Magazin wurde vom im deutschen Exil lebenden Journalist Can Dündar zusammen mit dem Recherchezentrum “Correctiv” gegründet und erscheint auf Türkisch und Deutsch. Nun hat einer der Mitstreiter, der Politikwissenschaftler & Journalist Ismail Küpeli in einem emotionalen Tweet seinen Rückzug von Twitter bekanntgegeben. Eine Kapitulation vor den Anhängern Erdogans, die ihm dort das Leben schwer machen würden.
3. Ein Jahr Hoaxmap (blog.hoaxmap.org, Karolin Schwarz)
“Hoaxmap”, die Landkarte für Gerüchte und Fakenews über Asylsuchende feiert ihr einjähriges Jubiläum. Zu Beginn des Projekts versammelte die Karte 176 Gerüchte aus dem deutschsprachigen Raum samt ihren Widerlegungen, sortiert nach Themen, Datum, Ort und Land bzw. Bundesland. Am heutigen Tag sind es 455. Die Karte ist mittlerweile eine anerkannte Anlaufstelle für Interessierte, Wissbegierige und Medien geworden. BILDblog gratuliert!
4. Die Feier der „Journalisten des Jahres“ (rnd-news.de, Ulrike Simon)
Medienkolumnistin Ulrike Simon fand es schön auf der Feier der „Journalisten des Jahres“. Fast schon zu schön und vor allem zu harmonisch: “Mir lag an dem Abend zu viel Einsicht, Demut und Hinnahme in der Luft, dafür zu wenig Mut, Unnachgiebigkeit und Zorn. Ein paar von uns braucht es schon, die sagen, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Wer sich nur noch klein macht, wird übersehen, wer leise ist, überhört.”
5. Nicht mehr als Quelle zugelassen (taz.de, Dinah Riese)
“taz”-Volontärin Dinah Riese berichtet über einen herben Schlag für die englische Boulevardzeitung “Daily Mail”: Die Community der englischsprachigen Wikipedia hat entschieden, die “Daily Mail” nicht mehr als Quelle für Wikipedia-Artikel zuzulassen. Darüber hinaus sollen die mehreren tausend bereits existierenden Artikel mit “Daily-Mail”-Bezug überprüft und die Quellen durch verlässlichere Nachweise ersetzt werden.
1. „Was Wahrheit ist, definiert keine Regierung“ (welt.de, Antje Homburger & Esteban Engel)
Mathias Döpfner ist seit vielen Jahren Vorstandsvorsitzender bei “Axel Springer” und seit Oktober 2016 auch Präsident des “Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV). Im Gespräch mit der “Welt” mahnt er die Medien zu mehr Glaubwürdigkeit – auch im Kampf gegen „Fake News“. Aufgabe der Medien sei es, zu recherchieren und wahrhaftig zu berichten. Falsch sei es jedoch, dass professionelle Medien jetzt sozialen Medien helfen sollen, Fake News zu identifizieren und Fakten zu checken: “Wenn soziale Medien nicht mehr Technologieplattformen, sondern Medienunternehmen betreiben wollen, dann müssen sie Redakteure einstellen, die Kosten einrechnen und sich mit einer anderen Regulierung auseinandersetzen. Denn wenn ein Technologiemonopol fast zwei Milliarden Leser erreicht und die Inhalteauswahl kontrolliert, ist das das genaue Gegenteil von Vielfalt.”
Döpfner sieht sich aber auch als Opfer weiterer angeblicher Zumutungen wie dem aus seiner Sicht überzogenen Mindestlohn: “Die Politik sollte überlegen, wie sie uns Knüppel, etwa Überregulierung, weltfremden Datenschutz oder einen überzogenen Mindestlohn im Vertrieb, erspart.”
2. Funke Mediengruppe muss an Corinna Schumacher zahlen (faz.net, Michael Hanfeld)
Das Oberlandesgericht in Hamburg hat es nun endgültig entschieden: Die “Funke Mediengruppe” muss an Corinna Schumacher eine Geldentschädigung von 60.000 Euro zahlen. Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung waren Bilder, die sie auf dem Weg ins Krankenhaus in Grenoble zeigen. Und die auch dann noch gedruckt worden seien, als bereits einstweilige Verfügungen und Unterlassungserklärungen vorlagen.
3. Flüchtlingsforschung gegen Mythen 5 (fluechtlingsforschung.net, Ulrike Krause)
Im fünften Teil der Serie “Flüchtlingsforschung gegen Mythen” kommentieren Mitglieder des “Netzwerks Flüchtlingsforschung” erneut typische Falschaussagen und Behauptungen aus der Flüchtlingsdebatte. Mit dabei ist auch die Antwort auf die Frauke-Petry-Forderung, das Asylrecht nach Artikel 16a abzuändern und in ein Gnadenrecht des Staates umzuwandeln. Kompetentes Factchecking von Experten (wie auch bei den bereits vorangegangenen Teile der Serie).
4. Wen verlinken die Bundestagsabgeordneten auf Twitter? (bundestwitter.de)
Der “Bundestwitter”-Macher hat 2016 über einen Zeitraum von sechs Monaten alle Tweets und Retweets der Bundestagsabgeordneten aufgezeichnet und ausgewertet. Welche klassischen Medien werden am häufigsten verlinkt? Wie sieht die Verlinkung zu den sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Co. aus? Im Beitrag werden die entscheidenden Informationen übersichtlich und gut lesbar aufbereitet.
5. Merkel muss öffentlich Stellung beziehen (reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, bei ihrer heutigen Reise in die Türkei öffentlich Stellung zum Thema Pressefreiheit zu beziehen und die Freilassung von inhaftierten Journalisten zu fordern.
6. Und am Wochenende geht´s ins Frauenhaus! (blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hat früher selbst mal bei einer Regionalzeitung gearbeitet und ist deshalb vielleicht besonders offen, als ihn eine freundliche Dame im Supermarkt zu einem zweiwöchigen Probeabo einer Regionalzeitung überredet. Nach einer Woche Lektüre zieht er nun ein Zwischenresumee. Ohne zu viel spoilern zu wollen: Die Heimatzeitung sollte sich nicht allzu große Hoffnungen auf einen neuen Abonnenten machen.
1. Kartenlegen mit kriminellen Ausländern (uebermedien.de, Mats Schönauer)
Um zu zeigen, wie hoch die Ausländerkriminalität in Deutschland wirklich ist, verweisen rechte Politiker und Publizisten gerne auf die “Einzelfall-Map”. Mats Schönauer hat sich diese “beeindruckend gefüllte Karte bei Google-Maps, auf der Fälle von ‘Migranten-/Flüchtlingskriminalität’ gesammelt werden”, angeschaut und mehr als 600 zufällig ausgewählte Fälle überprüft: “Um es zusammenzufassen: Die ‘Einzelfall-Map’ bietet keinen objektiven Überblick über Ausländerkriminalität, sondern eine tendenziös kuratierte, unsauber recherchierte und auf bloße Masse abzielende Sammlung von Verdächtigungen gegen Menschen, die nicht aussehen wie Holger Badstuber.” Der Text steht schon etwas länger online, ist aber erst seit gestern für Nicht-“Übermedien”-Abonnenten komplett lesbar.
2. Reklame für Rechte (sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Der Kampf um politische Deutungshoheit werde auch mit finanziellen Mitteln ausgetragen, schreibt Simon Hurtz und meint damit konkret: über Werbegelder. Momentan gibt es verschiedene Versuche, konservative und rechte Internetseiten zu schwächen, indem Firmen dazu angehalten werden, nicht bei ihnen zu werben. Ob das der richtige Weg ist? Ob er überhaupt zulässig ist? Zwei Juristen, mit denen Hurtz für seinen Text gesprochen hat, kommen zu zwei gänzlich unterschiedlichen Beurteilungen.
3. Und täglich grüßt das Hitlerbild: Zum Facebook-Nazi in 13 Tagen (shz.de, Mira Nagar)
Knapp zwei Wochen hat Mira Nagar sich als “Christian M.” bei Facebook an “den rechten Rand des Netzwerks” getastet, um der Frage nachzugehen: “Kann Facebook radikalisieren helfen?” Der fiktive Christian schaute sich bei “Neumünster wehrt sich” um, freundete sich mit “Kameradinnen und Kameraden” an und fand “ein paar brüchige, widersprüchliche Personen”.
4. Bis zum letzten Tropfen Tinte (taz.de, Nicola Glass)
Heute soll in Malaysia der Prozess gegen den Karikaturisten “Zunar” beginnen. Er ist wegen “Aufwiegelung” angeklagt, nachdem er mit seinen Zeichnungen ein Gerichtsurteil gegen einen malaysischen Oppositionsführer kommentiert hatte. Bei einer Verurteilung drohen “Zunar” bis zu 43 Jahre Gefängnis. Nicola Glass berichtet über seinen Fall und über die Lage der Pressefreiheit in Malaysia im Allgemeinen.
5. Wir haben die falschen Behauptungen des “Krone”-Kolumnisten korrigiert (vice.com, Christoph Schattleitner)
Mit “Die Falschmeldungen” ist die aktuelle Kolumne von “Krone”-Autor und Rechtsanwalt Tassilo Wallentin überschrieben, in der er behauptet, die österreichische Regierung schöne Asylstatistiken und verheimliche den Bürgern die Wahrheit. Falsch sei aber vor allem das, was Wallentin da selber schreibt, so “Vice”-Redakteur Christoph Schattleitner: “Ausgerechnet er, der anderen Falschmeldungen vorwirft, macht in diesem Text so viele Fehler, dass es kaum auszuhalten ist.” Anhand von acht Korrekturpunkten zeigt Schattleitner, was bei Wallentins Text alles schiefgelaufen ist.
6. Martinas langer Marsch (srf.ch, Pascal Nufer, Video, 22:01 Minuten)
Für die Schweizer Fernseh-Journalistin Martina Fuchs öffnen sich in China Türen, die für europäische Korrespondenten normalerweise verschlossen bleiben. Fuchs arbeitet aber auch nicht für einen Sender aus Europa, sondern für CCTV, das chinesische Staats- und Propaganda-TV. Pascal Nufer hat sie bei ihrer Arbeit begleitet und immer wieder den Satz gehört: “Ich arbeite für ein Wirtschaftsprogramm und habe mit Politik nichts am Hut.” Wer gerade keine 22 Minuten Zeit hat, um sich den interessanten Videobeitrag anzuschauen: Hier gibt es einen kurzen Artikel über Martina Fuchs und ihre Arbeit für Chinas Propagandaapparat.