Weil der republikanische Ex-Außenminister Colin Powell bei der US-Wahl für den demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama stimmen will, schreibt “Bild”-Autor Heiko Roloff in seiner Bild.de-Kolumne “Mein New York”:
Das wäre eine echte Sensation. Ist es aber nicht, sondern bloß Unsinn. Schließlich schrieb beispielsweise Al Gore selbst bereits am 16. Juni auf seiner Website:
A few hours from now I will step on stage in Detroit, Michigan to announce my support for Senator Barack Obama. From now through Election Day, I intend to do whatever I can to make sure he is elected President of the United States. [In ein paar Stunden werde ich in Detroit, Michigan, öffentlich meine Unterstützung für Senator Barack Obama bekanntgeben. Bis zum Wahltag werde ich alles mir mögliche tun, damit er zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird.]
Mit Dank an Jerome H., Jonas D., Georg und fackelmann.
Nachtrag, 13.15 Uhr: Jetzt ist es auch Bild.de aufgefallen, dass nicht Al Gore, sondern Al Gores Vizekandidat, der demokratische Senator Joe Lieberman, die Seiten gewechselt hat (er firmiert allerdings schon seit 2006 als “Unabhängiger Demokrat”).
Ach ja? Und worin ihre Trickserei besteht, weiß “Bild”-Kommentator Einar Koch auch nicht:
Aha. “Möglichst unbemerkt” dann aber wohl im Sinne von: unter den Augen der Öffentlichkeit.
Denn nachdem vor etwas mehr als zwei Monaten bekannt wurde, dass die hessische SPD ein zweites Mal versuchen wollen könnte, Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, wurden die Vorbereitungen (Verschiebung des SPD-Parteitags auf die Zeit nach der Bayernwahl, für Anfang Oktober geplante Koalitionsverhandlungen mit den Grünen, möglicher Wahltermin im November, der Ruf nach Probeabstimmungen im Vorfeld und schließlich die gestrigen Probeabstimmungen selbst) minutiös verfolgt und von Politik und Medien — auch von “Bild” — öffentlich diskutiert.
Aber vermutlich traut “Bild” ihrer Tricksilanti, der alten Lügilanti, sogar zu, dass sie für ein bisschen Windschatten den Kollaps von CSU und internationaler Finanzwelt selbst eingefädelt hat.
Natürlich darf es einer Nachrichtenagentur nicht passieren, etwas zu melden, das nicht stimmt — und sei es nur für 24 Stunden für 16 Minuten. Solange dauerte es nämlich gestern morgen, bis die Agentur AP widerrief, dass nach der CSU-Wahlniederlage die CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer zurücktreten müsse.
Für “Bild” sind Fehler und Eingeständnis immerhin Grund genug, AP heute zum “Verlierer” des Tages zu machen (siehe Ausriss).
Dass jedoch “lediglich ein CSU-Bezirksvorstand (…) Haderthauers Rücktritt gefordert” hätte, wie “Bild” behauptet, ist wiederum ein Fehler, der so zwar auch im AP-Widerruf stand, aber in “Bild” so nicht stehen dürfte. Denn bereits gestern Nachmittag, also lange vorm “Bild”-Redaktionsschluss, war klar, dass Haderthauer selbst ihren Rücktritt angeboten hatte, ihr Angebot aber (zunächst) parteiintern abgelehnt worden war.
Heute morgen nun, als “Bild” mit ihrer “Verlierer”-Meldung millionenfach am Kiosk lag, hat sich die “Eil-Ente” von AP dann aber doch bewahrheitet: Haderthauer hat (wie auch CSU-Chef Erwin Huber) öffentlich ihren Rücktritt angekündigt.* Weshalb die Agentur mit ihrer “Falschmeldung!” spätestens morgen eigentlich – zumindestfürdie“Bild”–Redaktion – als glücklicher “Gewinner” dastehen müsste.
*) Laut Bild.de stand Haderthauers Rücktrittsbeschluss übrigens bereits gestern “gegen 23 Uhr” (also noch vorm finalen “Bild”-Redaktionsschluss) fest.
Beim News-Ticker von Bild.de muss die Redaktion in den meisten Fällen eigentlich nur eine Überschrift über eine fertig angelieferte Agenturmeldung schreiben. Keine leichte Aufgabe, wie uns Bild.de heute wieder beweist:
Denn, um es mit der Nachrichtenagentur AFP zu sagen:
Edmund Stoibers Sohn Dominic hat am Sonntag bei der parallel zur Landtagswahl stattfindenden Abstimmung zum Kommunalparlament auf Anhieb den Sprung in den bayerischen Bezirkstag* geschafft. (Hervorhebungen von uns.)
Mit Dank an Thorsten M. für den Hinweis.
*) Nachtrag, 30.9.2008(mit Dank an die Hinweisgeber): Genauer gesagt, hat es der Stoiber-Sohn in den oberbayerischen Bezirkstag” geschafft.
Die bisherige politische Karriere des 25-jährigen CDU-Nachwuchspolitikers F. endete am 10. September 2008.
Darüber, welchen Anteil F. selbst daran hat, lässt sich diskutieren. Über den Anteil von “Bild” nicht. Denn “Bild” zeigte am 10. September unter der Überschrift “Hakenkreuz-Skandal bei der Jungen Union” ein Foto des Berliner JU-Kreisvorsitzenden und schrieb:
Mindestens drei CDU-Mitglieder sollen in einen Hakenkreuz-Skandal verwickelt sein. Jetzt tauchte ein geheimes Videoband bei der CDU-Zentrale im Abgeordnetenhaus auf.
Die Hauptdarsteller: drei Parteimitglieder, darunter [F.] (25), Kreisvorsitzender der Jungen Union […].
Der Film zeigt die CDU-Mitglieder während einer Fahrt vor zwei Jahren: Sie haben ihre Oberkörper mit Hakenkreuzen beschmiert, schreien wüste Nazi-Parolen!
Das Video:
Die Videosequenz, die kurz vor dem “Bild”-Bericht der Berliner CDU zugespielt worden war, zeigt mehrere junge, sichtlich alkoholisierte Männer, darunter auch F. und andere JU-Mitglieder (u.a. mit polnischem, tschechischem und jüdischem Hintergrund), die sich zum Zeitvertreib wie in einer Talk-Show Fragen stellen. Irgendwann hält einer der Anwesenden kurz einen Sticker mit Hakenkreuz-Motiv vors Objektiv, den er an einem Rigaer Souvenirstand erworben hat; ein anderer findet es hingegen sichtlich lustig, zum Thema Ausländer mit rechten Parolen wie der Bekämpfung “des jüdischen Bolschewismus” in die Kamera zu provozieren.
F. ist währenddessen anwesend, aber nicht im Bild.
Nach eigenen Angaben unterhielt er sich, während die Situation entglitt, mit einem Kollegen, wenig später spricht er sich im selben Video für eine multikulturelle Gesellschaft aus.
Nach unseren Informationen veröffentlichte “Bild” diese Zeilen, ohne das “geheime Videoband” überhaupt gesehen zu haben. Und so ist es vielleicht auch kein Wunder, dass der Film (ein etwa 3-minütiger Ausschnitt aus einem längeren Privatvideo, entstanden vor knapp drei Jahren auf einer Schülerunionsreise in Riga) nicht das “zeigt”, was “Bild” behauptet: Mit Hakenkreuzen beschmierte Oberkörper etwa sucht man auf dem Video vergeblich (siehe Kasten).
Mehrere Teilnehmer der Riga-Reise haben, unmittelbar nachdem die Videosequenz der Berliner CDU zugespielt worden war, Konsequenzen aus dem Bekanntwerden gezogen und sind aus der Partei aus- bzw. von ihren Ämtern zurückgetreten.
F. indes, der in “Bild” als einziger namentlich genannt und gezeigt wird, sieht sich zu Unrecht diffamiert. Seine Beteiligung am “Hakenkreuz-Skandal” bestehe, wie er uns sagt, ausschließlich in seiner Anwesenheit während der fraglichen Szenen, sein Fehler wohl eher darin, dass er damals vor Ort nicht eingeschritten sei. Darüber hinaus jedoch habe er sich nichts vorzuwerfen — zumal er sich selbst seit längerer Zeit in Sozialprojekten für Intergration einsetzt und u.a. für den “Störungsmelder”, dem Anti-Nazi-Blog der “Zeit”, als Autor tätig war. (Dort ruht seine Autorenschaft derzeit “bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe”.)
F. prüft derzeit rechtliche Schritte gegen “Bild”. Dort erklärt man nach unseren Informationen die falsche Behauptung, F. und seine Kollegen hätten “die Oberkörper mit Hakenkreuzen beschmiert”, mit einem “Übermittlungsfehler”.
Hinweis: Dieser Artikel wurde nachträglich anonymisiert.
“Ha!”, könnte “Bild”-Kolumnist Hugo Müller-Vogg gerufen haben, als er vor zwei Wochen die ARD-Sendung “Hart aber fair” sah. Oskar Lafontaine, Parteivorsitzender der Linken und einer der Lieblingsgegner Müller-Voggs, ließ sich auch durch gutes Zureden von Moderator Frank Plasberg nicht dazu bringen, einen Fehler zuzugeben. Lafontaine hatte am 1. Juni 2008 in der Talkshow “Anne Will” behauptet, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe in Moskau studiert. Tatsächlich hat sie zwar offenbar an einem Jugendaustausch mit Physikstudenten dort teilgenommen, aber nicht regulär studiert. Lafontaine beharrte aber darauf, bei Anne Will die Wahrheit gesagt zu haben.
“Ha! Schon wieder!”, könnte Hugo Müller-Vogg also gerufen und sich auf die Schenkel gehauen haben, denn den Fehler hatte er ihm damals schon in seiner “Bild”-Kolumne vorgeworfen. Und so verfasste er einen neuen Text mit der Überschrift “Lafontaine wiederholt die Mär von Merkels Moskau-Studium” und schrieb:
Das war dumm, um nicht zu sagen: falsch. Vielleicht hatte sich Müller-Vogg ein bisschen zu triumphierend auf die Schenkel gehauen, aber genau das hatte Lafontaine nicht gesagt. Im Gegenteil: Trotz allen Beharrens hatte Lafontaine seine Aussage über Merkel relativiert und ausdrücklich betont, Merkel habe als Austauschstudentin kein “reguläres Semester” in Moskau absolviert. Das kann man sich sogar im Original auf der Internetseite zur Sendung ansehen.
Anstelle einer Berichtigung veröffentlichte “Bild” am vergangenen Dienstag eine Gegendarstellung Lafontaines:
Bei dem Hugo Müller-Vogg, der Lafontaine (möglicherweise nicht zu unrecht) vorwarf, dass ihm Fakten egal seien und er keine Fehler eingestehen könne, handelt es sich nach unseren Recherchen übrigens um denselben Hugo Müller-Vogg, der seinen Text mitsamt dem groben Fehler bis heute uneingestanden und unkorrigiert auf seiner Homepage verbreitet.
Nachtrag, 26. September, 13:00 Uhr. Der Artikel ist von Hugo Müller-Voggs Homepage verschwunden.
Nachtrag, 26. September, 15:50 Uhr. Hugo Müller-Voggs Internetseite gibt es in den drei Geschmacksrichtungen “classic”, “bold” und “modern”, was ihm die Möglichkeit zu einem differenzierten Umgang mit seinen Fehlern gibt. Anders gesagt: In der Variante “modern” hält er noch an seiner falschen Darstellung fest.
Nikolaus Blome, der Leiter des Parlamentsbüros der “Bild”-Zeitung, hat ein Buch darüber geschrieben, dass Politiker besser seien als ihr Ruf. “Faul, korrupt und machtbesessen?” heißt es — und wurde gestern vom designierten SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering vorgestellt. Die “taz” kommentiert:
Eigentlich ist Blomes Polemik ein seltsames Unterfangen. Dass ausgerechnet ein Bild-Redakteur die allgemeine Politikerverachtung geißelt, ist ungefähr so, als würde ein Heroindealer eine Kampfschrift für Abstinenzler schreiben. Denn Bild ist das Zentralorgan der Politikerverachtung, der gezielten Aufwiegelung und kalkulierten Wutwellen, die gegen raffgierige, faule, dumme Politiker ins Rollen gebracht werden. Auch wenn Politiker bloß tun, was das Bundesverfassungsgericht über ihre Diäten entschieden hat, stopfen sie sich laut Bild die Taschen voll. Davon sagt Müntefering kein Wort. Er macht noch nicht mal einen Witz darüber. Man redet im Haus des Henkers nicht über den Strick.
Faul, korrupt und machtversessen? Warum Politiker besser sind als ihr Ruf — das weiß Nikolaus Blome, der darüber ein Buch geschrieben hat. Er muss es wissen. Denn er ist Leiter des “Bild”-Parlamentsbüros.
Aber noch etwas lernt der Zuhörer an diesem Tag. Nicht nur Politiker sind besser als ihr Ruf, sondern auch die Journalisten, allen voran natürlich die der Bild-Zeitung, die jedem Politiker, der sich als all zu menschlich entpuppt und seine ganz persönlichen Schwächen offenbart, eine besonders große Schlagzeile widmet. Deshalb findet sich in dem Buch auch kein Kapitel mit der Überschrift “Journalistenbeschimpfung”. Nein, das habe er nicht vergessen, wehrt Nikolaus Blome eine entsprechende Frage ab. Denn die schreibende Zunft könne doch wirklich nichts dafür, dass das Volk so schlecht von seinen Politikern denke. “Die Journalisten sind nur Transmissionsriemen”, sagt der Buchautor und hebt unschuldig die Hände: “Wir haben die Vorurteile nicht erfunden”.
Heute sind sie bei “Bild” früher aufgestanden. Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat, kam schon um acht Uhr früh in die “Bild”-Redaktion, um Blattkritik zu machen — die erste, die am Mittag auch bei Bild.de gezeigt wurde, wie es in Zukunft Brauch sein soll bei “Bild”.
Das war nett von dem prominenten Politiker, sich als Premierengast zur Verfügung zu stellen, ungefähr so nett wie die Worte, die er über die “Bild”-Zeitung fand, bei ein bisschen milder Kritik.
Aber vielleicht war es für ihn auch einfach mal Zeit, Danke zu sagen.
Nicht nur für das niedliche Foto von ihm heute in Berlin-Teil der “Bild”-Zeitung, das ihn mit Kindern und 99 Luftballons zeigte:
Nicht nur dafür, dass (und wie!) “Bild” ihn schon vor zwei Jahren zum “Gewinner des Tages” gekürt hat:
Und nicht nur dafür, wie “Bild” ihn damals, gegen alleWahrheit, in der Affäre Kurnaz verteidigt hat.
Sondern für… alles.
16-mal durfte sich Frank-Walter Steinmeier seit 2006 von der “Bild”-Zeitung interviewen lassen (vermutlich häufiger als jeder andere Politiker). Und immer wieder hat ihn “Bild” dabei ins rechteLicht gerückt — natürlich ohne je jene journalistische Distanz zu ihm aufzugeben, die sie schon am 17. August 2006 eingenommen hatte:
Andere Medien über die erste öffentliche “Bild”-Blattkritik:
Seit einigen Monaten profiliert sich Nicolaus Fest(rechts), Sohn des bekannten Hitler-Biographen Joachim Fest und Mitglied der “Bild”-Chefredaktion, als radikaler Gegner all dessen, was er abfällig “Multi-Kulti” nennt. In der rechten Szene, die an diesem Wochenende in Köln versucht hat, einen Anti-Islam-Kongress zu veranstalten, wird er für seine langen Aufsätze auf Bild.de gefeiert. Unter dem Titel “HIEB- UND STICHFEST” polemisiert er immer wieder gegen Zuwanderung und Integration von Ausländern in Deutschland (wir berichteten).
Vorläufiger Höhepunkt war sein Beitrag in der vorigen Woche, in den man, wenn man wollte, fast ein Lob des Völkermordes lesen konnte. Fest rühmt darin die “Vorteile homogener Gesellschaften” und argumentiert, dass die Beseitigung von kultureller Vielheit Gesellschaften “Frieden und Stabilität” bringen könne.
Die preisgekrönte Reporterin und Autorin Carolin Emcke urteilt über seinen Text: “Das gab es so explizit wirklich lange nicht mehr zu lesen von Autoren, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Es ist ein pseudohistorisch verkleideter Rassismus und eine gar nicht verkleidete Aufforderung zur Homogenisierung unserer offenen Gesellschaften.”
In einem Gastbeitrag für BILDblog antwortet sie auf Nicolaus Fests Plädoyer.