Es geht ausnahmsweise mal nicht um die Leistung der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM, wenn die “B.Z.” schreibt:
Und plötzlich liegt ein dunkler Schatten auf dem Gute-Laune-Fest:
Nein, nach dem Doppelpunkt kommt etwas ganz anderes:
Beim Christopher Street Day (CSD) soll der ehemalige Big Brother-Kandidat Harald Fassanelli (43) mehrere Menschen vor Wut gebissen haben – dabei ist er HIV positiv!
Dieses “dabei”, das da etwas ungelenk in dem Satz rumsteht, ist verräterisch — impliziert es doch, dass die Infektion des Mannes in einem Zusammenhang mit seiner Tat steht. Und damit nicht genug: In Überschrift, Vorspann und dem (nicht sehr langen) Artikel erwähnt die “B.Z.” insgesamt vier Mal, dass der Mann HIV-positiv ist.
In einem weiteren Artikel schreibt sie:
Kurz vor Schluss des bunten Umzuges dann der Schock: ein HIV-Infizierter biss bei einem Streit acht andere Teilnehmer!
Und man fragt sich, ob der “Schock” wohl ausgeblieben wäre, wenn der Mann nicht durch frühere TV-Auftritte als HIV-positiv bekannt gewesen wäre.
Das heißt: Nein, man fragt es sich eigentlich nicht. Die “B.Z.” beantwortet das gerne:
Einem 36-Jährigen soll Fassanelli in den Oberarm gebissen haben, einem 27-Jährigen in die Hand. Die Verletzungen sollen nur oberflächlich sein, sodass eine Infektion mit dem HI-Virus als unwahrscheinlich gilt. Bei einem weiteren Opfer hingegen soll nach einem Biss Fassanellis die Schulter geblutet haben, so der Einsatzleiter der Polizei zu einem Reporter der RBB-Abendschau.
Haben Sie’s gemerkt? Mitten in diesem Absatz war ein Bruch — denn auch, wenn eines der Opfer geblutet hat, bleibt eine Infektion unwahrscheinlich: Im menschlichen Speichel kommen die HI-Viren in einer derart geringen Menge vor, dass sie nicht für eine Übertragung ausreicht.
Genau genommen weiß das auch die “B.Z.”, die in Ihrer Ausgabe jemanden zu Wort kommen lässt, der sich mit dem Thema auskennt:
Dr. Immanuel Hardtmann (45), Internist am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum (Schöneberg), Schwerpunktkrankenhaus für HIV: “Wenn ein HIV-Infizierter andere Menschen mit Biss-Wunden verletzt, ist eine Übertragung der Infektion theoretisch denkbar, jedoch nicht unbedingt wahrscheinlich. Speichel enthält keine nennenswerten Mengen an HI-Viren. Da für eine Übertragung entweder ungeschützter sexueller Verkehr oder Blut-zu-Blut-Kontakt erforderlich ist, müsste im Fall der Biss-Verletzung nicht nur eine Blutung bei dem gebissenen Opfer, sondern auch bei dem Täter, beispielsweise am Zahnfleisch, vorliegen.”
Derartig rationale Erklärungen könnten natürlich etwas untergehen in einer Zeitung, deren Titelseite so aussieht:
Entsprechend übt sich auch der “Berliner Kurier” auf seiner Internetseite in Panikmache:
Die Opfer der Attacke werden die nächsten sechs Monate nicht wissen, ob sie nun eventuell angesteckt wurden. So lange dauert es, bis ein Arzt eine HIV-Infizierung definitiv ausschließen kann. Sollte Fassanelli eine offenen Wunde im Mund oder Zahnfleischbluten haben, ist eine Übertragung des Virus durchaus möglich.
Der Kölner “Express” versuchte sich an einer Formulierung, die mutmaßlich beruhigend klingen soll, jetzt aber implizit nahelegt, dass HIV durch Speichel übertragen werden könnte:
Die Opfer der Beißattacke mussten nicht ärztlich behandelt werden – auch eine HIV-Ansteckungsgefahr bestand nicht, da die Verletzungen nicht geblutet haben.
Auch “Bild” möchte offenbar nicht groß zur gesundheitlichen Aufklärung beitragen:
Der Big-Brother-Star biss wild um sich. Schlimmer noch: Er ist HIV-positiv…
Und weiter im Text:
Und zu seiner Entschuldigung: “Ich dachte in diesem Moment nicht daran, dass ich andere anstecken könnte.”
Wahnsinn, wenn es so wäre…
Wie verheerend die ungenau Berichterstattung zu diesem Thema ist, zeigt das Internet-Portal MSN, das all die impliziten Andeutungen endgültig zu expliziter Desinformation gerinnen lässt:
Mit Dank an Patrick D. und Manny.