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TV-Star schützt Kinderschänder

Oliver Pocher - TV-Star schützt KinderschänderDies ist vermutlich für jeden Prominenten eine der schlimmsten Schlagzeilen, die neben seinem Foto in der Zeitung stehen können:

Sicherlich wird sich selbst ein Blatt wie “Bild” bei solchen Vorwürfen Mühe geben, besonders sorgfältig vorzugehen und nicht fahrlässig den Ruf eines Unschuldigen zu zerstören.

— Um es vorwegzunehmen: Das Gegenteil ist der Fall.

Zuerst die “Bild”-Version der Geschichte:

Kinderschänder nicht angezeigt
TV-Star Pocher jetzt zum Polizei-Verhör

Jetzt rückt der Comedy-Star ins Visier von Polizei und Staatsanwalt!

In der Show von Johannes B. Kerner im ZDF gab Oliver Pocher (26, “Rent a Pocher”) zu, daß er vom Mißbrauch an einem Mädchen weiß. Er hat den Täter aber nicht angezeigt! […]

“Da kann man nicht einfach hingehen und jemanden beschuldigen und das vor Gericht durchbringen.”

Was denkt sich der TV-Star bloß bei solchen Aussagen – in Zeiten, wo fast täglich Kinder in Deutschland geschändet werden?

Im Text zum Foto nennt “Bild” Pochers Worte eine “Skandalaussage”.

Soweit die “Bild”-Zeitung. Jetzt die Wahrheit:

Oliver Pocher war am 8. Oktober, also vor fast zwei Wochen, bei Johannes B. Kerner. Nach dem üblichen Smalltalk fragte der Moderator den Komiker, ob es ein Thema gebe, bei dem er ernst werde. Pocher sagte: Ja, Kindesmissbrauch. Er sei für das Thema “extrem sensibilisiert”, weil er damit vor Jahren konfrontiert gewesen sei. Es habe unter anderem einen Fall in der “näheren Bekanntschaft”, in der “weiteren Nachbarschaft” gegeben.

Man hat versucht, dann dem Mädchen zu helfen. Man hat das teilweise erst so spät mitbekommen. … Aber konnte auch nicht wirklich so direkt gegen vorgehen, weil das gar nicht mal so einfach ist, weil letztendlich muss ja auch die Person selber zum Beispiel denjenigen anzeigen wollen, das ist halt alles ‘n bisschen komplizierter. Man kann nicht einfach nur hingehen und sagen: Der macht das. … Es ist schwieriger, das vor Gericht auch durchzubringen.

Pocher sagte, er habe den Fall erst “später mitbekommen, viel später”. Erst mit 14 Jahren sei er auf das Thema Kindesmissbrauch aufmerksam geworden. Der mutmaßliche Täter laufe noch frei herum:

Dann kommt’s einem ehrlich gesagt hoch. … Das ist etwas, das einem sehr nahe geht, gerade wenn man damit sehr viel zu tun hat.

Unter anderem wegen dieser Erfahrung engagiere er sich für ein Projekt eines Freundes, der ein Kinderhaus in Nepal gegründet habe.

Der Fall liegt, nach Pochers Beschreibung, mindestens zehn Jahre zurück. Pocher war anscheinend in keiner Weise beteiligt oder Zeuge. Wer das Video der Sendung gesehen hat, dürfte zu dem Schluss kommen, dass Pocher bei Kerner nicht über das Thema sprach, um Kindesmissbrauch zu verharmlosen, sondern im Gegenteil: um für die Alltäglichkeit solcher Fälle zu sensibilisieren.

Im Übrigen sagt es viel über die “Bild”-Zeitung aus, wenn sie das (verkürzte) Zitat Pochers, “Da kann man nicht einfach hingehen und jemanden beschuldigen und das vor Gericht durchbringen”, für eine Skandalaussage hält. Man könnte es auch für das Wesen eines Rechtsstaates halten. Nicht natürlich ein Blatt, das fast täglich einfach hingeht und jemanden beschuldigt…

Mehr dazu hier.

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“Lust-Seuche” wieder ausgebrochen

Dieser Artikel auf “Bild”-Online stammt vom 14. Oktober des Jahres 2004. Er trägt folgende Überschrift:

Lust-Seuche besiegt? Forscher erfindet Creme gegen AIDS

Damit das klar ist: Es geht in dem Artikel nicht darum, dass AIDS auch nur ansatzweise besiegt ist, es besteht lediglich die Möglichkeit, dass ein Mittel gefunden wurde, das die Übertragung des Virus verhindert – zusätzlich zum Kondom.

Dass “Bild” es mit der Berichterstattung über die Immunschwächekrankheit AIDS zuweilen nicht so genau nimmt, wissen wir ja schon. Dass der Pressekodex in Ziffer 14 ganz spezielle Richtlinien für die Berichterstattung über medizinische Themen enthält, erwähnen wir nur der Vollständigkeit halber – Wie aber kommt “Bild” dazu, hier plötzlich den Begriff “Lust-Seuche” zu verwenden?

Nur zur Erinnerung: die Ansteckung mit HIV kann durch vier Körperflüssigkeiten erfolgen, das sind Samen- und Scheidenflüssigkeit sowie Blut und Muttermilch – ob man bei der Übertragung Lust empfindet oder nicht, ist gänzlich unerheblich.

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Kein Anschluss unter dieser Nummer

Vielleicht war es einfach so, dass Jan Ullrich nach dieser, dieser oder dieser Geschichte keine Lust mehr hatte, mit irgendwelchen “Bild”-Zeitungs-Mitarbeitern zu telefonieren. Vielleicht hat er sich einfach eine neue Nummer für sein Mobiltelefon geben lassen und allen Journalisten Bescheid gegeben, nur den “Bild”-Leuten nicht. Weshalb die beim Versuch, ihn zu erreichen, nur eine Frauenstimme hörten: “Diese Nummer ist uns nicht bekannt.”

Das wäre eine naheliegende Erklärung. Aber natürlich noch keine “Bild”-Zeitungs-Geschichte. Eine “Bild”-Zeitungs-Geschichte wird es so:

Rechnung nicht bezahlt!
T-Mobile sperrt Ullrichs Handy

Den Anschluß an die Weltspitze hat Rad-Star Jan Ullrich (30) in dieser Desaster-Saison (nur 4. bei der Tour, Blech bei Olympia) verloren. Und seinen Telefon-Anschluß ist er jetzt auch erst mal los…

Die Überschrift ist geschickt: Sie suggeriert, dass Ullrich die Rechnung nicht bezahlt habe. Dabei war es laut Artikel T-Mobile selbst:

Ullrich und einigen Team-Kameraden stehen die Mobil-Telefone kostenlos zur Verfügung. Die Rechnungen werden eingereicht und dann von T-Mobile bezahlt. Doch Ullrichs Rechnung ist im Unternehmen seit Monaten verschwunden. Deshalb kappte T-Mobile nun wie bei jedem säumigen Normalo-Teilnehmer die Verbindung.

Ist das nicht völlig irre? Ah ja:

Völlig irre.

Und ein bisschen unwahrscheinlich. Die “Frankfurter Rundschau” hat deshalb mal bei T-Mobile nachgefragt, ob das denn überhaupt stimmt. Anscheinend stimmt es nicht. Ein T-Mobile-Sprecher sagt, dass man Ullrichs Anschluss gesperrt habe, weil ihm die Karte geklaut worden sei. Tja. Nicht so aufregend. Es sei auch nicht zu befürchten, dass Ullrich den Kontakt zur Außenwelt verliert:

Dem Kapitän des T-Mobile-Teams stehen [T-Mobile-Sprecher] Schindera zufolge etliche Karten und Handys kostenlos zur Verfügung. Die Promi-Anschlüsse sind markiert – und werden deshalb nie gesperrt.

Ja, langweilig. Die spannendsten Geschichten schreibt halt doch nicht das Leben. Die muss sich die “Bild”-Zeitung schon selber ausdenken.

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Anonymität à la “Bild”

Es gibt Dinge, die beherrschen sie bei der “Bild”-Zeitung. Das Anonymisieren von Personen gehört nicht dazu (vgl. etwa hier, hier, hier und hier). Da ist diese 16-jährige Vanessa aus Bayern, die im Gefängnis in Ankara sitzt, weil in dem Wagen, in dem sie und ihr Freund unterwegs waren, elf Kilo Heroin gefunden wurden. Den Versuch der “Bild”-Zeitung, das Gesicht der “süßen Schülerin” unkenntlich zu machen, muss man wohl halbherzig nennen: Sie hat nicht einmal den üblichen schwarzen Balken über den Augen bekommen. Stattdessen wurde dieser Bereich ein wenig gepixelt, was der Erkennbarkeit wirklich keinen Abbruch tut.

Die Online-Redaktion wollte die Minderjährige (und ihre Angehörigen) offenbar ein bisschen besser schützen und hat dasselbe Bild anders retuchiert: nämlich mit dem klassischen schwarzen Balken. Richtig gelungen ist das mit der Anonymität allerdings nicht. Denn in die Zusatzinformation, die erscheint, wenn man im Internet Explorer mit dem Mauszeiger über das Bild fährt, hat irgendein Scherzkeks oder Dilettant den kompletten Namen der Verdächtigen geschrieben (siehe Abbildung rechts — der rote Balken über dem Nachnamen ist von uns).

Danke für den Hinweis an Gerhard M., der sagt, dass sowas bei bild.de häufiger vorkommt. In Browsern wie Firefox, Mozilla etc. wird die Namensangabe, die im “ALT”-Tag steckt, übrigens nur sichtbar, wenn man die Anzeige von Bildern abschaltet. Dann zeigt der Browser statt der Grafik den Ersatztext – in diesem Fall die Namensangabe.

Nachtrag 12.10., 9.00 Uhr: Anscheinend ist die halbversteckte Namensnennung bei bild.de tatsächlich gängige Praxis. Wer den vollen Namen eines “Heroin-Mädchens” wissen will, die als 18-jährige in der Türkei verhaftet wurde, muss ebenfalls nur mit der Maus über ihr Foto fahren. (Der rote Balken ist wieder von uns.)

Nachtrag 12.10., 17.00 Uhr: Auch bei “Bild” wird BILDblog gelesen. Seit heute Mittag ist der Nachname von Vanessa verschwunden. Dass das ganze Prinzip der Schein-Anonymisierung durch winzige schwarze Balken eine Farce ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Nachtrag 12.10., 18.00 Uhr: Zugegeben: Das zweite Beispiel mit dem Heroin-Mädchen ist schief. Dessen Name ist längst bekannt aus Auftritten in Funk und Fernsehen.

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