Archiv für Vermischtes

Stille Post Ultra

Eigentlich hatten wir ja gedacht, dass die “Bild am Sonntag” in ihrer “Korrekturen”-Rubrik am vergangenen Sonntag klarstellen würde, dass es sich bei Rumänien nicht um Moldawien handelt. Andererseits gehen diese Fünfeinhalb auf einen Streich dann zweifellos vor:

Schwer verletzt, mit Schramme

Schon Günter Wallraff wunderte sich in seiner Zeit bei der “Bild”-Zeitung über deren Praxis, dass derjenige, der die Überschrift zu einem Artikel macht, nicht zwangsläufig dessen Inhalt kennt. Dreißig Jahre später scheint sich nicht viel verändert zu haben.

(Hervorhebungen von uns)

 

Kurz korrigiert (22)

Anders als “Bild” heute auf der Titelseite schreibt, wurde die Tochter des Bundespräsidenten keineswegs “beraubt”. Möglicherweise wurde sie betrogen (und zwar vor über fünf Jahren). Jedenfalls schreibt “Bild” im Text dazu etwas von einem “Betrugsprozess”. Und so, wie “Bild” den Sachverhalt schildert, wurde Köhlers Tochter weder Gewalt angetan, noch wurde sie mit “gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben” bedroht. Das ist beim Raub, anders als beim Betrug oder beispielsweise beim Diebstahl, aber Tatbestandsvoraussetzung. Nicht zuletzt deswegen wird Raub ja auch am härtesten bestraft.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Alex B.

Angst und Verunsicherung

“Mit der Angst wächst die Verunsicherung”, schreibt “Bild” heute über die Vogelgrippe. Mit dem “Bild”-Zeitung-Lesen wächst sie auch.

“Alle Vögel weggesperrt”, steht dort auf Seite 1, und den damit erweckten zeitlichen Eindruck bestätigt der Text im Inneren:

Ab sofort muß alles Geflügel in Ställe gesperrt werden.

Das stimmt nicht. Die entsprechende Eilverordnung tritt — wie manche Agenturen schon in der Überschrift melden und sich auf der Homepage des Verbraucherschutzministeriums nachlesen lässt — erst am Samstag in Kraft.

Weiter schreibt “Bild”:

(…) neue Vogelgrippe-Fälle in Rußland. Dort erreichte die ansteckende Seuche jetzt die europäische Region Tula. (…) Die Region wurde unter Quarantäne gestellt.

Tatsächlich wurde nur ein einziges Dorf, Jandowka, unter Quarantäne gestellt.

Danke an Andreas für den Hinweis!

Kurz korrigiert (20)

Anders als Bild.de aktuell und seit über fünf Stunden berichtet, heißt der Musiker Captain Jack, der eine Hirnblutung erlitten haben soll, mit bürgerlichem Namen nicht Francesco Guterrez, sondern Francisco Alejandro Gutierrez. Er ist außerdem nicht 42 Jahre alt, wie Bild.de berichtet, sondern 43. Beide Informationen findet man u.a. auf seiner Homepage www.captain-jack.de.

(Namen scheinen bei “Bild” ausschließlich per Stille-Post-Spiel übermittelt zu werden.)

Danke an Matthias K. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 20.15 Uhr: Anscheinend hat Bild.de doch nicht “Stille Post”, sondern “Copy & Paste” gespielt. Die Nachrichtenagentur AP verbreitet den falschen Namen (allerdings das richtige Alter).

Nachtrag, 22.30 Uhr: Inzwischen hat Bild.de den Namen korrigiert. Nun ist noch das Alter falsch.

Irgendwem ist irgendwas mit Schlangen passiert

Bei “Bild” haben sie wieder “Stille Post” gespielt.

Gerade einmal 14 Zeilen ist der Artikel lang. Er trägt die Überschrift “Mutiger Ami würgt Würgeschlange!”, steht heute auf der letzten Seite und geht in voller Länge so:

Er wollte die Zierfische vor einem vier Meter langen Python retten… Tim Monahan aus Florida (USA) sah im Gartenteich seines Nachbarn eine Schlange. Er stürzte sich ins Wasser, wollte sie herauszerren. Der Python biß ihm in die Hand — und fraß ein paar Fische. Monahan suchte das Weite.

Nach Berichten verschiedener Lokalmedien (es war sogar eine Kamera dabei) ist festzuhalten:

Der Mann heißt nicht Tim Monahan, sondern Tim Callahan.

Der Python ist nicht vier Meter lang, sondern drei Meter (10 Fuß).

Der Python biss nicht erst ihn und dann ein paar Fische. Trotz ihrer Gegenwehr landete die Schlange in einem Kopfkissenbezug und später in einem Käfig.

Entsprechend musste auch “Monahan”/Callahan nicht das Weite suchen, im Gegenteil.

(Die eigentlich interessante Geschichte, dass ausgesetzte Riesenschlangen den Behörden in Florida zunehmend Sorgen machen, oder der nicht ganz unwichtige Hinweis, dass Pythons ungiftig sind und normalerweise auch keine Fische fressen, stehen natürlich ohnehin nicht in “Bild”.)

Sexuelle Belästigung? Nichts leichter als das!

“Bild” berichtet heute ein wenig aus dem Arbeitsrecht. Einem Düsseldorfer Koch wurde beispielsweise gekündigt, weil er eine Kollegin anrief und ihr folgendes sagte:

“Du kleine süße Sau, jetzt nimm mal deine Hände von deinen Titten, fahre damit tiefer …”

Und ein Verkäufer aus Hamm wurde entlassen, weil er einer Kollegin einen Brief folgenden Inhalts schrieb:

“Bei Bedarf werd’ ich Dir Deine hübschen Pobacken versohlen, du Miststück!”

Und ein Hausmeister aus Halle an der Saale wurde gefeuert, weil er “eine Flasche Wasser seines Chefs trank.”

Wie? Sie finden, man kann sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht mit dem Diebstahl einer Flasche Wasser im Wert von 30 Cent vergleichen? “Bild” findet, man kann. Ihr dient der Fall vom Hausmeister, über den sie bereits gestern berichtete (“Irrer Fall vorm Arbeitsgericht – Gefeuert! Nur weil er aus der Wasser-Kiste vom Chef trank”), als Aufhänger für die heutige Arbeitsrechtsgeschichte. Die trägt folgende Überschrift:

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Anke S.

Nachtrag, 21:15 Uhr
Um noch deutlicher zu machen, wie “leicht” es für den Verkäufer aus Hamm tatsächlich war, seinen Job zu verlieren, sei hier ein etwas längerer Auszug aus dem letzten seiner Briefe an die Kollegin zitiert:

“Bei Bedarf werde ich Dir Deine hübschen Pobacken versohlen; wenn mir danach ist, nehm ich dazu einen Rohrstock (Miststück)! Wenn Du Sonntag nicht um 16.00 Uhr bei … (für uns unleserlich) am S………………… steht, garantiere ich Dir, daß ich Dich verdammtes süßes Miststück irgendwo erwische und dann nagele ich Dir einen Fuß fest und Du läufst nur noch im Kreis. Tschüß”

Der ganze Sachverhalt lässt sich übrigens hier nachlesen. Und das hat schon eine etwas andere Qualität, als Wasser vom Chef zu trinken.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Johannes B.

“Bild” entdeckt den Treibhauseffekt

Gestern war es wieder so weit. Auf der Titelseite von “Bild” ging turnusmäßig die Welt unter:

Klügster Mensch der Welt prophezeit: So geht unsere Erde unter

Der Artikel beginnt mit den Worten:

Die Erde wird so glutheiß enden wie unser Nachbarplanet Venus — die furchtbare Vorhersage des klügsten Physikers der Welt.

Man hätte auch schreiben können: die bekannte Vorhersage. Denn schon vor fünf Jahren machte Stephen Hawking sie publik. Ein Artikel aus der “Welt” vom 4. Oktober 2000 zitiert ihn mit der Prognose, “dass sich die Erdatmosphäre immer mehr aufheizt, bis sie wie die Venus zu brodelnder Schwefelsäure wird.”

Weiter tut “Bild” so, als habe Hawking mit seinem Untergangsszenario in der ARD-Talkshow “Beckmann” am Montag “ein Millionenpublikum erschüttert” und dann “bei einem Vortrag an der Berliner FU (…) noch einmal nachgelegt”. Das passt schon zeitlich nicht, da der Vortrag vor der Ausstrahlung der Sendung stattfand. Und in Wahrheit hatte die “Einstein Lecture Dahlem” von Hawking nicht die Erderwärmung zum Thema, sondern den Ursprung des Weltalls. Aber so genau nimmt es “Bild” eh nicht mit den Zitaten. Den Satz “Es drohen viele Gefahren. Aber die größte, die mich besorgt macht, ist die weltweite Erwärmung” schreibt die gedruckte “Bild” dem Vortrag in Berlin zu, Bild.de der “Beckmann”-Sendung.

Neben vielen anderen Ungenauigkeiten verblüfft auch, dass Hawking gesagt haben soll, die Erde werde am Ende “so aussehen wie die Venus: 250 Grad heiß und saurer Regen”. Die Oberfläche der Venus ist im Durchschnitt rund 470 Grad heiß.

Ach, und dann ist da noch das “Foto”, mit dem die “Bild”-Zeitung ihren Aufmacher illustriert und das sie treuherzig mit den Worten betextet: “Planet Erde, gehüllt in einen alles Leben abtötenden Hitzemantel — Hawkings Vision von unserer Zukunft”. Es handelt sich dabei um diese Illustration der Agentur “Science Photo Library” und ist nicht mehr und nicht weniger als eine künstlerische Darstellung einer brennenden Erde, um den durchaus schon vor Hawkings Auftritten einer breiteren Öffentlichkeit bekannten Treibhauseffekt zu symbolisieren.

Danke an Takuro K. und Filippo R.!

Möchten Sie den Artikel wirklich publizieren?

Die 15 “größten Computer-Lügen made in Hollywood” enthüllt Bild.de aktuell — gemeint sind Filmszenen, in denen Computertechnik eine Rolle spielt, die es in dieser Form aber gar nicht gibt. Die erste “Lüge” lautet so:

Wird eine Datei von der Festplatte gelöscht, verschwindet sie auch vom Monitor. Zumindest bei Jack Ryan (Harrison Ford) im Thriller “Das Kartell”. Doch wo bleibt da die Nachfrage des Computers “Möchten Sie das Dokument wirklich in den Papierkorb verschieben?”

Nun ja: Diese Nachfrage kann man nicht nur in Hollywood, sondern auch in Bottrop, Unterföhring und Babelsberg ganz leicht abschalten.

Das ist aber auch gar nicht die Computer-“Lüge”, die sich in “Das Kartell” (Originaltitel: “Clear and Present Danger”) findet: Dort verschwindet die Anzeige des Inhalts einer Datei, weil jemand die Datei löscht. Das geschieht beim Durchschnittscomputer im wahren Leben nicht (und hat nichts mit dem Papierkorb zu tun). Und wie kommt Bild.de auf den Unsinn? Durch falsches Übersetzen. Offenbar stammt die “Lüge” von dieser Liste, in der es heißt:

If you display a file on the screen and someone deletes the file, it also disappears from the screen (e.g. Clear and Present Danger).

Danke an Johannes B. für den Hinweis!

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