Seit Tagen kleidet sich die ehemalige Schauspielerin in allen möglichen Blau-Schattierungen — von strahlendem Kornblumenblau über Navyfarben bis hin zu Nachthimmelblau gemixt mit Babybleu.
Mon dieu!
Soll uns die Farbwahl der 37-Jährigen vielleicht etwas sagen? Immerhin gilt Blau als klassische Farbe für Jungen. Die typische Mädchenfarbe Rosa oder Rosé trug Meghan seit der Verkündung ihrer Schwangerschaft bislang dagegen nicht.
Kleiner Tipp, liebe Sherlocks von “Bild”, schaut doch mal schnell bei euren Kollegen vorbei:
“Harry & Meghan — Hurra, eine kleine Prinzessin!”, verkündet “Das goldene Blatt” auf dem aktuellen Cover. Denn:
Seit der Hof bestätigt hat, dass Prinz Harry (34) und Herzogin Meghan (37) im Frühjahr Eltern werden, überschlagen sich die Ereignisse. Sogar Königin Elizabeth (92) hat jetzt das Geschlecht verraten. (…) “Die Königin trug stolz lächelnd ein rosa Kostüm – und sendete damit die Botschaft aus, dass ihr nächstes Urenkelchen ein Mädchen wird”, weiß ein Hofkenner.
Gern geschehen, “Bild”. Habt ihr gleich die nächste Schlagzeile: “Hurra, Zwillinge!”
Beim Blick auf die Titelseiten britischer Boulevardblätter, könnte man fast täglich sagen: “Jetzt haben die aber eine Grenze überschritten.” Für Prinz Harry war es in der vergangenen Woche offenbar soweit. Sein “Communications Secretary” hat heute ein Statement im Namen des Prinzen veröffentlicht:
But the past week has seen a line crossed. His girlfriend, Meghan Markle, has been subject to a wave of abuse and harassment. Some of this has been very public — the smear on the front page of a national newspaper; the racial undertones of comment pieces; and the outright sexism and racism of social media trolls and web article comments.
Dieser Absatz ist für viele Leute deswegen so bemerkenswert, weil dort zum ersten Mal offiziell bestätigt wird, was bisher nur ein Gerücht war: Dass die Schauspielerin Meghan Markle die neue Freundin von Prinz Harry ist. Er ist aber auch deswegen so bemerkenswert, weil ein derart direkter Angriff des Kensington Palace in Richtung eines Teils der britischen Medien nicht häufig vorkommt.
Weiter heißt es in dem Statement:
Prince Harry is worried about Ms. Markle’s safety and is deeply disappointed that he has not been able to protect her. It is not right that a few months into a relationship with him that Ms. Markle should be subjected to such a storm.
Es werden keine konkreten Artikel genannt, die “such a storm” verursacht hätten. Aber es sind die üblichen Verdächtigen, die in den vergangenen Tagen richtig aufgedreht haben. Da wäre zum Beispiel “The Sun”, die vor vier Tagen so titelte:
In dem kleinen Teaser unten rechts geht es um Meghan Markle. Es sollen “steamy scenes” von ihr bei “Pornhub” zu sehen sein, schreibt “The Sun”, was nicht völlig falsch ist, allerdings handelt es sich dabei nicht um Pornos, sondern um Bett-Szenen aus der Serie “Suits”, in der Markle mitspielt. Und diese Szenen hat eben irgendjemand bei “Pornub” hochgeladen. Mit “smear on the front page of a national newspaper” dürfte dieses “Sun”-Cover gemeint sein.
Bei den “racial undertones of comment pieces” könnte sich der “Communications Secretary” des Prinzen auf die “Mail on Sunday” beziehen. In einem Kommentar schreibt Rachel Johnson dort über Meghan Markle:
Genetically, she is blessed. If there is issue from her alleged union with Prince Harry, the Windsors will thicken their watery, thin blue blood and Spencer pale skin and ginger hair with some rich and exotic DNA. Miss Markle’s mother is a dreadlocked African-American lady from the wrong side of the tracks who lives in LA
Wie radikal die britischen Boulevardmedien ihre eigene Rolle in dem aktuellen Fall verstehen, zeigt eine Drohung ein Zitat von Katie Nicholl, Königshaus-Korrespondentin der “Mail on Sunday”, das der “Guardian” rausgesucht hat:
“Any journalist worth their salt will leave no stone unturned,” said Katie Nicholl, royal correspondent of the Mail on Sunday, in an interview on LBC radio. “If he really wants this to go away there is one or two things he could do. You give the press what they want. You make a statement, or you give an interview or you issue a picture. There has not been one picture of them together. Fleet Street will not rest until they have got their picture of them together and they have got some words either from Prince Harry or Meghan about the relationship.”
Ein Halbsatz aus der Veröffentlichung des Kensington Palace schlägt dann übrigens noch die Brücke zur deutschen Regenbogenpresse, wenn auch nicht zwingend gewollt:
He [Prinz Harry] has rarely taken formal action on the very regular publication of fictional stories that are written about him
Gerade erst gestern hat “Das goldene Blatt” diese Tatsachenbehauptung über Harry und seine frühere Freundin Chelsy Davy in die Welt gesetzt:
Das dürfte angesichts des heute veröffentlichten Statements sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich sein.
Vor einem halben Jahr wurde bei einer griechischen Roma-Familie ein blondes Mädchen entdeckt und von den Behörden in Obhut genommen. Schnell stand für viele Medien fest, dass das Kind entführt worden war und nun “aus den Fängen einer Roma-Bande befreit” wurde (Bild.de). Kurz darauf kehrte das Mädchen jedoch wieder zu seiner Familie zurück — der Verdacht der Kindesentführung hatte sich nämlich als unbegründet herausgestellt.
Genauso verhielt es sich in einem weiteren Fall, diesmal in Irland, der sich kurze Zeit später abspielte. Polizisten hatten auch dort ein blondes Kind aus einer Roma-Familie geholt, später belegte aber ein DNA-Test, dass es tatsächlich zur Familie gehörte.
Und obwohl der Verdacht schon ausgeräumt war, schriebBild.de:
[…] am Dienstag wurde ein Mädchen aus einer Siedlung nahe Dublin gerettet. Wie viele blonde und blauäugige Mädchen leben noch bei Roma-Familien in Europa – und warum?
Nach Ansicht des Presserats ist diese Bildunterschrift diskriminierend. Die Formulierung “gerettet” sowie die Suggestivfrage seien “dazu geeignet, Vorurteile gegen die Volksgruppe der Roma zu schüren” (Ziffer 12 des Pressekodex). Der Beschwerdeausschuss, der vergangene Woche getagt hat, sprach deshalb eine Rüge gegen das Portal aus.
Inzwischen hat Bild.de das Wort “gerettet” durch “geholt” ersetzt und unter der Bildunterschrift sogar die Rüge veröffentlicht. Am Titel der Klickstrecke hat sich aber nichts geändert — der lautet weiterhin: “Polizei rettet Mädchen vor Gipsy-Bande”.
Die “Maßnahmen” des Presserates:
Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:
einen Hinweis
eine Missbilligung
eine Rüge.
Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.
Der Presserat kritisierte noch einen weiteren Bild.de-Artikel, darin ging es um einen Gerichtsprozess in Berlin. Die Überschrift lautete:
Stöckelte Terror-Transe einer Frau das Auge kaputt?
Insbesondere der Begriff “Terror-Transe” könne Vorurteile schüren und Transsexuelle herabwürdigen, befand der Ausschuss und sprach einen “Hinweis” gegen Bild.de aus.
Insgesamt verteilte der Presserat fünf Rügen, 14 Missbilligungen und 15 Hinweise.
Eine Rüge bekam der Online-Auftritt der niedersächsischen Zeitung “Die Harke”. Das Portal hatte ein Foto der Privatwohnung von Sebastian Edathy veröffentlicht, das ein Reporter während der polizeilichen Durchsuchung durch das Fenster geschossen hatte. Der Presserat wertete die Veröffentlichung als einen schweren Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit (Ziffer 8). Der private Wohnsitz genießt nach Richtlinie 8.8 des Pressekodex besonderen Schutz.
Eine weitere Rüge erging an FAZ.net, weil die Redaktion über eine mögliche psychische Erkrankung des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst spekuliert hatte. Der Bruder des Bischofs habe darüber angeblich mit “Vertrauten” gesprochen, schrieb FAZ.net. Eine Stellungnahme des Bischofs oder seines Bruders enthielt der Artikel aber nicht. Damit habe die Redaktion die Privatsphäre des Bischofs verletzt und gegen den Pressekodex verstoßen, befand der Presserat. Über Krankheiten dürfe nur mit Zustimmung der Betroffenen berichtet werden (Richtlinie 8.6). Der Artikel stand übrigens auch in der Print-Ausgabe der “FAZ”, aber über die hat sich offenbar niemand konkret beim Presserat beschwert.
Die “Dithmarsche Landeszeitung” wurde für die Veröffentlichung eines Leserbriefs gerügt, der unter anderem Antisemitismus und staatliche Euthanasie in der NS-Zeit relativiert hatte.
Die fünfte Rüge kassierte schließlich “Das goldene Blatt” aus dem Funke-Verlag. Die Redaktion hatte einen Artikel, der 2009 entstanden und in mehreren Zeitungen erschienen war, fast vier Jahre später einfach noch mal veröffentlicht — ohne Zustimmung der Betroffenen. Die Lebensumstände der Frau, um die es in dem Text geht (“‘Ich lebe im Wohnmobil'”), hatten sich in der Zwischenzeit aber grundlegend verändert. “Das goldene Blatt” habe damit gegen den Schutz der Persönlichkeit verstoßen, befand der Presserat: Vor einer neuen Veröffentlichung hätte die Redaktion die Fakten überprüfen und eine erneute Einwilligung der Frau einholen müssen.
Nicht geahndet wurde hingegen das “Titanic”-Cover zu Michael Schumacher. Das Satire-Magazin hatte getitelt:
Erstes Foto nach dem Unfall: So schlimm erwischte es Schumi
… und dazu ein Foto von Niki Lauda gezeigt.
Der Presserat bewertete das Cover als “eine kritische Auseinandersetzung mit dem Medienrummel um Michael Schumachers Gesundheitszustand und der Jagd der Reporter nach Fotos von dem Verunglückten” (BILDblogberichtete). Weil das Foto neutral sei und die Unfallverletzungen von Lauda nicht in den Mittelpunkt gestellt würden, sei es nicht herabwürdigend.