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Heute anonym: Claudia D.

Das Verhältnis zwischen Jörg Kachelmann und der Axel Springer AG ist so nachhaltig gestört, dass es schwer fällt, sich bei diesen Sätzen keine feixenden “Bild”-Redakteure vorzustellen:

Schlappe für den ehemaligen ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann (54): Seine Ex-Geliebte Claudia D. (39) ließ die Auslieferung seines neu erschienenen Buches vom Landgericht Mannheim verbieten.

Eine Begründung lieferte Bild.de gestern gleich mit:

Per einstweiliger Verfügung ist es Kachelmanns Verlag untersagt, das Buch “Recht und Gerechtigkeit – Ein Märchen aus der Provinz” weiter zu verbreiten, so lange die Ex-Geliebte darin mit vollem Namen genannt wird. Das teilten Kachelmanns Anwälte am Mittwoch in Schwetzingen mit.

In der Begründung heißt es, in Kachelmanns Buch würde das “allgemeine Persönlichkeitsrecht” der Ex-Geliebten verletzt.​ Für jeden Fall der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro.​

Kachelmanns Anwälte hätten in dieser Sache gar nichts mitgeteilt, erklärte uns Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker auf Anfrage.

Der Halbsatz “so lange die Ex-Geliebte darin mit vollem Namen genannt wird” fehlt heute in der gedruckten “Bild”, aber beide Texte, die über die Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegenüber der Frau berichten, sind mit einem Foto der Frau illustriert.

Allerdings müssen “Bild” und Bild.de nicht gerade fürchten, nun wegen Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte von Claudia D. zur Rechenschaft gezogen zu werden: Im Juni 2011 erschien in der “Bunten” ein großes Porträt inkl. Interview mit ihr, das mit Bildern illustriert ist, auf denen sie sich “für BUNTE fotografieren ließ”, wie die Zeitschrift anmerkte.

Im Herbst 2011 erschien in der Zeitschrift “Emma” (von “Bild”-Gerichtsreportagepraktikantin Alice Schwarzer) und auf emma.de ein Interview mit ihrem Therapeuten und Traumatologen Günter H. Seidler, in dem sogar der volle Name von Claudia D. genannt wird.

Gegen diese Art der Berichterstattung ist Frau D. offensichtlich nicht vorgegangen, sie hat sie sogar forciert, wie Kachelmanns Anwalt Höcker meint:

Frau D. muss ihrem Therapeuten für dessen EMMA-Interview von seiner ärztlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden haben. Außerdem muss sie selbst über ihren Anwalt die Presse darüber informiert haben, dass derzeit vor dem LG Frankfurt ein Schadensersatzprozess Kachelmanns gegen sie läuft. Von unserer Seite ging zu dem Thema gar keine Stellungnahme heraus. Frau D. selbst hält also die Berichterstattung am Köcheln.

Mit Dank auch an Mareike H., Mikroblume und Barbara.

Nachtrag, 15.25 Uhr: Auch “Spiegel Online” berichtet über die Einstweilige Verfügung und verlinkt dabei auf eine Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim, in der es unter anderem heißt:

Des weiteren habe sich die Antragstellerin durch die von ihr gegebenen Interviews nicht ihrer Rechte begeben, da diese anonymisiert verbreitet worden seien. Auch die im Einzelfall erfolgte bildliche Darstellung der Antragstellerin erfordere keine abweichende Entscheidung, da die Antragstellerin damit nur für ihr nächstes Umfeld identifizierbar sei.

Die Namensnennung in “Emma” scheint am Gericht vorbeigegangen zu sein.

2. Nachtrag, 12. Oktober: Wird immer verwirrender: Die Onlineversion des “Emma”-Artikels ist auf emma.de verschwunden. Vor zwei Wochen war der Text dort noch verfügbar. Wir haben gestern bei der “Emma”-Redaktion angefragt, aus welchen Gründen der Artikel offline genommen wurde, haben bisher aber keine Antwort erhalten.

Verlierer unter sich

Kachelmann: Freispruch, aber ...Der sogenannte Kachelmann-Prozess ist vorbei und eigentlich gibt es nur Verlierer: Jörg Kachelmann (so die Prozessbeobachterin Alice Schwarzer), weil er auf den Freispruch im Zweifel für den Angeklagten “nicht stolz sein” könne (mehr zum Rechtsgrundsatz “in dubio pro reo” in diesem lesenswerten “FAZ”-Artikel), das mutmaßliche Opfer, dessen Leben nun “in Scherben” liege (erneut Alice Schwarzer), das Gericht, weil es die Medien so seltsam unbefriedigt zurückließ, und – vor allem – die Medien selbst, die sich während des ganzen Prozesses nun wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert hatten und dafür vom Vorsitzenden Richter auch noch mal die Leviten gelesen bekamen (BILDblog berichtete).

Jetzt ist der Prozess vorbei, aber ein paar Verlierer gilt es noch nachzutragen:

Bild.de musste gestern eine Gegendarstellung Kachelmanns zu einem Artikel von Anfang Mai veröffentlichen:

Gegendarstellung. In dem Internetportal www.bild.de wurde am 05.05.2011 ein Artikel mit der Überschrift „Das Kachelmann-Gutachten – Sein Sexleben war variantenreich“ veröffentlicht, der unrichtige Behauptungen enthält: a. Unwahr ist, dass ich grinste. b. Ferner ist unwahr, dass ich währenddessen meine Hände knetete. Wahr ist vielmehr, dass ich weder grinste, noch meine Hände knetete, während der Facharzt für Neurologie Hartmut Pleines am 05.05.2011 sein Gutachten vor dem Landgericht Mannheim erstattete. Köln, den 09.05.2011. Jörg Kachelmann

Ebenfalls gestern berichtete Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker per Pressemitteilung von einem Vergleich zwischen der “Bild”-Gerichtskolumnistin Alice Schwarzer und Kachelmanns früherem Strafverteidiger Reinhard Birkenstock: Schwarzer hatte wiederholt fälschlicherweise behauptet, Birkenstock habe das mutmaßliche Opfer als Stalkerin bezeichnet und erklärt, Kachelmann kenne die Frau gar nicht (BILDblog berichtete). Frau Schwarzer muss dafür jetzt 14.000 Euro zahlen.

Schlechte Aussichten für die Schwarzer-Kasse

Am 16. Oktober erschien in “Bild” diese Richtigstellung (BILDblog berichtete):

Berichtigung: Anders als in BILD am 15.10.2010 berichtet, hat Jörg Kachelmanns Verteidigung das mutmaßliche Opfer nicht als Stalkerin bezeichnet und auch nicht verlauten lassen, der Moderator kenne es gar nicht.

Diese Berichtigung erfolgte möglicherweise nicht ganz freiwillig: Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker hatte die Autorin des Artikels, die “Bild”-Praktikantin Alice Schwarzer, persönlich abgemahnt. Bild.de hat die beanstandete Stelle (freiwillig, wie Höcker betont) aus dem Artikel entfernt, Schwarzer gab eine Unterlassungserklärung ab, in der sie erklärt hatte, die Behauptung nicht weiter zu verbreiten.

Doch der Text blieb unverändert an zwei anderen Stellen stehen: in Schwarzers Blog und auf emma.de. Weil Schwarzer somit gegen die Unterlassungserklärung verstieß, wurde eine Vertragsstrafe fällig — 5.001 Euro, wie der “Spiegel” berichtet.

Alice Schwarzer änderte die Formulierung von “Die Verteidigung behauptete …” in “Zunächst hieß es …” , doch das reichte nach Ansicht des Kölner Landgerichts nicht aus. ​Es ​erließ ​deshalb ​zwei ​weitere ​Einstweilige ​Verfügungen, ​diesmal ​gegen ​die ​EMMA-Frauenverlags ​GmbH ​und ​den damaligen ​Inhaber ​der ​Domains ​emma.de ​und ​aliceschwarzer.de, der auch heute noch die beiden Internetauftritte betreut. Zudem verlangte Kachelmanns Verteidigung von Schwarzer eine weitere Vertragsstrafe von 20.000 Euro, da die zuvor verhängten 5.001 Euro “wohl nicht abschreckend genug gewesen seien”.

Hinzu kam ein älterer Artikel, der die angegriffene Behauptung über Kachelmanns Verteidigung im Kern enthielt. Da Alice Schwarzer eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, hätte sie auch Sorge tragen müssen, dass sie diese Behauptung nirgendwo mehr verbreitet. Doch auch nach der Abgabe einer Abschlusserklärung blieb einer der Texte auf aliceschwarzer.de unverändert, weswegen Kachelmanns Verteidiger die Vertragsstrafenforderung “wegen besonders penetranter Uneinsichtigkeit” am vergangenen Freitag noch einmal um 50.000 Euro auf insgesamt 75.001 Euro erhöhte. Hinzu kommen die Anwalts- und Gerichtskosten für die verlorenen Verfügungsverfahren.

Außerdem laufen vor dem Landgericht Köln noch zwei Ordnungsgeldverfahren gegen Schwarzer, da sie gegen die Einstweiligen Verfügungen des Gerichts verstoßen habe.