Suchergebnisse für 󈥹. mai’

Schweinische Lüge

Falls es jemand nicht mitbekommen haben sollte: Ein privater Kita-Träger hatte sich dazu entschlossen, beim Mittagessen kein Schweinefleisch mehr anzubieten. Die “Bild”-Redaktion machte aus dieser Kleinigkeit, die, wenn überhaupt, für eine Lokalzeitung von Interesse gewesen wäre, eine Riesennummer auf Seite 1, andere Medien sprangen auf, rechte Hetzer übernahmen das Thema, es gab eine Menge Hass und Drohungen gegen die zwei betroffenen Kitas. Aufgrund dieser ganzen Ereignisse setzte die Kita-Leitung ihre Entscheidung aus und will sie bei den nächsten Elternabenden besprechen.

Damit hatte sich das Thema für “Bild” allerdings noch nicht erledigt. Der stellvertretende Chefredakteur Timo Lokoschat legt heute noch einmal nach:

Ausriss Bild-Zeitung - Keine Gummibärchen, kein Schnitzel, kein Osterfest - Kniefall vor den Falschen!

Den “Leiter der Leipziger Kita” — also den Mann, der sich aktuell mit Drohungen von rechten Spinnern rumschlagen muss — bezeichnet Lokoschat als “überengagierten Bessermenschen” und schreibt:

Schweinefleisch und Gummibärchen sollten künftig tabu sein. Und: Statt Weihnachts- und Ostercafé standen plötzlich nur Ramadan und Zuckerfest auf dem Themenplan der Kita.

Die Behauptung, dass Schweinefleisch und Gummibärchen in den zwei Kitas “künftig tabu sein” sollten, also: verboten, hält sich hartnäckig. Tatsächlich wollte die Kita-Leitung künftig schlicht kein Schweinefleisch mehr fürs Mittagessen bestellen. Wenn Eltern wollen, dass ihre Kinder in der Kita Würstchen essen oder gelatinehaltige Gummibärchen naschen, dann können sie ihren Kindern nach wie vor Würstchen oder gelatinehaltige Gummibärchen mitgeben. Ein Verbot von Schweinefleisch gibt es nicht.

Und auch, dass “statt Weihnachts- und Ostercafé (…) plötzlich nur Ramadan und Zuckerfest auf dem Themenplan der Kita” stünden, hat sich Lokoschat ausgedacht. Der Terminkalender der Kitas sah schon immer und sieht auch jetzt Feste und Thementage aller möglichen Religionen vor: christliche, jüdische, hinduistische, muslimische. Das “nur” in Lokoschats Satz ist genauso falsch wie das “plötzlich”.

Tatsächlich wurde den Eltern heute ein neuer “Jahresplan” für die zwei Kitas zugeschickt. Und tatsächlich gibt es dort zwei auffällige Änderungen: Der eingetragene Termin am 6. Dezember 2019, der bisher “ElternCafe” hieß, heißt in der heute rumgeschickten Version “Nikolausfeier”. Und der Termin am 7. April 2020, der bisher ebenfalls “ElternCafe” hieß, heißt nun “Oster Cafe”. Ein Vater sagte uns allerdings, dass im vergangenen Jahr auch schon Nikolaus und in diesem Jahr auch schon Ostern gefeiert wurde (was sonst wird wohl am 6. Dezember und an einem Tag in der Karwoche gefeiert?).

Was Lokoschat verschweigt: Sowohl in der alten Version des “Jahresplans” als auch in der neuen ist für den 11. November, den Martinstag, ein sehr christliches Martinsfest eingetragen. Am 13. September soll es ein chinesisches Mondfest geben (zum Hintergrund: eine der beiden Einrichtungen heißt “Konfuzius Kindergarten”). Am 26. Januar soll in den Kitas das chinesische Neujahr gefeiert werden. Am 24. Februar Fasching. Und am 17. Juli das Zuckertütenfest für die Kinder, die sich Richtung Grundschule aufmachen. Wie gesagt: alles sowohl im alten als auch im neuen “Jahresplan”. Was es weder in der einen noch in der anderen Version gibt: ein Feier zu einem muslimischen Fest. Dafür gibt es einen Eintrag zu Bayram, also zum muslimischen Zuckerfest. Allerdings soll das in den Kitas nicht gefeiert werden — es soll ein Thementag dazu stattfinden: für den 25. Mai ist im alten wie im neuen Kalender “Thementag Bayram” vermerkt. Genauso sollte es in den Kitas schon immer Thementage zum jüdischen Sukkot und zum hinduistischen Diwali geben. Zum muslimischen Ramadan gibt es erst in der neuen Version des “Jahresplans” einen Thementag; im alten waren lediglich der Beginn und das Ende des Fastenmonats als Termine vermerkt. Ein Vater sagte uns, dass die Kinder an den Thementagen nicht teilnehmen müssen. Sie können stattdessen auch spielen oder malen.

Wenn der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Timo Lokoschat also schreibt, dass “plötzlich nur Ramadan und Zuckerfest auf dem Themenplan der Kita” stehen, obwohl er wissen muss, dass das nicht stimmt, schließlich scheint ihm der “Themenplan der Kita” vorzuliegen, dann ist das eine glatte Lüge.

100 Leid-Artikel, Das Fegefeuer des Wettergotts, Blick auf RB Leipzig

1. “Wir sind nicht die Feinde des Volkes”
(sueddeutsche.de, Christian Zaschke)
Der amerikanische Präsident Donald Trump überzieht die Medien seit seinem Amtsantritt mit hasserfüllten Attacken und bezeichnet sie öffentlich gar als “Feinde des Volkes”. Auf Initiative des “Boston Globe” haben sich mehr als 100 Zeitungsredaktionen in den USA zusammengeschlossen, um ein Zeichen gegen Trump und seine pressefeindliche Agitation zu setzen: Am heutigen Donnerstag erscheint in jedem der Blätter ein Leitartikel, der sich kritisch mit Trumps Angriffen auseinandersetzt.

2. Huch, Agathe, die Leser schreiben!
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Die “Deutsche Welle” hat vor ein paar Tagen die Kommentarfunktion unter ihren Beiträgen weitgehend abgeschaltet. Man sehe sich außerstande, die Vielzahl von teilweise hasserfüllten und beleidigenden Kommentaren zu moderieren. Sascha Lobo hält dies für eine falsche Entscheidung. Eigene Communities seien der kritische Erfolgsfaktor von Medienseiten. Daher würde es sich lohnen, in diese zu investieren: “Man muss das nur wollen und eben bezahlen wollen — eine Prioritätenfrage. Aber da Kommentarverachtung unter Medienpeople zum guten Ton gehört, möchte man in diese Latrine natürlich nicht auch noch Geld hineinwerfen.”

3. Jörg Kachelmann im Interview: “Warum schreibt ihr so einen Scheiß?”
(hna.de, Matthias Lohr)
Medienvertreter, die den Wetterexperten Jörg Kachelmann interviewen, müssen Nehmerqualitäten haben. “HNA”-Redakteur Matthias Lohr hat sich der Herausforderung gestellt und mit Kachelmann telefoniert. Sein Artikel endet mit den Worten: “Falls es einen Wettergott gibt, wünscht man sich nach diesem Interview, dass es bitte nicht Jörg Kachelmann sein möge. Sonst wird es für einen im Fegefeuer sehr viel heißer werden als diesen Sommer. Und trockener sicher auch.”

4. “Kinder werden nicht zu Nazis, wenn sie ein Hakenkreuz sehen”
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Bislang waren Hakenkreuze, SS-Runen oder der Hitlergruß in Computerspielen verboten, doch die Prüf- und Freigabestelle USK hat diese Regelung aufgehoben. Lisa Hegemann hat für “Zeit Online” mit der Medienwissenschaftlerin Lisa Gotto über die möglichen Folgen gesprochen. Gotto hat keine Bedenken, dass es nun zu einer Hakenkreuz-Überflutung kommt: “Die USK wird auch künftig noch jedes Computerspiel einzeln daraufhin prüfen, ob es für Kinder und Jugendliche geeignet ist. Auch in anderen Medien werden Nazisymbole ja nicht inflationär abgebildet, nur weil man sie theoretisch zeigen darf.”

5. Tschüss Google, Tschüss Tracking?
(journalist-magazin.de, Marvin Milatz)
Seit dem 25. Mai gilt die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Viele Verlage haben daraufhin ihre Abläufe überprüft und angepasst. Doch an ein Feld will man ungern ran: den Werbemarkt. Und deshalb setzen Medienseiten immer noch auf den Einsatz von Cookies und Trackingtools. Der österreichische “Standard” beschreitet nun einen neuen Weg: Für sechs Euro im Monat kann man eine komplett trackingfreie Version beziehen. Medien- und Datenjournalist Marvin Milatz hat sich das Modell näher angeschaut und bei anderen Medienhäusern nach deren Strategie gefragt. Ein spannender Blick auf einen Aspekt, der ansonsten weitgehend im Dunklen bleibt.

6. Sportjournalismus: RB Leipzig – neutrale Berichterstatter als Spiegel der Kritik?
(fachjournalist.de, Jonas Bormann)
Der vom Brausehersteller Red Bull finanzierte Fußballklub RB Leipzig sieht sich seit seiner Gründung Kritik ausgesetzt. Dabei geht es unter anderem um die als unfair empfundene Finanzkraft des Klubs und die fehlende Tradition. An der Hochschule Darmstadt wurde nun untersucht, wie deutsche Sportmedien mit der Kritik umgehen. Die Untersuchung hat sich dabei auf die Sportmedien “Kicker Online” und Sport1.de konzentriert.

Reporter-Legende Leyendecker, Trüpels “Zitat”, Stuss-Legende Wagner

1. Hans Leyendecker: Ein Journalist blickt zurück
(ndr.de, Daniel Bouhs)
Investigativ-Journalist Hans Leyendecker kann auf ein bewegtes Reporterleben zurückblicken. Er war an der Enthüllung einiger Skandale beteiligt, darunter die Flick-Parteispendenaffäre und die “Traumschiff-Affäre” um den damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Lothar Späth. Im Gespräch mit “Zapp” schaut Leyendecker selbstkritisch und distanziert auf seine Recherchen bei “Spiegel” und “Süddeutscher Zeitung” zurück. Hier gehts zum kompletten Interview (17:48 Minuten).

2. Helga Trüpel und das Zitatrecht
(ipcl-rieck.com, Corinna Bernauer & Lars Rieck)
Das ist fast ein wenig lustig: Die Europaabgeordnete Helga Trüpel hat für die EU-Urheberrechtsreform gestimmt und danach stolz ein Foto eines “FAZ”-Artikels getwittert. Hat sie damit selbst eine Urheberrechtsverletzung begangen oder war dies durch das Zitatrecht gedeckt? Letzteres wäre nur bei wissenschaftlichen Werken gestattet und auch dort nur im erforderlichen Umfang. Der Tweet mit dem Artikelfoto war daher wohl nicht vom Zitatrecht des §51 UrhG gedeckt. Weiteres pikantes Detail: Ein Uploadfilter, wie ihn Frau Trüpel will, hätte vermutlich ihren eigenen Post gelöscht.

3. Über 1.000 nichteuropäische Nachrichtenseiten haben Europa aufgrund der DSGVO geblockt, darunter 1/3 der größten 100 US-Newspublisher
(neunetz.com, Marcel Weiss)
Die seit dem 25. Mai dieses Jahres geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verlangt von deutschen und europäischen Website-Betreibern, sich genauer mit dem Datenschutz zu beschäftigen und die Besucher über die Verwendung der Daten aufzuklären. Viele Nachrichtenpublisher außerhalb Europas haben sich die Sache leicht gemacht und ihre Präsenz für europäische Besucher gesperrt. Der Brite Joseph O’Connor hat mehr als 1000 Nachrichtenseiten ermittelt, die in Europa geblockt sind.

4. Hyperlokal, hypersozial
(taz.de, Miriam Heinbuch)
Haben Straßenmagazine in Deutschland mittelfristig eine Chance oder geraten sie in den Sog des allgemeinen Zeitungssterbens? Der Sozialforscher Ronald Lutz beobachtet die Entwicklung seit Längerem und ist skeptisch, was das Vertriebskonzept der Straßenzeitungen angeht: “Ich glaube, diese Tradition hat auch irgendwann ein Ende, hat auch eine Grenze erreicht, gerade im Zeitalter der Digitalisierung.”

5. Freien-Streik: So wird’s gemacht
(freischreiber.de)
Es kommt nicht oft vor, dass sich freie Journalistinnen und Journalisten einer Zeitung zusammentun und für bessere Bedingungen streiken. Bei der “Eßlinger Zeitung” war dies der Fall und das mit Erfolg: Das Zeilenhonorar sowie Reise- und Aufwandspauschalen wurden deutlich angehoben. Der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten “Freischreiber” hat sich mit den Kollegen getroffen, um das Geheimnis ihres Streik-Erfolgs zu ergründen.

6. «Was auf meinem Grabstein stehen soll? Lieber du wärst tot als ich»
(verlag.baz.ch, Michael Bahnerth & Erik Ebneter)
Die “Basler Zeitung” hat sich mit Franz Josef Wagner unterhalten, der für seine in eine “Bild”-Kolumne (“Post von Wagner”) gegossenen wirren Gedanken irgendwas zwischen berühmt und berüchtigt ist. Das Gespräch hat stolze dreieinhalb Stunden gedauert. In die Niederschrift des Interviews sind einige biografische Informationen über Wagner eingebettet, der als Chef eines Revolverblatts Schlagzeilen-Pretiosen dichtete wie “Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen. Ganz Bernau ist glücklich, dass er tot ist”. Empfehlenswert für alle, die das Phänomen Wagner schon öfter kopfschüttelnd bestaunten.

Datenschutz-Karikatur, Umfrage als Stimmungsmacher, Klötzchengrafik

1. Rant: Warum die DSGVO eine Datenschutz-Karikatur ist
(t3n.de, Enno Park)
Enno Park hat sich in einem lesenswerten und gut begründeten Rant seinen Frust mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von der Seele geschrieben. Diese bürde zahllosen Menschen umfangreiche bürokratische Pflichten auf und schaffe Rechtsunsicherheit. Und er schlägt einen großen Bogen zum Staat, der sich zahllose Ausnahmen im Datenschutz gegönnt und ein Überwachungsgesetz nach dem anderen eingeführt hätte: „Angesichts dessen, was die Verfassungsrichter einst bezwecken wollten, ist das heutige Datenschutzrecht mit seiner für zahllose Menschen überbordenden Bürokratie eine traurige Karikatur.“

2. Die Bundesregierung sieht keinen Rechtsextremismus bei Reconquista Germanica – wir schon
(motherboard.vice.com, Anna Biselli)
Die rechtsextremen Mitglieder der „Reconquista Germanica” betreiben rassistische Hetze im Netz und verabreden sich zu Online-Angriffen auf politische Gegner. Nun hat sich auch die Bundesregierung zu der Gruppierung geäußert. Der Befund der Regierung: Die Gruppe werde zwar “von Personen des rechtsextremistischen Spektrums genutzt“, aber „es mangele an “tatsächlichen Erkenntnissen über rechtsextremistische Bestrebungen”. „Motherboard“ sieht das anders: Man verfüge über Screenshots und Chatverläufe, die solche “rechtsextremistischen Bestrebungen” durchaus nahelegen würden.

3. “Ich fühle mich schuldig”
(zeit.de, Leonie Seifert & Björn Stephan)
Mehrere Frauen werfen dem WDR-Filmchef Gebhard Henke sexuelle Belästigung vor, darunter auch die Autorin Charlotte Roche. Die „Zeit“ hat mit Roche gesprochen, unter anderem auch über die Frage, warum sie sich nicht gewehrt und warum sie bislang geschwiegen habe. Lesenswert auch für all diejenigen, die meinen, mit derlei Fragen Opfer pauschal abqualifizieren zu müssen.

4. Was gilt in der Fotografie nach dem 25.05.2018?
(djv.de, Benno H.-Pöppelmann)
Ab dem 25. Mai gilt die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und viele Fotografen sind verunsichert wegen der neu eintretenden Regelungen. Der Justiziar des Deutschen Journalisten-Verbands DJV hat sich um Erklärungen bemüht. Nicht unbedingt als entspannte Gutgemacht-Lektüre zu empfehlen, aber das ist dem spröden Thema geschuldet.
Und noch ein Lesehinweis: Stayfriends darf Fotos nicht automatisch weitergeben (spiegel.de): Viele Mitglieder des Schulfreunde-Portals „Stayfriends“ (nach eigenen Angaben 20 Millionen Nutzer) haben ihre Profile mit Bildern versehen, die bei einer Google-Suche auch Nichtmitgliedern angezeigt wurden. Dagegen haben nun Verbraucherschützer geklagt und Recht bekommen.

5. Eine Umfrage, die nichts aussagt, aber Stimmung macht
(stefan-fries.com)
Der Journalist Stefan Fries ist mal wieder über eine Umfrage gestolpert, die mit einseitigen Vorbemerkungen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis nimmt. Eingeleitet von verschiedenen Argumenten gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird dort gefragt: „Wie viel würden Sie monatlich pro Haushalt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen, wenn Sie selbst entscheiden könnten?“ Wenig überraschend das Abstimmungsergebnis: Mehr als 40 Prozent der derart Befragten wollten „nichts“ bezahlen…

6. Klötzchengrafik, knapp und präzise
(deutschlandfunk.de, Jan Schilling, Audio, 5:08 Minuten)
Man mag es nicht glauben, aber noch immer nutzen Millionen Menschen den Videotext. Jan Schilling erklärt im „Deutschlandfunk“, woran das liegt und wie bei der „ARD“ gevideotextet wird.

Das Schweigen der Sender, DSGVO-FAQ, Horror vom Naschmarkt

1. “Medienunternehmen sind nicht sehr geübt”
(deutschlandfunk.de, Günter Bentele & Isabelle Klein, Audio, 4:48 Minuten)
Der WDR hält sich mit Stellungnahmen zu seiner “#MeToo-Affäre” sehr zurück. Auch der @mediasres-Redaktion des Deutschlandfunks ist es nicht gelungen, dem Sender ein Interview abzuringen. Der PR-Experte und emeritierte Professor für Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations an der Universität Leipzig Günter Bentele sieht die Schweigsamkeit skeptisch: Sollte dies Strategie des Senders sein, so wäre sie “sicherlich schlecht”.

2. Von den Vorurteilen musste ich mich verabschieden.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre hat sich mit Friedemann Fromm, dem Regisseur der Fernsehserie „Weissensee“, zum Interview getroffen. Im Gespräch geht es nicht nur um die Serie sondern auch um zu viele Krimis, Verdummungs-TV, Reduzierung von Drehtagen, seine Regie-Studenten, den Rundfunkbeitrag und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Systems.

3. Wissen zur DSGVO 2 – Fragen & Antworten
(ipcl-rieck.com, Lars Rieck)
Nachdem sich Medienanwalt Lars Rieck schon einmal mit den möglichen Auswirkungen der ab dem 25. Mai geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für Fotografen beschäftigt hat, folgt nun Teil zwei mit den häufigsten Fragen.

4. rp #3: Meine Heldin dieser Tage ist – meine Frau!
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Während sich der Journalist Christian Jakubetz bei der Republica einen Vortrag über Filterblasen anhört, fiebert andernorts seine Frau mit ihrer achten Klasse einer Preisverleihung entgegen. Quasi live verfolgt Jakubetz am Handybildschirm, wie seine Frau mit ihrer Schulklasse einen Preis für den dritten Platz einheimst. Anlass für ihn, das Republica-Geschehen in Berlin zu überdenken und seine Frau zur eigentlichen Heldin der Republica auszurufen.

5. 5 praktische Beispiele, wie Vielfalt algorithmischer Sortierung aussehen kann
(konradlischka.info)
Die Social-Media-Plattformen orientieren sich bei der Einstufung von Beiträgen meist an recht technischen Dingen wie Klicks, Scrollgeschwindigkeit, Likes, Sehdauer von Videos oder der Kommentarfrequenz. Werte wie Wahrheit, gesellschaftliche Integration, konstruktiven Diskurs oder Empathie fallen dabei hintenüber. Konrad Lischka hat sich Gedanken gemacht, wie man die Relevanz von Beiträgen neu bemessen könnte und stellt fünf alternative Sortierideen fürs Feeds auf Plattformen vor.

6. Gräfin vom Naschmarkt: Bröselteppich mit Semmelflummi
(derstandard.at, Severin Corti)
Restaurantkritiker Severin Corti wollte prüfen, ob an den vielen schlechten Online-Bewertungen der “Gräfin vom Naschmarkt” etwas dran ist und hat dem Restaurant all seine lukullische Expertise angedeihen lassen. Und das liest sich recht vergnüglich: “Lasagne, ein in der Mikrowelle fachgerecht zu Magma verwandelter Ziegel mit großzügiger Garnierung aus Trockenkäse-Sägemehl, gerät zur Prüfung für Abenteuerlustige. Vom Teller steigt ein Duft auf, den Katzenbesitzer vom Öffnen besonders leckerer Futterdosen kennen. Der Salz- und Säuregehalt des Gerichts – und speziell der entfernt an Ketchup erinnernden rotfarbenen Sauce – beseitigt etwaige Zweifel aber sofort: In solch massiver Konzentration wäre das bei Tierfutter niemals zugelassen.”

Karl Marx und die Clickworker, Spitzers Daueralarm, Rechenspiele

1. Was hätte er zum Internet gesagt?
(zeit.de, Tilman Baumgärtel)
Vieles, was uns das Netz gebracht hat, hätte gut in die Theorie von Karl Marx gepasst, findet Medienwissenschaftler Tilman Baumgärtel in der „Zeit“. Seine Empfehlung: Clickworker und Uber-Fahrer sollten Marx lesen!

2. Über einen, der aus Ängsten Geld macht
(sueddeutsche.de, Jan Stremmel)
Manfred Spitzer ist ein Chefarzt und Hirnforscher, der vor allem für seine alarmistischen Sachbücher bekannt ist. In hunderttausendfach verkauften Werken wie “Vorsicht Bildschirm!“, “Digitale Demenz” und “Cyberkrank!” warnt Spitzer vor Folgen und Nebenwirkungen der Digitalisierung. Doch Spitzers Thesen sind umstritten, und gelegentlich scheint der Professor Kausalität mit Korrelation zu verwechseln. Dies werfen ihm jedenfalls seine Kritiker vor.

3. Achtung, Behörden-PR!
(taz.de, Marcus Engert)
Marcus Engert empfiehlt Journalisten eine gesunde Skepsis, wenn es um Meldungen der Polizei geht: “Bei G20 wurden halb so viele Polizisten im Einsatz verletzt, wie behauptet. In Ellwangen konnten weder Waffen noch Gewalttäter gefunden werden. Das kam raus, weil Journalisten nicht einfach abgetippt, sondern angerufen und nachgefragt haben.” Engert schließt seinen Beitrag mit den Worten: „Die Polizei schützt das Funktionieren dieser Demokratie. Ohne sie ginge es nicht. Ihre Pressestellen aber sind nicht der Wahrheit verpflichtet, so mancher Polizeigewerkschafter erst recht nicht. Journalisten schon.“

4. Meine Republica-Rede, ein transfeindlicher Begriff und Internet-Hoffnung am Horizont
(saschalobo.com)
Sascha Lobo hat in seiner Republica-Rede unabsichtlich einen transfeindlichen Begriff verwendet; ein Fehler, für den er sich in einem Blogbeitrag entschuldigt und weitere Schritte ankündigt. Zum Schluss beschreibt er die Kommunikation mit den ihn kritisierenden Personen: „Als ich nach meiner Rede auf Twitter viel Kritik wegen meiner Verwendung des Begriffs sah, war ich erst irritiert. Als ich dann aber nachfragte, geschah etwas Wundersames. Obwohl ich ein enorm verletzendes Wort massiv in die Welt getrötet hatte (das Zitat wurde sogar von der Tagesschau weiterverbreitet) – war ausnahmslos jede soeben von mir herabgewürdigte Kritikerin im direkten Kontakt außerordentlich freundlich und offen, und alle nahmen sich die Zeit, mir alles ausführlich zu erklären. Man muss sich das vergegenwärtigen: Erklärende Freundlichkeit als Reaktion darauf, schwer beleidigt zu werden. Wenn das keine Hoffnung macht auf eine bessere Zukunft im Netz, ganz ohne Brandstifter – was dann.“

5. Handreichungen für kleine Unternehmen und Vereine
(lda.bayern.de)
Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) an kleine Unternehmen, Vereine und sonstige Betriebe inklusive Musterformularen und Checklisten zusammengestellt. Speziell aufgeführt sind u.a.: KFZ-Werkstatt, Handwerksbetrieb, Steuerberater, Arztpraxis, Produktionsbetrieb, Online-Shop, Bäckerei und Einzelhändler.
Weiterer Lesetipp: Datenschutzregeln ab 25. Mai 2018 für freie Journalisten vom Deutschen Journalistenverband (DJV)

6. Was hinter der Polizeikampagne der Kronen Zeitung steckt
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
„Fast 38.000 Beamte im Dienst verletzt“ titelte die österreichische Kronen Zeitung, was insofern eine interessante Zahl ist, weil es 8.000 Polizisten mehr sind, als es überhaupt in Österreich gibt. Hans Kirchmeyr dröselt die kreative „Kronen“-Rechnung auf und siehe da: Von den 38.000 auf der Titelseite genannten Übergriffen bleiben ca. 1.100 im letzten Jahr übrig.

G20-Hilfssheriffs, Einzelfälle?, DSGVO und Panikmache

1. Der Journalist, dein Freund und Helfer
(taz.de, Marco Carini)
Unterstützen einige Hamburger Medien die Polizei bei der Verfolgung mutmaßlicher G20-Straftäter und fungieren dabei gar als willfährige Hilfssheriffs? Der Eindruck könnte zumindest entstehen, wenn man liest, was Marco Carini für die „taz“ aufgeschrieben hat.

2. „Wir wissen, dass es keine Einzelfälle sind“
(journalist-magazin.de, René Martens)
Journalisten vom „Recherchezentrum Correctiv“ und dem „Stern“ haben über mehrere Fälle sexueller Belästigung beim „WDR“ berichtet. Im Interview erzählen die beiden Autoren, wie es zu der Geschichte gekommen ist, ob noch mit weiteren Fällen zu rechnen ist und wie sie damit umgehen, dass von Seiten des rechten Milieus versucht wird, die Recherchen für den Propagandakampf gegen das öffentlich-rechtliche System zu instrumentalisieren. 

Weiterer Lesetipp: Frauen machen sich für freigestellten WDR-Mann stark (sueddeutsche.de)

3. Liebesgrüsse aus Moskau
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Vom 14. Juni bis zum 15. Juli 2018 findet in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 statt. Pünktlich dazu hätten Russlands Auslandmedien eine mediale Charmeoffensive gestartet voller Positiv-Geschichten und Promis, so Adrian Lobe. Der TV-Sender „RT“ würde sich das Unternehmen einiges kosten lassen und hätte eine Menge Geld für Prominenz aus dem Westen aufgewendet.

4. #journalistenschule
(2018.djs-online.de)
Zum Tag der Pressefreiheit (3. Mai 2018) besuchten Absolventen der Deutschen Journalistenschule ihre ehemaligen Schulen, um über Journalismus zu sprechen, von ihrer Arbeit in Redaktionen und Pressestellen zu berichten und über ethische Grundsätze, Fehlerquellen und “Fake News” zu diskutieren. Im Blog berichten sie nun von ihren Erlebnissen und Eindrücken in den von ihnen besuchten Schulen.

5. Fotografieren in Zeiten der DSGVO – Große Panikmache unangebracht
(rechtambild.de, Florian Wagenknecht)
Die ab dem 25. Mail geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sorgt bei vielen Menschen für regelrechte Panik. Besonders Fotografen sehen sich durch die neuen Regelungen bedroht, manche sogar existenziell. Der Jurist Florian Wagenknecht hält derlei Panik für übertrieben und ordnet die Regelungen ein.

6. Spam: 40 Jahre Werbe-Mails
(heise.de, Detlef Borchers)
Hurra, die Spam-Mail wird 40! Am 3. Mai vor 40 Jahren wurde die erste Werbe-Mail an 320 Postfächer von Nutzern des damaligen Arpanets verschickt. Detlef Borchers erinnert an das denkwürdige Datum und erzählt noch einmal die Geschichte nach, wie es zu dem Begriff um das „Frühstücksfleisch in Dosen“ kam.

Sondertrack re:publica 2018: Empfehlungen für Besucher und Daheimgebliebene

1. Erfrischend, erstaunlich, bedrückend – ein Zwischenfazit
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber & Hendrik Lehmann & Carsten Werner & Kurt Sagatz & Jana Demnitz & Marius Mestermann & Markus Lücker)
Das „Tagesspiegel“-Team hat den kompletten zweiten Konferenztag im Newsblog begleitet und seine Eindrücke in gut lesbaren Häppchen zusammengeführt.

2. “Keinen Rekrutierungsstand für ihre Cyberarmee”
(deutschlandfunk.de, Markus Beckedahl, Antje Allroggen)
Republica-Gründer Markus Beckedahl bleibt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk dabei, dass es die richtige Entscheidung war, die uniformierte Bundeswehr nicht auf der Konferenz zuzulassen: “Wir haben gesagt, dass wir keinen Rekrutierungsstand für ihre Cyberarmee haben möchten.“

3. re:publica: Sascha Lobo plädiert für offensiven Sozial-Liberalismus
(heise.de, Torsten Kleinz)
Torsten Kleinz fasst bei „heise“ den Republica-Vortrag von Sascha Lobo zusammen, in dem dieser vor einem Abdriften Europas in autoritäre Gesellschaftsstrukturen warnte. Den für Populismus anfälligen Bevölkerungsschichten müssten bessere Alternativen aufgezeigt werden, so Lobo.
 Außerdem plädierte er für mehr Toleranz: “Lasst die Leute einfach tun – solange es im Rahmen der Werte der liberalen Demokratie bleibt.”
Der Vortrag ist auch auf YouTube verfügbar: Pop und Anti-Pop – Wie das Internet uns lehrte zu kämpfen. Und wofür. (65 Minuten)

“Spiegel +” Reloaded, DSGVO für Fotografen, “In” mit Photoshop-Skills

1. Gutes lesen, mehr verstehen — wie wir das neue SPIEGEL+ entwickeln.
(medium.com/@devspiegel)
Dem „Spiegel“ ist es trotz allerlei Herumexperimentierens bislang nicht gelungen, sein Bezahlangebot „Spiegel plus“ zu etablieren. Das soll sich nun ändern: Noch im Sommer will man mit einem neuen Bezahlmodell an den Start gehen. Wie das aussehen soll und welche Gedanken dahinter stehen, erklärt ein erstaunlich offener und selbstkritischer Blogbeitrag.

2. Wissen zur DSGVO – 7 Tipps für Fotografen
(ipcl-rieck.com, Lars Rieck)
Ab dem 25. Mai 2018 gilt die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die sich auch auf Fotografen und Fotografinnen auswirkt. Medienrechtler Lars Rieck hat die undankbare Aufgabe übernommen und die komplizierte Lage sortiert. Sein Fazit: Digitale Street Photography, Sportfotografie, Konzertfotografie, Hochzeitsfotografie und alle Bereiche, die absichtlich oder unabsichtlich Personen abbilden, werden bis auf weiteres nur noch unter Eingehung eines ganz erheblichen Risikos möglich sein. Um juristischen Ärger (und hohe Geldbußen) zu vermeiden, sollten Fotografen daher einen Blick auf die sieben Tipps werfen, die Rieck am Ende seines Beitrags zusammenfasst.

3. „In“ lässt Träume mit Photoshop wahr werden
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Wer das das Klatschblatt „In“ durchblättert, könnte es auch für ein verhindertes Fachmagazin für Photoshop-Nerds halten, die darüber spekulieren, mit welchen technischen Tricks all die gefälschten Bilder, Montagen und Retuschen entstanden sind. Mats Schönauer zeigt beeindruckende Vorher-/Nachher-Bilder zum „Tuschelthema“ Jennifer Aniston und Brad Pitt.

4. Markt der Sonntagszeitungen schrumpft dramatisch
(wuv.de, Franz Scheele)
Großbritannien ist traditionell ein starker Markt für Sonntagszeitungen, doch das hat nun ein Ende: Seit 2010 hat sich die Gesamtauflage mehr als halbiert. Schuld daran ist natürlich die verstärkte Nutzung von Online-Angeboten, aber auch die Verlagerung auf die Print-Samstagsausgabe.

5. “Fake News als Kampfansage”
(faktenfinder.tagesschau.de, Jan-Christoph Kitzler)
Die journalistische Karriere des Tommaso Debenedetti fand ein jähes Ende, als sich herausstellte, dass seine Interviews mit Schriftstellern wie Gore Vidal und Philipp Roth erfunden waren. Seitdem verbreitet er auf Twitter unter falschem Namen Falschmeldungen, auf die auch schon große Medien hereingefallen sind. Angeblich, um „Nutzer und Journalisten auf ihre Verantwortung aufmerksam machen“.

6. Florian Klenk, Chefredakteur vom „Falter“ – Folge 362 aus Österreich
(jungundnaiv.de)
Tilo Jung hat den Chefredakteur des Wiener Stadtmagazins „Falter“ Florian Klenk zum Interview getroffen. Alleine schon die erste Minute ist feinstes Politkabarett: Klenk spricht über den Twitter-Hashtag „#answerlikekurz“, der sich über die ausweichende Rhetorik von Bundeskanzler Sebastian Kurz lustig macht. Und liefert in einer Stegreif-Stellungnahme zur Frage: „Wie ist das Wetter heute?“ eine fast bühnenreife Performance.

“Endlich! Die BILD als Wahlkampfblatt für die AfD!”

Gestern hat der Bundestagswahlkampf richtig begonnen. Denn seit gestern steht auch das Wahlprogramm der “Bild”-Zeitung. Ja, doch, richtig gelesen: Die “Bild”-Zeitung hat jetzt auch ein Wahlprogramm:

Ausriss Bild - Das große BILD-Wahlrpgramm - Was sich endlich ändern muss - Rente! Steuern! Sicherheit!

Die Redaktion schreibt zu ihrer Aktion:

In zehn Wochen hat Deutschland die Wahl. CDU-Merkel oder SPD-Schulz? Kommen AfD und FDP in den Bundestag? Was wird aus Grünen und Linkspartei? Die Parteien bitten die Bürger um Vertrauen. Werben für ihre politischen Pläne. Aber die Programme bleiben seltsam blass. Darum erscheint heute das BILD-Wahlprogramm: mit Punkten, die besonders wichtig für Deutschland sind — und mit vielem, das die Parteien sich nicht trauen zu fordern oder erst gar nicht ansprechen. BILD ist keine Partei — aber das BILD-Wahlprogramm soll zeigen, worum es gehen muss bei der Bundestagswahl am 24. September.

Fast auf einer kompletten Doppelseite präsentiert “Bild” die Punkte, “die besonders wichtig für Deutschland” sein sollen:

Ausriss Bild - Übersicht zur Doppelseite mit verschiedenen Wahlprogrammpunkten

Die einzelnen Themenschwerpunkt sind immer gleich aufgebaut: Das empörte “ES KANN DOCH NICHT SEIN …” leitet alles ein. Dann folgt eine These, die “Bild” als Tatsache verkauft. Und ein Satz, der mit “Darum” anfängt, erklärt, wie alles besser werden kann.

So sieht das dann zum Beispiel aus:

Ausriss Bild - Sicherheit - ... dass Täter in Deutschland ungeschoren bleiben. Darum gilt: Existiert von einer Straftat Videomaterial aus Überwachungskameras, wird es sofort zu Fahndungszwecken veröffentlicht. Gefasste Schläger und Diebe kommen binnen sieben Tagen vor Gericht. Die dazu nötigen Richter und Ermittler werden eingestellt.

Schaut man sich die 25 Wahlprogrammpunkte an, stellen sich einem gleich mehrere Fragen. Etwa: Warum fordert “Bild” etwas, das längst beschlossen ist?

Ausriss Bild - Wirtschaft und Verbraucher - ... dass Internet-Riesen wie Facebook und Google uns nicht sagen müssen, was sie über uns wissen. Darum wird den Bürger ein umfassender Anspruch auf Auskunft eingeräumt.

In Paragraph 34 des Bundesdatenschutzgesetzes ist die “Auskunft an den Betroffenen” geregelt. Außerdem gilt ab dem 25. Mai 2018 die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union, in der die Auskunftsrechte auch noch einmal geregelt werden.

Man fragt sich auch — vorausgesetzt, es handelt sich um ein ansatzweise ernst gemeintes Gesamtpaket von “Bild”: Hat irgendjemand an eine mögliche Finanzierung gedacht? Oder sind das alles nur platte populistische Parolen? Die “Bild”-Redaktion ist sonst immer vorne mit dabei, wenn Politiker und Parteien für realitätsferne Wahlversprechen kritisiert werden. Erst heute bezeichnete sie Martin Schulz’ “Chancen-Konto” als “heiße Luft”, auch weil es “schlicht unbezahlbar” sein könnte. Wenn sie aber selbst mal ein Wahlprogramm aufstellt, scheint alles auf einmal möglich: “Bild” fordert eine staatliche Entschädigung für jeden, bei dem mehr als einmal eingebrochen wurde. “Bild” fordert kostenlose Klassenfahrten für alle Schüler in Deutschland. “Bild” fordert deutschlandweite Vollversorgung mit Breitband-Internet. “Bild” fordert eine kostenlose Nachbesserung für jedes Euro-5-Diesel-Auto. “Bild” fordert mehr Richter und Ermittler. “Bild” fordert einen Rechtsanspruch auf Ganztags-Betreuung für Grundschüler. “Bild” fordert einen staatlich finanzierten Aufschlag auf die Rente, wenn Rentner sich freiwillig engagieren. “Bild” fordert Erklär-Sprechstunden im Finanzamt. “Bild” fordert mehr Material für die Bundeswehr. “Bild” fordert mindestens 20.000 zusätzliche Polizisten. “Bild” fordert aber auch Steuer-Rückerstattungen.

Vor allem aber fragt man sich: Haben an dem “Bild”-Wahlprogramm Vertreter der AfD mitgeschrieben? Nur ein paar Beispiele: Asylsuchende und Zuwanderer sollen sich “nach unseren Regeln richten”. Burka-Verbot für hier lebende Menschen. Ausreisepflicht für Touristinnen in Burka. Flüchtlingsströme aus Afrika stoppen. “GEZ-Gebühren” kürzen. Ein dreimonatiger “Dienst am Gemeinwesen”, um “dem eigenen Land zu dienen”.

Und die AfD? Die jubelt angesichts dieser gestern millionenfach gedruckten Steilvorlage durch “Bild”. Die Bundespartei twittert:

Tweet der AfD Bund - Hallo Bild, nahezu alles hier findet sich im AfD-Wahlprogramm

Auch der Berliner Landesverband findet die “Bild”-Aktion ganz toll:

Tweet der AfD Berlin - So schnell kann es gehen: Das Bild-Wahlprogramm liest wie das der AfD. Gut gemacht

Und Uwe Junge, Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz, scheint ganz erleichtert zu sein, nachdem er schon so lange auf die Schützenhilfe durch “Bild” gewartet hat:

Tweet von Uwe Junge - Endlich! Die BILD als Wahlkampfblatt für die AfD! Unser Programm in BILD veröffentlicht!

Claudius Seidl möchte nicht über die Homophobie in der “FAS” diskutieren

Es ist schwierig, in Deutschland über Homophobie zu diskutieren, weil es Homophobie in Deutschland ja quasi gar nicht gibt. Äußert sich jemand homophob, dann hat er es nicht so gemeint. Und hat er es so gemeint, dann war es eben nicht homophob.

Homophobie-Debatten enden in Deutschland meist da, wo sie eigentlich anfangen müssten: Statt sich mit möglicherweise problematischen, weil möglicherweise homophoben Aussagen eines Menschen zu beschäftigen, wird der Mensch von seinen Aussagen getrennt. Der Mensch kann es ja gar nicht so gemeint haben, weil dies und weil das.

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. Den sogenannten “Waldschlösschen-Appell” gegen Homophobie in Medien hat er initiiert. Sein “Nollendorfblog” bekam eine Nominierung für den “Grimme Online Award”. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

So bleibt eine möglicherweise homophobe Aussage im Raum, die nicht als Problem diskutiert wird, weil der dahinterstehende Mensch als unproblematisch verteidigt werden konnte. Diese irrige Gleichung gilt auch umgekehrt: Gilt ein Mensch einmal als homophob, ist es auch alles, was er über Homosexuelle äußert. Der Homophobe wird so zum Outlaw.

Es ist schwierig, in Deutschland über Homophobie zu diskutieren: Nicht, weil man sich nicht damit beschäftigen müsste, sondern weil die, die es betrifft, ja nicht Teil eines vernünftigen Diskurses sind. Man muss, so scheint es, dumm sein, um homophob zu sein.

Doch das muss man nicht. So geben beispielsweise kluge Köpfe in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” und der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” immer wieder sehr monumentalen homophoben Mist von sich.

Es ist schwierig, in Deutschland über Homophobie zu diskutieren, auch weil homophobe Aussagen meist verdruckst daherkommen. Selten sind sie von so unbestechlicher Klarheit wie die, die 2014 auf der Facebook-Seite der georgischen Sopranistin Tamar Iveri anlässlich eines Gay Prides in ihrer Heimat gepostet wurde:

Ich war stolz darauf, wie die georgische Gesellschaft auf die Parade gespuckt hat … Bitte stoppt die Versuche, mit Propagandamitteln westliche “Fäkalmassen” in die Mentalität der Menschen zu bringen.

Wenn das nicht homophob ist, dann gibt es wirklich keine Homophobie; das müsste — so möchte man meinen — doch selbst die “FAZ” erkennen und benennen können.

Doch in der Sonntagsausgabe der Zeitung erklärte die Opernkritikerin Eleonore Büning im vergangenen September nicht dieses Zitat zum Problem, sondern diejenigen, die damit ein Problem haben. Zum Beispiel die Leitung der Oper in Sydney, die die Sopranistin aufgrund des Posts nicht mehr im Hause haben wollte:

Und ganz übel ist es, dass die Sopranistin Tamar Iveri die Desdemona am Opernhaus in Sydney nicht singen durfte, wegen einer angeblich homophoben Bemerkung, die auf ihrer Facebookseite gepostet wurde, und das nicht mal von ihr selbst.

“Angeblich homophobe Bemerkung”? Geht’s noch?

Es ist schwierig, über Homophobie zu diskutieren, auch weil sich dafür kein passendes Wort durchgesetzt hat. “Homophobie” beschreibt eine Angst, also bestenfalls einen Aspekt des Phänomens.

Homophobie im Kulturjournalismus
Eine lesbische “Zeit”-Autorin verursacht einen Skandal, als sie über eine schwule Oper schreibt und der (vermutlich heterosexuelle) Chef des “Deutschen Bühnenverbandes” ihr mit homophoben Argumentationsmustern Homophobie vorwirft. Dies ist nur eines der Ereignisse, aufgrund derer gerade in Berlin über Homophobie im Kulturbetrieb diskutiert wird. Ein anderes ist ein Artikel der Opernkritikern Eleonore Büning, die im vergangenen September in der “FAS” eine Art schwule Opernverschwörung konstruiert hatte. Mittendrin in dieser Diskussion ist unser Kolumnist Johannes Kram. Hier schreibt er, warum über all das so schwer zu schreiben ist.

Dass sich der Begriff “Homophobie” so wacker hält, um etwas zu beschreiben, was eigentlich “Homosexuellenfeindlichkeit” heißen müsste, liegt auch daran, dass renommierte Zeitungen wie (nicht nur, aber auch) die “FAZ” das Wort “Homosexuellenfeindlichkeit” so gut wie nie verwenden. Eine Suche auf faz.net führt im Direktvergleich von “Homophobie” und “Homosexuellenfeindlichkeit” zu einem Ergebnis von 171 zu 6 Treffern. Man kann, ich finde sogar: man muss darüber streiten, ob “Homophobie” das passende Wort ist.

Aber kann man wirklich darüber streiten, für was das Wort “Homophobie” steht, auch wenn es gut wäre, wenn es dafür ein anderes gäbe?

Nach dem Erscheinen des Artikels von Eleonore Büning hatte ich Claudius Seidl, den Chef des “FAS”-Feuilletons, gefragt, ob er die Einschätzung von Frau Brüning teilt, dass die “Fäkalmassen”-Bemerkung nur “angeblich homophob” sei?

Seidl beantwortete meine Mail-Anfrage nur wenige Minuten später, zur Frage selbst wollte er sich allerdings nicht äußern, denn:

Mit dem Wörtchen homophob kann ich nichts anfangen — eine Phobie ist ja, wenn ich mich nicht irre, eine krankhafte übersteigerte Angst, für die der Mensch, der sie hat, nichts kann. Wer hingegen homosexuellenfeindlich redet oder handelt, kann in den meisten Fällen etwas dafür.

Ich schrieb ihm zurück, dass auch ich lieber einen anderen Begriff benutzen würde, versuchte aber weiter, eine Antwort auf meine Frage zu bekommen:

Da aber in den allermeisten Medien (auch in Ihrem) und in den allermeisten Zusammenhängen (auch in dem, auf das Frau Büning Bezug nimmt) homophob sagt, was homosexuellenfeindlich meint, erlaube ich mir, noch einmal so zu fragen: Halten Sie diese Bemerkungen für homophob bzw. homosexuellenfeindlich?

An dieser Stelle beendete Claudius Seidl die Kommunikation.

Ein Wort, das in der eigenen Zeitung permanent verwendet wird, um einen bestimmten Sachverhalt zu beschreiben, wird ausgerechnet dann für ungeeignet erklärt, wenn dieser Sachverhalt das eigene Medium betrifft.

Es ist echt schwierig, in Deutschland über Homophobie zu diskutieren.

***

Der “FAS”-Artikel von Eleonore Büning ist einer der Anlässe für die Podiumsdiskussion “Die Verschwörung der Opernschwulen” im Schwulen Museum* am 25. Mai in Berlin, bei der BILDblog-Kolumnist und Nollendorfblogger Johannes Kram, “Welt”-Opernkritiker Manuel Brug und “Zeit”-Opernkritikerin Christine Lemke-Matwey über Homophobie im Kulturbetrieb debattieren.

Blättern: 1 2 3 4 ... 12